Chronik

Titelstory Juni 2009: Das ominöse Werk

Opus Dei. Nicht erst seit Filmen wie „Illuminati“ und „Sakrileg“ steht die
mythenumrankte Personalprälatur der katholischen Kirche in dem Ruf,
eine geheimnisvolle Großmacht zu sein. Für ECHO öffneten die „neuen Heiligen“
in Salzburg ihre Pforten.

 

Als Josemaría Escrivá de Balaguer y Albás im Jahr 1928 seine neue Lehre verkündete, da hatte er es nicht nur mit dem spanischen Bürgerkrieg, sondern auch mit einer Welle der Ablehnung in seiner konservativen Heimat zu tun. Plötzlich sollte die Heiligkeit nicht mehr nur den Priestern vorbehalten sein, sondern alle Getauften und Gefirmten sollten das Recht haben, im Zuge ihrer Arbeit Heiligkeit zu erfahren? Die geistliche Erfüllung durch christliches Leben im Laienalltag? „Die aber streng zu trennen ist von einem starren Ordensleben, das sich ja vom Leben abgrenzt und die zeitlichen Fragen hinter sich lässt“, erklärt uns Christoph Tölg. Der Pressesprecher des Opus Dei in Österreich nimmt sich erfreulicherweise viel Zeit für ein Gespräch. Fast ein wenig zuviel, denn da kommen andere oft nicht recht zu Wort. „Ich ringe stets mit mir“, sagt er fromm lächelnd. Als Schüler hat Tölg das Opus Dei kennengelernt, dann wurde er Diözesanpriester, Studentenseelsorger und seit einigen Jahren ist Tölg allein zuständig für Öffentlichkeitsarbeit in Österreich. Er wurde gefragt, von da an war es seine Berufung. Den Medienumgang musste er allerdings erst lernen: „Manche Begriffe des geistlichen Lebens gehören nicht zur politischen Kultur, da muss man vieles neu sagen“, so Tölg. Und da gilt es gleich mit einem wichtigen Punkt aufzuräumen. „Die geistliche Spiritualität in der Laienbewegung ist im Grunde keine Erfindung des Opus Dei gewesen, das schreibt der heilige Paulus schon in seinen Schriften und wurde von unserem Gründer wieder aufgegriffen.“ Wie aber fühlt man diese geistliche Spiritualität als Laie? „Nicht indem man etwas Außergewöhnliches tut, sondern indem man sich das Leben Jesu vorstellt und Gott sucht“, sagt die Lehre des Opus Dei. Aber will man das wirklich hören? Würde man nicht viel lieber hinter die Gemäuer der Zentren blicken und den Mitgliedern dabei zusehen, wie sie unter Selbstgeißelungen die Machtübernahme im Vatikan vorbereiten? So wie es die Kritiker des Opus Dei in ihren Büchern beschreiben und wie es der US-Autor Dan Brown in seinem Roman „Sakrileg“ porträtiert, nämlich als geradezu machiavellistische Sekte mit mörderischen Umtrieben? Da muss Christoph Tölg lachen: „Da sind wir auf eine Art extremisiert worden, die ganz unangemessen ist.“ Im Grunde würden diese Geißelungen von den meisten Mitgliedern auch gar nicht geübt und wenn, dann sei dies eine symbolische Verbindung zu Christus, die zur religiösen Grundpraxis gehöre, und etwas sehr Persönliches. „Dieser Film war das Beste, das uns passieren konnte“, ist Susanne Kummer, Numerarierin des Opus Dei, überzeugt. Dadurch wurde das Opus Dei nämlich gezwungen, seine Gemäuer zu öffnen. Allerdings nur so weit, wie man auch wollte, dass sie geöffnet werden, sagen die Gegner. Womit das Opus Dei allerdings nach höchst irdischen Gesetzen handelt.

Heiligung für alle? Im Jahr 1957 trafen die ersten spanischen Priester des Opus Dei in Wien ein, um die apostolische Arbeit in Österreich zu beginnen. Es folgten die ersten Zentren und die Bildungsarbeit für Studenten. Nach und nach kamen die Laienmitglieder hinzu. In Salzburg ist die Mitgliederzahl relativ bescheiden, von den 350 österreichweit sind es in etwa zehn Prozent, die sich in den beiden Zentren Juvavum und Hallsteg – streng geteilt nach Männern und Frauen – aufhalten und dort seelsorgliche Hilfe erhalten bzw. Messen und Vorträge besuchen. Meist gehe es dabei um geisteswissenschafltiche und kulturpolitische Themen wie „Ethik im Beruf“ und „Abtreibung“, berichtet der spanische Gelehrte für Geschichte und Rechtsphilosophie Juán Rosado, der das Männerinstitut Juvavum seit der Eröffnung im Jahr 1992 leitet. Natürlich könne hier jeder teilnehmen und es würden da auch kritische Positionen diskutiert. Im Vergleich zu Wien, wo das Opus Dei eigene Jugendclubs, Studentenheime, Erwachsenenbildungszentren und Kirchen wie etwa die Peterskirche verwaltet, bieten die Zentren in Innsbruck, Graz und Salzburg ein „All-in-one“-Service, wobei Organisation und Finanzierung von einem zivilen Trägerverein geleistet werden. Seit einiger Zeit sorgt der gebürtige Tamsweger Pater Bernhard Augustin im Juvavum für die priesterliche Seelsorge, nachdem man ihn von seiner bisherigen Tätigkeit als Bischofssekretär aus St. Pölten abzog. Die Mitgliedschaft des Opus Dei sei in etwa vergleichbar mit einer Ehe: „Man entscheidet sich für einen Lebensweg und übernimmt Verantwortung dafür“, sagt Augustin. Deshalb ist dem Opus Dei auch die Unterscheidung zwischen den verheirateten und nicht-verheirateten Mitgliedern so wichtig, weil Definitionen wie Numerarier und Supernumerarier lediglich als Rechtsform dienten und mehr verwirren als aufklären würden. Neben den Priestern – die den geringsten Anteil ausmachen – und Assoziierten, die im Allgemeinen ehelos bei ihren Familien wohnen, gibt es auch freie Mitarbeiter, die sich formlos engagieren können. Die Organisationsstruktur des Opus Dei gleicht einer Diözese, an deren Spitze der Prälat mit Unterstützung des Generalvikars steht, wobei die Frauen einen eigenen Beirat haben. Darunter wirkt der Regionalvikar auf österreichischer Ebene. Hier folgte Monsignore Martin Schlag kürzlich dem Ruf nach Rom, als Lehrbeauftragter an der Universität. Es herrscht also ein reger Wechsel in den oberen Rängen. Das habe aber nichts mit Karrieredenken, sondern vielmehr mit Berufung zu tun, betont Christoph Tölg: „Wir sind ja kein strategisch denkendes Wirtschaftsunternehmen und suchen nichts für uns, sondern stehen für die ausschließlich geistliche Gewinnung aller Menschen für Christus.“
Allzu oft betont Christoph Tölg die Unabhängigkeit der Mitglieder, wonach das Opus Dei keinerlei Einfluss auf die privaten Entscheidungen oder aber Verfehlungen der Einzelpersonen habe. Und spielt damit auf Anwürfe der Gegner an, in denen Mitglieder des Opus Dei in dubiose oder gar rechtsgerichtete Aktivitäten verstrickt waren (MATESA-Affäre in Spanien, Anm.). Man schließe auch niemanden aus, bekräftigt der Pressesprecher, und räumt damit weitere Vorwürfe, das Opus Dei sei nur an der Elite interessiert, aus dem Weg. „Von 100 Leuten interessieren uns 100“, soll der Gründer gesagt haben. Dass die Etablierung anfangs mit einer akademischen Gruppierung erfolgte, habe sich so ergeben. „Mittlerweile haben wir aber Leute aus allen Schichten, vom Akademiker bis zur Hausfrau.“ Ganz so frei, wie Christoph Tölg es betont, sind die Mitglieder des Opus Dei dennoch nicht: Die Laien bindet zwar kein Gelübde, wie es in einem Orden üblich ist, jedoch ein Vertrag, der ihr religiöses Leben betrifft und sich auf säkulare Entscheidungen in familiärer, beruflicher, wirtschaftlicher und politscher Hinsicht auswirkt. Der aber laut Otmar Stefan relativ leicht aufzulösen sei. Der Sekretär des Salzburger Erzbischofs Alois Kothgasser gehörte vier Jahre lang als verheirateter Laie dem Opus Dei an. Er suchte eine Art geistliche Hilfe für seine nervenzerrende Arbeit – u.a. arbeitete er zu der Zeit noch unter Alt­erzbischof Georg Eder – und musste erkennen, dass dieses geistlich asketische Leben zwar faszinierend, aber nicht seine Welt war. „Wenn ich mich selber überfordere und aus falschem Ehrgeiz heraus handle, prägt das auch ein negatives Gottesbild“, sagt der gelernte Jurist.

Relativierungen.
Wenn das Opus Dei also nichts für sich sucht, woher entstammt dann der Leumund des machtstrebenden „Geheimbundes“ mit zweifelhaften Disziplinierungsmaßnahmen? „Generell gibt es das Problem in Gemeinschaften, die in der Vergangenheit sehr bedrängt waren, dass man eine hohe Disziplin an Diskretion entwickelt“, meint Otmar Stefan. Der Salzburger Theologe und Universitätsprofessor Hans-Joachim Sander erklärt es sich hingegen so: „Religionsgemeinschaften, die sich sehr von sich selbst her verstehen, indem sie zum Beispiel diszipliniert sind oder besondere Ansprüche wie die Spiritualität für den beruflichen Erfolg erheben, wecken Ängste, aber auch Neider.“ Das müsse man realistisch einschätzen. Immerhin versuchte der deutsche Opus-Dei-Mann Hans Thomas eine mehr als zehnseitige Liste aus Vorwürfen am Opus Dei zu relativieren, unter anderem den politischen und wirtschaftlichen Einfluss sowie die Vereinnahmung durch das Opus Dei. Harte Angriffe kommen aber auch von ehemaligen Mitgliedern wie der Spanierin Maria del Carmen Tapia sowie dem Wiener Philologen Dietmar Scharmitzer, der neun Jahre lang Assoziierter der Personalprälatur war und nach seinem Ausstieg das Buch „Opus Dei – Das Irrenhaus Gottes“ veröffentlichte, dessen Inhalt eine einzige Anklage an das Opus Dei ist. Wobei hier besonders die sektiererische Darstellung auffällt: Dass man erst nach dem Beitritt erfahre, welchen Schikanen man ausgesetzt sei, dass man sein Inneres völlig bloßstellen müsse, die Pflicht, Anweisungen des Leiters als „persönliche Entscheidung“ auszulegen, die Überheblichkeit gegenüber anderen, die Ablehnung jeder Ökumene, etc. Der Wiener gründete sogar eine Internetplattform für Betroffene, in der er Texte von Gleichgesinnten sowie kontroversielle Zitate aus Escrivás Werk „Der Weg“ veröffentlicht. Auffällig ist aber auch, dass sowohl Tapia als auch Scharmitzer viele Jahre brauchten, bis sie die „Gefährlichkeit“ des Opus Dei erkannten. Deshalb seien extreme Anschuldigungen dieser Art immer mit zweierlei Maß zu messen. „Gleich wie die Kirche ist das Opus Dei kein Verein der Vollkommenen. Wenn es zu einer Trennung kommt, dann wird oft Schmutzwäsche gewaschen wie in einer Ehe. Da gibt es auch Fehlentwicklungen sowohl bei den Mitgliedern als auch bei den Verantwortungsträgern, aus denen man lernen muss“, meint Otmar Stefan. Gemäß der Forderung von Papst Johannes Paul II., die Kirche müsse ein gläsernes Haus werden.

Gespaltene Theologien. Diese Meinung teilt auch Christoph Tölg und widerspricht damit gleichzeitig dem Argument Sanders und anderer Kritiker, die behaupten, das Opus Dei habe große Schwierigkeiten mit der Theologie des Zweiten Vatikanischen Konzils, das im Jahr 1962 einberufen wurde und als Aufbruch in der katholischen Kirche gewertet werden muss. Laut Sander würden sich die Mitglieder des Opus Dei vielmehr noch der Theologie der „societas perfecta“ (vollkommene Gemeinschaft) verbunden fühlen, die besagt, dass die Kirche keinerlei äußeren Einflüssen unterworfen ist und alles, was sie benötigt, von sich heraus zur Verfügung hat. So sei das Opus Dei zwar eine moderne Religionsgemeinschaft mit revolutionären Ansätzen – unter anderem könne man sie durchaus auch als Förderer der Frau im Beruf ansehen –, die jedoch den Stempel der ultrakonservativen Gruppierung trägt, da sie stark an den vorkonziliaren Vorgaben der katholischen Kirche orientiert sei. Hier überlegt Christoph Tölg lange, ehe er antwortet, letztlich scheint für ihn der Begriff aber nicht allzu große Bedeutung zu haben. „Das Opus Dei trägt selbstverständlich und ohne Abstriche die Lehre der katholischen Kirche und somit auch das Zweite Vatikanische Konzil mit. In gewisser Weise sind wir sogar dessen Vorläufer.“ Dennoch räumt er ein: „Innerhalb der katholischen Kirche sind die Mitglieder frei im Rahmen der Lehre der Kirche. Da gibt es die unterschiedlichsten Spiritualitäten.“
Wie die einzelnen Mitglieder die geistliche Spiritualität des Opus Dei und im Folgenden der katholischen Kirche allerdings im Alltagsleben – und hier vor allem im Berufsleben – umsetzen und mit zeitlichen Begriffen wie dem Scheitern, dem Erfolg, den Kritikern in den eigenen Reihen, an der Kirche und schließlich am Papst umgehen, ist nicht ganz klar. „Wie in jeder anderen Institution auch“, erklärt Christoph Tölg hier. „Indem man sich in Briefen äußert, indem man sich mündlich äußert, indem man aber durchaus auch kämpferisch sein kann.“ Da könnten die markanten Sprüche des Gründers in seinem Buch „Das Werk“ leicht missverständlich sein. Unter anderem heißt es hier nämlich: „Du? Ein Dutzendmensch werden? Du bist zum Führer geboren!“ Das Opus Dei verbiete ja nicht, Erfolg im Beruf zu haben, kontert Tölg, und die Aphorismen des Gründers würden ja nur bedeuten, dass ein Fließbandarbeiter – wenn er mit Gott verbunden ist – der Arbeit einen tieferen Sinn geben könne.
„Das Streben nach Utopias unter Disziplinierungen ist ein ganz starkes Phänomen der modernen Gesellschaft, insbesondere auch von Religionsgemeinschaften. Da ist das Opus Dei nicht ausgenommen“, sagt hingegen Hans-Joachim Sander. „Weil Erfolg im Beruf bedeutet ja zwangsläufig, mich in Konkurrenz mit anderen zu bewähren. Das kann wie Doping sein, von dem man schwer loskommt.“ Scheitern zu können, sei indes eine ganz starke Tugend. „Religionsgemeinschaften könnten diese haben“, so Sander. Mit dem Zweiten Vatikanum, dem ein kirchliches Eingeständnis der Fehler in der Vergangenheit sowie die ökumenische Öffnung folgten, ist der katholischen Kirche allerdings schon  ein großer Schritt gelungen. Da das Opus Dei aber ohnehin behauptet, dieses konziliäre Gedankengut mitzutragen, kann Christoph Tölg eine Aussage des berühmten Fußballtrainers Giovanni Trapattoni zitieren, der sich öffentlich als Bewunderer des heiligen Josemaría Escrivá outete. „Demut im Siegen und Gelassenheit in der Niederlage.“ Und noch etwas ist Christoph Tölg wichtig: „Die Liebe zu Gott kann auch wie Doping sein. Dafür ist keine Utopie zu groß.“ So wie Escrivá es in „Der Weg“ ausdrückt: „Die Messe ist lang, sagst du. Weil deine Liebe kurz ist, füge ich hinzu.“

Markante Sprüche.
Was der Gründer aber mit seinen zugespitzt formulierten Aphorismen in „Der Weg“ meinte, müsse laut Sander auf jeden Fall im spanischen Kontext gesehen werden: „Man muss Texte prinzipiell von der stärksten Seite nehmen, ja womöglich sogar besser verstehen als der, der sie geschrieben hat. Escrivá war ja kein überragender Schriftsteller und hat drastische Formulierungen verwendet. Die stören mich nicht.“ Unter anderem wird der Gründer – der im Jahr 2002 in einem Schnellverfahren heiliggesprochen wurde – auch als impulsiv und fanatisch beschrieben. Deshalb passe das Opus Dei auch gar nicht recht zu Salzburg, meint Sander. Zum einen weil Salzburg nie superkatholisch im Sinne von Disziplinierung gewesen sei, zum anderen, weil Salzburg keine iberischen Wurzeln habe – unter anderem schloss es sich erst spät an das Habsburgerreich an.
Dies seien jedoch nicht die Gründe gewesen, weshalb Markus Schwarz samt Familie nun nach Wien geht. Der ehemalige Wirtschaftsdirektor an der Salzburger Christian-Doppler-Klinik kam vor über zwanzig Jahren durch das persönliche Umfeld zu Opus Dei und engagiert sich seither gemeinsam mit seiner Frau als verheirateter Supernumerarier. Unter anderem ist er Gründer der Gesellschaft für Familienangelegenheiten (GFO) in Salzburg, das vom Opus Dei getragen wird, und gerade dabei, ein neues Projekt umzusetzen, das sich der Personlichkeitsentwicklung von Jugendlichen widmet. „Natürlich helfen die Kontakte zum Opus Dei, sich in einer Stadt neu zu orientieren“, so der gebürtige Kremser. Finanziert würden Vereine wie das GFO von den Kursteilnehmern und hätten auch nur insofern mit dem Opus Dei zu tun, als dass dieses ihre geistlichen Anstöße und Impulse beisteuert, so Schwarz. In einigen Fällen, wie dem GFO, ist das Opus Dei Träger, in anderen Fällen engagieren sich Mitglieder unabhängig in Vereinen und Gesellschaften. Die Entscheidungen über die Bildungsaktivitäten treffen die Mitglieder ganz eigenständig, deshalb sind opus-dei-nahe Organisationen nur schwer auszumachen. Gegner der Personalprälatur rücken gern christlich radikale Vereine wie z. B. „Jugend für das Leben“ in die Nähe des Opus Dei, was jedoch nicht bewiesen ist. Weiters werden weltweit von Opus-Dei-Mitgliedern korporative apostolische Werke wie Schulen, Universitäten, Frauenbildungszentren und medizinische Hilfsstationen geführt. Das Opus Dei sieht sich allerdings nicht als humanitäre Einrichtung, es fördert aber das soziale Engagement seiner Mitglieder, wobei die Namen nicht preisgegeben werden. Weil das Sache jedes Einzelnen sei, betont Tölg. Dass Markus Schwarz darüber spricht, ist mutig. Was den siebenfachen Familienvater an der Personalprälatur fasziniert? „Dass ich im Alltag Christus finden kann und meinen Glauben nicht verstecken muss.“ Natürlich habe es auch Zweifel gegeben: Tage, wo man über Dinge reflektiert und verschiedene Entwicklungen miteinbezieht. Aus der Bahn geworfen hat es ihn nie: „Weil man sich ja stark geprüft hat und eine ernsthafte Bindung eingeht.“ Otmar Stefan wollte jedoch kein geistlicher Leistungssportler werden. Er steht der Personalprälatur aber nach wie vor loyal gegenüber und sagt, sie habe ihn geistlich und persönlich weitergebracht, nur dass er sich nun einer weniger fordernden Theologie zuwandte: der charismatischen Erneuerung.  

Die Menschenfischer.
„Folge mir nach! Von nun an sollst du Menschenfischer sein.“ Diesen Satz habe laut Christoph Tölg schon Jesus zum heiligen Petrus gesagt. Deshalb versuche das Opus Dei natürlich, ihre Netze weiter auszubreiten. „Unser Wirken ist vor allem in den katholisch geprägten Ländern wie Spanien und Argentinien erfolgreich.“ Über das Wachstum des Opus Dei ist man geteilter Meinung, weil es auch mit dem Wachstum der katholischen Kirche im Allgemeinen zu tun hat. Während einige behaupten, das Opus Dei verliere nicht zuletzt durch den zweifelhaften Ruf sogar im heiligen Gründerland Spanien stark an Mitgliedern, bewies die Heiligsprechung von Josemaría Escivá im Jahr 2002 Gegenteiliges: Obwohl die Mitgliederzahl des Opus Dei nämlich auf weltweit etwa 80.000 geschätzt wird, versammelten sich auf dem Petersplatz in Rom gar über 100.000 Sympathisanten, die dem hl. Josefmaria huldigten. „Es wird überraschen, aber die Kirche scheitert nur in Europa. Weltweit ist das Christentum und vor allem die katholische Kirche stark auf dem Vormarsch“, berichtet Hans-Joachim Sander. Hier versucht natürlich auch das Opus Dei anzusetzen. Im Vatikan besitzt das Opus Dei ohne Zweifel ein hohes Ansehen. So gingen etwa nach Escrivás Tod Briefe von 69 Kardinälen, 241 Erzbischöfen, 987 Bischöfen und 41 Generaloberen von Ordensgemeinschaften ein, die seine Seligsprechung befürworteten. „Das Opus Dei hat Büchersammlungen, deren Texte sich sehen lassen können, die sind hochdiszipliniert“, bekräftigt Sander, der sich als Experte des Zweiten Vatikanums eingehend mit dieser Materie beschäftigt hat. Während der deutsche Opus-Dei-Kritiker Peter Hertel in seinem neuen Buch bereits die schleichende Übernahme der Personalprälatur im Vatikan vorhersagt, ist Sander hier anderer Meinung: „In Wahrheit ist Papst Benedikt XVI. nicht unbedingt ein großer Förderer des Opus Dei. Weil er aber so wie das Opus Dei ein Exponent des vorkonziliaren Gedankens ist, entsteht hier ein gewisses Naheverhältnis.„Es wäre laut Sander ein großer Fehler, das Opus Dei mit anderen Organisationen wie dem Engelswerk oder gar Scientology in Beziehung zu bringen – wie das ebenfalls von Kritikern schon getan wurde. Auch sei es falsch, das Opus Dei mit einer Ordensgemeinschaft zu vergleichen. „Das Opus Dei ist keine Katastrophe, aber auch kein Kegelclub“, sagt er abschließend. „Es gibt Weltkrisen, weil es an Heiligen fehlt“, hatte der heilige Josefmaria einst verkündet. Die Frage bleibt offen, ob eine Welt mit Opus Dei die jetzige hätte verhindern können.


Gerti Krawanja

 

 

 

Geschichte

Opus Dei bedeutet  „Werk Gottes“. Aus spiritueller Sicht ist das Opus Dei ein Weg der Heiligung in der beruflichen Arbeit und in der Erfüllung der täglichen Pflichten der Christen. Juristisch gesehen ist das Opus Dei eine kirchliche Einrichtung, genauer: eine Personalprälatur der katholischen Kirche, was einer Diözese mit eigenen Eigenschaften entspricht.

DER WEG
des Opus Dei wurde von Gründervater Josemaría Escrivá entworfen. Das Credo lautet: „Du bist verpflichtet, dich zu heiligen – auch Du!“

Der Gründer.
Josemaría Escrivá wurde am 9. Januar 1902 in Barbastro (Spanien) geboren. Er war etwa 15 Jahre, als er seine Berufung durch Gott spürte. Daraufhin fasste er den Entschluss, Priester zu werden. Zugleich studierte er Rechtswissenschaft an der Universität von Saragossa. 1925 empfing er die Priesterweihe und begann seine Arbeit als Seelsorger in einer Landpfarrei, dann in Saragossa. 1927 ging er nach Madrid, um in Rechtswissenschaft zu promovieren. Da ließ ihn Gott am 2. Oktober 1928 erkennen, wozu er ihn berufen hatte: Das Opus Dei (lat. Werk Gottes) war geboren. Es folgte die Eröffnung der ersten Einrichtungen des Opus Dei und 1941 die diözesane Anerkennung durch den Erzbischof von Madrid. Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg nahmen die Mitglieder die apostolische Arbeit auch in anderen Ländern auf. Die religiöse Verfolgung zwang Escrivá wiederholt zur Flucht. 1946 verlegte er seinen Wohnsitz nach Rom. Es folgten Ernennungen zum Ehrenmitglied der Päpstlichen Theologischen Akademie und zum Päpstlichen Ehrenprälaten. Josemaría Escrivá starb am 26. Juni 1975 in Rom. Nach seinem Tod gingen im Vatikan Briefe von 69 Kardinälen, 241 Erzbischöfen, 987 Bischöfen und 41 Generaloberen von Ordensgemeinschaften ein, die seine Seligsprechung befürworteten. Er wurde 1992 durch Papst Johannes Paul II. selig- und 2002 auf dem Petersplatz in Rom heiliggesprochen. Seither ist sein Name als katholischer Heiliger auf Deutsch heiliger Josefmaria, mit dem Gedenktag am 26. Juni.

DER NEUE
Prälat des Opus Dei ist Javier Echevarría, der ein enger Mitarbeiter von Escrivá war.

 

 

Interview

ECHO: Dem Opus Dei eilt der Ruf eines ominösen Geheimbunds voraus. Warum ist das so?
Hans-Joachim Sander: Religionsgemeinschaften, die sich sehr von sich selbst her verstehen, indem sie zum Beispiel diszipliniert sind oder – wie im Falle des Opus Dei – besondere Ansprüche wie die Spiritualität für den beruflichen Erfolg erheben, wecken Ängste, aber auch Neider. Das muss man realistisch einschätzen.
ECHO: Wie ist die Personalprälatur aus objektiver Sicht einzuschätzen?
Sander: Wie jede andere religiöse Gemeinschaft ist das Opus Dei nie nur harmlos, aber auch nie nur gefährlich. Die Frage ist immer, wie diese Gruppen mit ihren eigenen Machtansprüchen umgehen und welche Möglichkeiten sie haben, Zivilisationsmechanismen von außen an sich heranzulassen. Als katholischer Theologe stört mich bisweilen deren ungeklärtes Verhältnis zum Zweiten Vatikanischen Konzil.
ECHO: Das Opus Dei sieht sich aber als Vorläufer des Zweiten Vatikanischen Konzils.
Sander: Das mag zwar stimmen, weil sie durch die Heiligung aller Getauften durchaus revolutionäre Impulse gesetzt hat, aber in diesem Adaptionsprozess, in der die Kirche eine Veränderung zugemutet hat, ist das Opus Dei unweigerlich auf der Seite derer, die die vorkonziliare Kirchlichkeit weiterführen. 
ECHO: Worin besteht hier die Skepsis?
Sander: Dass es keine Überprüfungsdistanz von außen gibt. Das heißt, wenn sich ein solches System verselbstständigt, weil äußere Mechanismen keinen Einfluss haben, dann könnte das eine gewisse Skepsis bedeuten. Diese prinzipiell defensive Haltung sehen die Kritiker und sie ist teilweise berechtigt, Überzogen ist aber, dass sie gefährlich ist, weil diese Haltung finden Sie bei allen politischen Parteien und Wirtschaftsverbänden. Die Frage ist: Muss nicht die katholische Kirche eine Gemeinschaft sein, die offen mit ihren Defiziten umgeht?
ECHO: Das Opus Dei gibt sich aber weltoffen.
Sander: Man kann auch reden und dabei keine Infos geben. Alles, was Sie nicht wissen sollen, werden Sie nicht wissen. Das ist eine typische Abwehrhaltung. Kritisch zu sein, sich rechtfertigen zu müssen, bereit zu sein, die eigenen Defizite anzusprechen, das ist keine Selbstverständlichkeit.
ECHO: Was ist von den teilweise strengen Disziplinierungen im Opus Dei zu halten?
Sander: Das Streben nach Utopias unter Disziplinierungen ist ein ganz starkes Phänomen der modernen Gesellschaft, insbesondere auch der Religionsgemeinschaften wie dem Opus Dei. Das kann natürlich zu Abhängigkeiten und Unterwerfungen führen. Das Problem der modernen Gesellschaft ist zuweilen auch der mangelnde Umgang mit dem eigenen Scheitern, denn das ist eine ganz starke Tugend, die gerade Religionsgemeinschaften eigentlich haben könnten. Die Frage wird sein, ob das Opus Dei diesen Wechsel von der stabilen zur sogenannten liquiden Moderne bewältigen kann.
ECHO: Der Gründer Josémaría Escrivá spricht in seinen Texten eine markante Sprache. Wie ist die zu interpretieren?
Sander: Man muss Texte prinzipiell von der stärksten Seite nehmen, ja womöglich sogar besser verstehen als der, der sie geschrieben hat. Escrivá hat drastische Formulierungen verwendet, die stören mich nicht. Zudem ist seine Sprache auch etwas typisch Iberisches. Da ist man immer radikal in einer Richtung.
ECHO: Dem Opus Dei wird auch hohes Ansehen im Vatikan nachgesagt. Was ist da dran?
Sander: Es ist bekannt, dass Papst Johannes Paul II. ein großes Faible für das Opus Dei hatte. Der jetzige Papst ist nicht unbedingt ein Förderer. Joseph Ratzinger ist aber ein Exponent des „societas perfecta“, der wie das Opus Dei das Konzil von der Tradition her versteht. Daher kommt die Einschätzung vieler Spezialisten, das Opus Dei und Ratzinger seien ein Herz und eine Seele, was sie sicher nicht sind. Das Opus Dei wird aber immer den Papst unterstützen