Salypimienta :

Vom Umgang mit dem Schutzengel

(5. Juli 2010)

Liebe Freunde!

Nicht nur die Etikette oder die Sexualität werden im Opusland übertrieben behandelt; je älter ich werde, desto eher sehe ich, dass buchstäblich alles, wie einfach, unschuldig und erhaben etwas sein mag, von den Dunkelmännern ein anderes Aussehen bekommt.

Zu den ersten Andachten, zu denen sie dich im Opus führen, gehört der Umgang mit dem Schutzengel. Jemand, der nicht mehr an ihn gedacht hat, seit er als kleines Kind gebetet hat „Heiliger Schutzengel mein, lass mich dir immer empfohlen sein“, sieht sich plötzlich dazu angehalten, jede Stunde an ihn  zu denken, ja sogar ihm einen Namen zu geben! Ich habe mir viel Zeit damit gelassen. Zusammen mit dem Namen beschloss ich, ihm ein Geschlecht zu geben, denn  ein Engel ist weder Mann noch Frau, und einen geschlechtsneutralen Namen zu finden, der nicht kitschig ist, ist ziemlich schwierig; die geschlechtslosen Namen, die mir einfielen, kamen mir vor wie Figuren aus einem New-Age-Roman, den ein eingerauchter Hippie geschrieben hat: „Klarheit“, „Erleuchtung“, „Azur“. Schließlich entschied ich mich für Andreas, und ich habe keine Ahnung, warum ich diesen Namen gewählt habe.

Ich musste mich erst daran gewöhnen, den so getauften Schutzengel für die unwahrscheinlichsten Dinge anzurufen, die man sich vorstellen kann. Ich erinnere mich, das ich als Kind Katechismusunterricht mit Schwester Maria Loretto hatte, und dass ich dort gelernt habe, dass es der Schutzengel ist, der unsere Gebete und unsere guten Werke vor Gott bringt, dass er uns an Leib und Seele beschützt. Im opusdei habe ich gelernt, dass der Schutzengel nur dann neue außerordentliche Kräfte gewinnt, wenn ich der Prälatur treu bleibe: Ich würde in schwierigen Stadtvierteln Parkplätze finden, meine Gesprächspartner würden mir zustimmen, denn Andreas würde sich mit deren Schutzengel verbünden und von ihnen erreichen, dass meinen Wünschen stattgegeben wird. Mein Schutzengel würde auch alles finden, was ich verloren habe (und ich verliere häufig etwas, denn ich bin sehr zerstreut). Es ist nur gut, dass im Werk übernatürliche Visionen verboten sind, denn sonst würde sicher allen Mitglieder  ihr Engel erscheinen mit weißen Flügeln und so. So bringen sie dir im Opus nur bei, dass dein Schutzengel eine Art Hybridform von Superman, David Copperfield (dem Zauberer) und der hl. Märtyrerin Agatha ist – Verzeihung, ich habe vergessen, dass unabhängige Heilige oder solche von anderen Kongregationen unerwünscht sind; nehmen wir lieber St. Joma.

In Wirklichkeit ist all dies Ausdruck der „übernatürlichen Sicht“, die dich überschwemmt, sobald du dem Werk beigetreten bist. Du glaubst, dass alle Dummheiten Ausdruck der „übernatürlichen Sicht“ sind, dabei sind es Halluzinationen, die der Fanatismus hervorbringt, zu dem sie uns drängen, denn den Schutzengel auf Parkplatzsuche zu schicken, erschien mir fast schon wie eine Häresie. Meiner hat das nie gemacht; wahrscheinlich weil er nicht wollte, dass ich aus dem opusdei weggehe, deshalb hat er gestreikt, und ich habe weder im richtige Moment Parkplätze gefunden, noch verlorene Sachen noch sonst etwas in der Richtung.

„Zuhause“ erzählte man sich die Geschichte eines Mädchens, das durch eine einsame und dunkle Straße ging. Ein schlimmer Kerl kam auf sie zu, stoppte und lief entnervt davon – denn er hatte ihre Schutzengel gesehen, einen großen und kräftigen Kerl. Mir kommt das eher wie die Geschichte vom Rotkäppchen, dem bösen Wolf und dem Jäger vor… Aber man muss berücksichtigen, dass die Dunkelmänner alles klauen, sogar die Kindermärchen, man muss sie nur ein wenig an das Werk von St. Joma anpassen.

Eine andere Geschichte ist die von einem ziemlich überheblichen Mitglied des Werkes, das behauptete, er habe keinen Schutzengel, sondern einen „Schutzerzengel“ (dahin kommt es, wenn man so abgehoben ist), oder von jener unschuldigen, aber verantwortungslosen Supernumerarierin, die in den Kreis kam, nachdem sie ihre fünf kleinen Kinder (Alter: zwei bis neun) dem Schutzengel anvertraut hatte, bis die Schutzengel eines Tages das Babysitten satt hatten und es zu einem schlimmen Unfall kam.

Nun, ich bin immer noch davon überzeugt, dass ich einen Schutzengel habe. Heute sage ich allerdings nur mehr „Engel“ zu ihm, und ich empfehle mich ihm jeden Morgen. Ich bitte ihn um keine außergewöhnlichen Gefallen mehr, und er, im Gegenzug, bringt meine Gebete und guten Werke vor Gott und bewahrt mich an Leib und Seele, denn das ist genau das, wofür ihn Gott geschaffen hat… Die anderen sind eine Erfindung von St. Joma, und weil ich nicht mehr „von Zuhause“ bin, hat mein Engel alle seine außerordentlichen Gaben verloren.

Eine Umarmung für euch alle!

Salypimienta

Zurück