Alvaro del Portillo als Konsultor der Glaubenskongregation
Quelle: El blog de Celso Alcaina*. 23.07.10 | 11:22.
Wir trafen auf der Stiege zusammen – es war eine prächtige Steinstiege. Sie führt vom Kreuzgang in das Hauptgeschoß das zweite. Wir befinden und im Renaissancepalast Sant´ Uffizio. Don Alvaro Portillo, seit seiner Aufnahme ins Werk “del Portillo” genannt, stieg keuchend herauf. Einen Stoß Papiere in der Hand. Er grüßte mich auf Spanisch. Seit mehr als fünf Jahren trafen wir uns jeden Montag. Es ist das wöchentliche Treffen der “Consulta”, die “Feria IIª”. Es nehmen um die 20 Kleriker teil, hochrangige Angehörige der Kurie, Vertreter religiöser Institute und Professoren von römischen Universitäten. Sie studieren und befinden über Heterodoxie oder Orthodoxie. Dann, in der „Feria IVª”, treffen etwa 15 bis 20 Kardinäle die Entscheidungen. Normalerweise übernehmen sie die Vorschläge des “coetus consultorum”...
An diesem Tag war Don Álvaro etwas spät dran. „Bleiben Sie ruhig, Don Álvaro, Mons. Hamer hat sich noch nicht bewegt“. Ich spreche vom Erzbischof-Sekretär. Er leitet die Versammlung. Sein Zimmer liegt neben meinem. Ich habe ihn gerade gesehen. Er ordnet noch seine Unterlagen für die heutige Sitzung. Das Thema: „Priesterweihe für Frauen“.
Der Papst hatte darum gebeten, diese Frage im Santo Oficio zu studieren. Innerhalb weniger Jahre untersuchte Montini mögliche Änderungen in Disziplin, Liturgie oder Lehre. Er wandte sich dabei an das zuständige Dikasterium, die Glaubenskongregation. Es schien so, als wolle Paul VI. den alten Palazzo mit provokanten Vorschlägen bombardieren. Er tat dies auch mit anderen heiklen Themen: Ersatz für die eucharistische Materie, wo es weder Wein noch Brot gab, Abschaffung des Pflichtzölibats, Methoden der künstlichen Empfängnisverhütung. Es ist riskant, daraus auf die tiefen Überzeugungen und Absichten Montinis schließen zu wollen. Sehr wahrscheinlich wollte er nur den Geist des II. Vatikanums umsetzen. Aber da er die Zusammensetzung und Mentalität der Kongregation kannte, ist es nicht abwegig zu denken, er habe seine antikonziliäre Unbeweglichkeit mit Hinweis auf das ehemalige Heilige Offizium, die ehemals Heilige Inquisition, entschuldigen wollen.
Don Alvaro del Portillo war der Generalsekretär des Opus Dei, die rechte Hand des „Vaters“. Kardinal Ottaviani hatte Escrivá um einen Vertreter des Werkes gebeten, der im „coetus consultorum” mitarbeiten sollte. Don Alvaro wurde ernannt. Er war kein Theologe. Er war Straßenbauingenieur. Er hatte die grundlegendsten Dinge der Theologie auf Wunsch des Gründers in einem Schnellsiedekurs gelernt, als er 1944 zum Priester geweiht werden sollte. Später sollte er noch das Magisterium aus Kanonischen Recht am Angelicum erwerben.
Der Umstand, dass das jemand in Theologie nicht bewandert war, lässt sich für den Großteil der Konsultoren sagen. Bei ihrer Ernennung stand mehr die Repräsentation für ihre jeweilige Institution als ihre intellektuelle Kompetenz im Vordergrund. Die Hälfte von ihnen hat Karriere in der Kurie gemacht, meist mit einem Doktorat aus Kirchenrecht. Andere waren Superioren religiöser Orden, so etwa der Ordensmeister der Dominikaner. Einige kennen sich in anderen Materien als in Theologie aus, wie Soziologie oder Philosophie. Und oberflächlich schien sich zu zeigen, dass es ausreichte, einen Denzinger und eine Bibel dabei zu haben, um die Übereinstimmung oder Diskrepanz einer Lehre mit den Dogmen nachzuweisen, und zwar in Zusammenhang mit den Konzilien, vor allem dem Tridentinum und dem I. Vatikanum. Über die Art und die offenkundige Inkompetenz der „Consulta” habe ich einen Artikel in meinem Blog veröffentlicht (“Teólogos en pelotas ante el Santo Oficio/Nackte Theologen im Heiligen Offizium”), ebenso einen ausführlicheren Artikel in „Revista Compostellanum, Bd. LIII, 2008, S.187-245 (“Procedimiento doctrinal en el Santo Oficio/Das doktrinelle Verfahren im Heiligen Offizium”).
Man kann zusammenfassend sagen, die Vorgangsweise, handelt es sich nun um ein Buch, einen Autor oder ein Thema, beginnt immer mit einer Denunziation oder einer Anfrage. Wir Vertreter der Kurie tragen alles zusammen, was mit dem Thema zu tun haben könnte, und legen es in einem gedruckten Heft vor. Das Heft wird zwei Konsultoren (selten einem externen Experten) vorgelegt, die jeder für sich ihre Thesen ausarbeiten. Wenn diese vorliegen, werden sie dem gedruckten Heft beigegeben und wieder an alle Konsultoren übermittelt. In einer nachfolgenden „Feria Iiª“ wird über Schlussfolgerungen diskutiert und diese an die Kardinalskongregation übermittelt.
Normalerweise sträuben sich die Konsultoren dagegen zu referieren. Einige aus Zeitmangel, wegen dringender Leitungs- oder Lehraufgaben, andere, weil sie sich für ein Thema zuwenig beschlagen fühlen. Das verringerte die Zahl der möglichen Berichterstatter. Don Alvaro war immer bereit, egal um welche Materie es sich handelte und wie komplex sie war, ob es sich um Dogmatik, Moral, disziplinäre oder liturgische, biblische oder patristische Themen handelte. Wir wussten, dass uns Don Alvaro das Heftchen abnehmen würde und dass er uns pünktlich ein umfangreiches Dossier liefern würde. Wir vermuteten, dass er in der Viale Bruno Buozzi über ein Team verfügte, das ihm zuarbeitete. Aufgrund des Niveaus der Arbeiten lässt sich vermuten, dass es Studenten vom Werk waren. Die Unterschrift stammte von Don Alvaro.
Die Beiträge der anderen Konsultoren waren nicht so umfangreich, zwischen fünf und 30 Seiten. Die von Don Alvaro hatten gewöhnlich über 50 Seiten, manchmal 100. Die Sicherheit, mit der er Doktrinen, Haltungen und Motivierungen darlegte und begutachtete, wirkte schockierend. Seine Grundlagen bildeten eine Sammlung biblischer Texte, von Kirchenvätern, Konzilsdokumente, Scholastiker. Alles ganz unkritisch gebraucht. Wenn die Evangelien Jesus ein Wort, einen Ausspruch, eine Lehre in den Mund legten, dann war das genau so zu verstehen. Wenn ein Kirchenvater oder Philosoph etwas behauptete, dann war das unumstößlich, auch wenn das heute nicht mehr für zeitgemäß gilt. Wenn ein Konzil etwa auf der Basis eines biblischen Textes definierte, der tendenziös oder falsch überliefert war, so durfte das nicht mehr diskutiert werden.
Seine Referate rochen nach Denzinger, Bibelkonkordanzen (Altes und Neues Testament) und Mansi. So füllte er Seite um Seite. Seine Schlussfolgerungen nahmen den Rest der Konsultoren in die Mangel. Sie wagten es nicht, sich gegen die Bibel, gegen die Konzilien, gegen die Kirchenväter, gegen die Päpste zu äußern. Und wenn jemand doch einer anderen Ansicht war, wurde Don Alvaro wütend. Er verteidigte die Orthodoxie und die Tradition. Er ging so weit, sie als Häretiker abzustempeln. Die anderen, der Rest des „coetus consultorum” hatte dem Thema nicht so viel Zeit gewidmet wie die Referenten. Erwartungsgemäß hatten die Schlussfolgerungen der Referenten den Vorrang.
Ich hatte herzliche Beziehungen zu Don Álvaro. Insgeheim hielt ich ihn als Theologen für nicht geeignet. Einige meiner Kollegen meinten dasselbe. In seinen Gutachten und Beiträgen zitierte er niemals das II. Vatikanische Konzil, als ob es nie stattgefunden hätte. Eines Tages brachten wir Namen ins Spiel, um die „Consulta” zu ergänzen. Ich schlug die Spanier Marcelino Zalba, S.J. und Antonio Mª Javierre, S.D.B. vor. Der damalige Präfekt, Kardinal Seper, äußerte sich einmal: „Don Alvaro del Portillo riecht nach Motten, wie ein alter Kasten, der viele Jahre lang verschlossen war“. Seine Worte machten uns fassungslos. Don Alvaro, der seine Arbeit 1965 begonnen hatte, blieb allerdings bis 1975, als er Escrivá an der Spitze des Opus nachfolgte.
An diesem Montag sollte Don Alvaro seine Thesen über das Priestertum der Frauen vertreten. Ich kannte seine Argumente schon. Ich war sicher, dass der „coetus consultorum” beschließen würde, dass Frauen vom Priestertum ausgeschlossen bleiben. Auf göttliche Anordnung. Die Mitglieder der „Consulta” würden ihr “Placet” zur Schlussfolgerung von Don Alvaro geben. Ermenegildo Lío, O.F.M., der andere Referent, zeigte sich weniger überzeugend, aber er kam in seinem Kurzreferat zum gleichen Ergebnis. Beide zeigten, dass Jesus zwölf Männer und keine Frauen ausgesucht habe, um die Kirche zu begründen und fortzuführen. Es stehe nicht in der Macht der Hierarchie, den Plan Jesu abzuändern. All das eingehüllt in eine machistische Wolke aus Behauptungen, Phrasen, Argumentationen, Demütigungen und Beleidigungen für die Hälfte des Menschengeschlechts.
Er ging bis zu Genesis zurück, Leviticum, den Patriarchen und den Priestern Israels. Er zitierte den hl. Paulus und seine Anmaßung, die Frau möge in der Kirche schweigen. Er ging einige Aussagen der Kirchenväter durch, so überzeugend und niederschmetternd wie die des hl. Augustinus („die Frau ist ein niedrigeres Wesen und nicht nach dem Bild und Gleichnis Gottes geschaffen“), des hl. Hieronymus („was eine Frau in der Periode berührt, ist unrein“). Und der hl. Thomas, der Schöpfer unserer Theologie: „die Frau ist von Geburt an mangelhaft und böse, sie rührt aus einem Mangel an aktiver Kraft“. Alles das bekräftigte die Männlichkeit des Priestertums, von Christus eingesetzt und von der ursprünglichen Kirche so gelebt.
In seiner Stellungnahme wagte es Don Alvaro nicht, den „Weg“ und die grundlegenden Regeln im Opus Dei zu zitieren, aber zweifellos, so meine ich, haben sie seine Argumentation und seine Schlussfolgerungen beeinflusst. Die Spiritualität, die José María Escrivá Albás (dann nannte er sich Josémaría Escrivá de Balaguer y Albás) eingepflanzt hatte, lässt keinen Zweifel. „Frauen brauche nicht gelehrt zu sein, es genügt, wenn sie klug sind“ (Der Weg, Nr. 946). „Du fragst herum und horchst aus, du bist ein Schnüffler und Schleicher. Schämst du dich nicht, bis in deine Fehler hinein so wenig Mann zu sein? - Sei männlich und vertausche deine Sucht, alles über die anderen zu erfahren, mit dem Wunsch und der Wirklichkeit wahrer Selbsterkenntnis.“ (Der Weg, Nr. 50). Und in seinem internen Reglement diskriminiert das Werk die Numerarierinnen gegenüber den Numerariern. So haben sie etwa bei der Wahl des Prälaten nur beratende Stimme. Die Numerarierinnen müssen auf Holz schlafen, ohne Matratze, anders als die Numerarier. Die Auxiliarierinnen dürfen bei ihrer Arbeit mit niemandem sprechen, sie erfahren die Namen derer nicht, für die sie arbeiten. Die Hausarbeit, die sogenannte „Verwaltung“ ist den Frauen vorbehalten. Und schließlich ist es kennzeichnend, wenn am Schluss jeder Veranstaltung die Männer beten: „Heilige Maria, unsere Hoffnung, Sitz der Weisheit, bitte für uns“ und die Frauen: „Heilige Maria, unsere Hoffnung, Magd des Herrn (span.: „esclava del Señor“), bitte für uns.”
Es ist offenkundig, dass man Ablehnung des Frauenpriestertums nicht dem Opus zuschreiben kann. Mein Zeugnis ist nicht mehr als eine Anekdote aus der Kurie. Wie bei anderen doktrinellen oder disziplinären Fragen hat das Opus auch hier seine Markierung hinterlassen. Es mag sein, dass Paul VI. einige Hoffnungen geweckt haben mag, als er diese Fragen dem Sanctum Officium zur Diskussion übertrug. Die Entscheidung des “coetus consultorum”, von den Kardinälen betätigt, diente Papst Wojtyla dazu, manches endgültig aus der Welt zu schaffen. In „Ordinatio sacerdotalis” von 1994 scheut sich Johannes Paul II. nicht zu versichern, dass „die Kirche keine Möglichkeit habe, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und dass diese Entscheidung für alle Gläubigen bindend sei. Zur gleichen Schlussfolgerung kam Alvaro del Portillo. Und das Ex-Offizium erklärte 1995, dass die Unmöglichkeit des Priestertums für die Frau „unfehlbar vom ordentlichen und allgemeinen Lehramt festgelegt wurde und dass dies unbedingte Zustimmung erfordert”. Roma locuta. ¿Causa finita? Die Zukunft bleibt noch offen.
*Celso Alcaina, Dr. theol. (Comillas, Roma), in Biblischen Wissenschaften (Rom) und Semitischer Philologie (Barcelona), Mag. jur. (Comillas-Madrid), diplomierter Archivar Glaubenskongregation(Vatikan), Anwalt der Rota (Madrid-Rom). 8 Jahre lang (1967-75) unter Paul VI. Konsultor der Glaubenskongregation.