Escriba: Die Angst des Werkes

(8. März 2006)

 

Gestern und vorgestern las ich die unglaublichen Reportagen über die „Recherchen“ in El País (die eher die Wiedergabe von Fiktionen darstellen) und wurde nachdenklich. Das Opus Dei hat sich in der Imagekrise, die der „Da Vinci Code“ hervorgerufen hat, wacker geschlagen – aber es wird einen hohen Preis dafür bezahlen. Es ist allgemein bekannt, dass nach dem Medienfiasko rund um die Seligsprechung Escrivás das Werk viele seiner besten Kräfte darauf konzentriert hat, die Medien zu bearbeiten. Eben heute erscheint in Abc ein Artikel des Prälaten Echavarría, unter dem Vorwand des Internationalen Tags der Frau. Die Strategie, die sie bisher verfolgt haben und die offenkundig erfolgreich war, ist das Produkt einer verzweifelten Situation; sie wissen , dass sie keinen Ausweg mehr haben. Sie wissen, dass sie sehr, sehr bald ihren eigenen Lügen und ihrer Arroganz zum Opfer fallen werden.

Das Werk ist in die Enge getrieben und hat Angst. Er hat Angst, weil es weiß, dass es nicht immer lügen können wird, weil es seine eigenen Lügen in eine Sackgasse getrieben haben.  Das Werk fühlt sich in die Enge getrieben. Es ist wie eine belagerte Stadt. Eine Institution kann 10, 20, 30, 40 Jahre lügen, aber nicht die ganze Zeit.

Das Werk führt an vielen Fronten Krieg, und keine davon kann es außer Acht lassen, denn es wäre sein Ende. Diese Fronten spielen sich in zwei sehr unterschiedlichen Milieus ab, nach außen und nach innen – und nach innen kostet es sie immer mehr Substanz.

Nach außen: Das Werk kämpft um ein annehmbares Image, um eine fiktive Realität zu erschaffen, die es den Journalisten und der Kirche unter die Nase halten  kann. Niemals zuvor hat das Opus Dei so viel Einfluss auf die Massenmedien ausgeübt, aber auch auf diesem Gebiet hat es die angepeilten Ziele nicht erreicht. Das Werk ist in die Enge getrieben, und es bleibt ihm nichts anderes übrig als zuzugeben, was es nicht länger leugnen kann – dass die Mitglieder den Bußgürtel verwenden, dass die Numerarierinnen auf Holz schlafen müssen; sie machen es nicht gern, aber es bleibt ihnen nichts anderes übrig. Es wurde gestellt, eng umzingelt. Es zieht eine Situation vor, in der präparierte Medien eine Fiktion transportieren, als dass es von selbst Klartext sprechen würde.

Immer wenn es etwas zugibt, was es nicht länger leugnen kann, macht es einen Schritt zurück. Eine offenkundige Wahrheit kann man nicht länger abstreiten. Es hat zugegeben, dass es für einige (?) Mitglieder eine Last bedeutet, dass es sie traumatisiert und zum Gehen gezwungen hat, obwohl es diesen genötigten Mitgliedern die Schuld am Versagen gibt. Die Strategie, eine große Lüge zu verkaufen und dort, wo es nicht mehr anders geht, kleine Wahrheiten zuzugeben, folgt nur noch der Not.

Aber das Werk, eine destruktive Sekte, braucht das Geheimnis, es ist darauf angewiesen, neue Mitglieder mit vierzehn Jahren und falschen Versprechungen anzuwerben. Auch wenn die angefütterten Medien dem Werk aus der Hand fressen und unkritisch das aufnehmen, was ihnen die Informationsbüros der Prälatur vorgeben, bleibt das Problem, dass sie nicht so arbeiten können wie sie wollen – als Geheimgesellschaft. Die Wahrheit setzt sich auf die Dauer durch, und sie selbst sehen sich gezwungen, in der Öffentlichkeit dem zu widersprechen, was ihr eigener Katechismus sagt, zum Beispiel über die ehemaligen Mitglieder. Und sie müssen zugeben, dass Escrivá in den „Gesprächen“ gelogen hat.

Diese Zugeständnisse an die Wahrheit, die für das Werk bis vor Kurzem völlig undenkbar waren, mögen ihnen beim Umgang mit den Medien vorteilhaft sein, aber sie erschweren die Rekrutierungsarbeit, die auf Täuschung und Betrug basiert. Und sie unterhöhlt die Beständigkeit derer, die noch drinnen sind.

Diese hartnäckige Lüge ist auch Bestandteil des Umgangs mit dem Papst und den Bischöfen. Auch wenn das Opus Dei wollte – was es nicht will – kann es nicht sagen, was es wirklich tut, denn es würde von der Kirche mit einem Federstrich aufgelöst und geächtet. Und sein heiligster Gründer – ein Häretiker und Mistkerl, würde behandelt werden wie er es verdient –als Fürst der Lüge.

Nach innen: Das, was das Opus Dei wirklich beschäftigt, ist der Kampf, den es in seinem eigenen Inneren führen muss. Wenn es auch noch so viele Imagekampagnen erfolgreich führt, die Wahrheit ist dann dennoch eine andere. Und die Wahrheit setzt sich durch, ohne den Vater um Erlaubnis zu bitten. Imagekampagnen wie bei der getürkten Heiligsprechung Escrivás sind nicht nur an die öffentliche Meinung gerichtet, sondern sollen auch die eigenen Mitglieder davon überzeugen, dass das Werk etwas ist, was der Mühe wert ist, und es soll den eigenen Pfeifkandidaten suggerieren, sich auf dieses Projekt einzulassen, das seine Triumphe feiert und vorwärtsgeht. Es gibt auch Imagekampagnen nach innen, propagandistische Pamphlete an die Mitglieder (Crónica und Obras für ihn, Noticias und Iniciativas für sie), voller Anspielungen auf die „Zeiten der Expansion“, die das Werk angeblich, aber nicht wirklich erlebt.

Aber die Wahrheit sieht anders aus, und sie wird sich durchsetzen: Zentren den Werkes werden geschlossen (mit Entschuldigungen und Lügen). In einigen Gebieten (so wie in meiner Delegation) gehen mehr NumerarierINNEN als um die Aufnahme bitten, und viele von ihnen nach vielen Jahren. Es gibt keine jungen Supernumerarier, und die es gibt, fühlen sich dem Werk innerlich so wenig verbunden, dass sie eher ein Problem darstellen. Es gibt nahezu keine apostolische Arbeit, die Jugendclubs sind leer, die Gymnasien stagnieren. Dem Werk bleibt nicht mehr viel Zeit. Diese mächtige Propagandamaschine kann nicht verhindern, dass Hunderte und Tausende seiner Mitglieder ihm misstrauen, dass sie mit dieser und befreundeten Webseiten zusammenarbeiten, zum Teil Numerarier auf Leitungsebene. Sie können nicht verhindern, dass Mitglieder die internen Dokumente der Institution einscannen, weil sie der vielen Heimlichtuerei überdrüssig geworden sind. Sie können es nicht verhindern, dass Mitglieder anderen davon abraten, um die Aufnahme zu bitten. Die eigenen Mitglieder misstrauen dem Werk und rebellieren dagegen, damit es sie nicht zerstört. Sie führen ein Doppelleben, damit sie nicht durchdrehen, einfach nur um zu überleben. Heute lügt das Werk nicht nur, sondern es findet sich damit ab (weil es nichts mehr verhindern kann), dass die eigenen Mitglieder es betrügen und ignorieren.

Aber das Werk kann die Wahrheit weder nach innen noch nach außen hin anerkennen. Das Internet ist eine weitere Gefahr, denn es dient der Mobilmachung der eigenen Mitglieder gegen das Werk. Die Mitglieder des Opus Dei kommunizieren hier mit Ausgetretenen, sie sehen in ihnen wie in einem Spiegel ihre eigene Situation und sie identifizieren sich mit ihnen. Angesichts derer, die nicht kommen und derer, die gehen, fragt man sich, wer in 20 Jahren diesen Propagandakrieg um das Image weiterführen wird. „Die Besten gehen“, das wissen alle, und es sind immer weniger. Wer wird in einigen Jahren diese brillanten Strategien entwickeln?

Das Werk ist umstellt, umzingelt. Es ist wehrlos gegenüber seinen eigenen Mitgliedern, die es nicht als eine übernatürliche Familie empfinden, sondern als ein Problem. Als das Werk eines Verrückten, eines Geisteskranken, das einstürzt, angestopft bis zum Überdruss mit Widersprüchlichkeiten, Schmerz und Furcht, eine Krankheit zum Tode, ein  Krebs, der dich nach und nach auffrisst, liquidiert.

Dass ein Mitglied erkennt, dass das Werk nichts als eine große Lüge ist, dem steht seine gewaltige Ausdehnung entgegen. Kann eine Lüge so groß sein? Kann man die Gesellschaft und die Kirche in einem so großen Umfang betrügen? Konnte ein Deutscher des Jahres 1941, der Berlin besuchte, ahnen, dass all das, was ihn umgab, auf tönernen Füßen stand? Aber wenn man sich dazu entschließt, nicht bei anderen denken zu lassen, wird man nach und nach gewahr, dass die Wahrheit, dass Jesus Christus, der sich auf friedliche Weise durchsetzt, dem Werk entgegengesetzt sind.

 

All das weiß es, und es hat Angst.

Eine feste Umarmung an jeden und jede

escriBa

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