Alberto Moncada:

Der Da Vinci Code und das Opus Dei

 

(18. Mai 2006, Religión Digital)

 

Warum hat sich Dan Brown, ein angelsächsischer Autor, ausgerechnet das Opus Dei als Schurken seines Verschwörungsromans ausgesucht? Gut, seit einigen Jahren figuriert das Opus in fiktiven und nicht-fiktiven Werken als elitäre und dunkle Gruppe, aber bis vor kurzem handelte es sich um ein wesentlich spanisches Phänomen. Und schlagartig rutscht es, durch die Phantasie Browns, in das Zentrum einer Handlung, die den christlichen Glauben in seinen Fundamenten in Frage stellt.

Eine Erklärung lautet, dass das Opus die Erbschaft des Jesuitenordens angetreten ist, nicht nur im Bereich der Erziehung der Kinder der Oberschicht, sondern auch im Hinblick auf seinen schlechten  Ruf, zu unlauteren Manipulationen zu greifen, der nicht nur zu seiner Vertreibung aus Spanien, sondern sogar zu seiner Auflösung durch den Papst geführt hat.  Das Opus hat einen weiten Weg zurück gelegt; es hat sich rasch überall desavouiert, und jetzt kann man sich in ihm gut den Bösewicht aus dem Da Vinci Code vorstellen...

Escrivá hatte zwei Prinzipien in seinem Verhaltenscodex, die er an seine Jünger weitergab: “Der Zweck heiligt die Mittel” und “Es kommt auf die Absicht an”.  Mit einer solchen Grundhaltung und einer guten Portion Selbstgewissheit begann es seinen Weg der Ausbreitung in die konservativem katholischen Milieus, und bei seiner Skrupellosigkeit und dem mangelnden Respekt vor der Legalität erregte es gewohnheitsmäßig Anstoß bei den Bischöfen. Deshalb strebte er eine kirchliche Autonomie an, in der die Bischöfe ihn  nicht mehr kontrollieren konnten, und er erreichte das nach seinem Tod aus den Händen des polnischen Papstes, dessen Eifer, die Grundsätze des II. Vatikanischen Konzils zu demontieren, ihn dazu brachte, weltoffene Orden wie die Jesuiten, Dominikaner oder Franziskaner beiseite zu lassen und sich auf Gruppe wie das Opus, die Legionäre Christi, die Neokatechumenalen und Communione e liberazione zu stützen, die mit mehr Hingabe, aber weniger Intellektualität arbeiten und auf eine neue Zusammenarbeit zwischen Staat und Kirche hinarbeiten, vergleichbar den amerikanischen Neokonservativen.

Der polnische Papst hat dem Opus nicht nur die gewünschte Autonomie gewährt, er hat auch Escrivá heilig gesprochen, in einem wohlbekannten und heftig kritisierten Akt kirchlicher Präpotenz. Aber dieses Opus trug schon den Ruf mangelnder Glaubwürdigkeit in sich, und zwar in drei grundsätzlichen Aspekten.

Sie predigen die Lehre von der Heiligung der Arbeit inmitten der Welt, aber heute, 80 Jahre nach der Gründung, gibt es kaum Mitglieder die diese Lehre umsetzen, schon gar nicht die Numerarier, deren Mehrzahl sich heute internen Aufgaben widmet, als Priester, Leiter oder Lehrer im ausgedehnten Schulnetz. Die Leute vom Opus, Kleriker und Laien, Verheiratete und Zölibatäre, dienen einem aggressiven Katholizismus, der auch für Katholiken, die nicht so denken, kaum erträglich ist. Sie haben keine philosophischen oder theologischen Vordenker, und noch weniger kämpfen sie im Namen des Evangelium gegen die Armut und für mehr Gerechtigkeit in der Welt. Unter ihnen sind Anwälte, Ärzte, Ingenieure, Unternehmer und viele Militärs. Es gibt einen spanischen Numerarier, Martínez Pujalte, einen Abgeordneten des Partido Popular, dessen politisches Profil die Journalisten herzhaft erfreut. Generell besteht die Haupttätigkeit des Opus als solches heute darin, Privatschulen für eine wohlhabende Klientel zu unterhalten, Pfarren zu verwalten, zehn oder zwölf Bistümer innezuhaben und etliche andere Ämter, die ihnen die römische Kurie anvertraut hat, in der es andererseits genügend Feinde besitzt.

Eine andere Quelle des Misstrauens gegenüber den Werk ist dessen Obsession, sich um jeden Preis an die politischen, wirtschaftlichen – und jetzt auch kirchlichen – Entscheidungsträger anzubiedern. Die Nähe zum Haus Bourbon, die spektakulären Abenteuer, um sich im spanischen Bankwesen durchzusetzen, die Nähe der Opusdeisten zu Skandalen wie dem Calvis in Italien oder Matesa in Spanien, die bekannte Missachtung der Moral bei der Durchführung von Geschäften die von ehemaligen Mitgliedern der Organisation bezeugt wird, geben dem Opus jenen zwielichtigen Hintergrund, mit dem Brown in seinem Roman spielt, und wenn ihn das Opus wegen seiner Attacken auf das christliche Dogma kritisiert, interessiert sie in Wahrheit nur, dass das Opus allenfalls aufgelöst werden könnte wie früher der Jesuitenorden.

Der dritte Konfliktstoff liegt in der internen Disziplin. Begünstigt durch ihren Status als Personalprälatur, ziehen sie nicht in Betracht, dass ihre Numerarier, die Laien sind, keine voll berechtigten Mitglieder der Organisation sind und dass dies zu einer wilden Flucht von Numerariern führt, die sich aus diesem oder anderen Gründen unbehaglich fühlen. Depressionen, mentale Erkrankungen, ja sogar Selbstmorde sind an der Tagesordnung. De facto hat das Opus die obsessive Vorstellung, es müsse und könne durch die Anwerbung von Kindern den Aderlass bei älteren Numerariern kompensieren. Und da die derzeitige Führungsgarnitur des Opus ausschließlich nach dem Kriterium der Loyalität ausgewählt wird und sie auch kein apostolisches Projekt mehr haben, wissen sie  nichts anderes als die interne Disziplin zu verschärfen. Die Regelungen für die Numerarier wurden immer strikter und detaillierter, und das Opus ist heute weniger eine religiöse Organisation als eine Sekte, die ihre zölibatären Mitglieder auf unwahrscheinliche Weise kontrolliert. Die offizielle Lehre lautet, dass die Numerarier wie die übrigen Bürger seien und einen zivilen Beruf ausüben. In der Praxis leben sie in Gemeinschaft, geben das ganze Geld, das sie verdienen, ab, rechnen auf den Cent genau ab, was sie täglich ausgeben, und sie brauchen praktisch für alles eine Erlaubnis, etwa um “El País” zu lesen; sie gehen nicht ins Theater, ins Kino, auf den Fußballplatz, sie vermeiden den Umgang und Zusammenhalt mit der eigenen Familie, und ihr ganzes Leben ist bis in lächerlichste Details reguliert. Schuld dran war zweifellos die Ignoranz und Präpotenz Escrivás, der vorgab, dass die Numerarier zwar einen zivilen Beruf haben, aber nach Ordensregeln leben sollten, einschließlich der körperlichen Abtötung, des Bußgürtels und der Geißelungen, die Silas, der Mörder aus dem Da Vinci Codex, ausübt.

Eine der Folgen des Drucks, den die Autoritäten über ihre Untergebenen ausüben, sind die Ressentiments und sogar die Feindseligkeit einiger Ehemaliger gegen die Prälatur. Wenige Organisationen erleiden solche Animositäten von Seiten ehemaliger Mitglieder; einige von ihnen haben, als sie noch dabei waren, unablässig gegen die Entwicklung zur Sekte gekämpft.

Genau dieser Schritt an die Öffentlichkeit, als Antwort  auf den Roman und den Film von Brown machen es dem Opus aber jetzt schwer, seine Normen und sein internes Klima verborgen zu halten, das man im Internet dokumentiert ist: www.opuslibros.org ist entstanden, um das zu veröffentlichen, was die Chefs des Opus gerne unter Verschluss gehalten hätten, vor allem gegenüber seinen eigenen Mitgliedern. Hier  kann man auch die Anzeigeschrift lesen, die über 50 ehemalige Mitglieder an den Heiligen Stuhl gerichtet haben.

Die heutige Lage der Organisation, mit einem Papst, der nicht mehr so bedingungslos hinter ihnen steht wie sein Vorgänger, und der wachsende schlechte Ruf in zivilen ebenso wie in kirchlichen Milieus könnte das Wirklichkeit werden lassen, was im Roman Browns nur Fiktion ist, die mögliche Auflösung oder kommissarische Verwaltung durch die Kirchen­leitung, wenn ihre Gegenspieler im Vatikan es schaffen sich durchzusetzen.

 

Alberto Moncada

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