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   Atomito bei der Katechese 1982   Ein Armer und ein Reicher beten in der Kirche. Der       Arme: „Gott, gib mir wenigstens einen Dollar, denn ich habe seit zwei       Tagen nichts mehr gegessen“. Der Reiche dreht sich um, gibt ihm einen       Dollar und sagt zu ihm: „Nimm, und lenk Ihn mit nicht ab, ich habe was       Wichtiges mit ihm zu besprechen.“ — Das ist ein alter Witz, aber er zeigt       sehr gut, wie Escrivá über die Armen denkt. Das Opus Dei kümmert sich um       etwas viel Wichtigeres: die Welt zum katholischen Glauben zu bekehren. Das       Thema der Armut ist gegen dem, was Gott Escrivá anvertraut hat,       nebensächlich.   Ich möchte über meine Erfahrungen bei der Katechese       berichten, mit der ich im Werk beauftragt wurde, wenige Jahre, nachdem       ich gepfiffen hatte. Die Katechese ist ein wichtiger Bestandteil der       Arbeit von St. Raphael, und sie besteht darin, dass einige Leute vom       Werk, zusammen mit Burschen von St. Raphael, in eine arme Pfarrei gehen       und Kinder auf die Erstkommunion vorbereiten.  Als ich den Auftrag erhielt, überfiel       mich zunächst eine fürchterliche Trägheit. Aber dann startete ich los und       merkte, dass mir die Kinder gefielen, dass ich gut mit ihnen auskam, und       am Sonntagmorgen loszugehen, um ihnen Katechismusunterricht zu geben,       gefiel mir gut...   Da ich schon einige zeit vom Werk war und keine Schwierigkeiten       mit dem Lehrstoff hatte, den ich verkünden sollte, aber es war nicht leicht,       das Interesse von sieben– bis neunjährigen Kindern wach zu halten, und       abstrakte begriffe die Heiliger Geist und Allerheiligste Dreifaltigkeit       sind ja nichts Einfaches. Aber im Opus Dei kümmert sich niemand um       pädagogisch-didaktische Feinheiten, wenn man arme Pfarrkinder unterrichten       soll. In Wahrheit hatte das Opus ja auch nicht das mindeste Interesse an       den Kindern, sondern nur an den Jungen von St. Raphael. Der Unterricht       für arme Kinder rührte den jungen Idealisten das Herz und bereitete sie       darauf vor, sich für eine gerechte Sache hinzugeben. Deshalb ist       die Katechese wichtig und wird ernst genommen, aber es ist egal, ob die       Kinder den Katechismus verstehen oder nicht, ob sie gut oder schlecht auf       die Kommunion vorbereitet sind, und ob sie nachher weiter zur Kommunion       gehen, interessiert das Opus nicht.       Atomito beim Camping mit Kindern der Katechese von 1984   Im ersten Jahr, als ich die Katechese durchführte,       nahm ich einen Jungen mit, den ich betreute und der wenig später als       Numerarier pfiff. Wir zwei gingen los, und auch noch ein dritter       Numerarier war dabei. Die Schüler waren immer vier oder fünf, nicht immer       dieselben, und im ersten Jahr empfingen nur zwei die Kommunion. Außerdem       muss man dazusagen, dass es nicht gerade begeisternd war, zur Katechese       dorthin zu gehen, es waren nur wenige Kindern, und dir waren von ihren       Eltern hingeschickt worden. Auf jeden Fall war ich, dank der Erfahrungen       im ersten Jahr, im nächsten viel besser vorbereitet; ich hatte mehr       Freunde zur Hand, die bereit waren, am Sonntagmorgen       Katechismusunterricht zu erteilen, und mit ihnen ging ich von Haus zu       Haus, um die Kinder einzuladen. Als wir mehr Kinder und mehr Katecheten       hatten, waren wir in der Lage, auch Freizeitaktivitäten zu organisieren,       wie Fußball oder andere Spiele. Wir veranstalteten auch Camping. Die       Kinder begeisterten sich, und es waren nicht mehr nur die       duckmäuserischen kleinen Mädchen, die in den Unterricht kamen, sondern       Kinder jeder Altersstufe, und mitten darunter auch Männer.   Wir veranstalteten eine wöchentliche Versammlung für       Katecheten, um den Unterricht zu planen und vorzubereiten. Einige       Katechetenbleiben, andere mussten wir fortschicken, aber die Dinge waren       am Laufen, und im zweiten Jahr empfingen etwa 20 Kinder die Kommunion.       Aus der Sicht des Werkes lief es ebenfalls sehr gut, einige der       Katecheten pfiffen als Numerarier. Aber hier begannen die Probleme. Kaum       hatten sie gepfiffen, bekamen sie vom Direktor ihres Zentrums       apostolische Aufträge, die nichts mit der Katechese zu tun hatten, und       sie waren für uns (als Katecheten). Ich erinnere mich an die       Diskussionen, die ich mit den Direktoren des Zentrums führte, nachdem       einige Katecheten gepfiffen hatten, die ich selbst zum Werk gebracht       hatte, ich hatte sie vorbereitete und ganze Arbeit geleistet, und sobald       sie zu gebrauchen waren und ich mich auf sie stützen konnte, wurden sie       mir vom Opus weggenommen. Die Direktoren erinnerten mich daran, was der       Sinn der Katechese war; es ging nicht um die Kinder, sondern um die       Jungen von St. Raphael. Dass ich meine Arbeit gut gemacht und die       Jungen gepfiffen hatten, war die Hauptsache. Aber es war kein Anliegen       des Opus, dass zahlreiche Numerarier Katechese machten, der Gedanke       war, dass die Jungen von St. Raphael die Katechese durchführten und ein       paar Numerarier sie betreuten.   Ich war gekränkt, denn es war eine schwere Geburt,       Katechesen zu organisieren, die Katecheten auszubilden, damit sie sich       den Kindern gegenüber gut und adäquat auszudrücken verstünden und die       Verantwortungsgefühl und Hingabe zeigen        mussten. Oft waren es am Sonntag unterschiedliche Katecheten,       entweder, weil man sich auf einen Jungen von Ast. Raphael nicht so gut       verlassen konnte, oder weil ein Numerarier seinen monatlichen Einkehrtag       hatte oder weil ein Katechet eine wichtige Prüfung vorbereiten musste       etc. Wenn die Kinder einen Katecheten einmal ins Herz geschlossen und       sich an ihn gewöhnt hatten, waren sie nicht glücklich, wenn sie       wechselten, und sie meinten, dass die Katecheten ihre Arbeit nicht ernt       nahmen. Das Opus aber war an der Katechese selbst nicht im mindesten       interessiert, es sollte nur gut wirken, damit die Jungen von St. Raphael       sich begeisterten, aber ob die Kinder etwas lernten oder nicht, war ihnen       völlig egal. Die armen Kinder waren bei diesem Spiel lediglich Mittel zum       Zweck, sie dienten nur dazu, in den Jungen von St. Raphael eine Neigung       zur Hingabe zu wecken, für sich genommen aber interessierten sie das Opus       überhaupt nicht. Die Kinder, für die sich die Prälatur interessiert,       kommen aus guter Familie und aus guten Schulen, und sie sollen als       Numerarier pfeifen können.   Die Direktoren, mit denen ich heftig diskutierte,       waren in Wirklichkeit keine schlechten Menschen, aber ihnen saß der Beauftragte       für die Arbeit von St. Raphael im Nacken, der sie kontrollierte und jeden       Monat Statistiken einforderten: mit der Zahl der Teilnehme an Kreisen,       monatlichen Einkehrtagen, Beichten, Listen von Pfeifkandidaten etc. Den       Beauftragten für die Arbeit von St. Raphael interessierte es allerdings       nicht, wie viele Kinder zur Kommunion gingen oder was man für die armen       Kinder der Katechese machte. Und der Beauftragte für die Arbeit von St.       Raphael hatte seinerseits jemandem von der Kommission Rechenschaft       darüber abzulegen, und das ging so bis hinauf zum Vater. Letztendlich       bedeutet das eine völlige Gleichgültigkeit gegenüber den Armen, man       benutzt sie, um unter jungen Idealisten Berufungen zu gewinnen, und das       ist ein Teil des „Geistes“, den der Gründer geformt hat; es ist nicht die       Schuld der Direktoren in Uruguay, sondern all dies trägt die Handschrift Escrivás.       Erstkommunion. nach der Messe gab es ein Fest für alle       Kinder   In Uruguay war es üblich, sich auf die Erstkommunion       vorzubereiten (zumindest damals), so wie man kirchlich heiratet und die       Kinder taufen lässt. Die Leute praktizieren ihren Glauben nicht, aber es       erscheint ihnen angebracht, ihre Kinder zur Kommunion zu schicken. Es       galt also, die Kinder bei der Stange zu halten, und deshalb organisierten       wir einen Katechismus für die, die durchhielten und bei dem wir die Kinder       selbst zu Katecheten ausbildeten. Das war für viele Kinder attraktiv,       sodass wir im Gegensatz zu anderen Katechese eine relativ hohe Zahl an       Kindern hatten, die nach der Erstkommunion weiter zur Messe gingen und       ihre religiöse Bildung vertieften. Es trat auch der Fall ein, dass eines       der Mädchen Jahre später Nonne wurde (und heute bin ich Agnostiker und       mache mir deswegen Vorwürfe…)   Ich brachte vier Jahre mit der Katechese zu. Im       Viertel kannten mich alle, denn wir kümmerten uns nicht nur um die       Kinder, sondern freundeten uns auch mit den Eltern an, und es wurden       sogar Gesprächsrunden für Eltern organisiert. Eines Tages wurde ich im       Werk gebeten, einen Artikel für Crónica [die streng vertrauliche       Intern-Zeitschrift der Numerarier] über die Katechese zu schrieben. Ich       weiß noch, dass ich es in meinem Stil schrieb, ohne den Vorschriften für       interne Publikationen zu folgen, die alle wirken, als wären sie von ein-       und derselben  Person geschrieben       worden. Ich schrieb Anekdoten, die wirklich geschehen sind, Beispiele,       wie wir die Kindern zum Lernen brachten, entzückende Bemerkungen, wie das       „achte Gebote“, das lautet, man soll „keinen fremden Gedanken zustimmen“       oder „eine Stunde vor er Kommunion nichts trinken“. Die Zeit verging, und       eines Tages sah ich in „Obras“ [einer anderen internen Publikation für Männer]       einen Artikel über eine Katechese in Montevideo. Ich begann zu lesen, und       anhand der geschilderten Fakten stellte ich fest, dass es mein Artikel       sein musste, aber sie hatten ihn so weit verändert, dass er kaum mehr zu       erkennen war, alles Echte, Spontane, Unmittelbare war daraus       verschwunden. Er war genau so wie alle anderen Artikel ais Crónica, und       ich kam dann auch darauf, warum sie alle so wirken, als wären sie von       einer Person geschrieben – sie sind es nämlich.       Carlos, Atomito und Gonzalo, dieselben wie auf dem Foto       von 1982, aber 2009. Carlos hat einen Sohn, und Gonzalo ist heute anglikanischer       Pastor und hat eine Tochter   Wenn jemand ein Herz hat und die Menschen liebt, sieht       er in den Kindern menschliche Wesen und denkt nicht daran, ob sie pfeifen       können oder nicht, ob sie „brauchbar“ sind oder nicht. Man schließt sie       ins Herz und versucht ihnen weiterzuhelfen. Aber ein Numerarier muss       lernen, dass diese Dinge nicht dazu dienen, den Armen zu helfen. Escrivá hat       von Gott eine Sendung, die wichtiger ist für ihn.   atomito  Zurück |