DIE PASTORALEN METHODEN
DES OPUS DEI


Marcus Tank
, 20. November 2006

1. Seit einiger Zeit habe ich so wie ihr alle, die ihr die verderblichen Methoden kennen gelernt habe, nach denen das Opus Dei derzeit geleitet wird, im Sinn, darüber etwas tiefer nachzudenken. Der Zugang zu so verborgenen Dingen, wie es die Motive sind, die den Gründer und seine Nachfolger inspirierten, ebenso wir zur seelsorglichen Vorgangsweise der Prälatur, ist einigermaßen schwierig, wenn man sie direkt betrachtet, wird aber einigermaßen leicht, wenn man die Mittel betrachtet, die bei dieser seelsorglichen Arbeit angewendet werden.

Im Augenblick machen wir grundsätzlich die Wahrnehmung, und zwar von Innen wie von Außen, dass man im Opus Dei nicht danach strebt, die Nächstenliebe als das Wichtigste oder auch als Grundsatz in der Leitung zu betrachten, sondern das „utilitaristische“ Interesse der Prälatur, das je nach Zweckmäßigkeit immer neu definiert wird. Zweifellos praktizieren einige Mitglieder die Nächstenliebe auf eigene Rechnung, aber oft sehen sie sich bei deren Ausübung durch die theoretischen oder praktischen Hinweise der Institution, die manchmal tatsächliche Strukturen der Sünde aufweist, und die sogar eine gute und echte Freundschaft unter ihren Gläubigen verhindert. Zusammengefasst kann man also sagen, das, was bei der Leitung der Institution Priorität hat, sind ihre verborgenen Interessen, die fälschlicherweise mit dem „Wille Gottes“ identifiziert werden.

Wie kann man sich all das erklären? Handelt es sich um einen Vorgang der Degeneration, wie er in menschlichen Unternehmungen eben auftritt? Ich glaube nicht, dass das hier der Fall ist, sondern etwas wesentlich Radikaleres und Besorgnis Erregenderes. Meinem Verständnis nach handelt es sich um die natürliche Entwicklung eines Übels, das schon an der Wurzel aufgetreten ist. Im Opus Dei existiert, wenn man es wohlwollend auslegt, ein notorischer Fanatismus, ein blindes Zutrauen, dass sich von der Wahrheit, dem Verstand und selbst vom göttlichen Geist abgekoppelt hat, oder, wenn man es anders sagen will, das „Gründungscharisma“ hat einen dermaßen übertriebenen Rang, die Gestalt des Gründers eine quasi-göttliche Bedeutung angenommen, sodass sich das ganze doktrinelle und normative Gebäude auf einer falschen oder zumindest schiefen Basis erhebt.

Die schwerwiegendste und unmittelbarste Folge ist, dass der Gründer und das Charisma über die Autorität und die Vorschriften der Kirche gestellt werden und dass man dem Urteil der Kirche in so entscheidenden Fragen widerspricht. Wenn es auch kein formalen Bruch mit der Amtskirche gegeben hat wie im Fall des Traditionalisten Lefebvre, so gibt es doch einen in der geistigen, kirchenrechtlichen und pastoralen Einheit, denn hier funktioniert ein Organismus allein für sich, am Rande der kirchlichen Hierarchie, so viel man auch von der Einheit mit dem Papst und den Ortsbischöfen spricht. Eben diese Wahrnehmung rechtfertigt es, vom Werk als einer „Parallelhierarchie“, einer Kirche in der Kirche zu sprechen.

2. Aber es handelt sich nicht nur um religiösen Fanatismus, den man vorläufig als “kollektive Psychose” qualifizieren könnte, denn die in der Institution übliche Mentalität hat zur Folge, dass sich manche gar nicht im Klaren darüber sind, was hier genau vor sich geht. Die abweichende Vorgangsweise geht bis zur der unmoralischen Ehrlosigkeit, und sie beschränkt sich nicht darauf, Betrug, Verleumdung, Zwang, Misshandlung, die massive Manipulation der historischen Wahrheit, Anpassung und “Neuformulierung” des Gründungsgeistes etc. bis hin zur Anwendung illegaler Mittel zum Ausspionieren und Dokumentieren persönlicher Fakten. Ich übertreibe keineswegs. Solche Behauptungen sind mir selbst jahrelang als unmöglich vorgekommen, aber nunmehr haben wir sie alle unmittelbar und in aller Rohheit erlebt.

Es wäre nicht schwer, jeder dieser Anschuldigungen Punkt für Punkt zu bestätigen, aber dies würde uns zu weit führen. Was ich mir deshalb für diesmal vornehme, ist lediglich, den Gegensatz zwischen dem aufzuzeigen, was das Opus Dei tatsächlich tut, und der echten christlichen Seelsorge, wie wir sie an Christus und seiner Kirche wahrnehmen. Ich sage es ganz offen, dass ich die letzte Erklärung für das, was sich im Opus Dei abspielt, noch nicht gefunden habe; es müsste sich der Grund dafür beim Gründer selbst finden lassen, oder bei seinem ersten Nachfolger, oder in den entsprechenden historischen Dokumenten (falls es sie in dieser Form gibt). Aber ich kann sehr wohl eine vorletzte Erklärung bieten, worin der Charakter des Werkes tatsächlich besteht, obwohl ich mir sehr wohl der Tatsache bewusst bin, dass nur Eingeweihte des „innersten Kreises“ meine Diagnose ohne Befremden zur Kenntnis nehmen können.

3. Offenkundig ist das Charisma der Heiligung in den weltlichen Umständen etwa, was auf viele Christen attraktiv wirkt, und es handelt sich dabei zweifellos um ein göttliches Charisma, denn nicht zuletzt hat es das Zweite Vatikanische Konzil ratifiziert. Ich bezweifle nicht, dass ein solcher spiritueller Gesichtspunkt auf göttlicher Eingebung beruht. Problematisch erscheint es allerdings, dass eine göttliche Eingebung eine so durchschlagende Wirkung haben soll, wenn die Person, die diese Gnade empfängt, nicht die mindeste Entsprechung in einem ehrenhaften, geradlinigen Verhalten und in einem übernatürlichen Sinn zeigt. Das erscheint mir von Anfang an durchaus eigenartig.

Selbstverständlich muss man diese Möglichkeit in Betracht ziehen, und nach der Art, wie Gott in der Geschichte gewirkt hat, ist das eine Erfahrung, die sich immer wieder bestätigt hat. Tatsächlich haben viele große Persönlichkeiten des Alten und des Neuen Testaments, die besondere Gnaden erhalten haben, vom moralischen Gesichtspunkt aus viel vermissen lassen. Diese Tatsache bestätigt sicherlich, dass die Gaben Gottes ohne unser Zutun geschenkt werden und dass sein Wirken in der Geschichte unabhängig von den Eigenschaften der Personen ist, die er auserwählt hat.

Und ebenso gewiss ist es, dass das Charisma des Opus Dei, die Heiligung inmitten der Welt, kein Monopol seines Gründers gewesen ist, sie wurde schon vor seiner seelsorglichen Tätigkeit betrieben, und zwar in vielen Gegenden der Welt. Es ist richtig, dass keine andere Organisation dieses Ziel mit solcher “Wirksamkeit” betrieben hat, wenn man vom menschlichen Standpunkt aus sprechen will, und vielleicht wollte sich Gott Escrivás Größenwahns oder seines unternehmerischen und organisatorischen Talents bedienen, um dieses Werk voranzubringen.

Der Gründer des Opus Dei war vor allem ein Vermittler, mit Machtinstinkten und einer großen Gabe sich anzupassen, nicht so sehr ein Mann der Grundsätze. Seine extreme Persönlichkeit und die fanatische Überfürsorglichkeit von Álvaro del Portillo brachten ihn dazu, die historische Wahrheit seiner Biographie und der Institution, die er gründete, zu manipulieren. Aber es wäre völlig sinnlos, die großen persönlichen Defizite des Gründers zu beschönigen oder zu negieren, so wie er selbst und seine Nachfolger es getan haben, denn die Werke Gottes und seine Macht leuchten unverfälschter im Kontrast zu den Beschränkungen seines menschlichen „Sprachrohre“. Wir wollen schließlich nicht Gott verfälschen. Die Heilige Schrift scheut sich jedenfalls nicht, die Fehler und Sünden selbst des heiligen Petrus aufzuzeigen.

4. Aber bleiben wir beim Thema, den Mittel, die das Opus Dei zu seiner Entfaltung anwendet und angewendet hat. Die Vorgangsweise Escrivás und seiner Mitarbeiter in den ersten Jahren war sehr “politisch”, sei entsprach dem üblichen National-Katholizismus, um nicht zu sagen Klerikofaschismus, auch wenn sie vorgaben, rein geistliche Ziele zu haben. Er hatte er persönlich die integralistischste Zeitung abonniert, die es damals gab. Die Umstände im Spanien der dreißiger Jahre und danach legten das zweifellos nahe, wenn es auch unter den überzeugten Christen Menschen mit einer offeneren Sicht der Dinge gab. Wir sollten nicht vergessen, dass in vielen die heroisch-idealistischen Werte und Nostalgien des “Goldenen Zeitalters” Spaniens, das wohl schon weit entfernt war, noch immer lebendig waren. Und so war der National-Katholizismus jene religiöse Weltanschauung, die im „katholischen Spanien“ jener Zeiten am weitesten verbreitet war.

All das wird im “Weg” und in den Schriften der ersten Mitglieder reflektiert, und zwar bis hin zum Beginn der fünfziger Jahre. Ein Mann wie Rafael Calvo Serer, der sich eben nicht durch Engherzigkeit auszeichnete, schrieb in “Die schöpferische Kraft der Freiheit“ Dinge wie die folgenden:
„Angesichts einer Ablehnung der Theologie, die die Basis des Marxismus bildet, und angesichts einer deistischen Theologie, die nach Rüstov die Basis des Kapitalistischen Liberalismus bildet, muss sich der Christ um die Prinzipen der Subsidiarität und der Solidarität bemühen, die im christlichen Bild vom Menschen als einem sozialen Wesen gründen. Es soll niemanden, der auf der Höhe der Zeit ist überraschen, dass wir in Spanien am Glauben und an der politischen Anwendung der katholischen Lehre festhalten, die mit dem Geist des Sieges identisch ist. Mit der Einheit in der Katholizität als einem nationalen Grundsatz
Mit der katholischen Einheit als nationalem Grundsatz und im Einklang mit einer christlichen Auffassung der sozialen Strukturen ist es so, als müssten wir das die Sehnsucht nach Gerechtigkeit zu Fleisch und Blut unseres öffentlichen Lebens machen.“ (S. 64-65).

Die Mentalität eines christlichen Aktivismus, die der Gründer verbreitet, und seine integralistischen Positionen in der Verteidigung des Glaubens, Marke “Kreuzzug”, überwiegen die spirituellen Aspekte des Charismas.

Zuerst spricht davon, die intellektuellen und universitären Milieus zu erobern, indem man die „Institución Libre de Enseñanza“, eine Konkurrenzunternehmung, bekämpft. Nirgends hört man etwas von der Heiligung der Arbeit: Das ist erst die Parole der sechziger Jahre, mit der man später vorhaben wird, die Geschichte der Vergangenheit neu zu schreiben: als ob das möglich war! – und aus der kanonischen Sichtweise spricht man von Heiligkeit, aber im Kontext der "kanonischen Stände der Vollkommenheit", obwohl inmitten der Welt und infolgedessen durch die Übung der evangelischen Räte.

Wenn man davon spricht, Christus an die Spitze aller menschlichen Tätigkeiten zu setzen, versteht man in der Praxis darunter für Gott alle sozialen Strukturen zu erobern und zu beherrschen: die Kultur, die Wissenschaft, die Politik, die Wirtschaft, die Orte, wo sich die Macht tatsächlich abspielt. Wie später in der Praxis bewiesen wurde, war und ist der Zugang für die Kontrolle dieser säkularen Bereiche ein korporatives, geplantes und organisiertes Unternehmen: In richtigen Augenblick - besonders in Spanien - waren das Lehrstühle, Reaktionen von Zeitungen und Zeitschriften, der CSIC, Banken oder die Errichtung dazwischen geschalteter Finanzierungsgesellschafte, oder auch die Besetzung politischer Posten oder solcher in der Verwaltung des Staates.

Nichts davon ist eine "säkulare Theologie", und noch viel weniger von geistigem Charakter, sondern ein rein "politisch - religiöses" oder "religiös - politisches" Vorgehen, wie man es eben sehen will. Es war vor allem Hans Urs von Balthasar, der diese Einstellungen kritisierte und, im Gefolge von Yves-Marie Congar und anderen, den Raum für eine authentisch laikale Theologie eröffnete, in der Zeit, als er „spezifische Theologie“ für die Säkularinstitute vorschlug (vgl. Sponsa Verbi, S. 417-51 über die Theologie der Säkularinstitute, veröffentlicht zuerst 1956.) Und in diesen Kontext muss man seine Kritik am Opus Dei Francospaniens am Anfang der sechziger Jahre stellen, die er nie widerrufen hat: Im Gegensatz zu dem, was viele Gläubigen der Prälatur gewöhnlich faul wiederholen, ohne genau zu wissen, wovon sie sprechen. Heute, mit der Perspektive des schon Geschehenen, kann man wohl sagen, dass jenes Schreiben wirklich prophetisch war.

5. Er ist nicht notwendig, noch mehr über das zu sagen, was man ohnedies zur Genüge weiß. Nur manche Richtigstellung als Beispiel. Antonio Pérez, der einer der hochrangigsten Verantwortlichen von Opus Dei war, hat sein ganz unmittelbares Eingreifen in die Gestaltung der tatsächlichen, der politischen und finanziellen Macht kommentiert. Gregorio Ortega hat sich nach Portugal begeben, um dort sehr viel zu organisieren. Es werden beispielsweise Banken gekauft und gegründet. Und, zum Beispiel, versuchten drei Numerarier, mit gewisser Erfahrung in diesen Geschäften, den „Banco Andorrano“ auf Anweisung der Direktoren zu schaffen: warum Andorra und nicht Valencia, oder anderer Ort? Der Grund ist, dass sie nach Möglichkeiten suchten, große Geldquantitäten von Spanien nach Rom und anderen Ländern zu transferieren. Das wurde dann, im großem Maßstab, über die in Portugal gegründeten Finanzgesellschaften oder auch mit Unternehmen Typ Matesa verwirklicht.

In seinen Memoiren hat Eugenio Trías erzählt, dass er, als er während eines Sommers, in der Regionalen Kommission in Deutschland arbeitete, beauftragt wurde, Fotokopien von Hinweisen herzustellen, die aus dem Zentralsitz in Rom kamen, die dann an unterschiedlichen Regionen zu senden waren. In einer von ihnen wurde zu seiner Entrüstung gesagt, dass diejenigen, die den Einfluss hätten, versuchen sollten, Leute der Einrichtung oder solche, die ihr ergeben waren, in wichtigen Positionen einzustellen. Und wir könnten noch fortfahren. Man weiß sehr gut Bescheid von der Stiftung „Fundación General Mediterránea oder dem Banco Popular, die sich großteils der Aufgabe gewidmet haben, Immbolien und andere Bedürfnisse von Opus Dei mit riesigen Geldsummen zu unterstützen. Und in Ländern wie Holland werden analoge Formen angewendet, um jetzt etwas sehr Aktuelles zu zitieren, um das Einkommen und Beiträge der Gläubigen, namentlich der Numerarier, zu kanalisieren und vor allem der Besteuerung zu entziehen.

Schließlich sind die halblegalen Liaisonen mit der politischen Macht in Spanien so offensichtlich geworden und haben so viel Staub aufgewirbelt, dass der Heilige Stuhl den Gründer warnte, so nicht weiter fortzufahren. Ob man es will oder nicht, eine Zeitung oder eine Zeitschrift der Einrichtung wird, auch wenn sie nominell von einem Mittelsmann betrieben wird, nie unabhängig sein: Man erinnere sich, was Agustina bezüglich der Frauenzeitschrift “Telva“ und gewisser Inserate erzählt. Es sind Fakten, die die Organisation und die Kontrolle der Medien "von oben" deutlich machen.

Die Organisation von Medien oder von einer finanziellen Einrichtung, ebenso wie die organisierte Teilnahme an einer politischen Unternehmung, sind keine Folge von spontanen Entschlüssen. Bei einer Universität, einer Schule oder einem Unternehmen, die vom Opus Dei gefördert und kontrolliert wird, macht man immer das, „was sie anordnen“ und was die Direktoren des Werks interessiert, obwohl dann gesagt wird, dass die Institution nur einen geistigen Zweck hat. Außerdem ist es einem Gläubigen des Opus Dei, auch wenn er an einem öffentlichen oder privaten Posten arbeitet, sehr schwer, sich dem Einfluss der Einrichtung auf seinen berufsmäßigen Umkreis im Interesse des Opus Dei zu entziehen, weil seine theoretische berufsmäßige Freiheit von der "blinden Folgsamkeit" bedingt ist, die von ihm in der so genannten persönlichen geistigen Leitung gefordert wird.

6. Aufgrund seiner Bildung und Persönlichkeit verstand der Gründer die Herrschaft Gottes in der Welt als das Ergebnis der Errichtung einiger "menschlicher christlicher Strukturen": Gesetze, Kultur, Information, wirtschaftliche Macht, Ordnung der Gesellschaft, Gewohnheiten, usw. Aber das ist ein Irrtum, weil „das Reich Gottes nicht von dieser Welt ist“ (Ioh 18,36), es ist keine der produktiven Tätigkeit der Menschen beschlossene Einrichtung, sondern eine Gottesgabe. Das Königreich ist innerlich: Intra vos est (Lk 17,21), es ist in euch. Und das Reich Gottes lässt sich auch nicht mit dem pilgernden Gottesvolk, der streitenden Kirche gleichsetzen.

Das Reich Gottes entfaltet sich im Herzen der heiligen Personen. Die göttlichen Gegenwart und Wirkung Gottes, die das Herz der Menschen beleben, machen, dass sich die menschlichen Tätigkeiten und seine Einrichtungen "christianisieren", das heißt, sie werden von der Liebe Gottes geprägt. Das Wachstum und die Fruchtbarkeit der Kirche ist kein Menschenwerk, kein menschliches Unternehmen, sondern Werk des Geistes. Und den Geist kann man nicht zwingen, nur bitten, entdecken, aber nicht manipulieren, aber auch nicht kaufen (Simon). Die "Vergöttlichung" des Menschlichen, die Erlösung also, ist strikt von Gott abhängig. Das ist grundsätzlich so, wenn man die Kirche sakramental versteht.

Die Errichtung des Reiches Gottes - des christlichen Lebens - als Ergebnis menschlichen Handelns verstehen zu wollen, als etwas, was mit Macht organisiert und durchgeführt werden könnte, bedeutet, den Kern des Evangeliums und des Lebens Jesu zu vergessen, nämlich seinen Dialog mit Pilatus, im entscheidenden Augenblick. Nie hat der Herr vorgehabt, menschliche Machteinrichtungen zu schaffen, seine Kraft mit menschlichen Mitteln zu schützen. Er hat nicht zum Schwert gegriffen, hat sich nicht in die Politik begeben, hat keine kulturellen Vereinigungen geschaffen. Jesus hat seine Kirche mit einer sakramentalen Struktur gegründet, um das göttliche Leben mitzuteilen, es gegenwärtig zu machen - durch die Sinne, und in jeder Zeit - seine heilbringende Handlung. Und alles das gründet in der göttlichen Gabe, in ständiger Abhängigkeit von der Gnade Gottes. Dass Gott seine Liebe verschenkt, ist für sie charakteristisch, nicht menschliche Macht.

Die Gleichung umzudrehen, heißt, Gott von den Handlungen der Menschen abhängig zu machen, in der reinen Ebene der zeitlichen Interessen zu bleiben. Es würde darin bestehen, eine "menschliche Struktur", die theoretisch schlecht ist, "antichristlich" oder sündhaft, eine mit anderen Vorzeichen zu ersetzen, die allerdings rein menschlich bleibt und die nicht von sich aus fähig ist, die göttliche Gerechtigkeit zu bewirken. Im Grund würde es darin bestehen, einen Totalitarismus mit einem anderen zu vertauschen; man verlässt aber die menschliche Ebene der faktischen Macht nicht, und das ist einer der Irrtümer, die den rein „menschlichen“ Religionen gemeinsam sind und die deshalb immer autoritär und absolutistisch ausfallen. Es wäre, - in etwa mit den Worten von Balthasars, Christus als Tiger in die Welt zu bringen, aber nicht als das geopferte Lamm, das die Sünden im Opfer seines Todes wäscht und alle an sich zieht. Schlussendlich würde das bedeuten, Gott durch die Tätigkeit des Menschen zu ersetzen, wie es die pelagianische Häresie verlangt, deren Charakteristik nicht wenige Ähnlichkeiten mit dem Opus Dei aufweist.

7. Aber die Sache reduziert sich nicht auf überwundene oder schlecht verstandene Spiritualität. Man denke an diese Wortes des “Weges” und an einen der Gründungsbriefe Escrivás, in denen er einlädt, über die Art, wie die Feinde Gottes vorgehen, nachzudenken: Siehst du nicht, wie diese verworfenen Geheimgesellschaften vorgehen?, sagt er. Und erfährt fort zu beschreiben, die die Welt in Herrschaftsgebiete unterteilen und ihren böswilligen geheimen Pläne zum Herrschen entwerfen, um gegen Christus zu wirken. Wenn wir das im gegenteiligen Sinn interpretieren, ist es nicht schwer zu bemerken, dass Escrivá im Grund dazu auffordert, diesem Treiben entgegenzuwirken und dieselben Waffen, aber zu einem guten Zweck, zu benutzen. Und dort ist der Schlüssel, um sein "Gründungsprojekt“ zu verstehen.

Diese Mimesis macht verständlich, dass Escrivá vor allem eine menschliche Organisation mit menschlichen Zielen geschaffen hat, die um das Epizentrum seiner Person “wie ein Heer in Schlachtordnung” kreist, mit Regeln, die alles andere als transparent sind, um seine Schwächen nicht zu offenbaren. Das sind nicht Methoden des Evangeliums. Der beste Weg zum gewünschten Ergebnis ist es, alles zu vergöttlichen, seine Person, seine Institution, seinen Geist. Im besten Fall ist das Ergebnis nur eine undurchsichtige Organisation im Dienst des Glaubens, der die Taktik der Geheimhaltung (jetzt „Takt“ genannt) pflegt und ein totalitäres, eisernes autoritäres System unter dem Vorwand der „Einheit des Geistes“ zur Schau stellt. Alles hier atmet Unternehmergeist, eingeschlossen die Fünfjahrespläne, wie EBE sagte. Aber die so „geschaffene“ Wirklichkeit hat schließlich wenig oder gar nichts mit dem „Geist des Evangeliums“ zu tun: Das war die zutreffende Intuition, die von Balthasar in seiner Kritik artikulierte. Die Erfahrung hat dann gezeigt, dass zwischen den großartigen spirituellen Prinzipien und dem, was tatsächlich geschieht, ein Abgrund liegt. Wie kann man verstehen, dass die Dinge so extrem verlaufen sind? Meine Meinung ist, dass man die Erklärung, abgesehen von der begrenzten theologischen Bildung des Gründers, in seiner Persönlichkeit suchen muss: Die Undurchsichtigkeit und die Inkohärenz erklären sich nicht durch Unwissenheit und mangelnde theologische Bildung. Im „Gründungsprojekt“ kommt zuerst das Werk und dann erst die Personen; wenn nicht in der Theorie, dann doch in der Praxis. Die Organisation ist, was interessiert, das, was es zu schützen gilt, auch auf Kosten der Personen und leider auch auf Kosten der Wahrheit.

So wird die so genannte „geistliche Bildung“ schließlich ein kompakter Block, alles wird im Voraus kalkuliert, und es geht vor alle darum, die Personen in einer gewissen Weise zu formen, und zwar so, wie es die Institution braucht, ohne Bezug auf die Wahrheit – die Wahrheit über die Personen oder die Wahrheit über die Sachverhalte. Warum unterwerfen sich so viele Männer und Frauen, während sie die intensiveren Zeiten dieser spezifischen Bildung unbewusst ablehnen: Jahreskurse, Einkehrtage, Besinnungstage, Konvivenzen für Örtliche Räte? Für mich ist es klar: Es sind Augenblicke der „Konzentration auf schädliche Gedanken“, auf die man mit spontaner Ablehnung reagiert.

Die Wahrheit glänzt nicht, weil sie nicht um ihrer selbst willen gesucht wird, im Gegenteil; sie wird durch das Interesse der „Sekte“ ersetzt. Sogar die allgemeinen asketischen Einstellungen der Spiritualität — die den Inhalt der internen „Leitfäden“ bilden, die immer wieder aufs Neue kommentiert werden müssen — verschwindet die Schönheit der Wahrheit: Sie wirken nicht anziehend, weil sie de facto einer manipulative “Spiritualität” entsprechen, die sich außerdem auf überholte Auffassungen von dem stützt, was eine Institution leisten soll, aber die besten Beiträge zum kirchlichen Lehramt und die Theologie des zwanzigsten Jahrhunderts ignoriert. Deshalb berühren sie nicht das Herz und bewirken eine Abwehrhaltung. Und so ist das Opus Dei auch als Institution dazu übergegangen, abgeschlossene und eigenartige Milieus zu schaffen, die Angst und Depression fördern.

Man kann all das aber auch umgekehrt sehen. Wenn sich die Bildung in Freiheit entfaltet und nicht von sektiererischen Manipulationen verseucht ist, die die Interessen der Institution über alles andere stellen, wenn man sich der freien Lehre der Kirche öffnet dann verschwindet die Angst. Und dann verschwindet auch die psychologische Manipulation, bei den brillanten Vortragenden ebenso wie bei den mittelmäßigen.

8. So ist auch der so genannte “Geist” auch nicht mehr als Wortgeklingel und eine praktische „Entschuldigung“ dafür, das man sich die Herrschaft über die Personen sichert und ihr Gewissen unterdrückt: Das hat sehr wenig mit „Spiritualität“ zu tun, aber sehr viel mit einer fragwürdigen Organisation. Wenn jemand Widerstand leistet, rechtfertigt man sich damit, dass man dem Betreffenden Hochmut vorwirft, wenn man es denn schon vorher verabsäumt hat, die Selbsteinschätzung dieser gefährlichen Gläubige herabzudrücken. Man bedenke, was dieser „Geist“ erfordert: Er reduziert sich immer auf Normen oder Kriterien, wie etwas verbindlich umzusetzen ist, und also um reine Kontrolle und Disziplinierung der Gläubigen. Die Personen sind tatsächlich manipuliert, aber ihnen wird weder „geholfen“ noch werden sie in ihrem geistlichen Leben „begleitet“.

Das führt dazu, dass man gegenüber der Spiritualität dem “Unternehmen” den Vorrang einräumt. Und das erklärt dann auch, warum sich dieses “Charisma” nach so vielen Jahren kaum in irgendeiner zentralen Linien seiner eigenen Spiritualität kaum weiterentwickelt hat. Deshalb ist es sehr hilfreich, jetzt den Kontrast zwischen den „Mitteln“, die das Opus Dei anwendet, und den Mitteln des Evangeliums zu betrachten, denn der Vergleich zeigt besser, wie weit die Praktiken dieser Personalprälatur von der kirchlichen Pastoral entfernt sind.

Welche Mittel hat Christus angewendet und wendet seine Kirche an? Jesus Christus bekehrt, indem die innerste Wahrheit Gottes vermittelt, durch Werke der Nächstenliebe, der Barmherzigkeit, der Freundschaft: Ich habe euch nicht Knechte genannt, sondern Freunde, sagt er seinen Aposteln zum Abschied. Die Aufrichtigkeit, der Dienst, die Abschaffung aller sklavischer Zwänge, der besondere Respekt vor einer Freiheit ohne Zwang, die Verzeihung, das sind die Mittel des Evangeliums: Sie sind schlussendlich das Zeugnis dafür, dass Gott uns in Christus liebt, dass er nicht gekommen ist, um uns zu richten und zu verurteilen, sondern um für alle Sünder zu sterben.

Welche Mittel wendet Opus Dei in seiner „spirituellen” Tätigkeit an? Das Unternehmen ist im Übrigen „menschlich“, hat sehr viel von einer menschlichen Geheimorganisation, fast ohne Transparenz, ohne uneigennützige Ziele, mit einer umfassenden Tradition, die eigenen Gläubigen und die Hierarchie der Kirche zu betrügen. Seine Entwicklung ging von Fanatikern, wenn nicht von Verrückten aus, es ist voller Widersprüche in seinen grundsätzlichen Haltungen und in den Anpassungen und „Neudefinitionen“ seines Charismas. Mir kommt es jedenfalls unpassend vor, den Namen Gottes zu führen und sogar die angebliche Gründungsgeschichte zu manipulieren. Die Aufrichtigkeit ist ein Kennzeichen der Menschen Gottes, denn ohne diese Grundvoraussetzung ist es schwer, den Blick nach oben zu richten.

Aber es geht noch um mehr. Die Art, wie man mit Berufungen, sogar mit der priesterlichen, umgeht, ist rein utilitaristisch, hat einzig die Interessen der Institution im Auge, und so wird eben moralischer und psychologischer Druck auf die Gewissen ausgeübt, ohne die mindeste auf die spätere Existenz dieser Personen oder darum, den tatsächlichen Willen Gottes zu erfahren. Das ist so ungeheuerlich, dass es unglaublich wirkt. Aber in Wirklichkeit wird im Namen Gottes die völlige Unterwerfung der Person unter die Institution gefordert, die in der Person des Prälaten und seiner Direktoren repräsentiert wird, deren Handlungsweise niemals transparent gemacht wird. Und später werden die, die dieses Image des „Opus Dei“ aufgrund ihrer schlechten Erfahrungen beeinträchtigen könnten, verleumdet, diffamiert und ohne jegliche moralische Bedenken schlecht gemacht.

Es existiert keinerlei Respekt vor der Intimität der Personen, vor ihrer Freiheit und Autonomie in Gewissensangelegenheiten, wie es die Lehre der Kirche erfordert. Die Verhängung kanonischer Strafen, die juridisch nicht gedeckt sind, um auf Priester Druck auszuüben, sind an der Tagesordnung. Man geht sogar so weit, Menschen zu erpressen und mit Methoden auszuspionieren, die vom zivilrechtlichen wie vom kanonischen Standpunkt her strafbar sind; man denke nur an die Vorgehensweise des Gründers gegenüber Carmen Tapia, die Verhöre à la Gestapo, und, als en Beispiel von vielen, Gregorio Ortega. Heutzutage werden die Telefonnummern kontrolliert, mit denen von einem Zentrum oder von einem Handy aus telefoniert wurde; die Institution macht sich strafbar, indem sie E-Mail-Accounts, Computer und Notizbücher ausspioniert oder die Dienste von Privatdetektiven in Anspruch genommen werden, denn vieles ist ihnen verdächtig, und man könnte die Liste noch weit in die Länge ziehen, wenn man aufzeigt, wie Menschen, die sich nach außen hin leutselig und als sanfte Lämmer zeigen, ein unglaublich schmutziges Verhalte an de Tag legen.

Wie lassen sich solche Methoden mit dem Evangelium in Einklang bringen? Kann man dulden, dass es so etwas in einem Teilbereich der kirchlichen Pastoral gibt, die die Hierarchie der Prälatur Opus Dei anvertraut hat? Gibt es ein übernatürliches Ziel, das solche Methoden rechtfertigt? Die Antwort drängt sich schon auf, während man die Fragen formuliert, sie sind offenkundig und eindeutig. Diese Handlungsweisen haben mehr mit einem Komplott der Mafia als mit einer kirchlichen Organisation zu tun, die sich in ihrem Handeln an Nächstenliebe und Gerechtigkeit orientieren sollte.

9. Es ist schwer zu verstehen, dass sich die “verantwortlichen” Personen auf eine solche Weise verhalten: An welchem „Werk“ arbeiten sie? Welcher Christ kann es fassen, dass so etwas erlaubt sein soll? In Wahrheit hat sich das Opus Dei aber immer schon so verhalten: gegenüber Panikkar, Carmen Tapia, María Angustias Moreno und vielen anderen, die weniger bekannt sind. Weil es in diesen letzten Jahren viel zu verbergen gibt und die Probleme für die Leiter sich multipliziert haben, treten die wahren Motive auch schon ganz offen zu Tage. Die Korruption wird ganz schamlos und auf niedrigstem Niveau betrieben, ganz einfach deshalb, weil die Posten aus der praktischen Notwendigkeit heraus mit Leuten besetzt sind, die ohne Gewissen sind und gehorsam die Schmutzarbeit verrichten. Das erlaubt es allerdings auch, ihre Absichten deutlicher zu erkennen, weil sie nicht einmal mehr den Versuch machen ihre Absichten zu verbergen.

Doch, es gibt da etwas mehr als nur eine fehlgeleitete Sehnsucht – die sich nämlich in den Methoden irrt – dass Christus in der Welt “triumphiere”; man möchte, dass das Opus Dei um jeden Preis triumphiert, und man wendet die notwendigen Mittel an, ohne sich darüber Rechenschaft zu geben, ob sie gut oder schlecht sind, ob sie dem Evangelium gemäß sind oder ihm widersprechen, denn wenn sie ad maiorem Operis Dei gloriam, zur höheren Ehre des Opus Dei sind, müssen sie das Wohlgefallen Gottes haben. Aber angeblich zu evangelisieren, während man Methoden anwendet, die nicht dem Evangelium entsprechen, ist ein Unternehmen, das überholt und kindisch ist, eher das Ergebnis eines rein menschlichen „Idealismus“. Ich leugne nicht, dass rein solches Handeln einige offensichtliche Teilerfolge zeitigen kann, aber für mich ist es klar, dass sich auf diese Weise das „Reich Gottes“ in den Seelen nicht entfalten kann, denn Christus kommt nicht, um soziale Strukturen zu errichten.

Die korporativen Werke der Prälatur können gar nicht funktionieren, denn sie sind nicht einmal christlich: Sie sind an der Wurzel verdorben, weil sie den Menschen an den Rand schieben. Schließlich bleibt nur mehr eine Pastoral über, die Unternehmensziele festsetzt, Möglichkeiten und Chancen ausrechnet und schließlich die Resultate evaluiert, aber das Wirken Gottes selbst vernachlässigt. Das aber führt zur Zerstörung der Person, zur Missachtung der Nächstenliebe, und früher oder später zu einer Verwirrung, die es erlaubt, sektiererische, mafiose und illegale Praktiken anzuwenden, ohne dass das Bewusstsein entsteht, unsittlich zu handeln.

Kann man eine solche Vorgangsweise als Treue zum Gründer verstehen? Möglicherweise ja, wenn wen ebenfalls so vorgeht wie er, und genau deshalb ist es ja auch notwendig, die geschichtlichen Tatsachen zu verfälschen. Aber es ist ganz offenkundig, dass eine solche Handlungsweise niemals aus Treue zu Jesus Christus oder dem Willen Gottes entsprechend verstanden werden kann. Wir haben heute das leuchtende Beispiel Johannes Pauls II. vor uns, der für die Sünden der Christen und der Kirche selbst um Verzeihung gebeten hat, wo sie im Dienste des Glaubens Methoden angewendet hat, die nicht dem Evangelium entsprechen, für die stillschweigende oder ausdrückliche Zustimmung zur Intoleranz und der Gewalt im Dienst der Wahrheit.

Vielleicht müssten wir einige Passagen des apostolischen Schreibens Tertio millennio adveniente wieder lesen, in denen dieser goße Papst sagte: “Es ist nur gerecht, dass [...] die Kirche mit einem lebendigeren Bewusstsein die Sünde ihrer Kinder auf sich nimmt, indem sie sich an die Umständ erinnert, unter denen sie sich im Lauf der Geschichte vom Geist Christi und seines Evangeliums entfernt haben und der Welt anstelle des Zeugnisses eines gelebte Glaubens das Schauspiel einer Weise zu denken und zu handeln geboten haben, die ein Gegenbeweis und ein Stein des Anstoßes gewesen sind (Nr. 33). Bildet das Opus Dei in dieser Geschichte die unbefleckte Ausnahme? Ist vielleicht noch nicht die Zeit gekommen, in der diese Institution sich mit Aufrichtigkeit zu ihren eigenen „Dämonen” bekennt, die bei so vielen Schaden und Verstörung angerichtet haben? Leben wir nicht vielleicht in einer Zeit, die die Vorsehung zu einer Reinigung der Kirche bestimmt hat, die ganz gewiss dem Willen Gottes entspricht?

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