allen Gläubigen der Personalprälatur gewidmet
© ORÁCULO
Zusammenfassung:
1. Opus Dei – ein Krebsschaden
2. Die Undurchsichtigkeit der Institution
3. Die Missbräuche in der geistlichen Leitung:
a) Vermischung zwischen Hierarchie und geistlicher Leitung
b) Die Herrschaft der geistlichen Leitung über die unmittelbaren Untergebenen
c) Die institutionelle Bürokratisierung der geistlichen Leitung
d) das ausdrückliche Verbot vertraulicher Mitteilungen
e) die verpflichtende Offenlegung des Gewissens
4. Die Leitung als Herrschaft über die Gewissen
5. Ein tatsächlicher Bruch in der kirchlichen Gemeinschaft
6. Das notwendige Einschreiten des Heiligen Stuhles
7. Anhang: Das Dekret Quemadmodum vom 17. Dezember 1890:
a) Deutsche Übersetzung des Dekrets “Quemadmodum”.
b) Der lateinische Originaltext (ASS 23 (1890-1891), S. 505-508)
1. OPUS DEI – EIN KREBSSCHADEN
1. Von Beginn an hat das Opus Dei eine große Meinungsverschiedenheit und zahlreiche Diskussionen ausgelöst, die nicht nur von Sympathie oder Antipathie getragen waren, sondern über sein tatsächliches Wesen geführt wurden. Diese Tatsache ist natürlich eigenartig bei einer Vereinigung, die heute von der Kirche gesetzlich anerkannt ist und deren Statuten in ihren verschiedenen kanonischen Entwicklungsstufen immer öffentlich bekannt und anerkannt waren. Woher rühren also die Kontroversen? In den folgenden Zeilen wird der Leser ausreichende Gründe finden, um diese Frage zu beantworten.
Heute verteidigt sich die Personalprälatur selbst offiziell
gegen die Beurteilungen, die viele Christen über sie machen, indem sie
sich auf die kanonischen Approbationen durch die Autorität der Kirche berufen.
Das ist ihr Gütesiegel oder der Beweis für ihre angebliche Transparenz.
In vielen kirchlichen Milieus betrachtet man sie sogar als Vorbild, die sich
durch die Treue zur Lehre der Kirche, die zahlreichen Berufungen und das Fehlen
von Skandalen kennzeichnet.
Dennoch möchte ich mit dieser Studie die innere Wirklichkeit des Opus Dei
aufzeigen, die nicht diesem Image entspricht, das zum Großteil durch eine
geschickte Politik von Beziehungen aufgebaut wurde, manchmal durch Lügen,
denn nicht einmal seine interne Vorgangsweise kann durch eine Approbation des
Heiligen Stuhles gerechtfertigt werden.
Es ist wichtig, das in diesem Augenblick anzumerken, um der Unterscheidungsgabe der zentralen kirchlichen Autoritäten zu helfen, die die Pastoral des Opus Dei bereits tief beunruhigt, denn nach und nach bemerkt sie die Abweichungen von der Morallehre der Kirche oder seine schweren Verfehlungen gegen die Vorschriften des allgemeinen Lehramts. Sicher ist jedenfalls, dass dieses Phänomen wahrgenommen wird, und die tieferen Wurzeln der Streitigkeiten und Vorbehalte, die das Opus Dei in so vielen Milieus weckt, beruhen gerade auf diesen Fehlfunktionen. Wir, die wir diese “kirchliche Realität” von Grund auf, von innen her kennen, wissen, dass diese “Fehlfunktionen” mit dem Moment der Gründung beginnen. Und das macht die Klärung durch einen ehrlichen und aufrechten Dialog doppelt schwierig, vor allem aber die Korrektur dieser Fehler.
Seit Beginn meiner Mitarbeit auf dieser Seite (www.opuslibros.org) habe ich versucht, die unglücklichen Aspekte dieser Realität aufzuzeigen, deren bessere Erkenntnis zu einer demütigen Korrektur und zu einer Anerkennung der Schuld führen, wenn man tatsächlich mit der Zustimmung Gottes rechnet, denn Gott gefällt diese Realität überhaupt nicht. Und seit meinen ersten Beiträgen habe ich von einer unangenehmen Angelegenheit gesprochen, die alles verstrahlt hat und von der ich schon als dem wirklichen “Krebsschaden des Opus Dei” gesprochen habe. Das ist kein Verrat von denen “drinnen” noch eine Verfolgung durch “Feinde von außen”, wie einige sich ausdrücken, zu denen sie, in Anbetracht ihrer Wirkung, auch diese Homepage rechnen. Wir haben keine Parteistellung in diesen Auseinandersetzungen, im Gegenteil: Wir suchen den Frieden mit allen und vor allem die Gemeinschaft mit allen Brüdern im Glauben.
Dieser Krebsschaden ist die systematische Verletzung der Freiheit der Gewissen an den Gläubigen des Opus Dei durch die verpflichtende Praxis, das Gewissen offenzulegen, die zur festen Einrichtung wurde und die nachher im Forum externum Bedeutung erhält. Nichts davon ist katholisch; ganz im Gegenteil, es ist von der Tradition und den Vorschriften der Kirche streng verboten, und zwar für alle Gläubigen, nicht nur für Gemeinschaften von Ordensleuten. Trotzdem haben die Autoritäten des Opus Dei, einschließlich seines Gründers, eine “Pastoral” für sich in Anspruch genommen und tun dies weiter, ihre geistlichen “Bildungsmittel”, so als ob sie Teil einer “göttlichen Offenbarung”, eines Charismas oder “Geistes” wären und die sie objektiv gesehen außerhalb der katholischen Kirche stellen oder sie, wenn sie schon dazugehören, zu einer “Parallelkirche” im Hinblick auf wesentliche Aspekte des christlichen Glaubens und seines Bildes vom Menschen machen.
Wie man sieht, handelt es sich um eine sehr ernsthafte Angelegenheit; und deshalb müsste von denen, die die Kirche Christi wirklich lieben, jede Anstrengung unternommen werden, dieses Themen in das Zentrum der Aufmerksamkeit und ans Licht zu bringen. Bei diesem Beitrag werde ich mich auf eine Beschreibung der Fakten beschränken, mit dem ausschließlichen Ziel, ihre Prüfung durch die Fachleute des Heiligen Stuhls zu erleichtern. Und wie diese Zeilen aus Liebe zur Einheit der Kirche geschrieben sind, sind sie auch in besonderer Weise den Gläubigen der Personalprälatur gewidmet, deren festen Willen, dem Apostolischen Stuhl treu zu sein, ich nicht in Frage stelle: Ich hoffe lediglich, dass er sich in Werken äußert. Filioli, non diligamus verbo nec lengua, sed in opere et veritate (I Joh 3,18): Kinder, lasst uns nicht dem Wort nach lieben, sondern im Werk und in der Wahrheit!
2. DIE UNDURCHSICHTIGKEIT DER INSTITUTION
Obwohl die Prälatur “Opus Dei” Statuten besitzt, die vom Heiligen Stuhl approbiert worden sind, nämlich ihren besonderer Codex iuris particularis, erscheint ihre Vorgehensweise als Institution in keiner Weise transparent, weder für ihre Gläubigen noch für die Hierarchie der Kirche. Der Grund liegt darin, dass sich die Prälatur in Wirklichkeit nach einem Gemenge geheimer interner Normen richtet, die von der Kirche niemals geprüft und auch nicht anerkannt wurden, die ebenso wenig öffentlich noch veröffentlicht sind und die generell niemals als kanonische Normen formuliert worden sind. Es ist so, weil die Personalprälatur tatsächlich Gewohnheiten contra legem in wesentlichen kirchlichen Aspekten produziert, deren Befolgung sie ihren Gläubige als Ausdruck eines “göttlichen Willens” einimpft.
So spielt das Opus Dei ein doppeltes Spiel: Es zeigt hinsichtlich seiner Normen ein zweifaches Gesicht. Auf der einen Seite sind ihre internen “Normen” oder “Kriterien”, die in umfangreichen “Geheimschriften” festgehalten sind, die das wirkliche Leben ihrer Gläubigen formen, mit Vorschriften, die manchmal den allgemeinen kanonischen Bestimmungen der Kirche und den fundamentalen Rechten der Getauften heftig widersprechen; und auf der anderen Seite wird diese einzigartige “Disziplin” auf totalitäre und autoritäre Weise geltend gemacht, die der Vereinigung eine sektiererische Färbung verleihen, die dem Empfinden der kirchlichen Gemeinschaft fremd sind, denn diese Übergriffe werden namens der Institution verübt, als wären sie “göttliche Gebote” des Gründungscharismas.
Es haben bereits zahlreiche Personen seit einiger Zeit im Schoß der Institution diese internen Praktiken den Autoritäten der Prälatur angeprangert und auf ihrer Korrektur bestanden. Allerdings erweisen sich der Prälat und seine Direktoren allen Veränderungen gegenüber als unzugänglich, denn sie rechtfertigen ihre Vorgehensweise mit dem “Gründungscharisma”. Deshalb werden die Gläubigen, die abweichender Ansicht sind, gezwungen, die Prälatur zu verlassen, auch wenn sie ihre Tätigkeit und ihr Leben über Jahre hinweg der Institution gewidmet haben und auch wenn in einigen Fälle der Austritt bedeutete, in persönliche Armut zu geraten; besonders skandalös ist diese Situation im Fall der Numerarierpriester, deren Laisierung bedenkenlos durchgeführt wird.
Dieses Desaster im Inneren veranlasste in diesen letzten Jahrzehnten den Austritt von vielen Gläubigen aus der Prälatur, deren aufrichtiger Wunsch sich Gott hinzugeben nicht in Frage gestellt werden kann, ohne sie schwer zu beleidigen. Trotz allem zeichnen die Autoritäten der Prälatur weiterhin nach außen ein Bild des Wachstums und der konstanten Entwicklung, das nicht der wirklichen Lage entspricht. An verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeitpunkten wurden beispielsweise Angaben über die Zahl der Mitglieder gemacht, als ob sie in beständigem Wachstum wäre. Aber diese Daten widersprechen einander und entsprechen nicht der Wahrheit, sondern den konjunkturbedingten Notwendigkeiten, anderen gegenüber ein “Image” abzugeben. Hier gibt es einen deutlichen Hinweis, wie die Prälatur “Opus Dei” Jahre damit verbracht hat, Unwahrheiten über interne Fakten abzustützen, und zwar nicht nur hinsichtlich der Zahl der Gläubigen.
Im Augenblick geben sich die Autoritäten der Prälatur die größte Mühe, gegenüber dem Heiligen Stuhl und den Bischöfen das Bild einer solide Organisation abzugeben, an deren Zuverlässigkeit aufgrund ihrer überreichen apostolischen Früchte nicht zu zweifeln ist, die ja gegebenenfalls der Beweis für das göttliche Wohlwollen wären. Aber die tiefe Krise, in der sich die Institution befindet, ist ein Faktum, und deshalb bleibt es nicht bei Lügen, um diese Wirklichkeit auf raffinierte Weise zu verschleiern, die man damit rechtfertigt, dass man das “Bild” nach außen hin wahren müsse. Ihre offenkundige Einheit oder ihre eiserne Disziplin erscheint eher als ein Koloss auf tönernen Füßen, denn dies verbirgt nur ein totalitäres Gebaren und eine Vorgangsweise, die mit kollegialen Leitungsformen überdeckt und getarnt werden. Aber weder diese Führungsweise noch die Pastoral der Prälatur sind in wichtigen und schwerwiegenden Aspekten durch die Normen des allgemeinen Kirchenrechts gedeckt.
4. Seit Monaten veröffentlichte ich ein Verzeichnis von internen “Dokumenten” - heutzutage pflegt man sie intern, in der Prälatur, als “Schriften” zu bezeichnen, die der kirchlichen Hierarchie unbekannt sind und die gewöhnlich die “besonderen Normen” in der Vorgangsweise zusammenfassen; denen, die sich im Vertrauen auf die Anerkennung durch den Heiligen Stuhl der Instutition annähern, werden daüber aber keinesfalls informiert. Diese Schriften erzeugen jene “rechtsfreie Regulierungssucht” (Von Oraculo steht hierzu in spanischer Sprache der Aufsatz: “El normativismo acanónico del Opus Dei” zur Verfügung; vgl. http://opuslibros.org/nuevaweb/modules.php?name=News&file=article&sid=8084), die völlig abseits des allgemeinen Kirchenrechts steht. Eine Bestätigung dieses Faktums bedeutet es, dass vor wenigen Monaten eine übereilte Korrektur von “Druckfehlern” begonnen wurde, denn seitdem viele dieser Schriften auf unserer Internetseite (www.opuslibros.org)durchgesickert sind, wurde die Notwendigkeit erkannt, das wahre Gesicht der Institution zu übertünchen. So wurde zum Beispiel das “Vademécum del Gobierno Local” (“Hinweise für die örtlichen Räte), das erst 2002 herausgegeben worden war, durch “Experiencias de los Consejos Locales” (“Erfahrungen der örtlichen Räte”) ersetzt, denen man das fiktive Datum 19. März 2005 gegeben hat, das nachweislich falsch ist. Vielleicht ist das das neue Image, das man angesichts der Ermahnung durch die Glaubenskongregation präsentieren möchte?
Die Tatsache ist, dass man sich nach innen so verhält,
als hätte man völlige Freiheit von den Vorschriften des Kirchenrechts
abzusehen und ohne Kontrolle durch die Hierarchie, indem man den Augenschein
wirken lässt, wie es gerade passend erscheint, um “die Dinge von
immer” aufrechtzuerhalten. Das Werk, so denkt es und so sagt es das auch,
wird niemals eine Erneuerung brauchen. Man versteht daher, wie gefährlich
es für die Christgläubigen erscheint, weil die statutarische Form
der Personalprälatur, die von Rom erreichtet wurde, als Ausrede und Tarnung
für eine autoritäre Leitung dient, die selbst außerhalb jeder
Kontrolle steht und in der Lage ist, die Gewissen zu kontrollieren. Und noch
gefährlicher erscheint dies für die Gläubigen des Opus Dei, da
sie von ihren Direktoren dergestalt geleitet und gebildet werden — vielleicht
sollte man eher sagen, “indoktriniert” und “desinformiert”—,
dass die Bindung an die Institution sie angesichts der Missbräuche wehrlos
lässt.
Wenn man den Inhalt des Codex
iuris particularis(den “Statuten des Opus Dei”) mit dem Catecismo
de la Obra(“Katechismus des Werkes”) vergleicht, ist der Unterschied
in so gewichtigen Dingen wie der geistlichen Leitung oder der Art, in der der
Proselytismus ausgeübt wird, eklatant. Man kann also die Undurchsichtigkeit
der Leitung dieser Prälatur gegenüber ihren eigenen Mitgliedern und
gegenüber der Mutterkirche nicht leugnen. Da es hier nicht möglich
sein kann, das Thema erschöpfend zu behandeln und da der Krebs viele Metastasen
entwickelt hat, werde ich mich heute auf seinen Kern beschränken, auch
wenn ich Gedanken oder Fakten wiederholen sollte, die bereits auf anderen Beiträgen
dieser Seite kommentiert wurden.
3. DIE MISSBRÄUCHE IN DER GEISTLICHEN LEITUNG
5. Von Anfang an hat man im Opus Dei die verpflichtende Trennung zwischen dem “Forum externum” und dem “Forum internum” nicht respektiert, also dem Bereich der Leitung auf der einen Seite und dem der rechtmäßigen Autonomie der Gewissen auf der anderen Seite, und das, obwohl diese Trennung eine Grundlage im Leben der Kirche darstellt. Um diese Tatsache zu beweisen, genügt es zu überprüfen, wie man die persönliche geistliche Leitung der Gläubigen der Prälatur versteht und durchführt. In der Praxis konkretisiert sich dies in der “Aussprache” oder dem “Brüderlichen Gespräch”, das Prieser und Laien ohne Unterschied mit den Direktoren des Opus Dei führen, um ihnen ihr Inneres zu eröffnen.
Was sagen die Statuten des Werkes darüber? Sie sind auffallend nüchtern, denn sie erwähnen das Thema nur in Nr. 83 §2: “Die Askese und der Geist der Buße, den die Gläubigen des Opus Dei üben, bringt auch andere Erfordernisse des Lebens der Gläubigen in der Prälatur mit sich: vor allem die Übung der täglichen Gewissenserforschung, der geistlichen Leitung und der sakramentalen Beichte.”
Andere Stellungsnahmen zu diesem Themen fehlen in diesem Codex iuris paricularis völlig, kraft eines Verständnisses des Ausdrucks der “geistlichen Leitung” im üblichen Sinn der spirituellen Tradition der Kirche. Dieser Begriff wurde vom kirchlichen Gesetzgeber, der diese Norm festgesetzt hat, in einem einzigen Sinn angewandt, und deshalb müsste eine geistliche Leitung mit allem Respekt vor den kanonischen Vorschriften des allgemeinen Kirchenrechts durchgeführt werden, die diesen Gegenstand geregelt hat: unter anderem, aber vor allem im Dekret Quemadmodum vom 17. Dezember 1890, gestützt auf seine Terminologie und unmissverständlich hinsichtlich der Morallehre und des päpstlichen Willens. Wegen seiner überragenden Bedeutung fügt diese Studie am Schluss diesen Text als Anhang im lateinischen Original und in einer deutschen Übersetuung bei, damit sich die Gläubigen der Personalprälatur in ihren Inhalt vertiefen können.
Werden im Opus Dei die allgemeinen und nach wie vor gültigen Vorschriften aus Quemadmodum von Leo XIII. ernst genommen? Gewiss nicht. Die Lektüre von Punkt 209-222 des Catecismo de la Obra (“Katechismus des Werkes”, 7. Aufl. 2003) zeigt hier eine “Verständnisweise” der “persönlichen geistlichen Leitung”, die in Nr. 83 §2 der “Statuten” erwähnt werden, die sich sehr von dem unterscheiden, was die Kirche immer darunter verstanden hat. So wird beispielsweise, ohne schamrot zu werden, erklärt, dass die persönliche geistliche Leitung “Angelegenheit der Institution” ist, nicht der Personen, die die ihnen Anvertrauten geistlich begleiten. Mehr noch, man pflegt zu sagen, dass dieser Bereich ganz eigentlich zu den Leitungsfunktionen der Direktoren gehören, die diese ausüben, da die persönliche Leitung nicht mehr als ein Aspekt der “spirituellen Bildung” ist, die die Institution erteilt. Ebendeshalb verweigert man auch den Gläubigen die Freiheit, sich ihre geistlichen Berater auszusuchen, da diese allein schon durch ihren Leitungsauftrag dazu bestimmt wurden.
Es erscheint unglaublich, aber die Dinge werden auf diese Weise durchgeführt. In diesem Punkt kann man nicht zur Tagesodnung übergehen – für das Opus Dei bleibt kein Ausweg aus ein Schuldbekenntnis zu sprechen und, vor allem anderen, hier eine Korrektur vorzunehmen. Und damit sich niemand darauf hinausreden kann, ich hätte die Wirklichkeit missverstanden oder verdreht dargestellt, werde ich diesen Kern meiner Aussagen auf andere Weise darstellen, das heißt, in seinen Konsequenzen, und außerdem, indem ich einige Erklärungen verwende, die in den “internen Schriften” nachzulesen sind, in denen das Opus Dei seine eigene spirituelle Praxis beschreibt. Darin lassen sich mindestens fünf schwere Missbräuche nachweisen, die dem geltenden Kirchenrecht entgegenstehen und die vor allem den sicheren Lehren des II. Vatikanischen Konzils über die menschliche Person widersprechen.
a) Vermischung zwischen Hierarchie und geistlicher Leitung
6. Entsprechend dieser Praxis im Werk gehört die persönliche geistliche Leitung ganz eigentlich zu den Leitungsfunktionen der Direktoren gehören, oder, genauer gesagt, sie identifiziert die letzten mit der ersteren, als wären sie homogene Materien, und diese Vorgangsweise beseitigt die Unterscheidung zwischen Forum iternum und externum. Es gibt “Geheimschriften” der Prälatur, die deutlich beweisen, wie man an jene Dinge herangeht.
Das Vademécum de sacerdotes (“Hinweise zu den Priestern”, Rom 1987) beispielsweise drückt sich in eben jenen Termini aus: “Im Opus Dei kommt die geistliche Leitung in erster Linie den örtlichen Direktoren zu, Laien, mit denen auch die Priester ihr brüderliches Gespräch halten; dann den Priestern des Werkes durch die sakramentale Beichte. Die Priester wissen, dass sie, um in der persönlichen geistlichen Leitung der Gläubigen der Prälatur effizient mitzuarbeiten, normalerweise in allem den Anweisungen zustimmen müssen, die die anderen im brüderlichen Gespräch erhalten; nur eine völlige Übereinstimmung zwischen beiden Ratschlägen garantiert eine angemessene geistliche Leitung der Personen des Werkes (S. 41). Überrascht es nicht, dass die Ausübung des priesterlichen Dienstes in der Materie der Heiligung sich den Anweisungen einiger “Direktoren, die Laien sind”, unterwerfen muss, die nach den Normen des Kirchenrechts, nicht einmal die sacra potestas (die sakrale Gewalt) des Prälaten oder seiner Vikare erhalten können, sondern höchstens nur cooperari possunt, “mitarbeiten können”: vgl. CIC-83 c.129?
Ein weiterer Text bestätigt ebenfalls, dass sich die Dinge so verhalten. Zieht man die wirtschaftlichen Belange in Betracht, so sagen die Experiencias de las labores apostólicas (“Erfahrungen über die apostolischen Arbeiten”) von 2003: “Die örtlichen Räte bearbeiten diese Angelegenheiten mit besonderer Sorgfalt und wachen — durch das brüderliche Gespräch— darüber, dass sich die Betroffenen in jedem Augenblick wie die Väter einer armen, aber kinderreichen Familie verhalte, hinsichtlich des Ertrags ihrer beruflichen Arbeit ebenso wie der Loslösung; Sorgfalt und Nüchternheit im Gebrauch der materiellen Güter, die sie für die Erledigung ihrer Arbeit brauchen: Büros, Autos, Reisen etc. Besonders müssen sie allen konkret zu verstehen geben, dass die Freiheit in der beruflichen Tätigkeit immer eng mit der vollen und wirksamen Loslösung in den materiellen Gütern verbunden ist und mit einer Hingabe ohne Rückhalt und ohne Bedingungen” (S. 68). Man beachte, dass der gute Zweck der Leitung durch das brüderliche Gespräch (die persönliche geistliche Leitung) gesucht wird, als wäre dieses ein Instrument, das man für die wirksame Erreichung der Ziele der Institution nutzen könnte.
Ist es von kirchlicher Seite zulässig, dass das heikelste Mittel der geistlichen Leitung als “Hilfsmittel” betrachtet werden kann, um die Wirklsamkeit von Anweisungen der Leitung zu überwachen, wie gut sie auch sein mögen? Ist vielleicht dies die Art und Weise, was die Kirche darunter versteht, dass ihre sacra potestas (“heilige Gewalt”) den Menschen dient? Offensichtlich nicht. Es ist ebenfalls evident, dass die Missgriffe, die eine institutionalisierte Manipulation begünstigen, nicht möglich wären, wenn die geistliche Leitung im Opus Dei von der hierarchischen getrennt wäre — wie es auch geschehen müsste.
b) Die Herrschaft der geistlichen Leitung über die unmittelbaren Untergebenen
7. Im Zusammenhang mit dem zuvor gesagten obliegt nach der im Opus Dei ausgeübten Praxis die Erteilung der geistlichen Leitung immer dem Direktor über seine ihm unmittelbar Untergebenen. Der Catecismo de la Obra (“Katechismus des Werkes”, 7. Aufl. 2003) sagt tatsächlich wörtlich: “In Übereinstimmung mit ihrer inneren Verfügbarkeit üben die Direktoren und Priester des Werkes die persönliche Geistliche Leitung aus.” (Nr. 215). Und im Vademécum del Gobierno Local (“Hinweise zu den örtlichen Räten”, 2002) werden diese Dinge beispielsweise wie folgt spezifiziert: Im Allgemeinen werden die brüderlichen Gespräche der Personen des örtliches Rates, so wie die der anderen Personen, die einem Zentrum zugeschrieben sind, im eigenen Zentrum abgehalten; in jedem Fall erwägt der örtliche Rat und trifft die Entscheidung, die ihm passender erscheint (S. 98). Das Prinzip der Freiheit im Gebiet der geistlichen Leitung und der sakramentalen Beichte, das von Kanon 630 des gültigen lateinischen Codex geschützt wird, wird durch diesen einzigartigen “besonderen Vorbehalt” ernsthaft gefährdet gefährdet, der das Gebiet der geistlichen Leitung den Direktoren über ihre unmittelbaren Untergebenen zuweist, und noch weiter, weil dieser Vorbehalt im Interesse des Leitungsaufrags geschieht.
Deshalb beeilten sich die neuen Experiencias de los Consejos Locales (“Erfahrungen mit den örtlichen Räten, datiert 2005, S. 84-89) die tatsächliche Vorgangsweise der Prälatur zu verschleiern, indem sie die Redaktion von 2002 vollständig umarbeiten in der Weise, dass ihr Wortlaut nicht so deutlich den normalerweise geübten Missbrauch in der gewöhnlichen Pastoral deutlich machen. Allerdings wissen alle Gläubigen der Prälatur — oder alle, die ihr einige Zeit hindurch angehört haben — , dass die tatsächliche interne Realität dem entspricht, was hier beschrieben wurde.
c) Die institutionelle Bürokratisierung der geistlichen Leitung
8. Die “geistliche Leitung” ist also auch eine “bürokratische” Aufgabe, sie ist Gegenstand und Aufgabe der “institutionellen rganisation” des Opus Dei. Und das zeigt sich in aller Schärfe wenn gesagt und auch ausgeführt wird, dass die Direktoren im Verkehr mit ihren Vorgesetzten von der heiligen, naturgemäßen Verpflichtung zur Vertraulichkeit darüber entbunden sind, was sie in den “brüderlichen Gesprächen” gehört haben. Mit dieser Verletzung der Intimsphäre entartet das, was eine “persönliche” geistliche Leitung sein sollte. Vielleicht ist diese Angelegenheit eine der schwerwiegendsten und die Ursache dafür, dass größere Missbräuche entstehen, die auf noch schlimmere Weise die grundlegende Ehrfurcht verletzen, die den Gewissen geschuldet wird, die in der Lehre der Kirche verkündet und von ihrer kanonischen Praxis geschützt wird.
Ein Text aus dem Vademécum del Gobierno Local (“Hinweise zu den örtlichen Räten”, 2002) spricht mehr als andere für sich: ”Gegenstände, die man ufgrund eines Auftrags erfahren hat, werden, wie es nur logisch ist, nur den Personen gegenüber mitgeteilt und kommentiert, die sie, ebenfalls aufgrund eines Auftrags, wissen müssen. Wenn ein Arzt oder Anwalt ein selbstverständliches Berufsgeheimnis — die Amtsverschwiegenheit — über alle Gegenstände einhalten, die sie aufgrund ihres Berufes erfahren, müssen diejenigen, die sich um die Aufgabe der der geistlichen Leitung oder Bildung der Seelen bemühen, mit viel mehr Grund dieses Stillschweigen bewahren (S. 14). Das heißt, wenn man im gegenteiligen Sinn argumentiert, es wird vorausgesetzt, dass diese vertraulichen Themen denen gegenüber kommentiert werden können, “die sie aufgrund ihres Auftrages wissen müssen”. Und wer sind diese? Die übergeordneten Direktoren.
Tatsächlich erklärt man das so im Buch Experiencias sobre el modo de llevar charlas fraternas (“Erfahrungen über die Art, brüderliche Gespräche zu führen”, 2001), wo man liest: ”Deshalb verbietet die Amtsverschwiegenheit in Übereinstimmung, in Übereinstimmung mit der Natur des brüderlichen Gesprächs, diese Angelegenheiten mit irgendwelchen Personen außer denen anzusprechen, die in der geistlichen Leitung mitreden können und sollen, in der Linie, die von den örtlichen Direktoren bis zum Vater führt. Innerhalb und in aufsteigender Linie (von unten nach oben) wird die Amtsverschwiegenheit nicht verletzt, wenn es nötig oder angebracht ist um Rat zu fragen (S.110). Die Texte sprechen für sich selbst und bedürfen keines Kommentars.
Wenn es bis jetzt noch nicht klar wäre, besitzt das Bruchstück, das noch zu zitieren übrig bleibt, eine Fußnote, die besagt: ”Wenn man recht versteht, wer die geistliche Leitung im Opus Dei ausübt, begreift man leicht, dass es keinen Sinn hätte, wenn etwa jemand, der das brüderliche Gespräch durchführt, bei einem bestimmten Thema die Bedingung stellt, dass derjenige, der sie entgegennimmt, verspricht, “niemandem zu erzählen was er ihm jetzt sagen wird; oder dass jener andere, der meint, die Aufrichtigkeit zu erleichtern, dem der die Aussprache macht, irrtümlich sagt: “Erzähle mir alles und mach dir keine Sorgen, denn ich werde es niemandem erzählen”. In solchen, rein hypothetischen Fällen, würde die Person, die die Aussprache entgegennimmt, aufhören ein Werkzeug zu sein, um die Hilfe des Werkes weiterzuleiten: Diese Unterhaltung wäre dann kein brüderliches Gespräch der geistlichen Leitung.” Bleibt es nicht ausreichend klar? Kann es eine größere Verdrehung dessen sein, was immer geistliche Leitung in der Kirche gewesen ist?
9. Diese Konstruktion, die hier unter dem Anschein einer guten Sache präsentiert wird, sind allerdings der katholischen lehre über den geschuldeten Respekt vor den Gewissen der Personen radikal entgegengesetzt, und sie widersprechen auch den gültigen Normen des universalen Kirchenrechts, die in der Personalprälatur angewendet und respektiert werden müsste. Es genügt, an Kanon 220 und 240 §2 in Verbindung mit dem Kanon 984 zu denken, um zu verstehen, dass es hier weder Befreiungen noch Ausnahmen geben kann.
Unter Umständen spricht deshalb Nr. 222 des Catecismo de la obra (“Katechismus des Werkes”) hinsichtlich der Vertraulichkeit die richtige Lehre der Kirche aus. Allerdings haben wir gesehen, dass andere Dokumente, die für einige wenige Leser “reserviert” sind, eine Vorgangsweise fördern und unterstützen, die völlig inakzeptabel ist, wie etwa, die Gespräche der geistlichen Leitung in “Bildungsmittel” zur Durchführung der Regierung — und der Kontrolle — über die Gläubigen und zur Durchführung einer eigenen geistlichen Leitung “auf Distanz”. Ist das vielleicht nicht eine Manipulation der Personen und eine Verletzung ihrer innersten Intimität? Welchen Respekt hat man dort vor dem Forum des Gewissens, wo man einer solchen Mentalität huldigt? Wann und wo hat die Kirche diese Vorgangsweise des Prälaten und der Direktoren des Opus Dei genehmigt?
Aber an dieser Stelle haben die neuen Erfahrungen der örtlichen Räte (datiert auf 2005), wie ein neues Schuldbekenntnis, beabsichtigt, einen so schweren Missbrauch zu verheimlichen. Auf der einen Seite hat man aufs Neue den ganzen Abschnitt über das “brüderliche Gespräch” redigiert, wie oben in Abschnitt b) angezeigt, man hat allerdings die Bezugnahme auf die Erfahrungen über die Art, brüderliche Gespräche zu führen ( 2001) unterdrückt. Auf der anderen Seite hat das Vademécum von 2002 auch die selbstständige Abteilung über die Amtsverschwiegenheit (S. 14 f.) unterdrückt, in der Weise, dass sein Inhalt verwässert in einer neuen, generischen Fassung über die notwendige Klugheit bei der Vorgangsweise der Mitglieder der örtlichen Räte (S. 15-17), allerdings ohne so unverhüllt die institutionalisierte Praxis der Verletzung der Vertraulichkeit zu enthüllen. Wie bekannt ist, hat sie Internetseite opuslibros.org unwiderlegbare Beweise dieses Faktums in seiner Veröffentlichung der internen Dokumente und Schriften der Institution geliefert, die dazu helfen, die Methodik ihrer Vorgangsweise zu verstehen.
Das vorsätzliche Verhalten des Prälaten und seiner Direktoren in diesen Gebieten und ihre Beziehung zum Heiligen Stuhl leitet sich deutlich aus der Ratio institutionis („Studienordnung“, 1997) ab, die von der Prälatur des Heiligen Kreuzes und Opus Dei vorgelegt und von der römischen Kurie approbiert wurde, praktisch das einzige Dokument, das von Rom geprüft wurde, abgesehen von den Statuten der Prälatur. So liest man etwa in Nr. 100 dieser “Ratio institutionis”: “Es muss auch in jedem interregionalen Studienzentrum einen Geistlichen Leiter geben, der vom Prälaten für fünf Jahre ernannt wurde. Außerdem wird es in geeigneter Zahl andere, geeignete Priester geben, die für die Arbeit der geistlichen Leitung zur Verfügung stehen und die vom Prälaten bestimmt wurden. Alle werden mit der größtmöglichen Sorgfalt das gebührende Stillschweigen in allem bewahren, was sich auf das Forum internum bezieht.“ Man beachte auch die Nr. 47-53 über die Studienzentren im Allgemeinen. Das bedeutet, man ist sich vollkommen darüber im Klaren, welches die allgemeine kanonische Lehre und Disziplin ist, und man belässt den heiligen Stuhl in dem Glauben, dass dies die übliche Vorgangsweise innerhalb der Prälatur sei. Allerdings stehen die geheim gehaltenen internen Schriften — Schriften der „christlichen Bildung für das Apostolat“ nennt man sie jetzt — in einem schreienden Gegensatz zu diesem anderen öffentlichen Dokument, denn in ihnen beschreibt und lehrt man eine Praxis (das, was faktisch die Realität ist), die dem völlig entgegensteht: Es sind interne „Gewohnheiten“, die bindend sind, weil man sie als Ausdruck des „Geists“ des Opus Dei hält, wie er vom Gründer überliefert wurde.
Man kann den Wert dieser (internen) Geheimschriften nicht bagatellisieren, die von allen, die Leitungsämter in der Institution erhalten haben, angewendet werden. Ebenso wie das Vademécum del Gobierno Local („Hinweise zu den örtlichen Räten, 2002), gehen die neuen Experiencias („Erfahrungen zu den örtlichen Räten” von 2005 — tatsächlich stammen sie aus dem Jahr 2006 und wurden im letzten Trimester dieses Jahres in den Zentren verteilt — besagen weiterhin folgendes: “Die Dokumente und Schriften, die sich auf die christliche Bildung beziehen, haben nicht nur das Ziel, den eigenen Direktoren zu helfen: Sie sind lebendige und klare Lehre für alle. Deshalb beschränken sich die Mitglieder des örtlichen Rates nicht darauf, sie zu lesen und eingehend zu betrachten, sondern sie berücksichtigen es auch, ihren Inhalt bei der Erteilung von Bildungsmitteln, in persönlichen Gesprächen etc. weiterzugeben, und das gleiche tun die Priester in ihrer Predigt. Mit dem beständigen Studium, das eine schwere Verantwortung der Direktoren auf jeder Ebene darstellt, wird es leichter gemacht, die grundlegenden Kriterien im Gedächtnis zu bewahren, um die eigene Aufgabe mit Sorgfalt zu erfüllen, Versäumnisse, Improvisationen und Zeitverlust zu vermeiden.” (S. 19) Gott sei Dank ist ein Gutteil dieser Schriften mit der Hilfe von Gläubigen der Prälatur durchgesickert, damit sie in opuslibros.org [Anm. des Übersetzers: Und nun eben auch in opuslibros.org] veröffentlicht werden können, nachdem keine andere Abhilfe gegen den Missbrauch gefunden werden konnte als die Kenntnis darüber zu verbreiten.
d) Das ausdrückliche Verbot vertraulicher Mitteilungen
10. Damit sind wir aber noch nicht am Ende. Die Vorgangsweise des Opus Dei hinsichtlich der geistlichen Leitung konkretisiert sich außerdem durch das ausdrückliche Verbot an ihre Gläubigen, sich anderen Personen als dem unmittelbaren Direktor oder den übergeordneten Vorgesetzten gegenüber vertraulich zu äußern. Der Catecismo de la obra („Katechismus des Werkes“) sagt in der Tat: „Es wird niemals angebracht sein, dass die Gläubigen des Opus Dei untereinander vertraulich über ihr inneres Leben oder persönliche Sorgen sprechen, denn diejenigen, die mit der spezifischen Gnade rechnen, um sich um die Mitglieder des Werkes zu kümmern oder ihnen zu helfen, sind der Direktor oder die Direktorin oder die Person, die die Direktoren bestimmen, und der dazu bestimmte Priester.“ (Nr. 221) Deshalb schließt diese Praxis der Prälatur sogar das Verbot jedes freien Meinungsaustausches untereinander über alle Angelegenheiten oder „persönliche“ Sorgen ein, nicht nur wenn es sich um die Leitung des Werkes oder die spirituelle Intimität der Seele handelt. Welche Freundschaft kann es also unter solchen „Brüdern“ geben? Oder, anders gesagt, was ist das für eine Brüderlichkeit, wenn der normale, natürliche Austausch unter Personen einem Verbot unterworfen ist?
Es ist nicht schwer zu bemerken, dass diese Vorgangsweise direkt gegen die Freiheit des Meinungsaustausches unter den Gläubigen verstößt, wie sie in Kanon 212 §3 des geltenden Kirchenrechts garantiert ist. Außerdem bleibt der einzelne auf diese Weise isoliert und ganz denen ausgeliefert, denen von Amts wegen die Autorität dazu übertragen worden ist, und zwar so weit, dass sie sich in den persönlichsten, intimsten Dingen zum Despoten aufwerfen können, bis hin zur Zerstörung der Autonomie des eigenen Gewissens. Es scheint, man habe den klassischen Ausspruch vergessen, dass die Seele „nur Gott gehört“.
Im Opus Dei kann man ausschließlich gegenüber den Direktoren äußern, was man über die eigene Institution denkt. Jeder, der im öffentlichen oder privaten Umfeld seine persönliche Meinung äußert, würde sofort als „Lästerer“ zensuriert und verunglimpft werden, auch wenn seine Äußerungen völlig in Übereinstimmung mit den moralischen Normen wären. Wenn man aus Liebe zur Wahrheit dieses Naturrecht ausübt, lassen die schlimmen Folgen nicht auf sich warten, und wir besitzen in ausreichendem Maße veröffentlichte Zeugnisse über diese Vorgangsweise.
Auf der anderen Seite übt man eine totalitäre Kontrolle über die Meinung aus, indem man sehr sorgfältig diejenigen auswählt, die die Bildungsmittel erteilen, die doch nur Sprachrohr der offiziellen Position sind. Und dann erstreckt sich die Kontrolle bis auf die Bücher. Viele Autoren von großem theologischem Format, wie beispielsweise Hans Urs von Balthasar, sind verboten oder verdächtig. Und nicht wenige Bücher von Joseph Ratzinger waren als „nicht ratsam“ eingestuft; die Einschätzung änderte sich, als der zum Präfekten der Glaubenskongregation ernannt wurde.
11. In diesem Zusammenhang der Kontrolle und der Verbote stellt Nr. 215 des Catecismo de la obra („Katechismus des Werkes“) die Frage: Wer übt die persönliche geistliche Leitung hinsichtlich der inneren Verfügungen aus? Und die Antwort lautet: Die persönliche geistliche Leitung üben hinsichtlich der inneren Verfügungen die Direktoren und die Priester des Werkes aus, wie wir schon wissen. Aber wer erinnert sich da an die Freiheit bei der Wahl des Beichtvaters und des geistlichen Leiters, die durch die allgemein gültigen Kanones der Kirche garantiert sind?
Damit man diese Einschränkung nicht rundweg kritisieren kann, wird hinzugefügt: Während es der Freiheit der Gewissen der Gläubigen des Werkes völlig unbenommen bleibt, führt sie ihr guter Geist dazu, die persönliche geistliche Leitung mit dem örtlichen Direktor oder der örtlichen Direktorin sowie mit dem Priester zu führen, der für jedes Zentrum zugewiesen ist. Sie können sich darüber hinaus immer an einen andern Priester der Prälatur wenden. Also nicht an Priester, die nicht zur Prälatur gehören. Und man fügt hinzu: Um das Voranstehende besser zu verstehen, muss man sich gegenwärtig halten, dass es das Opus Dei selbst ist, das die geistliche Leitung erteilt, und niemand kann sich selbst das ausschließliche Recht zumessen, sie exklusiv zu erteilen. Deshalb können diejenigen, die nicht vom Vater oder den Regionaldirektoren diesen Auftrag erhalten haben, nicht die guten Hirten sein. Und dann präsentiert man, gleichsam als Schlussfolgerung von all dem: Deshalb besteht im Werk die persönliche geistliche Leitung nur in actu: wenn der Direktor eine Aussprache hört und wenn der Priester eine Beichte oder ein Gespräch der geistlichen Leitung entgegennimmt.
Diese Paragraphen lassen in ihrer Formulierung kein Missverständnis zu. Schamlos verkündet man, dass die “persönliche geistliche Leitung” der Institution und nicht bestimmten Personen zukommt, die einen Menschen geistlich begleiten. Und wir finden auch den Appel an den “guten Geist”, um anzudeuten, welches die korrekte Vorgangsweise der Gläubigen der Prälatur sein soll. Deshalb lässt sich nach dem sensu contrario interpretieren, dass sich jemand, der sich nicht so verhält, wie in § 215 beschrieben ist, “schlechten Geist” besitzt, um so mehr, als er die Freiheit der Gewissen ausübt, von denen zu Beginn von § 215 gesagt ist, dass sie respektiert werden muss, und um so mehr, dass diese Freiheit in Übereinstimmung mit den universalen Gesetzen der Kirche stehe — die für die Prälatur gelten — und mit den Statute des Werkes, in denen sich keine einzige dieser konkreten Anweisungen findet, die der Katechismus trifft.
12. Mehr noch. Nr. 309 dieses Katechismus empfiehlt bei der Aufzählung der Mittel, die man jungen Berufungen anrät, um ihre Beharrlichkeit zu sichern: 1. Sich dem Herrn durch die Direktoren überlassen; 2. Eine große Aufrichtigkeit in der geistlichen Leitung mit den Direktoren und Priestern des Werkes haben. Alles das steht dort in Zusammenhang mit anderen, vernünftigen Ratschlägen. Kann man also folgern, dass man sich Gott nicht überlässt, wenn es nicht durch die Direktoren geschieht? Lebt man die Aufrichtigkeit denn nicht, wenn man sie nicht mit den und durch die Direktoren übt? Dieses „Monopol“ über die Seelen überrascht, die jeden beliebigen Priester der Kirche, der nicht vom Opus Dei ist, in einen schlechten Hirten verwandelt: Ist das die Einheit innerhalb der Kirche? Das bedeutet konsequenterweise, dass sich der Prälat und die Direktoren damit als exklusives Sprachrohr des Herrn präsentieren; für die ihnen unterstellten Gläubigen gelten Gott und die Kirche nichts mehr.
Gibt es noch einen Unterschied zwischen dieser Vorgangsweise und der Annullierung des persönlichen Gewissens? Ersetzt man auf diese Weise nicht Gott durch den „Willen der Direktoren”? Ja, tatsächlich, denn man pflegt ständig zu wiederholen dass man das, was sie sagen, als den „Willen Gottes“ annehmen muss. Deshalb sind nur sie der gute Hirte, deshalb kann niemand anders dies sein. Es bedeutet dies eine echte „Vergottung“ der Leitungsstruktur, der die Gläubigen der Prälatur das persönliche Urteil ihres Gewissens „unterwerfen“ müssen, als handle es sich um ein göttliches Orakel. Und das nennt man Fügsamkeit im Gehorsam.
Das Gewissen muss also dem Gehorsam weichen. „Was die
Direktoren sagen”, ihre Hinweise stellt man über das persönliche
Gewissen, denn ihre Worte oder Befehle dürfen nicht diskutiert werden,
sie entsprechen de Willen Gottes. Und es ist tatsächlich ein Gehorsam,
der irrtümlich als asketische „Unterwerfung“ verstanden wird:
Hingabe des Verstandes und dann des Willens, ganz ähnlich den Praktiken
integraler oder fundamentalistischer Gruppen. Ein „blinder Glaube“
— den man nicht als übernatürlich einstufen kann — an
den Gründer und auch an seine Institution führe dazu, keine eigenen
Gedanken mehr zu haben, ständig in den eigene Vorstellungen nachzugeben
und das hinunterzuschlucken, was man selbst unter Nächstenliebe oder säkularer
Spiritualität verstehen könnte, die man im Bewusstsein seiner Berufung
lebt.
e) Die verpflichtende Offenlegung des Gewissens
13. Als Ergänzung zu all dem, was ich hier dargelegt habe, verlangt man von den Gläubigen der Prälatur die alte „Offenlegung des Gewissens”, die bereits mit harten Ausdrücken von der Kirche zurückgewiesen wurde. Das bedeutet, man behauptet eine “Verpflichtung als Folge der Berufung, den Direktoren regelmäßig und vollständig die intimsten Dinge offenzulegen, die sich nun andererseits als exklusive Ratgeber dieser Gewissen verstehen, als der einzige Weg, auf denen die Seelen den Willen und die Gnade Gottes finden können. Man pflegt das so kategorisch zu behaupten, dass es einen vor den Kopf schlägt; Gott wird solcherart zum Mittel gemacht. Tatsächlich bedeutet eine solche Behauptung, die niemals im theologischen Diskurs erörtert wurde, eine rigide Kontrolle der Personen durch die “persönliche geistliche Leitung”.
Einige Passagen aus den Erfahrungen über die Art, brüderliche Gespräche zu führen illustrieren diese Vorgangsweise, bei der kaum mehr Raum bleibt für die persönliche Spontaneität und wo alles, einschließlich der Vorgangsweise, vorgefertigt ist. So liest man zum Beispiel: Man muss [bei der Aussprache] großen Wert auf die Pünktlichkeit beim festgesetzten Tag und der üblichen Stunde legen (…) Ein andres wichtiges Kennzeichen ist die Kürze. Auch wenn die Dauer von verschiedenen Faktoren abhängen kann, werden im Normalfall, wenn man gut vorbereitet ist, zehn oder fünfzehn Minuten ausreichen, um mit Aufrichtigkeit und Tiefgang alle notwendigen Punkte zu besprechen. Nur in außerordentlichen Fällen wird es angebracht sein, mehr Zeit zu widmen (S.23). Und etwas weiter unten ist hinzugefügt: Im Katechismus des Werkes Nr. 208 heißt es, dass die Gläubigen im Werk ihre Seele in der Aussprache öffnen „können“, denn es ist ein Recht, das sie haben. Und zugleich “müssen” sie diese Gewohnheit ganz treu pflegen, denn es ist eines der Mittel, um uns mit dem Geist des Werkes zu identifizieren, und bei unserer Eingliederung in die Prälatur haben wir ja versprochen, dies in die Tat umzusetzen (S. 16).
Aber was ist das Wichtige bei diesen Überlegungen, die einzelne Person oder die Richtlinien der Institution, an die man sich aufgrund einer Berufung bindet? Wo hat die Kirche diese Auffassung „approbiert”, dass die Eingliederung in die Prälatur Opus Dei die Gewohnheit der Offenlegung des Gewissens gegenüber den Direktoren als etwas als eine Verpflichtung mit sich bringt?
Die gleiche Mentalität spiegelt das wider, was im Vademécum für örtliche Räte von 2002 für den Fall festgelegt ist, dass jemand eigenständige Entscheidungen zu treffen beginnt oder Zweifel darüber äußert, ob er seine Bindung an die Prälatur fortsetzen soll, wo man darauf besteht, dass die Kontrolle über diese Person durch das Mittel der geistlichen Leitung zu verschärfen ist: Konkret wird es angebracht sein, sich mit Klugheit darüber zu informieren, welch Art von Freundschaften er führt, ob er vertraulichen Umgang mit einer Person pflegt, ob er geistlichen Rat außerhalb des Werkes sucht, anstatt sich an seine Brüder zu wenden, welche Briefe er schickt und empfängt, dann ob er vielleicht an Verwandte, Freunde oder andere Personen schreibt, die ihn schlecht orientieren, welche Bücher er liest (S. 63). Diese Hinweise sind nunmehr in den Erfahrungen für die örtlichen Räte von 2005 unterdrückt (S. 55-57), ebenso wie andere wichtige Passagen der Ausgabe von 2002. Wenn man vergleicht, welche Stellen geändert wurden, kommt man der „Kosmetik“ auf die Spur, welche die Prälatur betreibt für den Fall, dass ihre Texte kontrolliert werden, denn in der Praxis hat sich weder nach innen noch nach außen etwas verändert, man hat lediglich eine große Anstrengung unternommen, den Eindruck zu erwecken, dass allfällige Irrtümer korrigiert wurden.
4. DIE LEITUNG ALS HERRSCHAFT ÜBER DIE GEWISSEN
14. Wenn man bis zu diesem Punkt gekommen ist, muss man sich fragen: Kann man
mit der einfachen Erwähnung in den Statuten
(Nr. 83 §2) das hier verwirklichte Konzept von „geistlicher Leitung”
für gerechtfertigt halten? Offensichtlich nicht, denn nichts davon steht
in Einklang mit der Morallehre und der kanonischen Praxis der Kirche. Mehr noch:
Es erscheint schwierig zu behaupten, dass solche Methoden irgend etwas mit einer
echten “persönlichen geistlichen Leitung“ zu tun haben, denn
Aufmerksamkeit, sich den Gläubigen zuzuwenden, wurde zum Mittel des —
nicht notwendigerweise schon schlechten — Zwecks der Institution gemacht.
Wie edel auch die Ziele von kirchlichen Institutionen sein mögen, si wird es doch niemals erlaubt sein, die Beziehungen umzukehren. Die Institution steht nämlich immer im Dienst der Person, nicht umgekehrt, und das gilt umso mehr für kanonische Strukturen. Die Person kann niemals als „Mittel“ oder Instrument angesehen werden dürfen, schon gar nicht für religiöse Ziele, wobei man die Institution über die legitime moralische Autonomie des Gewissens stellt. Wie weit ist diese Handlungsweise von der Anthropologie und den moralischen Lehren Johannes Pauls II. entfernt, die er in seiner ersten Enzyklika Redemptor hominis entfaltet!
Welcher Art ist nun also die “geistliche Leitung”,
wie sie im Opus Dei praktiziert wird? Hat es überhaupt etwas mit dem zu
tun, was die Kirche traditionellerweise unter
¿Es acaso lo que tradicionalmente la Kirche ha entendido por “geistlicher
Leitung” verstanden hat? Es sieht nicht so aus. Man braucht nur an einige
Fakten zu denken. Das gibt es das Dekret Perfectae
caritatis des II. Vatikanischen Konzils, das die Oberen daran erinnert,
“ihre Untergebenen als Kinder Gottes und mit Respekt vor der menschlichen
Person zu behandeln und ihre freiwillige Unterordnung zu fördern.“
Sie sollen ihnen deshalb besonders die gebührende Freiheit im Hinblick
auf das Bußsakrament und die Leitung der Gewissen (Nr. 14) lassen. Eine
direkte kanonische Konkretion dieses Hinweises des Konzils ist zweifellos Kanon
630 des Codex
iuris canonici von 1983, dessen Existenz allein schon Beweis genug dafür
ist, dass die Kirche niemals Abstriche in der Verteidigung dieser Freiheit zugelassen
hat, die Intimität des Gewissens zu offenbaren.
Viele andere gültige Kanones weisen in die gleiche Richtung, so etwa c.
220, c. 642, c. 239 §2 und c.985 über die Freiheit der geistlichen
Leitung in den Seminaren, und c.1548 §2-2º bzw. mehr noch c. 1550
§2-2º. Deshalb ist auch der Versuch zu scheitern verurteilt, das zu
rechtfertigen, was nicht zu rechtfertigen ist, und das in Einklang zu bringen,
was nicht passt, indem man anführt, dass es sich hier um Vorschriften „für
Ordensleute“ handle und nicht für gewöhnliche Christen, denn
die Vermischung zwischen Vorgesetzten und geistlicher Leitung
ist eine Praxis, die kanonisch undenkbar und unhaltbar ist, und es ist sinnlos
anzuführen, dass etwas praktisch ist, um eine Gewohnheit zu rechtfertigen,
die dem Kirchenrecht widerspricht. Die traditionelle Lehre von den Foren im
Leben der Kirche und ihrer Vermischung, die Druck auf das Gewissen bedeutet,
wurde von Leo XIII unmissverständlich in seinem Dekret Quemadmodum
vom 17. Dezember 1890 festgelegt. Dort wird jede Gewohnheit, die dem entgegensteht,
untersagt, und auch wenn es eine alte Vorschrift ist, so verbietet sie doch
für alle Zeiten die Vermischung der beiden Foren.
Man sollte dieses päpstliche Dekret sorgfältig lesen und seinen beständigen moralischen Gehalt erwägen. Dieses Dekret ist die unmittelbare Quelle, welche den Kanon530 des Kodex von 1917 inspiriert hat, woher seinerseits die Redaktion des aktuellen Kanon 630 des Kodex von 1983 abgeleitet ist. Wörtlich drückt sich das Dekret Quemadmodum sehr deutlich aus: „Seine Heiligkeit erklärt alle Verfügungen für ungültig, abgeschafft und nichtig, und zwar bei Frommen Vereinigungen, Instituten von Frauen mit einfachen oder feierlichen Gelübden oder von männlichen Laien jeglicher Art, auch wenn deren erwähnte Satzungen in irgendeiner Weise die Zustimmung des Apostolischen Stuhles erlangt haben sollen, und auch wenn es in diesem Punkt eine besondere Regelung hinsichtlich dieses Aspekts geben sollte, nämlich der intimen Offenlegung des Gewissens und des Herzens. Und deshalb wird den Direktoren oder Direktorinnen dieser Art von Instituten, Kongregationen und Gesellschaften die ernste Verpflichtung auferlegt, jede Art von Verfügungen zu unterdrücken und aus ihren Konstitutionen, Direktorien und Handbüchern auszumerzen. Ebenso erklärt er jede wie auch immer geartete Gewohnheit in dieser Materie, wie lange sie immer auch üblich sein mag, für ungültig.“ (Nr. I).
Außerdem aber fügt dieses Dekret auch, sehr praktisch orientiert, hinzu: „Mehr noch: Den erwähnten Superioren aller Würden und Grade verbietet er streng, dass sie ihre Untergebenen direkt oder indirekt, durch Rat, Furcht, Drohung oder Schmeichelei dazu veranlassen, [507] dass sie ihnen selbst ihr Gewissen auf diese Weise offenbaren. Dementsprechend gebietet er auch den Untergebenen, ihren höheren Vorgesetzten jene niederen Vorgesetzten anzuzeigen, die sie dazu zu veranlassen wagen, und wenn es sich um den Generaloberen oder die Generaloberin handelt, so muss von ihnen eine Anzeige vor dieser heiligen Kongregation gemacht werden.” (Nr. II). Die Vorschriften, die in diesem Dekret einzeln aufgezählt werden, dienen alle dem Ziel, dass diese päpstliche Vorschrift tatsächlich, ohne Abschwächung befolgt wird, die es in einer so schweren Materie nicht geben kann.
15. Wie ist es also möglich, dass sich das Opus Dei straflos diesen Anordnungen widersetzt? Aus dem einfachen Grund, weil sein Gründer und dessen Nachfolger große Vorsicht walten ließen und bisher vor dem Heiligen Stuhl und den Bischöfen verheimlichen konnten, was sich tatsächlich in seinem Inneren abspielt. Der jüngste Beweis dafür, mit welchen Methoden gearbeitet wird, bietet die überstürzte Herausgabe der letzten, mit 2005 datierten Erfahrungen für die örtlichen Räte, die allerdings erst 2006 redigiert und im letzten Drittel des Jahres in den Zentren der Prälatur verteilt wurden. Dort wurden alle kompromittierenden Abschnitte des Vademécum für örtliche RäteVademécum für örtliche Räte von 2002 unterdrückt, die den Missbrauch, der in der Prälatur weiterhin praktiziert wird, noch deutlich zeigen. Mit einer ausgeklügelten, manchmal zweideutigen Terminologie wurden die entsprechenden Paragraphen neu redigiert, um die Wahrheit zu verschleiern, sodass man aus den Texten nicht mehr entnehmen kann, was in Wahrheit geschieht.
Andererseits wurde bedauerlicherweise immer mit voller Härte gegen die vorgegangen, die für die Gerechtigkeit und gegen solche Täuschungen gekämpft haben und kämpfen. Darüber gibt es eine umfassende Dokumentation auf den Seiten von opuslibros.org im Internet.
Außerdem kommt hier noch eine wirksame und geschickte „Kirchenpolitik” zum Tragen, die darauf abzielt, eine kanonische Zustimmung zu erwirken und zu sichern — das berühmte „besondere Anliegen“ des Gründers — das die Unabhängigkeit allen gegenüber, Bischöfe eingeschlossen, gewährleisten sollte. Und dazu haben die geheim archivierten Aufzeichnungen über jeden einzelnen Bischof der Welt nicht unwesentlich beigetragen, die von allen Mitgliedern der Prälatur, die mit ihnen auf die eine oder andere Weise zu tun hatten, gesammelt wurden. Es ist ein wirklicher “Geheimdienst”, der den besten KGB-Praktiken in nichts nachsteht. Das ist allerdings nicht die Handlungsweise der Kongregationen der römischen Kurie.
In diesen persönlichen Akten, die planmäßig von den verschiedenen Regionen aktualisiert werden, ist alles bis in die unbedeutendsten Einzelheiten registriert, sogar die persönlichen Vorlieben und Eigenarten jedes Bischofs. Am aussagekräftigsten sind dabei die Nachrichten über die einzelnen Personen, die sogar die Rechtgläubigkeit und die persönlichen Ansichten mitteilen, die dann in geschlossenen Zirkeln auf der ganzen Welt kommuniziert werden. All das wird in einer verschlüsselten Sprache ausgedrückt, von dem Teil der Ausdrücke dem streng geheimen Band „Augustinus“ entnommen sind, wo beispielsweise für Mitglieder der kirchlichen Hierarchie die Vokabel „colega de Leo“ vorgegeben wird, das heißt, es handelt sich um einen Kollegen von “Leo(poldo Eijo und Garay)”, den Bischof von Madrid, der Escrivá maßgeblich förderte. Die Lektüre anderer Bände, wie die des “Vademécum für regionale Räte” vom 28. November 2000, die Delegationen und Kommissionen vorbehalten ist, verursacht nicht nur Schamröte, sondern einen wirklichen Skandal, die die hier propagierte unmoralische Vorgangsweise steht in schreiendem Gegensatz zur lehre und zur kanonischen Praxis der Kirche.
Wenn sie also an eine „Personalprälatur” dachten, wussten und wissen sie, was sie wollen, sie wussten und sie wissen, was sie suchen, sie wussten und sie wissen auch, warum sie es suchen. Garantien für die Säkularität ihres „Charismas“? Das ist heute nur mehr schwer zu glauben; viel eher Garantien für ihre „Unabhängigkeit“ im Schoß der Kirche, sodass niemand ihren internen „Gewohnheiten” nachschnüffeln, Rechnungen verlangen und ihre „Vergöttlichung“ hinterfragen kann, mit der sie sich die Gewissen unterwerfen. Daher rührt ihr Eifer, nunmehr die ihnen gewährte „Personalprälatur” als Analogie zu den Teilkirchen zu interpretieren, indem sie geflissentlich die Nachträge ignorieren, die Johannes Paul II. bei der Approbation des Codex Iuris Canonici von 1983 vorgenommen hat, und ihr Interesse, die „Natur“ des Opus Dei und der Kirche durch ihre Definition der Personalprälatur als „hierarchischer Struktur“ zu vermischen.
16. Also kann es keinen Zweifel an der universalen kanonischen Disziplin und am Willen des Papstes geben, die elementarsten Rechte der Gläubigen im Hinblick auf ihre Freiheit und ihre gerechtfertigte moralische Autonomie zu schützen (vgl. Veritatis splendor, Nr. 38-41). Und dennoch hat sich das Opus Dei von Anfang an von der Erfüllung dieser Regeln ausgenommen: damals, als noch der Kanon 530 des Codex von 1917 Geltung hatte, jetzt in Bezug auf Kanon 630, und immer in der ständigen Verpflichtung, die das Dekret Quemadmodum von Leo XIII. auferlegt.
Im Opus Dei hindert man die Gläubigen darin, sich ihren eigenen geistlichen Direktor oder Ratgeber frei auszusuchen, denn der wird ihnen immer von oben zugewiesen: Der Direktor des Zentrums ist es selbst für seinen unmittelbaren Untergebenen — eben infolge seines Leitungsauftrages als „Direktor” in der Institution — oder es ist jemand, der von diesem bezeichnet wird. Der Zweck, der dazu führt, diese Praxis, die so sehr der kirchlichen Gesetzgebung widerspricht, aufrecht zu erhalten, besteht darin, den „guten Geist“ zu bewahren, den man vom Gründer übernommen und der das eben so verfügt habe. Nach Nr. 215 des Katechismus des Werkes, wie schon erwähnt, “bewegt sie ihr guter Geist, die persönliche geistliche Leitung mit dem örtlichen Direktor oder der Direktorin und dem ihnen bezeichneten Priester zu führen, der für die Betreuung des Zentrums bestellt ist.“ Das heißt, man beruft sich auf ein “Gründungscharisma” als Entschuldigung dafür, dass man eine kanonische Vorschrift unterläuft und eine kirchliche Praxis ignoriert, die eine tiefe Bedeutung hat, weil sie im Naturrecht selbst wurzelt.
Der Band Erfahrungen über die Art, brüderliche Gespräche zu führen von 2001 rechtfertigt diese Vorgangsweise: Die ersten nahmen freiwillig, völlig spontan die Gewohnheit an, unserem Vater alle ihre Angelegenheiten zu erzählen und ihm ihr Gewissen zu öffnen. Später, mit der Entwicklung der apostolischen Arbeit, als es ihm physisch unmöglich wurde sie alle persönlich anzuhören, begannen sie mit derselben übernatürlichen Sicht der Dinge, mit der gleichen Aufrichtigkeit und Einfachheit, mit der sie zu unserem Gründer sprachen, dem Direktor ihre Seele zu öffnen. Weiter heißt es: seit damals sind wir, alle Gläubigen des Opus Dei, uns dessen bewusst, dass das brüderliche Gespräch ein übernatürliches Mittel ist, dass vom Herrn für unsere Heiligung inmitten der Welt eingesetzt wurde: Die Direktoren sind Werkzeuge Gottes, und sie rechnen mit der entsprechenden Gnade um uns zu helfen; deshalb bemühen wir uns immer darum, die Voraussetzungen zu erfüllen, völlige Aufrichtigkeit, verbunden mit dem Wunsch, dass man unseren asketischen Kampf immer deutlicher, vollständiger und intimer kennt (S. 3-4).
Und deshalb muss man die Frage stellen: Kann es ein “guter Geist” einem strengen Gebot der Kirche widersprechen? Ist diese Sichtweise des Charismas deshalb angemessen? Es kommt der Autorität der Kirche zu, diese Frage gebührend zu beantworten, denn die Unterscheidung der Charismen und die Verfügung darüber kommt ihrer ausschließlichen Kompetenz zu: vgl. CIC Kanon 576. Außerdem ist es genau jene Berufung auf das „göttliche Charisma“, denn wir immer dann antreffen, wenn kanonische Regelwidrigkeiten im Opus Dei begründet werden und wenn sich die Institution in ein Geheimnis hüllt, weil sie genau weiß, was sie tut, dass nämlich ihre Leitungsgewalt das Gewissen unterdrückt und auslöscht. Tatsächlich hat man alle, Priester wie Laien, die sie ausgeübt haben, an den Rand geschoben und früher oder später dazu gezwungen, die Prälatur zu verlassen.
5. EIN TATSÄCHLICHER BRUCH DER KIRCHLICHEN GEMEINSCHAFT
17. Mit dem entschuldigenden Hinweis auf ihr Charisma haben die Autoritäten des Werkes immer noch das getan, was sie wollten und so, ohne es im Ausdruck zu beschönigen, die eigenen Leute und die anderen betrogen. Sie haben den Gründer schon im Leben mit einer Aura der Heiligkeit, Prophetengeist und Inspiration umgeben, die dann alle Regelwidrigkeiten in seinem Werk rechtfertigen sollten. Das, was der Gründer gesagt und vorgeschrieben hat, wird als „Wort Gottes“ angesehen, ohne die Möglichkeit einer begründeten Diskussion. Und auf diesem Weg eines tatsächlichen Fundamentalismus, einer fanatischen Überhöhung der Person Escrivás, die mit seiner Zustimmung und seinem Wohlwollen geschah, kam man zu der erwähnten Vermischung der Foren und der Festlegung einiger regelwidriger Leitungsmaximen, als ob sie der ausdrückliche Wille Gottes wären.
Dieser Irrtum bestärkte die persönlichen Vorstellungen von José María Escrivá über Autorität und Leitung, die er auf das Opus Dei anwandte und die völlig von dem verschieden sind, was wir heute in der Konstitution Lumen gentium lesen können. Mit einem antimodernistischen Konzept von Kirche im Kopf die ganz seiner Seminaristenzeit entsprach, und einem hermetischen Abschluss gegenüber den Fortschritten einer besseren Theologie des zwanzigsten Jahrhunderts, verstand er in der Autorität etwas Unfehlbares, Vergöttlichtes, und deshalb seine eigenen Anweisungen als etwas, worüber nicht diskutiert werden darf: Das Werk und die Kirche waren societates perfectae nach Art sakraler Monarchien. Deshalb betrachtete er die persönliche geistliche Leitung — die Institution ist es, die “leitet” — und alle Bildungsmittel als eigentliche Aufgaben der Leitungsgewalt, und die Ratschläge, die in ihnen empfangen werden, sind anzunehmen, als kämen sie von Jesus Christus selbst.
Dieser Weg mündet in einer Praxis, bei der das persönliche Gewissen durch den Gehorsam gegenüber der Leitung ersetzt wird: Ein strikter, genereller Gehorsam, der sich auf alle Handlungen und alle Arten von Handlungen erstreckt. Deshalb deutet etwa das Vademécum für örtliche Räte von 2002 an: “Es werden in der Folge einige dieser Verpflichtungen angezeigt, damit die als Regel dienen. Um sich die hohe Gabe der Berufung zum Werk immer sehr klar bewusst zu machen, muss man mit einer gleich großen, vollen Entsprechung antworten, die auf alle Aspekte der Hingabe angewendet wird: 1) der Pflicht, dem Vater und den Direktoren, die ihn vertreten, genau, pünktlich und mit übernatürlichem Geist zu gehorchen, in allem, was sich auf das innere Leben und auf das Apostolat bezieht; 2) die Verfügbarkeit, jeder nach seinem Stand und seinen Lebensumständen, um sich den apostolischen Aufgaben des Werks (S. 53) zu widmen. In den neuen „Erfahrungen der örtlichen Räte“ von 2005 hat die Redaktion diesen ersten Teil beschönigend so umschrieben: 1) eine zarte Fügsamkeit, mit übernatürlichem Sinn und Schnelligkeit dem Prälaten und denen, die ihn vertreten, in allem, was sich auf das Ziel der Prälatur bezieht (die Suche nach der persönlichen Heiligung und das Apostolat) (S. 48), die man jetzt nicht mehr als „Verpflichtungen“ betrachtet, sondern als Ausdruck des Dienstes an Gott und den Seelen. Der Wortlaut hat sich geändert, nicht aber der „Geist“ und auch nicht die Praxis (die Gewohnheiten) der Institution, die stets wie immer vorgeht.
Wenn man die Texte aufmerksam und im Zusammenhang mit den anderen internen Schriften liest, bemerkt man einige Nuancen, die theoretisch wie Subtilitäten erscheinen, die jedoch im praktischen Leben eine große Tragweite haben. Aber das einzig Sichere ist, dass man von keinem Gläubigen einen „Leitungsgehorsam“ in Bezug auf das innere Leben verlangen kann, weil alles im Leben Beziehung mit „dem inneren Leben“ hat, und ist die „Gesamtheit“ seines Lebens nicht unter die Regierungsgewalt des äußeren Forums fällt und fallen kann: Die Seele, das Gewissen, gehören nur Gott, und es gibt Bereiche ohne Zugang, wo Er nur eintreten kann.
Jedoch, sich den „Forderungen der Berufung“ zu stellend nach der Vorstellung des Prälaten und der Direktoren des Opus Dei etwas völlig anderes: Sie meinen, dass alles im Leben ihrer Gläubigen mit dem „Geist“ zu tun hat, dass alles geregelt sein muss, dass jedes Verhalten der Bewertung nach dem „Geist“ unterliege und folglich Materie des Gehorsams sei. Um diese Vorgangsweise zu bestätigen, pflegt man dem Gründer zugeschriebene Sätze ständig zu wiederholen: „Zu Hause kann man alles verlangen“, oder noch besser „wir haben keine Rechte“, oder poetisch gesagt, „ich habe das Recht, kein Recht zu haben“. Aber diese Vermischung der Ebenen erweist sich als sehr gefährlich, denn sie eröffnet die Möglichkeit zu allen Arten von Missbrauch der Seelen, und noch mehr eignet, wenn man sie „mit gutem Willen“ verwirklicht, sie als gut und als Zeichen der Hingabe an Gott präsentiert. Die Person darf niemals völlig einer Institution, noch ihrer führenden Struktur unterworfen sein.
18. Bei der Annäherung an das Opus Dei und nach dem Beitritt, meist in ganz jungen Jahren, empfängt man eine Grundausbildung, eine Indoktrinierung, die in den Statuten (Nr. 27 §3, 1º) ihre ganz merkwürdige Entsprechung findet, denn diese beschränken die Jurisdiktion des Prälaten auf die besonderen Ziele der Prälatur. Und wenn wir andererseits das Gesagte rekapitulieren, befinden wir uns in einer Organisation, die sich für wichtiger hält als die Menschen, die den kleinsten Ansatz von Autonomie im Intimbereich mit den Füßen tritt und sie der unveräußerliche Rechte beraubt. Die Person zählt nicht; das Einzige, was zählt, ist der “Wille Gottes, der sich durch die Direktoren offenbart, die sich so präsentieren, als wären sie selbst unmittelbar mit der Heiligung der Gläubigen beauftragt.
Noch vor der Wahrheit kommen die Interessen der Institution, denn ihre Ziele und Handlungen sind “der ausdrückliche Wille Gottes”, und daher kommt auch sein Name Opus Dei. Und so kommen wir zu einer Autorität, die weder Grenzen noch Rechte kennt, die ihr Tun einschränken könnten, ein wahrhaft „totalitäres” System, stark hierarchisch strukturiert, dessen schlimmste Sünde „Mangel an Einheit“ ist, die sich in der geringsten Äußerung eigener Kriterien oder von Insubordination zeigt. Die verpflichtende Praxis der “Offenbarung des Gewissen” gegenüber den Direktoren — als Mittel der persönlichen geistlichen Leitung — das ist der wirksamste Weg, die Meinungen im Inneren der Institution zu kontrollieren, und wo auch immer das möglich ist, versucht man auch die Meinungen außerhalb zu kontrollieren.
Die Disziplin wird durch Mechanismen abgesichert, die jede Kritik unterdrücken; so ist es etwa nicht möglich, die Bildungsmittel zu kommentieren, niemand darf bei jemandem beichten oder die geistliche Leitung empfangen, der nicht vom Werk ist; niemand darf beitreten, der schon zu anderen kirchlichen Institutionen gehört hat etc. Die Isolierung der einzelnen Person wird weiters dadurch erreicht, dass die wesentliche Äußerung brüderlicher Fürsorge die „brüderliche Zurechtweisung“ ist, die zuallererst und wesentlich aus einer „Meldung“ beim Direktor besteht, auch wenn man es nicht so bezeichnet. Und so gelangt man schlussendlich zu einer effektive Kontrolle der Gewissen.
19. All das zeigt, dass diese „unfehlbare” Institution, die von Gott so offenkundig „mit so vielen Berufungen“ gesegnet worden ist, keine so gute Lehre hat wie sie behauptet, denn sie akzeptiert nicht die ganze Lehre der Kirche, auch einen Großteil des II. Vatikanischen Konzils nicht, noch achtet es die grundlegenden Rechte seiner Gläubigen, noch ist das Werk in voller Gemeinschaft mit der universalen Kirche. Und nach all dem, was ich hier dargelegt habe, ist wohl eine Folgerung klar: Das Opus Dei ist heute nicht das, was es zu sein behauptet.
Gewiss präsentiert es sich als eine Institution mit säkularem Geist, als ein Weg der Heiligung inmitten der Welt, als eine Form der Hingabe von gewöhnlichen Christen, die niemanden von seinem Platz entfernt, und so zeigt es sich auch jenen, die sich seinen Apostolaten nähern. Trotzdem werden die Gläubigen, wenn sie erst einmal drinnen sind, nach und nach mit Verpflichtungen und Lebensformen überhäuft, die nur mehr wenig oder nichts mit dem Charisma zu tun haben, das von der Kirche anerkannt wurde: Das „Ziel der Prälatur“ ist eine vage und schwammige Formel, die dazu verwendet wird, die Rechte der Person beiseite zu schieben. Und zugleich besteht man darauf, dass die Gläubigen in ernster Gefahr sind, ewig verdammt zu werden, wenn sie diesen Weg innerhalb der Kirche verlassen.
Es sind nicht wenige, die sich bald betrogen vorkommen, und
während sie sich aufrichtig bemühen Gott auf einem säkularen
Weg zu dienen, drängt man sie bald in eine völlig andere Lebensform,
und das noch dazu unter dem Vorwand, es sei Gottes Wille. Dazu kommt noch der
Betrug, einen unbegrenzten Gehorsam als schwere moralische Verpflichtung hinzustellen,
ohne dass diese „Verpflichtung“ kirchenrechtlich abgesichert wäre.
Sowohl Männer wie auch Frauen müssen schwere Verstöße gegen
ihre fundamentalen Rechte hinnehmen, die doch durch das universale Kirchenrecht
geschützt werden.
Während man keinen sicheren juridischen Rahmen gelten lässt, fordern
die “internen Verpflichtungen der Prälatur, die niemals vom Heiligen
Stuhl approbiert wurden, von den Mitgliedern auch viele Verpflichtungen, die
in den Statuten nicht vorgesehen sind und nach dem Gutdünken der Leiter
ausgelegt werden und die den Hauptinhalt der Hingabe ausmachen: In vielen Fällen
verletzen sie nicht direkt das Kirchenrecht, aber insgesamt bedeuten sie dennoch
eine Täuschung hinsichtlich des Ideals der Berufung, wie es den Gläubigen
ursprünglich präsentiert und wie es von ihnen gewünscht worden
war.
Die ständige Produktion von „Normen” oder Kriterien aufgrund
interner Schriften oder Anmerkungen verändern den Inhalt des „Vertrags“
ständig nach der Laune der Direktoren. Und diese ständigen “Verpflichtungen”,
die als konkreter Ausdruck des Willens Gottes und der Treue Ihm gegenüber
präsentiert werden, erdrücken das Herz der Gläubigen und manipulieren
schließlich ihre Wahrnehmung der Wirklichkeit. Es gibt allzu viele Widersprüche
und Lügen in des Pastoral des Werkes: von der Bildung, die man empfängt,
die nach Gutdünken zurechtgestutzt wird und nach sektiererischer Weise
einseitige Ausschnitte der Wirklichkeit zeigt, bis hin zur Aufklärung über
die wirkliche historische, lebendige und juridische Wirklichkeit der eigenen
Institution.
Schließlich macht man all das für eine Organisation, die davon überzeugt ist, den „Willen Gottes” zu erfüllen und die sich in sicherer Einheit mit Ihm weiß, die allen ihren Handlungen das Siegel der Güte und Rechtgläubigkeit aufdrückt. Sie glaubt die Lösung für die drängenden Probleme der Kirche zu besitzen, wie sie auch glaubt, selbst die Treue und die wahre Lehre gepachtet zu haben. Sie “hat alles gut gemacht”, omnia bene fecit, und weil sie heiliger ist als die Kirche selbst, hat sie nicht nötig um Verzeihung zu bitten.
Das Opus Dei hat es nötig, die moralische Aufrichtigkeit seines Vorgehens und auch seine Transparenz zu verbessern, es muss eine historische Aufklärungsarbeit über die Person seines Gründers leisten, sein Charisma und über die praktische Anwendung seines besonderen Rechts im Einklang mit dem universalen Recht der Kirche. Solange das nicht geschieht, wird es weiterhin eine Institution ohne wirkliche Einheit mit der Pastoral der Kirche und ihrer Hierarchie sein, Leute, die auf eigene Rechnung handeln, eine Art „Krebs“, der sich innerhalb der Kirche ausbreitet und eine skandalöse Gärung, Spannungen und Spaltungen verursacht.
Wenn der Herr gekommen ist um Zeugnis von der Wahrheit abzulegen (Joh 18,37), kann es weder Sinn noch Erfolg haben, wenn eine Institution der Kirche mit der Lüge jongliert und in der Dunkelheit verharrt. Es ist schlimm für diese Institution und eine Zeitbombe für die Kirche. Jede Gesellschaft, die im Guten wachsen möchte, muss zu beständigen Reformen bereit sein, zur Reinigung, und das erreicht man nicht ohne eine ordentliche Selbstkritik. Was den wahren Glauben von menschlichem Fanatismus unterscheidet, ist immer die Bindung an die Wahrheit.
6. DAS NOTWENDIGE EINSCHREITEN DES HEILIGEN STUHLES
20. Tatsächlich existiert eine ganze „offizielle Literatur“ über den Gründer und über die Geschichte des Werkes, über die nicht diskutiert werden konnte und die sich nach und nach in vielen Aspekten als falsch erweist. Es geht hier nicht darum, Beispiele anzuführen, die es gibt, sondern dass von den Direktoren eine wahre Beschlagnahme der historischen Quellen des Gründers und des Opus Dei veranstaltet wurde, mit einer völligen Kontrolle über die Information und darüber hinaus der Möglichkeit, die Produktion von Literatur zu steuern, denn das Schreiben darüber erfordert die ausdrückliche Genehmigung durch die Direktoren.
Ein Großteil der zahl- und umfangreichen Gründungsbriefe sind aus dem Verkehr gezogen worden und sie stehen auch für den internen Gebrauch nicht zur Verfügung. Die „offiziellen“ Biographien über den Gründer und das Werk enthalten weiße Flecken, die wissenschaftlich inakzeptabel sind und die ziemlich umstritten sind, wo es nicht überhaupt vorgekommen ist, dass Fakten und Erklärungen beigesteuert wurden, die sich nachher als falsch erwiesen haben. Generell wird eine freie und unabhängige Forschung im Dienste der Wahrheit weder ermöglicht noch erleichtert, sondern man errichtet ein Gebäude von halben Lügen und falschem Augenschein, eine Propaganda, die von der Institution ausgeht. Dieser „Betrug“ am Heiligen Stuhl und an den eigenen Gläubigen, der durch die Verteidigung des Charismas gerechtfertigt wird, haben gewöhnlich ihren Ursprung in einer Bildung in Praxis und Recht des Opus Dei, die mit dem erwähnten Charisma wenig zu tun hat.
Wie bereits zu sehen wahr, enthält die interne Pastoral des Werkes moralisch schwerwiegende Irrtümer, die heute eine gründliche Revision erfordern, damit es seinen Platz in voller Einheit mit der Lehre und der Disziplin der Kirche einnehmen kann. Und dieser Beginn einer intern und extern geführten Debatte im Dienst an der Wahrheit, in der es möglich ist, die Furcht abzulegen, die einige heute noch zeigen, dass sich in den Schriften des Gründers theologische, kanonische und anthropologische Defizite, wenn nicht Ungereimtheiten und Irrtümer zeigen.
Von kirchlicher Sicht erscheint es unzulässig, dass noch längere Zeit das Versteckspiel mit den historischen Quellen der Institution mit der Absicht fortgesetzt wird, das eigene Image um jeden Preis zu schützen. Diese Aneignung der Gründungsschriften durch die Direktoren erhellt deutlich, auf welchen schwachen Fundamenten die aktuell geübte Praxis im Opus Dei beruht: Man akzeptiert nicht einmal die geringste Kritik, und wer es wagen sollte sie zu äußern, wird rasch aus der Gemeinschaft ausgestoßen. Um die tiefe Krise, in der sie sich befindet, nicht anzuerkennen und sich ihr nicht stellen zu müssen, hält die Prälatur an der fanatischen Indoktrinierung und einer totalitären Kontrolle der Gewissen fest, die im Namen Gottes und der Kirche begangen werden, und die dann ohne Nachdenken akzeptiert werden, das heißt, aus einer naiven und unwissenden Vertrauensseligkeit heraus, die aufgrund des guten Willens vieler Gläubiger möglich ist.
Es hat nicht den Anschein, als seien der jetzige Prälat
und sein Mitarbeiterstab in der Lage, diese Aufgabe der Selbstkritik anzugehen,
denn sie selbst sind die unmittelbaren Ursachen der augenblicklichen Situation,
und es gibt Hinweise, dass sie mit vollem Bewusstsein handeln. Anstelle einer
Erörterung der tiefer gehenden Themen reagiert man mit den passenden „Image-Kampagnen“
oder Public Relation. Und so wendet das Opus Dei im Augenblick enorme Energien
für die Aufrechterhaltung seines äußeren Images auf: So sind
beispielsweise in Spanien
— und das betrifft jetzt ausschließlich diese Region — mehr
als 50 Personen hauptberuflich mit der Betreuung der Medien beschäftigt,
und zwar abgesehen von den Direktoren, die ebenfalls diese Aufgabe wahrnehmen,
und jenen Gläubigen im Werk, die beruflich in den Massenmedien arbeiten.
Aber ein Thema, das keinen Aufschub gestattet, ist der Schaden,
den all dies in den Menschen anrichtet. Ein solcher Missbrauch, wie er hier
dargelegt wurde, kann nicht geduldet werden, und das umso weniger, wenn er im
Namen Gottes geschieht. Das kann dem Heiligen Geist nicht wohlgefällig
sein, der tatsächlich die Kirche leitet. Deshalb muss man sich die Frage
stellen: Ist die Realität, wie sie hier gezeigt wurde, tatsächlich
vom Heiligen Stuhl als Charisma des Opus Dei approbiert worden? Die Personalprälatur
wurde errichtet, um durch den Status der Unabhängigkeit diese Vorgangsweise
zu verheimlichen und die Jurisdiktion der Bischöfe und die universalen
Gesetz der Kirche außer Kraft zu setzen?
Es ist nicht schwer, dies übereinstimmend negativ zu beantworten. Zugleich
aber ist es wahr, dass heutzutage viele Personen des Opus Dei das Gute mit guter
Absicht tun und dass die Organisation selbst großartige apostolische Früchte
bringen könnte, wenn diese Abirrungen ihre Pastoral nicht von der Wurzel
her vergiften würden. Das ist ein ausreichender Grund für den Heiligen
Stuhl, einzugreifen und diese Vorgangsweisen zu korrigieren, die dieses Geschenk
Gottes stören. Und ganz gewiss ist es, dass ein solcher Eingriff öffentlich
und allgemein bekannt gemacht werden soll, um das missbrauchte Gewissen von
nicht wenigen Gläubigen der Prälatur zu entlasten.
7. ANHANG: DAS DEKRET “QUEMADMODUM” VOM 17. 12. 1890
a) Die deutsche Übersetzung des Dekrets “Quemadmodum”
DEKRET
durch welches einige Normen hinsichtlich der Offenlegung innerer Gewissensangelegenheiten und des Herzens gegenüber den Oberen in den Klöstern von Frauen oder Männern festgelegt werden
Auf ähnliche Weise, wie es sich mit allen menschlichen Angelegenheiten verhält, derer sich die Menschen, wie ehrenvoll und heilig sie auch seien, zu einem Zweck bedienen, der ihnen fremd ist und nicht zukommt und dass dies zu Missbräuchen führt, so geschieht dies auch mit Gesetzen, die weise ausgearbeitet wurden. Und deshalb, wenn dies geschieht, wird der Zweck nicht erreicht, den der Gesetzgeber gesucht hat, und manchmal geschieht sogar das Gegenteil. Das ist bedauerlich, und vor allem dann, wenn es im Zusammenhang mit vielen Kongregationen, Gesellschaften oder Instituten von Frauen geschieht, die einfache oder feierliche Gelübde ablegen, oder auch beim Gelübde von Männern und bei der Leitung von Laien. Da einige Male die Offenbarung des Gewissens in deren Konstitutionen erlaubt war mit dem Ziel, dass die Anfänger von ihren Vorgesetzten leichter den steilen Weg der Vollkommenheit in ihren Zweifeln kennen lernen, geschieht es heute andererseits, dass einigen diese intime Gewissensprüfung auferlegt wurde, die einzig dem Sakrament der Buße vorbehalten ist. In gleicher Weise und in einer Linie mit den heiligen Kanones wurde in den Konstitutionen festgelegt, dass die sakramentale Beichte in den Gemeinschaften dieser Art bei den betreffenden ordentlichen und außerordentlichen Beichtvätern abzulegen sei. Von hier ausgehend kam es, dass die Willkür der Oberen sich bis zu dem Extrem verstieg, den Untergebenen einen außerordentlichen Beichtvater verweigert haben konnten, auch, wenn diese es notwendig brauchten, um für ihr Gewissen Rat zu empfangen. Und schließlich wurde als Regel der Klugheit und des Taktes eingeführt, dass sie ihre Untergebenen nach der Regel und rechtmäßig auch hinsichtlich besonderer Bußen und auch sonst bei Werken der Frömmigkeit anleiteten. Aber auch diese Regel wurde durch Missbrauch bis dahin ausgedehnt, dass sie ihnen nach Lust und Laune erlaubten zur Heiligen Kommunion zu gehen oder dass sie es manchmal ganz verboten.
Von hier hat es sich ergeben, dass [506] sich diese Art von Anordnungen, die zur ihrer Zeit mit heilsam und weise zum Fortschritt der Jünger eingerichtet worden waren, und um die Eintracht der Einheit in den Gemeinschaften zu wahren und zu fördern, nicht selten zur Diskriminierung der Seelen, zu Angst in den Gewissen und noch sogar zur Störung der äußerlichen Ruhe schließlich verwandelt haben, wie in anderer Zeit eingeschobene Einsprüche vor dem Heiligen Sitz die Mittel und zeigen, wie Eingaben und Klagen von Untergebenen, die beim Heiligen Stuhl eingebracht wurden, deutlich gezeigt haben.
Deshalb hat unser Heiliger Herr Leo, durch göttliche Vorsorge der XIII. Papst dieses Namens, mit Rücksicht auf diesen geliebtesten Teil seiner Herde, in der Audienz am 14. Dezember 1890, die er gewährt hat, um Befragungen und Angelegenheiten mit mir, dem Kardinalpräfekten der Heiligen Kongregation der Bischöfe, zu erledigen, nachdem er sie alle mit höchster Sorgfalt und Umsicht geprüft hat, mit besonderer Anteilnahme entschieden, befohlen und angeordnet, was folgt:
I. Seine Heiligkeit erklärt alle Verfügungen für ungültig, abgeschafft und nichtig, und zwar bei Frommen Vereinigungen, Instituten von Frauen mit einfachen oder feierlichen Gelübden oder von männlichen Laien jeglicher Art, auch wenn deren erwähnte Satzungen in irgendeiner Weise die Zustimmung des Apostolischen Stuhles erlangt haben sollen, und auch wenn es in diesem Punkt eine besondere Regelung hinsichtlich dieses Aspekts geben sollte, nämlich der intimen Offenlegung des Gewissens und des Herzens. Und deshalb wird den Direktoren oder Direktorinnen dieser Art von Instituten, Kongregationen und Gesellschaften die ernste Verpflichtung auferlegt, jede Art von Verfügungen zu unterdrücken und aus ihren Konstitutionen, Direktorien und Handbüchern auszumerzen. Ebenso erklärt er jede wie auch immer geartete Gewohnheit in dieser Materie, wie lange sie immer auch üblich sein mag, für ungültig.
II. Mehr noch: Den erwähnten Superioren aller Würden und Grade verbietet er streng, dass sie ihre Untergebenen direkt oder indirekt, durch Rat, Furcht, Drohung oder Schmeichelei dazu veranlassen, [507] dass sie ihnen selbst ihr Gewissen auf diese Weise offenbaren. Dementsprechend gebietet er auch den Untergebenen, ihren höheren Vorgesetzten jene niederen Vorgesetzten anzuzeigen, die sie dazu zu veranlassen wagen, und wenn es sich um den Generaloberen oder die Generaloberin handelt, so muss von ihnen eine Anzeige vor dieser heiligen Kongregation gemacht werden.
III. Aber keineswegs hindert dies, dass die Untergebenen frei und offen ihre Seele den Oberen eröffnen können, um von seiner Klugheit in ihren Zweifeln und Ängsten den Rat und die Leitung zu erhalten, um Tugenden zu erwerben und auf dem Weg der Vollkommenheit fortzuschreiten.
IV. Während außerdem das in Geltung bleibt, was in Bezug auf die ordentlichen und außerordentlichen Beichtväter der Gemeinschaften das Heilige Konzil von Trient in seiner Sitzung 25, Kapitel 10 „von den Regularen“ und was der große Meister Benedikt XIV. in seiner Konstitution „Pastoralis curae“ begründet, so ermahnt Seine Heiligkeit die Prälaten und Oberen, dass sie ihren Untergebenen der außerordentliche Beichtvater nicht verweigern, sooft sie dies verlangen, um Rat für ihr Gewissen zu empfangen, aber auf eine solche Weise, dass diese Oberen keineswegs dem Grund dieser Bitte nachforschen und dass sie sich auch nicht erklären lassen, warum jene dies machen. Und, damit eine so kluge Anordnung nicht vergeblich ergangen ist, ermahnt er die Ordinarien, dass sie geeignete, mit Erlaubnis versehene Priester an den Orten ihrer Diözese bezeichnen, wo Frauengemeinschaften existieren, zu denen sie leicht Zutritt haben können, um das Sakrament der Buße zu erhalten.
V. Was sich auf die Genehmigung oder das Verbot bezieht, die Heilige Kommunion zu empfangen, beschließt Seine Heiligkeit, dass die Erlaubnisse oder die Verbote darüber nur dem ordentlichen oder außerordentlichen Beichtvater zukommen, sodass die Oberen keinerlei Autorität haben, sich in diese Angelegenheit einzumischen, ausgenommen, falls einer seiner Untergebenen der Gemeinschaft nach letzten Sakramentalen Beichte Anstoß gegeben oder einen schweren äußerlichen Fehler begangen hat, für den Fall, dass er noch nicht wieder das Sakrament der Buße erhalten hat.
VI. Deshalb werden alle [508] ermahnt, sich zu bemühen und sich sorgfältig auf den Empfang der Heiligen Kommunion an den Tagen vorzubereiten, die von den jeweiligen Regeln bestimmt sind. Und sooft es der Beichtvater für den Fortschritt von jemandem für zweckmäßig erachtet, dass er sie mit größerer Häufigkeit wegen seines geistigen Eifers erhält, so wird der Beichtvater selbst das erlauben können. Gewiss wird der, der Erlaubnis des Beichtvaters erlangte, mit größerer Häufigkeit und tägliche die Heilige Kommunion zu empfangen, die Pflicht haben, dies dem Oberen auf eine solche Weise mitzuteilen, dass es für diesen mit vollkommener Gewissheit feststeht. Und wenn dieser denken wird, dass schwere und gerechtfertigte Gründe gegen diese häufigen Kommunionen existieren, so wird er die Pflicht haben es dem Beichtvater mitzuteilen, nach dessen definitivem Urteil er sich völlig richten wird müssen.
VII. Und, mehr noch, Seine Heiligkeit beauftragt alle und jeden einzelnen der Generaloberen, der Provinziale und der Örtlichen Superioren und von den Instituten, die oben behandelt sind, seien es Männer oder Frauen, dass sie gewissenhaft und sorgfältig die Anordnungen dieses Dekret erfüllen, unter der Drohung, ipso facto den Strafen zu verfallen, die Oberen vorgesehen sind, die den Befehle des Apostolischen Stuhles zuwider handeln.
VIII. Endlich ordnet er an, dass Exemplare dieses Dekrets in die einheimischen Sprachen übersetzt und den Konstitutionen der erwähnten frommen Vereinigungen beigefügt und wenigstens einmal im Jahr, in der Zeit, die jedes Haus für sich festlegt laut und verständlich im öffentlichen Esszimmer oder in einem für diesen Zweck besonders zusammengerufenen Kapitel vorgelesen werden. Und so hat Seine Heiligkeit noch angeordnet und verfügt, dass keine Gründe und kein Fall, mag er sich auch besonders darstellen, dieser Anordnung entgegenstehen kann.
Gegeben in Rom, den 17. Dezember 1890, übermittelt durch das Sekretariat der Heiligen Kongregation für die Bischöfe. Kardinal VERGA, Präfekt. † FR. LUIS Bischof de Callinicum dei Maroniti. Sekretär.
b)Der Originaltext nach den ”Acta Sanctae Sedis” 23 (1890-1891, S. 505-508
DECRETUM
quo nonnullae praecipiuntur normae quoad cordis et conscientiae intimam
manifestationem Superioribus faciendam in coenobiis mulierum aut virorum
Quemadmodum omnium rerum humanarum, quantumvis honestae sanctaeque
in se sint; ita et legum, sapienter conditarum, ea conditio est, ut ab hominibus
ad impropria et aliena ex abusu traduci ac pertrahi valeant; ac propterea quandoque
fit, ut intentum a legislatoribus finem haud amplius assequantur; imo et aliquando,
ut contrarium sortiantur effectum.
Idque dolendum vel maxime est obtigisse quoad leges plurium Congregationum,
Societatum aut Institutorum sive mulierum quae vota simplicia aut solemnia nuncupant,
sive virorum professione ac regimine penitus laicorum; quandoquidem aliquoties
in illorum Constitutionibus conscientiae manifestatio permissa fuerat, ut facilius
alumni arduam perfectionis viam ab expertis Superioribus in dubiis addiscerent;
e contra a nonnullis ex his intima conscientiae scrutatio, quae unice Sacramento
Poenitentiae reservata est, inducta fuit. Itidem in Constitutionibus ad tramitem
ss. Canonum praescriptum fuit, ut sacramentalis Confessio in huiusmodi Communitatibus
fieret respectivis Confessariis ordinariis et extraordinariis; aliunde Superiorum
arbitrium eo usque devenit, ut subditis aliquem extraordinarium Confessarium
denegaverint, etiam in casu quo, ut propriae conscientiae consulerent, eo valde
indigebant. Indita denique eis fuit discretionis ac prudentiae norma, ut suos
subditos rite recteque quoad peculiares poenitentias ac alias pietatis opera
dirigerent; sed et haec per abusionem extensa in id etiam extitit, ut eis ad
Sacram Synaxim accedere vel pro lubitu <corrig. libitu> permiserint, vel
omnino interdum prohibuerint. Hinc factum est, ut [506] huiusmodi
dispositiones, quae ad spiritualem alumnorum profectum et ad unitatis pacem
et concordiam in Communitatibus servandam fovendamque salutariter ac sapienter
constitutae iam fuerat, haud raro in animarum discrimen, in conscientiarum anxietatem,
ac insuper in externae pacis turbationem versae fuerint, ceu subditorum recursus
et querimoniae passim ad S. Sedem interiectae evidentissime comprobant.
Quare SSmus. D. N. Leo divina providentia Papa XIII, pro ea, quae praestat erga
lectissimam hanc sui gregis portionem peculiari sollicitudine, in Audientia
habita a me Cardinali Praefecto S. Congregationis Episcoporum et Regularium
negotiis et consultationibus praepositae die decimaquarta Decembris 1890 omnibus
sedulo diligenterque perpensis, haec quae sequuntur voluit, constituit atque
decrevit.
I. Sanctitas Sua irritat, abrogat, et nullius in posterum roboris declarat quascumque
dispositiones Constitutionum, piarum Societatum, Institutorum mulierum sive
votorum simplicium sive solemnium, nec non virorum omnimode laicorum, etsi dictae
Constitutiones approbationem ab Apostolica Sede retulerint in forma quacumque,
etiam quam aiunt specialissimam, in eo scilicet, quod cordis et conscientiae
intimam manifestationem quovis modo ac nomine respiciunt. Ita propterea serio
iniungi Moderatoribus ac Moderatricibus huiusmodi Institutorum, Congregationum
ac Societatum ut ex propriis Constitutionibus, Direktoriis ac Manualibus praefatae
dispositiones omnino deleantur penitusque expungantur <corrg. expurgantur>.
Irritat pariter ac delet quoslibet ea de re usus et consuetudines etiam immemorabiles.
II. Districte insuper prohibet memoratis Superioribus ac Superiorissis cuiuscumque
gradus et praeeminentiae sint ne personas sibi subditas inducere pertentent
directe aut indirecte, praecepto, consilio, timore, minis, aut blanditiis [507]
ad huiusmodi manifestationem conscientiae sibi peragendam; subditisque e converso
praecipit, ut Superioribus maioribus denuncient Superiores minores, qui eos
ad id inducere audeant; et si agatur de Moderatore vel Moderatrice Generali
denunciatio huic S. Congregationi ab iis fieri debeat.
III. Hoc autem minime impedit quominus subditi libere ac ultro aperire suum
animum Superioribus valeant ad effectum ab illorum prudentia in dubiis ac anxietatibus
consilium et directionem obtinendi pro virtutum acquisitione ac perfectionis
progressu.
IV. Praeterea firmo remanente quoad Confessarios ordinarios et extraordinarios
Communitatum quod a Sacrosancto Concilio Tridentino praecribitur in Sess. 25
Cap. 10 de Regul. et a S. M. Benedicti XIV statuitur in Constitutione quae incipit
“Pastoralis curae” Sanctitas Sua Praesules Superioresque admonet
ne extraordinarium denegent subditis Confessarium quoties, ut propriae conscientiae
consulant, ad id subditi adigantur, quin iidem superiores ullo modo petitionis
rationem inquirant, aut agere id ferre demonstrent. Ac ne evanida tam provida
dispositio fiat, Ordinarios exhortatur, ut in locis propriae Dioeceseos, in
quibus Mulierum Communitates existunt, idoneos Sacerdotes facultatibus instructos
designent, ad quos pro Sacramento poenitentiae recurrere eae facile queant.
V. Quod vero attinet ad permissionem vel prohibitionem ad sacram Synaxim accedendi
Eadem Sanctitas Sua decernit, huiusmodi permissiones vel prohibitiones dumtaxat
ad Confessarium ordinarium vel extraordinarium spectare, quin Superiores ullam
habeant auctoritatem hac in re sese ingerendi, excepto casu quo aliquis ex eorum
subditis post ultimam Sacramentalem Confessionem Communitati scandalo fuerit,
aut gravem externam culpam patraverit, donec ad Poenitentiae sacramentum denuo
accesserit.
VI. Monentur hinc omnes, ut ad Sacram Synaxim [508] curent
diligenter se praeparare et accedere diebus in propriis regulis statutis; et
quoties ob fervorem et spiritualem alicuius profectum Confessarius expedire
iudicaverit ut frequentius accedat, id ei ab ipso Confessario permitti poterit.
Verum qui licentiam a Confessario obtinuerit frequentioris ac etiam quotidianae
Communionis, de hoc certiorem reddere Superiorem teneantur; quod si hic iustas
gravesque causas se habere reputet contra frequentiores huiusmodi Communiones,
eas Confessario manifestare teneatur, cuius iudicio acquiescendum omnino erit.
VII. Eadem Sanctitas Sua insuper mandat omnibus et singulis Superioribus Generalibus,
Provincialibus et Localibus Institutionum de quibus supra, sive virorum, sive
mulierum ut studiose accurateque huius Decreti dispositiones observent sub poenis
contra Superiores Apostolicae Sedis Mandata violantes ipso facto incurrendis.
VIII. Denique mandat, ut praesentis Decreti exemplaria in vernaculum sermonem
versa inserantur Constitutionibus praedictorum piorum Institutorum, et saltem
semel in anno, stato tempore in unaquaque Domo, sive in publica mensa, sive
in Capitulo ad hoc specialiter convocato alta et intelligibili voce legantur.
Et ita Sanctitas Sua constituit atque decrevit, contrariis quibuscumque, etiam
speciali et individua mentione dignis, minime obstantibus.
Datum Romae ex Secretaria S(acrae) Congregationis Episcoporum et Regularium
die 17 Decembris 1890. I. Cardinalis VERGA Praefectus. † FR. ALOISIUS
Episcopus Callinicen(sis) Secretarius.