Josef Knecht, 28. April 2008
Das Original unter http://www.opuslibros.org/nuevaweb/modules.php?name=News&file=print&sid=12257
1. Der Anstrengung von Ana
Azanza (16.04.08) ist sehr zu danken, da sie das Interview, das Marie France
Bazzo mit Patrick des Mazery und Benoit (Bénédicte) des Mazery
am 27. Mai 2005 in “Radio Canadá” geführt hat, aus dem
Französischen übersetzt hat. In dieser Untersuchung lesen wir die
folgenden Worte von Patrick des Mazery: “Eine Personalprälatur
bedeutet, dass der Prälat des Opus Dei nur dem Papst gegenüber verantwortlich
ist, dass die Bischöfe nicht direkt in die Angelegenheiten des Opus Dei
eingreifen können und dass sich das Opus Dei direkt an den Papst richtet.
Das ist einzigartig in der Kirche, nicht einmal die Jesuiten haben so etwas
erreicht. Deshalb ist es ein ganz besonderer Status”.
In der Folge möchte ich diese Worte über die Funktionsweise einer
Personalprälatur kommentieren. Was Patrick des Mazery hier behauptet, ist
eine sehr weit verbreitete Ansicht: Seitdem das Opus Dei von einem Säkularinstitut
in eine Personalprälatur umgewandelt wurde (im November 1982), hat es innerhalb
der Kirche, so sagt man, eine sehr große Autonomie gegenüber den
Diözesanbischöfen erreicht; einige Journalisten sprechen sogar von
einer Kirche innerhalb der Kirche, in dem Sinn, dass das Werk als Personalprälatur
direkt vom Papst abhängt und so der Autorität der Diözesanbischöfe
ausweicht, sodass die juridische Figur der Personalprälatur in der Praxis
zu einer echten Diözese ohne regionale Beschränkung wird.
Nun gut, ich bin nicht ganz mit dieser Darstellung
einverstanden. Wohl bin ich damit einverstanden anzuerkennen, dass das Opus
Dei sein eigenes Spiel spielt und in der Praxis hoheitsvoll über die Bischöfe,
in deren Diözesen es arbeitet, hinweggeht. Indem es sich hinter dem Anschein
einer makellosen “offiziellen Version” verschanzt, die der vatikanischen
Kurie ebenso gefällt wie vielen Diözesanbischöfen, macht das
Werk was es will und widerspricht in seinem wirklichen Leben sogar den theoretischen
Postulaten dieser “offiziellen Version”, die ihm nur dazu dient,
vor den Autoritäten der Kirche und der öffentliche Meinung im allgemeinen
den Schein zu wahren. Wir alle wissen das, die wir Opuslibros
nützen, und ich streite diese traurige Realität nicht ab – schlussendlich
habe ich sie in meinem eigenen Leben erlitten.
2. Mein teilweise Uneinigkeit mit der These von Patrick des
Mazery beschränkt sich auf die Beschreibung dessen, was eine Personalprälatur
ist und wie sie innerhalb der Kirche wirken kann: In direkter Abhängigkeit
vom Papst – so sagt er – und indem es sich der Autorität und
der Einflussnahme der Diözesanbischöfe entzieht. Eine Personalprälatur
ist aber nicht exakt das; wenn wie die Kanones 294-297 des Codex des Kirchenrechts
über die Personalprälaturen richtig lesen (Vgl. http://www.vatican.va/archive/ESL0020/__PZ.HTM),
werden wir uns darüber Rechenschaft geben, dass eine Personalprälatur
eben das nicht ist.
In der Gesetzgebung der katholischen Kirche kann es keine juridische Figur geben,
die die Einheit mit den Diözesanbischöfen zerstört; das wäre
eine nach allen Gesichtspunkten unzulässige Abweichung. Auf der theologischen
und ekklesiologischen Ebene sind alle juridischen Figuren im Dienst der communio,
der kirchlichen Einheit, die nicht nur die Gemeinschaft mit dem Papst umfasst,
sondern notwendigerweise auch mit den Bischöfen und den übrigen Gläubigen.
Auf der gesetzlichen Ebene hieße die Bildung juridischer Figuren ohne
kichliche Einheit so etwas wie Steine gegen das eigene Dach zu werfen, d.h.
es wäre etwa so wie wenn in der zivilen Gesetzgebung ein Heer von der Verfassung
ermächtigt wird Staatsstreiche durchzuführen oder dass es Unternehmen
gäbe, die sich der Zahlung von Steuern entziehen können – das
wäre lächerlich und absurd! Letztendlich sind alle juridischen Figuren,
die der aktuelle Codex des Kirchenrechts vorsieht, Figuren der vollen kirchlichen
Einheit, einschließlich der Personalprälaturen.
Als Beispiel dafür möge der Kanon 297 dienen, welcher besagt: “Die
Statuten (einer Personalprälatur) werden die Beziehungen der Personalprälatur
mit den Ortsordinarien derjenigen Teilkirchen regeln, in denen die Prälatur
ihre pastoralen oder missionarischen Werke ausübt oder ausüben möchte,
nach vorhergehender Zustimmung des Diözesanbischofs”. Eine Personalprälatur
ist nur nach vorhergehender Zustimmung des Ortsbischofs autorisiert in einer
territorialen Diözese zu arbeiten, der seine Zustimmung geben wird, wenn
er mit dem einverstanden ist, was in den Statuten dieser Prälatur verfügt
ist.
Nochmals: Eine Personalprälatur leistet im Wesentlichen einen pastoralen
Dienst an den territorialen Diözesen (und an deren Bischöfen), in
denen sie arbeitet. Der Zusammenhang zwischen der Personalprälatur und
dem pastoralen Dienst an einer Teilkirche ist wesentlich in der Verfassung und
in der Seinsweise der Prälatur begründet, denn so (wie es jetzt gehandhabt
wird, Anm. d. Üs. ) löst man das auf, was der Kanon 294 verfügt:
“mit dem Ziel, eine geeignete Verteilung der Priester zu erreichen
oder besondere pastorale oder missionarische Aufgaben zu beginnen, kann der
Heilige Stuhl zum Nutzen unterschiedlicher Regionen oder verschiedener sozialer
Gruppen nach Anhörung der betroffenen Bischofskonferenzen Personalprälaturen
errichten, die aus Priestern und Diakonen des weltlichen Klerus bestehen”.
3. Nachdem wir zu diesem Punkt gekommen sind, fragen wir uns:
Was ist oder was soll eine Personalprälatur sein? Wie sollte sie ihren
pastoralen Dienst innerhalb einer territorialen Diözese ausführen?
Um diese Frage zu beantworten, werde ich mich der Beschreibung bedienen, die
Isabel de Armas in ihrem Buch „La voz de los que disienten. Apuntes
para san Josemaría“(„Die Stimme der Andersdenkenden.
Anmerkungen zum heiligen Josemaría“. Madrid, Foca 2005), S.
159-165 liefert; ich empfehle lebhaft die Lektüre dieser Seiten, denn
Isabel bietet eine genaue Zusammenfassung zu diesem Thema, und sie stützt
sich auf die ausgezeichnete Studie eines Fachmanns, Heribert Schmitz, emeritierter
Professor für Kirchenrecht an der Universität München (vgl. J.
Listl y H. Schmitz (eds.), Handbuch des katholischen Kirchenrechts,
Regensburg: Pustet 1999, S. 650-655). Ich ziehe auch das Buch von Salvador Pié-Ninot,
Eclesiología
(Salamanca: Sígueme 2007), S. 340-345 und 427 hinzu. Außerdem darf
man nicht die interessante Schrift von Daniel M. außer Acht lassen, El
cardenal Ratzinger y las prelaturas personales („Kardinal Ratzinger
und die Personalprälaturen“), das am 22. Jänner 2007 bei Opuslibros
veröffentlicht wurde.
Nach Kanon 294-297 des Kirchenrechts sind Personalprälaturen Vereinigungen von Klerikern, die dem Weltklerus zugehören, die vom Heiligen Stuhl zur Erfüllung besonderer apostolischer Aufgaben unter einer eigenen Leitung errichtet wurden, dem Personalprälaten, und mit eigenen Statuten. Deshalb ist eine Personalprälatur eine Gruppe von Priestern, die für die Erfüllung spezifischer apostolischer Aufgaben spezialisiert sind (also vergleichbar einer Feuerwehrmannschaft in der Zivilgesellschaft). Wenn der CIV vorsieht, dass Personalprälatur en „besondere pastorale Aufgaben im Dienste bestimmter Regionen oder sozialer Gruppen” (Kanon 294) zum Ziel haben, so denken die Gesetzgeber der Kirche an pastorale Probleme von besonderer Schwierigkeit, die üblicherweise nicht vom ordentlichen Diözesanklerus gelöst werden können; deshalb kann es angebracht sein, dass einige Priester, die für eine bestimmte Aufgabe spezialisiert sind; in eine Personalprälatur inkardiniert werden, um dieser Herausforderung besser zu entsprechen. Nehmen wir einige Beispiele: Die Seelsorge mit Taubstummen, Roma, Immigranten, Seeleuten, Behinderten, Arbeitern etc. Schon Papst Pius XII. ließ 1952 die „Mission de France” nach Art einer „Praelatura nullius” erreichten, damit die in ihr inkardinierten Priester besser die Arbeiterseelsorge (die bekannten „Arbeiterpriester”) wahrnehmen können; die „Mission de France” war also eine Vorläuferin der aktuellen Rechtsfigur der Personalprälatur. Tatsächlich hatten die Konzilsväter die Funktionsweise der „Mission de France” vor Augen, als das II. Vatikanische Konzil (1962-1965) diese Rechtsfigur schuf, und niemals kam ihnen das Opus Dei, das damals ein Säkularinstitut war, in diesem Zusammenhang in den Sinn, als sie die neue Rechtsfigur schufen.
Dieser Reihe pastoraler Schwierigkeiten von verschiedenen sozialen
Gruppen (Taubstumme, Zigeuner, Seeleute, Behinderte etc.) wird gewöhnlich
durch einen bischöflichen Aufrag, durch die Einrichtung „spezifischer
Kaplanstellen“ oder „Personalpfarren“ abgeholfen, das heißt,
ein Diözesanbischof ernennt einen seiner Priester zum „bischöflichen
Abgeordneter für die Pastoral mit Roma“ oder zum „bischöflichen
Abgeordneter für die Einwanderer", zum Gefängniskaplan oder zum
„Pfarrer für die Taubstummen“ einer Stadt oder Zone, usw. Aber,
wenn eine oder einige Bischofskonferenzen es so beschließen würden,
könnten sie in Rom um die Errichtung einer nationalen oder internationalen
Personalprälatur ansuchen, damit die in ihr inkardinierten Priester dieser
besonderen pastoralen Aufgabe nachkommen, unter der Leitung eines Personalprälaten,
der vom Papst ernannt ist und keinesfalls von der Autorität der Diözesanbischöfe
ausgenommen wäre, in deren Dienst diese Personalprälatur dann arbeitete.
Wenn man der hohen Mobilität in der zeitgenössischen Gesellschaft
Rechnung trägt, kann eine Rechtsfigur wie die Personalprälatur punktgenau
den dadurch entstehenden pastoralen Bedürfnissen Rechnung tragen und Schwierigkeiten
abhelfen, die den gewöhnlichen Diözesanklerus überfordern. Die
Rechtsfiguren, die dem traditionellen Prinzip der Territorialität entsprechen,
sollen dabei durchaus erhalten bleiben, auch wenn sie einigen Erfordernissen
der modernen Gesellschaft nicht mehr entsprechen mögen. Das Beispiel der
Einwanderung ist dabei sehr treffend, denn nicht alle Diözesanpriester
besitzen die nötige Veranlagung, die psychologischen Probleme der Immigranten
zu verstehen oder besitzen das nötige ökonomisch-soziale Hintergrundwissen,
um diese Klientel besser verstehen zu können; ebensowenig können sie
alle diese Sprachen beherrschen oder über die Kultur des Herkunftslandes
Bescheid wissen. Deshalb könnte man in den Staaten der Europäischen
Union eine Personalprälatur erreichten, die aus Diözesanpriestern
und Diakonen besteht, die gut gebildet und vorbereitet sind, um die katholischen,
aus Afrika, Amerika und Asien stammenden Einwanderer seelsorglich zu betreuen.
Zugleich könnten die Kleriker dieser „Personalprälatur für Immigranten” (oder sonst eine pastorale Notwendigkeit) – und das möchte ich mit diesen Zeilen zum Ausdruck bringen – zwar unter der Leitung eines Personalprälaten arbeiten, damit aber keineswegs der Autorität oder Jurisdiktion des Ortbischofs entzogen sind; mehr noch, diese Kleriker sind sich der Tatsache vollkommen bewusst, dass ihr pastoraler Dienst essentiell ein Dienst an der Diözese ist, in der sie arbeiten, das heißt, ein Dienst an den Diözesanbischöfen. Und das geschieht aus einem ganz einfachen Grund, denn die Laien, denen die Priester der Prälatur ihren seelsorglichen Dienst anbieten (also z.B. die Immigranten, um das vorige Beispiel fortzuführen) sind Laien der territorialen Diözese. Der Personalprälat hat über diese Gläubigen keinerlei Jurisdiktionsgewalt, sondern einzig und allein der Ortbischof. (Ich mache hier eine Anmerkung: Die Laien, von denen ich hier spreche, sind keine „Mitarbeiter“, auf die sich Kanon 296 bezieht, sondern die gläubigen Laien („Pfarrkinder”) der territorialen Diözese, die die Priester einer Personalprälatur seelsorglich betreuen, und zwar immer in Einheit und unter der Autorität des Ortbischofs, so wie dies Kanon 297 verlangt). Um es noch deutlicher zu sagen: Eine Personalprälatur kann, weil das nur eine Priestervereinigung ist und nicht zur hierarchischen Struktur der Kirche gehört, kein eigenes Volk haben; die gläubigen Laien, die die Priester einer Personalprälatur seelsorglich betreuen, gehören zu jener Teilkirche, in der sie wohnen und die ihre territorialen Diözese bildet. Die Personalprälaturen sondern ihre Pfarrkinder weder von ihrer territorialen Diözese noch von ihrer Pfarre ab; sie bilden eine „persönliche“ Hilfe, die die diözesane und pfarrliche Arbeit unterstützt und der sie dient.
Wenn wir diesem Gedankengang weiter folgen, erkennen wir, dass
es falsch und übertrieben ist zu behaupten, die Personalprälaturen
wären der Autorität der Ortsbischöfe entzogen und gehorchten
nur den Weisungen des Papstes. Ganz im Gegenteil! Wenn der Papst eine Personalprälatur
errichtet, gehen sowohl der Personalprälat wie auch sein priesterliches
Team in den Dienst der Diözesanbischöfe über. Sie sind es, die
tatsächlich die seelsorgliche Arbeit leiten und überwachen, die dieses
spezialisierte Priesterteam unter der Leitung des Personalprälaten mit
einem Teil der gläubigen Laien der Diözese durchführt, deren
Oberhirt der Ortsbischof ist und der hier die volle Jurisdiktionsgewalt ausübt.
Ich wage es auch zu behaupten, dass der Diözesanbischof auch über
jene Priester einer Personalprälatur Jurisdiktionsgewalt ausübt, die
in seiner Diözese arbeiten. Umgekehrt hat meiner Ansicht nach der Prälat
einer Personalprälatur keine eigene Jurisdiktionsgewalt über die Priester
seiner Prälatur, sondern nur Autorität; aber diese letzte Ansicht
sollte jedenfalls von besseren Spezialisten in Kirchenrecht behandelt werden
als ich es bin. Bienvenido
behandelt in seiner Zuschrift vom 11.02.08 die Frage im Detail, ob der Prälat
einer Personalprälatur Jurisdiktionsgewalt hat oder nicht.
4. Wenn der Logik dieser Argumentation weiter folgt, müssen
wir uns eine weitere Frage stellen: Passt das Opus Dei wirklich zur Rechtsfigur
einer Personalprälatur? Ist es richtig, dass das Opus Dei eine Personalprälatur
ist? Sowohl Heribert Schmitz wie Isabel de Armas verneinen in ihren oben zitierten
Büchern diese Frage, und sie nennen vor allem zwei Gründe, die mich
überzeugen. Sehen wir sie uns an.
4.1. Wenn wir den allgemeinen Begriff einer Personalprälatur mit der konkreten,
strukturellen und spirituellen Wirklichkeit des Werkes betrachten, werden wir
bemerken, dass sich das selbst Opus Dei nicht priesterliche Vereinigung versteht,
die zur Lösung „besonderer“ apostolischer Aufgaben in bestimmten
Gegenden oder unter bestimmten sozialen Gruppen (Kanon 294) gegründet wurde.
Das Werk Gottes präsentiert sich offiziell, das heißt, nach seiner
„offiziellen Version“, als ein Weg , auf dem gewöhnliche Christen
die Heiligkeit erreichen, indem sie das Apostolat mitten in der Welt ausüben,
ohne dass sie sich durch eine „Besonderheit“ auszeichnen. Wie oft
hat der Gründer des Werkes wiederholt, dass seine Söhne und Töchter
niemals eine bestimmte soziale Gruppe bilden, sondern dass sie inmitten der
Welt, als „Sauerteig in der Masse“ apostolisch wirken. Das Opus
Dei versteht sich selbst nicht als soziale Gruppe, sondern als gelebtes Charisma,
das vor allem Laien dazu anspornt, die Heiligkeit inmitten der Welt nach der
Spiritualität, wie sie Josemaría Escrivá gelebt und gelehrt
hat.
4.2. Ein zweites Argument, auf das sich von Schmitz und Isabel de Armas bei
der Definition, was eine Personalprälatur ist, konzentrieren, ist, dass
es seiner Struktur nach eine Vereinigung von “Klerikern” ist, die
ihrem Wesen nach kein eigenes Volk hat, wie ich oben erwähnt habe; das
Opus Dei ist, ganz im Gegenteil, seiner Struktur und seinem Gründungscharisma
nach einw Vereinigung von “Laien”, zu der auch Kleriker gehören.
Auf diesen Widerspruch habe ich mich ausführlicher in meinem
Artikel Teología
del laicado y naturaleza jurídica de las prelaturas personales (“Theologie
des Laikalen und juridische Natur der Personalprälaturen”) vom 25.
April 2007 bezogen und erwähn e ihn jetzt nochmals. Ich habe in dieser
Schrift meiner Fassungslosigkeit darüber Ausdruck verliehen, dass ein so
wesensmäßig laikales Charisma wie das des Opus Dei auf eigenen Wunsch
auf eine so wesensmäßig klerikale Struktur, wie es eine Personalprälatur
ist, die nur aus Klerikern besteht und kein eigenes Volk hat!
Die Leiter und Kirchenrechtler des Opus Dei haben versucht, diese zwei Kritikpunkte
unter Verweis auf Kanon 296 zurückzuweisen („Gemäß
einem mit der Prälatur geschlossenen Abkommen können sich Laien den
apostolischen Werken der Personalprälatur widmen; allerdings muss in den
Statuten die angemessene Form dieser organischen Zusammenarbeit festgehalten
sein, zusammen mit den hauptsächlichen Rechten und Pflichten”),
die sie, meiner Meinung nach, missbräuchlich interpretieren. So erinnere
ich auch in meinem Schreiben vom
2. April 2008 daran, wie der Numerarierpriester Dominique Le Tourneau in
seiner Studie “über die Realität des Opus Dei” diese Institution
als “eine kirchliche Realität” präsentiert,
”in der es eine organische Zusammenarbeit zwischen Priestern und Laien
unter der Jurisdiktion eines Prälaten […] und damit eine organische
Einheit zwischen beiden gibt: Priester und Laien, Laien und Priester”.
Ich habe diese These in der erwähnten Schrift vom 2. April 2008 zurückgewiesen;
ich habe darin die subtilen Spitzfindigkeit in der Argumentation von Le Tourneau
aufgezeigt, der die “organische Zusammenarbeit” (Kanon 296) mit
der wesensmäßigen Einheit von Priestern und Laien gleichsetzt, und
diese Gleichsetzung ist einfach falsch: Wenn es eine wesensmäßigen
Einheit zwischen beiden gäbe, müsste man nicht den Ausdruck “organische
Zusammenarbeit” brauchen.
5. Nach Art einer Schlussfolgerung habe ich versucht zu zeigen,
dass die tatsächliche Praxis des Opus Dei die Rechtsfigur der Personalprälatur
verfälscht. Wenn man das Leben des Werkes von außen her betrachtet,
wird er nicht mit Klarheit erkennen, was eine Personalprälatur ist, und
wenn er in ihm lebt, erst recht nicht. Ich werde vier Gründe anführen,
um das deutlicher zu machen.
5.1. Die Personalprälaturen wurden vom II. Vatikanischen Konzil (Dekret
Presbyterorum ordinis, Nr. 10) mit dem Ziel geschaffen, zu einer besseren
Verteilung des Weltklerus beizutragen oder besondere apostolische oder missionarische
Werke im Interesse bestimmter Regionen oder sozialer Gruppen zu fördern.
Demgegenüber ist es offenkundig, dass das Opus Dei nichts mit der Frage
einer besseren Verteilung des Weltklerus zu tun hat, noch auch versteht es sich
selbst – in seiner „offiziellen Version“– als soziale
Gruppe. Das Werk ist die Lebensform eines Charismas oder einer Spiritualität;
genau genommen ist es jene kirchliche Institution, die die Form darstellt, in
der der heilige Josemaría die Heiligung der Laien inmitten der Welt gesehen
hat. Allerdings wurden die Personalprälaturen von den kirchlichen Gesetzgebern
nicht geschaffen, um den Rahmen für Charismen abzugeben, sondern um den
Weltklerus besser zu verteilen mit dem Ziel, besondere und schwierige pastorale
Aufgaben zu lösen. Charismen erhalten innerhalb der Kirche andere Rechtsfiguren,
und auch wenn sie sich von der Rechtsfigur einer Personalprälatur unterscheiden,
so tragen sie doch mit diesen zusammen zum Bild einer bunt gegliederten Kirche
bei.
5.2. Die Leiter und Kirchenrechtler des Opus Dei stellen die
Rechtsfigur der Personalprälatur so dar, als würde sie zur hierarchischen
Struktur der Kirche gehören, das heißt, wie ein Teil des Volkes Gottes,
das einen Ordinarius, einen Klerus und gläubige Laien besitzt. IN Wirklichkeit
ist dies aber nicht so, denn wie die Kanones 294-297 klarstellen, ist eine Personalprälatur
Vereinigungen von Priestern, die auf die Erfüllung besonderer pastoraler
Aufgaben spezialisiert sind. Die Laien, die darin mitarbeiten und von denen
Kanon 296 spricht, sind nicht volle Mitglieder der Prälatur, das heißt,
sie gehören nicht zu ihr, denn die „Personalprälaturen bestehen
aus Priestern und Diakonen des weltlichen Klerus“ (Kanon 294). Und
gerade aus dem Grund, weil sie nicht zur Prälatur gehören, greift
Kanon 296 auf den Begriff der “organischen Zusammenarbeit” zwischen
diesen mitarbeitenden Laien und den Klerikern der Prälatur; wenn diese
Laien Mitglieder im vollen Sinn wären, müsste man sie nicht Mitarbeiter
nennen.
5.3. Das Opus Dei, wie es sich jetzt im Einklang mit seinen Statuten einer Prälatur
und seinem besonderen Recht darstellt, ist in Wahrheit eine hybride Mischung
von Säkularinstitut und Personalprälatur. Und diese Mischform trägt
dazu bei, das Idealbild einer Personalprälatur zu entstellen oder zu verwirren.
Darüber hat Elena
Longo in ihrem hervorragenden Artikel gearbeitet, der in der Zeitschrift
Claretianum 46 (2006), S. 413-497 veröffentlicht wurde und in
dem sie zeigt, dass das tägliche Leben einer Numerarierin und eines Numerariers
des Werkes genau dasselbe – wenn nicht noch strenger – wie das der
geweihten Person eines Säkularinstitutes ist.
Tatsächlich unterscheidet man im internen Leben des Werkes zwischen „Geist“
und „Praxis“. Der “Geist” des Werkes ist, nach der “offiziellen
Lesart”, laikal; der Gründer des Opus Dei stellte die apostolische
Tätigkeit seiner Söhne und Töchter in der Welt wie den „Sauerteig
in der Masse“ dar. In Wirklichkeit aber ist das Leben unter der Leitung
des Werkes nach internen Dokumenten minutiös geregelt, und zwar nach exakt
denselben Regeln wie zu der Zeit, als es ein Säkularinstitut war (1947-1982)
und seine Mitglieder geweihte Personen. Diese Praxis trägt zum elitären
Selbstverständnis im Werk bei, die bis hin zum Auserwähltheitsanspruch
einer Sekte geht. In der oben erwähnten Untersuchung zitiert Marie France
Bazzo die Ansicht von Patrick des Mazery: “Innerhalb der katholischen
Kirche kann man nicht von Sekten sprechen, wohl aber von sektenähnlichen
Strukturen”. Ich unterschreibe diese Worte.
Man könnte die Argumentationslinie von Elena Longo noch um ein signifikantes
Faktum ergänzen. Wie die aktuellen Statuten
des Opus Dei (130. §1. und §2.) besagen, wird der Prälat
„von einem zur Wahl einberufenen Generalkongress ausgewählt“;
„die Kongressdelegierten sind […] Priester und männlichen Laien“.
Das Procedere entspricht genau der Wahl des Generalpräsidenten durch „Elektoren“
im seinerzeitigen Säkularinstitut Opus Dei. Überraschen dabei ist
allerdings, dass die aktuellen Statuten der Personalprälatur Opus Dei einige
Laien, die nicht Vollmitglieder der Prälatur sind, sondern „Mitarbeiter“
(Kanon 296), ermächtigen, den zukünftigen Prälaten zu wählen
– wie ist das zu erklären? Außerdem: Warum, nur Männer,
warum keine Frauen? Auch wenn diese letzte Frage nichts zu unserer Argumentation
beiträgt, möchte ich doch auf das Faktum insistieren, dass die Laien
insgesamt keine Vollmitglieder der Prälatur sind. Nicht einmal in einer
Teilkirche, in der die Laien Vollmitglieder sind, gibt es eine ausgewählte
Gruppe von „Kongressdelegierten“, Klerikern und Laien, die in einer
Abstimmung den zukünftigen Bischof bestimmen, und schließlich sind
auch die Kardinäle, die den Bischof von Rom wählen, ausschließlich
Kleriker. Offensichtlich ist die Vorgangsweise, die in den derzeit gültigen
Statuten für die Wahl des Prälaten vorgesehen ist, ein Überbleibsel
aus der Zeit, als da Werk ein Säkularinstitut war, eine Abstimmung durch
„Elektoren“, Kleriker und männliche Laien. Wenn mir ein scherzhafter
Vergleich gestattet ist, würde ich die Hybridform, in der sich das Opus
Dei derzeit darstellt, als eine Kreuzung zwischen einer Buche und einem Orangenbaum
oder zwischen einem Delphin und einem Schimpansen bezeichnen. Was sich nicht
einmal Darwin in seiner Theorie der Artenwahl träumen hätte lassen,
hat die kirchliche Gesetzgebung möglich gemacht.
5.4. Schließlich kocht das Opus Dei dank der Unabhängigkeit, die
ihm seine Rechtsform bietet, sein eigenes Süppchen, und es folgt den Diözesanbischöfen
und dem Papst, vorausgesetzt, sie gehen, wohin es ihnen passt. Diese arrogante
Einstellung schwächt die kirchliche Einheit, sie bricht sie gelegentlich,
und sie trägt zweifellos dazu bei, die Vorstellung davon zu verzerren und
zu entstellen, was eine Personalprälatur ist, und sie erklärt auch,
dass die öffentliche Meinung auf die Rechtsfigur der Personalprälatur
jene Abweichungen projiziert, die nur für das Opus Dei und nicht für
die Rechtsfigur typisch sind. In dem oben Genannten stimme ich vollkommen mit
der Aussage von Professor Heribert Schmitz überein, die im Buch von Isabel
de Armas (S. 162) zitiert ist: “Die neue rechtliche Form, die sich
das Opus Dei geben ließ, entspricht weder dem Wesen noch der Struktur
dieser Gemeinschaft, und deshalb muss man für die Zukunft eine bessere
Lösung suchen” (J. Listl und H. Schmitz, S. 654).
6. Ich schließe meine Abhandlung mit einer Anekdote, die illustrieren
soll, bis zu welchem Grad das Opus Dei die Vorstellung, was eine Personalprälatur
ist. Vor drei oder vier Jahren sprach ich mit einem Priester aus Madrid, der
sehr gut in die Problematik der Immigration in Spanien eingearbeitet ist, und
er hat auch vielen Einwanderern in schwierigen Situationen geholfen zu überleben.
Bei unserem Gespräch im Anschluss an eine Konferenz über humanitäre
Fragen im Zusammenhang mit der Immigration versuchte ich ihm den Gedanken nahezubringen,
in Spanien und anderen Staaten der EU eine Personalprälatur zu gründen,
die auf wirksame Weise katholischen Immigranten priesterlichen und seelsorglichen
Beistand leisten könnte, denn das Problem der Immigration, das doch so
komplex ist, lässt sich bei allem guten Willen nicht von der Seelsorge
der Diözesanpriester bewältigen. Er schmetterte mich ab: Keinesfalls!
Die Immigranten müssen sich in die Gemeinden integrieren, in denen sie
leben; mit einer Personalprälatur trennt man sie von den anderen und treibt
sie in ein Ghetto. Ich erwiderte: Sie haben diese Auffassung, weil sie an das
Opus Dei denken und das Opus Dei das Konzept einer Personalprälatur verfälscht;
eigentlich bietet diese Form viel versprechende pastorale Möglichkeiten.
Aber ich konnte ihn nicht überzeugen, denn dieser Priester misstraute angesichts
der Realität im Werk dieser Rechtsfigur völlig, die es im Moment hat.
Gäbe es echte, authentische Personalprälaturen und nicht diese Hybridform,
die das Opus Dei seit dem November 1982 darstellt, hätte dieser Priester
nicht eine so abfällige Bemerkung gemacht, denn nach dem Willen der kirchlichen
Gesetzgeber und des aktuellen CIC ist eine Personalprälatur als eine Rechtsform
in voller Einheit mit der kirchlichen Struktur, aber auch menschlich und sozial
integriert gedacht. Die Personalprälaturen sind ein Ergebnis des priesterlichen
Herzens der Kirche.
Josef Knecht