Damián: Der intellektuelle Narzissmus im Opus Dei

(4. 12. 2009)



 


(Donatella Versace, Herbstkollektion 2007)

 

 

Das Werk erteilt seinen Mitgliedern eine philosophische und theologische Bildung, die aus dem Studium Generale abgeleitet ist, einigen im vollen Umfang, anderen angepasst in dem Maß, wie es ihre Bindung an das Opus Dei erfordert. Gegenüber der Mehrheit der gewöhnlichen katholischen Gläubigen, die diese ideologische Schulung nicht haben, fühlen sich manche Mitglieder des Werkes, die durch sie hindurch gegangen sind, jenen Christen intellektuell überlegen.

 

Dieser intellektuelle Narzissmus hat eine Unordnung im Selbstverständnis zur Folge, denn der einzelne überschätzt seine „hervorragenden“ Fähigkeiten und brauche ein enormes Maß an Bewunderung und Zustimmung von Seiten der anderen für seine argumentative Geschicklichkeit. Das Übermaß des intellektuellen Narzissmus kann sich nach außen in Form eines scharfsinnigen ideologischen Egoismus zeigen sowie in einer rücksichtslosen Missach­tung der kulturellen Umstände und der philosophischen Ansichten anderer. Der intellektuelle Narzissmus bei einigen Mitgliedern des Werkes ist dabei durchaus Frucht der abschätzigen oder gleichgültigen Bewertung ihrer Talente, die Mitglieder von manchen Leitern erfahren. Einigen geistlichen Leitern geht die Wertschätzung für das kulturelle Umfeld der ihnen Anvertrauten völlig ab; die Unsicherheit, die diese  Missachtung hervorruft, wird dann zum Teil mit einer grundlosen, übertriebenen, aufgeblasenen intellektuellen Selbstüberschätzung kompensiert. Einige Mitglieder des Werkes fühlen sich geringgeschätzt ‒ eben weil manche Laien, die als geistliche Leiter eingesetzt sind, hier völlig verständnislos agieren, und deshalb halten sie sich für große Experten der scholastischen Theologie ‒ weil sie bei den internen Prüfungen immer ein „cum laude” erhalten haben.

 

Einige intellektuelle Narzissten im Werk zeigen eine erschreckende Selbstüberschätzung, und im gesellschaftlichen Umgang lassen sie keine Gelegenheit außer Acht, ihren unbedeutenden Bildungsprunk zur Schau zu stellen. Einige intellektuelle Narzissten im Werk haben weit­gehend keine Ahnung von der modernen oder zeitgenössischen Philosophie, und wenn sie sich damit konfrontiert sehen, kommen sie sich überrumpelt vor; wenn sie auf Kant, Husserl und Heidegger stoßen, nehmen sie sich selbst als äußerst ungenügend wahr und fühlen sich verpflichtet, diese Defizite zu verheimlichen.

Intelligente, normale Menschen, die sich leichter tun als einige intellektuelle Narzissten im Werk, werden von diesen als Bedrohung empfunden, weil sie ihre Selbsteinschätzung gefährden; deshalb werden einige von ihnen, beziehungsgestört, wie sie sind, zu Tückern und manipulieren die normalen Menschen in ihrem Umfeld mit sophistischen Widerlegungen oder lieblosen Argumenten ad hominem, zur Person. Alles das tun sie mehr oder weniger unbewusst, durchtränkt von Neid, weil sie insgeheim um ihr kulturelles Selbstkonzept fürchten. Es ist ein bemerkenswertes Faktum, dass manche dieser Narzissten bei einigen intellektuellen Dialogen, die im Umfeld des Werkes geführt werden, sofort ad hominem zu argumentieren beginnen, sie wären pathetisch, sie seien nicht genügend qualifiziert, über dieses Thema zu reden , weil sie nicht auf berühmten Universitäten studiert hätten, kein Latein, keine Fremdsprachen könnten, dass ihre Äußerungen dem Niveau eines schlechten Abiturienten entsprächen, sie traktieren ihn mit einem endlosen Lauffeuer einer hervorge­sprudelten Terminologie, die eine eitle Bildung demonstrieren soll, ähnlich wie ein Gorilla, der den Rivalen in seiner Horde mit einem schrecklichen Gebrüll einschüchtern möchte; sie verwenden ständig ironische Seitenhiebe, sie machen sich lustig, um den Gegenspieler seelisch zu zermürben, und zuletzt gestehen sie ihnen zu, dass sie ihnen ihre Irrtümer nachsehen, weil sie schließlich erst Anfänger in der Materie seien. Die Narzisse argumentieren „ad mortem”, indem sie deutlich machen, dass der Diskurs des anderes den Grundregeln der Logik widerspricht, niemals argumentieren sie „supra verba ex iudicanda re”, dem Begriff nach über die Sache, um die es geht, und sie werfen dem Gegner mangelnde intellektuelle Stringenz vor.

 

Der „Angreifer“ pflegt zu argumentieren, dass die Zitate, die der arme Konkurrent vorbringt, nichts mit den Autoren zu tun haben, die im Gespräch erwähnt wurden, während sein manipulativer Kontrahent herablassend durchaus einen „inneren Zusammenhang“ herzustellen vermag. Er missbraucht das “Magister dixit” (“der Meister hat es gesagt”, die Berufung auf Autoritäten) und erklärt rundweg, dass die Thesen des Gegenspielers darauf abzielen, Klassiker des gelehrten Denkens zu disqualifizieren. Wenn sich der angriffslustige Narziss bedrängt fühlt, pflegt er den Gesprächspartner damit einzuschüchtern, dass eine Kritik an seien Paradigmen nicht zulässig ist, sonst würde der Weltbau ins Wanken geraten. “Non valet ilatio”, der Schluss ist nicht zulässig. Im Dialog versucht der Selbstanbeter aus Prinzip empirische Induktionsschlüsse, die von seinem Gesprächspartner vorgelegt werden, zu verunglimpfen; solange er nicht alle Steine der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu Erde fallen gesehen hat, möge er nicht vom Gesetz der Schwerkraft sprechen. In seiner Anmaßung hechelt er während des Gespräch das ganze Wortfeld eines Ausdrucks durch, den der andere gebraucht hat, und indem er ihm eine andere Bedeutung als der unterstellt, mit der sie im Diskurs gebraucht wurde, wird er die Inkohärenz des von ihm Gesagten aufzeigen.

 

Einige intellektuelle Narzissten im Werk besitzen eine sehr verletzliche Selbsteinschätzung, weshalb sie heftig auf die “Beleidigung” reagieren, die kritische Argumentation für sie bedeutet, denn sie fühlen sich dadurch angegriffen und bloßgestellt. Manche dieser Narzissten im Werk reduzieren ihre gesellschaftlichen Beziehungen als Folge ihrer arroganten Sucht nach Anerkennung. Manche fühlen sich unfähig, Schritte in Richtung eigenständiger Forschung zu unternehmen, weil sie ein mögliches Scheitern als persönliche Niederlage ansehen und fürchten. Manche finden deshalb nicht den Mut, neue wissenschaftliche Erkenntnisse oder Methoden anzunehmen, weil sie sich außerstande sehen, die Entwicklungen vorherzusehen und weil sie sich deshalb nicht aus der Deckung wagen. Das ist der Grund, warum manche Gestalten zeitgenössischen Denkens wie Ratzinger, Solschenizyn, Simone Weil, Hannah Arendt oder Viktor Frankl im Werk erst mit zwanzig oder dreißig Jahren Verzögerung rezipiert werden.

 

Auch ist es merkwürdig zu sehen, dass es unter den Tausenden Mitgliedern des Opus Dei, die wissenschaftlich brillieren, in Spanien nur vier bedeutende Denker von internationalem Rang gibt, die es auf sich genommen haben, Kant von Grund auf zu studieren. Ich denke, dass man ihnen neben den Normen des Lebensplans und den Gewohnheiten der Vereinigung dieses Studium nicht allzu leicht gemacht hat. Ich hoffe außerdem, dass die vier bewundernswerten Denker, die über Kant gearbeitet haben, für den Fall, dass sie untereinander kommuniziert haben und zu dem Schluss gekommen sind, dass die Mitglieder des Werkes ihr Ziel in sich tragen und nicht als Mittel zum Zweck leben, Christus an die Spitze aller menschlichen Tätigkeiten zu stellen, nicht verfolgt oder unter Druck gesetzt wurden. Ich möchte außerdem gar nicht daran denken dass die vier bewundernswerten Kant-Experten allenfalls den verschiedenen Leitern und dem Prälaten im Werk erklärt haben könnten, dass das moralische Noumenon jedes einzelnen Mitgliedes niemanden etwas angeht, auch nicht die Direktoren im Werk und die, die sie zur „Berufung“ drängen wollten. Ich denke, dass diese Kenner des Königsberger Philosophen vernunftgemäß zum Schluss kommen, dass der Geist des Opus Dei keine dritte Form „a priori“ des menschlichen Denkens ist. Manchmal bleibt dieser intellektuelle Narzissmus auch an Personen haften, die das Werk bereits verlassen haben.

 

Damián