04.11.2008

WIECZOREK-ZEUL AHNUNGSLOS
Entwicklungshilfe für Opus Dei

Von Marvin Oppong und Peter Wensierski

Entwicklungshilfe der besonderen Art: Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit gibt Millionen Euro an eine Stiftung, die dem katholischen Geheimbund Opus Dei nahe steht. In Berlin will man davon nichts gewusst haben.

Berlin - "Heute müssen wir", umschrieb Josemaría Escrivá, Gründer des Opus Dei, das Credo seiner Organisation, "mehr als je in Gebet und Wachsamkeit vereint sein, um dieses Schmutzwasser, das die Kirche Gottes überflutet, aufzuhalten." Und so erteilte der katholische Rechtsaußen seinen "Soldaten Christi" regelrechte Kampfaufträge: "Die Situation ist ernst, meine Söhne und Töchter", mahnte er Mitte der Siebziger Jahre, aber "wir können die Schlacht gewinnen, obwohl die Schwierigkeiten groß sind." Dabei sei die "Bedeutung der Diskretion" nicht zu unterschätzen.

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Opus Dei-Gründer Escrivá: "Wir können die Schlacht gewinnen, obwohl die Schwierigkeiten groß sind"

Die Empfehlung Escrivás hat bis heute Gültigkeit. Rund 89.000 Mitglieder zählt der Opus Dei ("Das Werk Gottes") heute weltweit, rund 1000 davon leben in Deutschland. Wer zu dem elitären Bund zählt, bleibt meistens im Verborgenen. Auch wenn es ums Geld geht, wird mit größter Diskretion agiert – anders ist kaum zu erklären, dass ausgerechnet das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) Projekte fördert, die unter dem Einfluss von Opus Dei stehen. Mehr als 1,3 Millionen Euro Steuergelder hat das von Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) geführte BMZ seit dem Jahr 2000 für stramm religiöse, auch vom Opus Dei unterstützte Projekte in Afrika und Lateinamerika spendiert. Auch in den Jahren davor flossen bereits Millionen. Dabei steht die Gruppierung permanent unter Sektenverdacht. Ex-Mitglieder berichten von fast paramilitärischen internen Regeln und den erzkonservativen Grundsätzen.

Das Bundesministerium bestätigt die Zahlungen. Es würden "in diesen Projekten allerdings keine religiösen Ansätze gefördert". Zusammenhänge mit Opus Dei wollen die Beamten auch nicht bemerkt haben.

Gelder gehen an die Rhein-Donau-Stiftung

In der Tat tritt die gottesfürchtige Prälatur öffentlich kaum in Erscheinung. Die BMZ-Gelder fließen an einen Verein mit einem harmlosen Namen: an die Rhein-Donau-Stiftung mit Sitz in München. "Bildung und Entwicklung" sei das Leitmotiv der Stiftung, die weltweit Projekte fördert. Doch es gibt noch ein anderes Motiv, das die Rhein-Donau-Stiftung antreibt: die Erinnerung an den heiligen Escrivá. "Er ermuntert uns", heißt es auf der Internetseite. Geschäftsführer Hans Thomas bestätigt, dass er ein hochrangiger deutscher Opus-Dei-Funktionär sei, weitere Geheimbündler sitzen im Vorstand der Stiftung.

Im Geist des spanischen Erzkonservativen stehen auch jene Projekte, für die der Bund öffentliche Gelder gab, etwa in der argentinischen Bischofsstadt Santo Tomé. Deren langjähriger oberster Geistlicher, Francisco Polti, ist laut Vatikanjahrbuch Opus-Dei-Bischof. Polti errichtete 1994 eine Ausbildungsstätte für Sekretärinnen. 2003 baute man eine Schule für Krankenschwestern dazu, die durch Mittel aus Deutschland gefördert wurde. Der argentinische Opus-Dei-Mann gab laut Projektbeschreibung der Rhein-Donau-Stiftung strenge Regeln vor: Auszubilden seien Krankenschwestern, "die beruflich tüchtig und ethisch-religiös gebildet und treu" seien. Was er darunter versteht, erklärt Polti an anderer Stelle. Da warnt er vor der "Invasion des ethischen Relativismus der Industrieländer in Sachen Abtreibung, Reproduktionsmedizin." Die Krankenschwestern in Santo Tomé sollten "dabei nicht mitmachen".

Den größten Anteil der Kosten für diese Schwesternschule - 152.000 Euro - trug das BMZ. Ende letzten Jahres konnte dadurch in "geeigneten Räumen" ein "dauerhafter und geregelter Ausbildungsbetrieb "aufgenommen werden.

Der Buchautor und anerkannte Opus-Dei-Experte Peter Hertel hat festgestellt, dass die Rhein-Donau-Stiftung vor allem für solche Projekte Bundesmittel beantragte, die den Einfluss des Geheimbundes in für ihn wichtigen Erdregionen voranbringen: "Im Unterschied zu kirchlichen Hilfswerken wie Misereor oder Adveniat, die Hilfe zur Selbsthilfe zu geben versuchen", sei Opus Dei, urteilt der Theologe, deutlich aggressiver: "Es unterwirft die Beteiligten, sie haben in seinem Sinne zu funktionieren und werden von oben religiös-politisch einseitig indoktriniert." Der Einfluss des Geheimbundes hätte dem Ministerium bei den Projekten in Argentinien, Peru, Uruguay, Nigeria oder dem Kongo durchaus auffallen können, findet er. Hertel kritisiert: "Hier werden Steuergelder in ein schwer überprüfbares internationales System von Vereinigungen und Stiftungen gegeben."

Eifriger CSU-Lobbyist in Berlin

Die Rhein-Donau-Stiftung hat in Berlin allerdings einen eifrigen Lobbyisten. Präsident des Vereins ist der CSU-Bundestagsabgeordnete Norbert Geis, stets zur Stelle, die christlichen Wurzeln des Abendlandes zu verteidigen. Geis ist seit April 2008 ordentliches Mitglied im Bundestags-Ausschuss für "Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung", der über die Förderung von Entwicklungshilfeprojekten berät. In der Arbeitsgruppe seiner Unions-Fraktion wiederum übernahm er dann im Juni die regionale Zuständigkeit für Mittelamerika. Auf seiner Bundestagswebseite steht bis heute nichts von seiner Funktion in der Rhein-Donau-Stiftung. "Aus Versehen", sagt er.

Gern zitiert Geis den Opus-Dei-Gründer Escrivá – als Sympathisant, wie er freimütig bekennt, allerdings ohne Mitglied zu sein. "Ich schätze das Opus Dei sehr, bin seinen Mitgliedern freundschaftlich verbunden und würde dem Opus Dei auch das allerbeste Zeugnis ausstellen." Die Förderung der Rhein-Donau-Projekte hält er für eine unterstützenswerte Sache, den Lobbyismus-Vorwurf weist er zurück: "Das operative Geschäft mit den Projekten erledigen andere."

Politikerkollegen verärgert hingegen die verdeckte Hilfe des BMZ an Opus Dei. Omid Nouripour, Bundestagsabgeordneter der Grünen und Haushälter: "Eine Organisation mit solcher Nähe zu Opus Dei, dessen Verfassungstreue immer wieder diskutiert wird und die augenscheinlich ein veraltetes Menschen- und Familienbild vertritt, ist kein angemessener Empfänger von Entwicklungshilfe."
Und noch etwas stört ihn: Dass Geis gleichzeitig im Ausschuss für Entwicklungszusammenarbeit sitzt und Präsident einer Stiftung ist, die gefördert wird. Für den Grünen hat das "zumindest ein Gschmäckle".

 

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