Ramón Rosal Cortés: Erinnerungen

 

 

 

Ramón Rosal Cortés ist Psychotherapeut; er leitet das “Institut Erich Fromm”. Rosal Cortés war Numerarierpriester des Opus Dei. Das nachstehende Interview hat Lluis Amiguet für die Zeitung “La Vanguardia” (9. Juli 2010) geführt.

 

 

Ich bin 78 Jahre alt; nach wie vor frage ich mich, ob ich meinem Lebensprojekt treu bin. Ich bin in Barcelona geboren, Doktor der Psychologie, Humanistischer Psychotherapeut. Meine Leidenschaft ist es, denen zuzuhören, die meine Überzeugungen nicht teilen. Mein christlicher Glaube ist stärker geworden, als ich die Theologen gelesen habe, die mir das Opus Dei zu lesen verboten hat. Vor – es ist mir lästig, das zu sagen – 60 Jahren bin ich dem Opus Dei beigetreten, ich war 23 Jahre drinnen, davon 18 als Priester.

 

Und warum erzählen Sie das jetzt?

Vor 37 Jahren bin ich gegangen. Ich habe diese Zeit gebraucht; ich will nicht noch einer von denen sein, die weggangen sind und das Werk im frischen Zorn kritisiert haben. Ich würdige auch das Positive, nicht nur das Negative.

 

Warum wollen Sie es würdigen?

Einerseits um uns, die wir im Opus Dei gewesen sind, zu helfen, die menschlichen Ideale zu bewahren, die uns dazu gedrängt haben beizutreten. In seinen Anfängen erlaubte das Werk eine offene Praxis; heute existieren für seine Mitglieder 15 Bände, die jedes Detail ihres täglichen Lebens regeln...

 

Nur deshalb?

Ich hege das optimistische Ansinnen, dass über die Praxis des Werkes nachgedacht und dass sie verbessert wird, denn ich sehe, dass sie nicht wirklich mit ihrem ursprünglichen Charisma übereinstimmt, aber ich reihe mich nicht unter die, die die billige Kritik vorbringen, dass es ein “Nest von Ehrgeizlingen und Eskapisten war, die die spanische Gesellschaft zur Zeit Francos kontrollierten”. Im Gegenteil, es hat in manchem Sinn modernisierend gewirkt.

 

In welchem?

Einige Minister, die Mitglieder des Opus Dei waren, haben geholfen den Anschluss an die europäischen Demokratien herzustellen, wie Navarro Rubio und Ullastres. Andre, wie Calvo Serer und Fontán, die Gründer von “Diario Madrid”, wurden verfolgt, weil sie demokratische Freiheiten forderten.

 

Ein Fortschritt gegenüber der Militärdiktatur?

Der Historiker Payne zeigt, dass diese Technokraten-Minister die künftige Wandlung möglich machten. In der Kirche hat das Opus Dei dazu beigetragen, angesichts eines monastischen Ideals das Verhältnis zur Gesellschaft wiederherzustellen. Es ging nicht mehr darum sich in einer Kloster zurückzuziehen; du kannst dich in deiner täglichen Arbeit in der Welt heiligen.

 

Das hat einigen Ordensleuten nicht gefallen.

Der Jesuit Vergès hat einige junge Katalanen aus der Marianischen Kongregation ausgeschlossen, weil sie beim Opus Dei waren. Und man weiß ja, dass der Gründer selbst, Escrivá de Balaguer, angeklagt war – wegen Freimaurerei! Im Spanien Francos! Und er wurde von der Polizei überwacht.

 

Aber das Opus hat sich rasch ausgebreitet.

Das ist einer der Faktoren, der mich beitreten ließ: Das Opus Dei hat sich wie der Schaum ausgebreitet, und jedes Jahr wuchs die Zahl der Mitglieder, der Zentren und der Länder, wo sie arbeiteten.

 

War es nicht sehr anspruchsvoll gegenüber seinen Mitgliedern?

Als Numerarier und Assoziierte legten wir die Geübde des Zölibats, des Gehorsams und der Armut ab. Wir lieferten alle unsere Einkünfte dem Werke ab und baten um das Notwendige für unsere persönlichen Ausgaben. Für die außerordentlichen Ausgaben brauchten wir eine Erlaubnis, die jedoch nicht immer erteilt wurde.

 

Warum sind Sie gegangen?

Ich habe gewechselt, weil sich das Opus ebenfalls gewandelt hat: Was zuerst eine Gruppe von intelligenten, begeisterten, innovativen Christen war, gefürchtet und kritisert von einigen Ordensleuten, hat sich in das konservative Opus Dei verwandelt, das mit Argwohn die Beiträge des II. Vatikanums zur Erneuerung aufnahm.

 

Zum Beispiel...

Ich erinnere mich, dass Escrivá sogar auf Pius XII wütend war... weil er die Methode Knaus-Ogino zugelassen hatte! Und als Paul VI. den Index der verbotenen Bücher abschaffte, führte Escrivá im Opus Dei eine Art Index der erlaubten Bücher ein.

 

Was würden Sie als den schlimmsten Rückschritt bezeichnen?

Stellen Sie sich die Gesichter vor, die sie machten, als Johannes Paul II. Kardinal Ratzinger zum Präfekten der Glaubenskongregation ernannte. Sie mussten eilends die Klassifizierung einiger Bücher von Ratzinger ändern, die vorher als “gefährlich” eingestuft worden waren.

 

Heute entscheidet Ratzinger, wer gefährlich ist.

Die Priester des Werkes hatten von Pius XII. die Erlaubnis erhalten, die Messe bei besonderen Anlässen mit dem Gesicht zum Volk zu lesen, aber als das Zweite Vatikanum das so vorsah, behielten die Häuser des Werkes die alte Messform, mit dem Rücken zum Volk und auf Latein. Was die Soutane betrifft, so hatten wir Dispens von Pius XII, sie nicht zu tragen, wenn das unsere seelsorgliche Tätigkeit erleichterte...

 

Was war das neue Kriterium im Werk?

Sie sind dazu übergegangen zu verlangen, dass zuhause immer die Soutane getragen wird, und wenn Clergyman, dann schwarz und nicht grau.

 

War das alles, was Sie veranlasste zu gehen?

Die Frage müsste vielmehr lauten, warum ich so lange Zeit geblieben bin. Ich war in Andalusien, wo die Orthodoxie immer ein wenig schaumgebremst ist, und das hat meine Krise gemildert, zusammen mit meiner priesterlichen Hyperaktivität, das ist eine Art, die Emotionen zu blockieren; aber als ich nach Barcelona geschickt wurde, änderte sich alles. Ich sah auch, wie der Proselytismus, der sich am Anfang an gebildete Leute gewendet hatte, anfing Jugendliche einzufangen...

 

Sie wurden dafür kritisiert.

Kardinal Hume hat sie deshalb ermahnt. Heute wirft sich das Opus Dei auf Schulkinder – ihnen zu helfen ist eines der Gründe für mein Zeugnis – und die, die gehen, sind vernetzt. Sie haben sogar eine eigene Seite im Internet.

 

Was hat Ihr Weggang aus dem Opus Dei bei Ihnen bewirkt?

Es hat meinen Glauben gestärkt.

 

Wie das?

Ich habe Agnostikern, Atheisten und Andersgläubigen zugehört. Ich habe in Psychologie promoviert; ich habe mich in die Bewegung der Humanistischen Psychologie integriert und das “Erich Fromm Institut” gegründet. Und jetzt... Darf ich Ihnen einen Rat geben?

 

Von Herzen gerne.

Leben Sie nicht wie ein Automat; seien Sie sich dessen bewusst, was Sie tun; machen Sie sich klar, was in Ihrem Leben Vorrang hat...

 

Wollen Sie mich für eine Sekte anwerben?

Das ist ein Rat zur Freiheit: Frei sein heißt nicht zu tun was man will, ohne nachzudenken, sondern nachzudenken, warum man es tun will.