Grobian: Brief an unser Kind, den Numerarier

 

Nachdem mein Sohn, der Numerarier, es abgelehnt hat mit mir oder sonst jemandem aus seiner wahren und einzigen Familie zu reden, nehme ich meine Zuflucht zum Internet, um vielleicht auf diese Weise mit ihm in Kontakt treten zu können. Es ist leicht möglich, dass jemand, der ihn kennt, nach der Lektüre dieses Briefes draufkommt, dass er gemeint ist, den Text für ihn ausdruckt und ihn ihm überreicht, ohne dass er die unüberwindliche Zensur seines „Direktors“ passieren muss.


Mein Sohn: Ich weiß, dass Du jetzt seit vier Jahren im Opus Dei bist, und oftmals denkst Du Dir (oder besser gesagt: sie lassen Dich denken), dass dies der beste Weg ist um zu Gott  zu gelangen, und dies ist das Bemühen jeder Menschenseele. Du musst es denken, oder sie sagen es Dir, dass dies der sichere Weg der Heiligung ist. Sicher, wenn Du frei wärst, kanntest Du so denken, aber Du bist es nicht. Deine aufrichtige, gute Berufung wurde von dem besudelt, was sie „gesehen“ und Dir eines Tages gesagt haben. So ruft Gott die Seelen nicht. Dein Mangel an freier Entschließung passt überhaupt nicht dazu, dass der Weg, den Du Dir erwählt hast, gut sein soll. Du kennst das Sprichwort „Er sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht.“ So geht es Dir, mein Sohn...

 

Du kanntest das Opus Dei noch überhaupt nicht und hast willkommene apostolische Aufgaben in Deiner Pfarrei übernommen, Du warst Messdiener, einfach, unkompliziert, fröhlich, spontan. Du kanntest das O. D. nicht, und Deine Großmutter (R. I. P.) lehrte Dich schon die ersten Gebete, bevor Du noch gehen und richtig sprechen konntest. Du kanntest das O. D. noch überhaupt nicht, und in Deinem Elternhaus gab es in jedem Zimmer ein Bild der Jungfrau Maria, sogar mehr als eines. Du kanntest das Opus Dei noch überhaupt nicht und gingst den Weg des Glaubens im Sinn einer christlichen Familie, mit Vater, Mutter und mit Deinen Geschwistern. Du kanntest das O. D. noch nicht und warst ein herzensguter, froher gut gelaunter Junge, der sich bei jedem Anlass vor Lachen zerkugeln konnte. Du kanntest das O. D. nicht, und Du hattest niemals Anzeichen irgendeiner Krankheit. Du kanntest das O. D. nicht, und in einem Gymnasium (keins vom O. D.) mit 1400 Schülern hattest Du die besten Noten.

 

Du kanntest das O. D. nicht und hast miterlebt, wie Dein Vater und Deine Mutter krank werden. Du hast sie wie verrückt geliebt. Du liebtest Deine Geschwister, auch Deinen behinderten Bruder. Du kanntest das O. D. nicht, und wir sind im Sommer zusammen weggefahren, wir hatten einen Riesenspaß miteinander, wir waren jeden Tag in der Messen und hatten den Herrn immer gegenwärtig. Wir sind durch ganz Europa gefahren, und in jedem Land hatten wir unsere Freude daran, wenn es auch manchmal mit Schwierigkeiten verbunden war, eine katholische Kirche zu finden, um an der heiligen Messe teilzunehmen und den Herrn zu empfangen. Wie einfach war das! Welche Liebe! Welche Herzlichkeit! Du kanntest das O. D. noch überhaupt nicht und warst ein sehr guter Christ, voller LIEBE und FREUDE, und Du lebtest Deinen Glauben in aller Einfachheit, wie Jesus von Nazareth es uns gezeigt hat.

 

Als Du geboren wurdest, kanntest Du das O. D. natürlich nicht, und der Herr hat Dir das un­verwechselbare Merkmal eines Christen aufgeprägt. Er gab Dir nach und nach den Glau­ben, und er gebrauchte dazu Deine Eltern, Deine Geschwister und Deine Großeltern als de­müti­ge Werkzeuge. Deine Großmutter spielte eine wichtige Rolle in Deinem großen Glau­ben. Du sahst in ihr das Vorbild der Jungfrau Maria, Du sahst ihre Beharrlichkeit. Sie führte Dich zum Herrn, sie zeigte Dir nach und nach mit ihrem Beispiel von Einfachheit und De­mut den wahren Weg eines christlichen Lebens, bis zu dem letzten Augenblick ihres Sterbens.

 

Du hast das O.D. kennen gelernt, und es war mit Deiner Lebensfreude vorbei. Deiner Familie gegenüber wurdest Du bissig, sie war Dir nicht mehr gut genug. Das Christentum, das Du zuhause kennen gelernt hast, galt nichts mehr, weil es nicht das des O.D. war. Du hast auf eine solche Weise mit uns gebrochen (Du hast Dir offenbar keine Rechenschft darüber gegeben, denn Du warst manipuliert und bist es noch), dass Du bis zum Überdruss ständig wiederholt hast: „ICH BIN FREI“, „ICH BIN VÖLLIG FREI“, ich kann machen, wozu ich Lust habe, und indem Du bei dieser nichtssagenden Floskel bliebst, hast Du aufgehört NACH HAUSE zu kommen. Du sagtest dabei immer, dass Du nicht kommst, weil Du nicht willst, nicht weil jemand es Dir befiehlt. Du sagtest: „Mir befiehlt keiner etwas“.

 

Im Studienzentrum ging es Dir sehr schlecht, ohne dass Du es merktest, denn es zu merken wäre ein Zeichen „SCHLECHTEN GEISTES“ gewesen. Du hast uns gesagt, was sie Dir gesagt haben, dass Du uns sagen sollst: „Ihr seid nicht mehr meine Familie“. IN Deinem Gesicht sahen wir nur Traurigkeit und Angst. Die Krankheit, die Deinem Körper so sehr zugesetzt hat, trat erst im Studienzentrum auf. Deine Noten, die vorher hervorragend gewesen waren, sind heute ziemlich schlechter.

 

Mein Kind, Du denkst nicht darüber nach, denn Du hast noch die letzten Worte Deiner Direktoren im Ohr, dass wir der Teufel sind, aber in Wirklichkeit SIND WIR DEINE EINZIGE UND WAHRE FAMILIE. Mach Dir klar, dass Dir kein Mächtiger dieses Geschenk jemals entreißen kann. Und Du glaubst Personen, die sich christlich nennen und sich eine Familie nennen, die nicht DEINE Familie ist?

 

Der angeblich schlechte Geist, von dem sie Dir erzählen, ist etwas Erfundenes, etwas Ausgedachtes, Zusammengeschriebenes. Im Örtlichen Rat und in der Delegation gibt es schriftliche Aufzeichnungen darüber, was Du in der Aussprache gesagt hast, es findet sich Dein persönliches Profil ebenso wie das unsere, denn so verstehen Deine Direktoren den Gehorsam, dem sie selber unterworfen sind. Was ist das für eine Arbeit, die in einer solchen Schleimerei besteht!

 

Blättere einmal in der Heiligen Schrift: Wo findest Du, dass das Christsein etwas mit dem zu tun hast, in das Du Dich verwandelt hast?

 

Zuhause haben wir Dich SEHR lieb. Du weißt das gut, falls Du es verstehst, auf unser Herz zu hören. Wir haben Dir immer und in allem geholfen. Du kannst NICHT erwarten, dass wir Deinen Regeln folgen, die gar nicht Deine Regeln sind, sondern solche, die sich jemand ausgedacht hat und die gar nicht einmal christlich sind. Unsere Liebe ist christlich und nicht von Angst geprägt.

 

Deine Großmutter hat immer gesagt, dass „das Opus Dei die Familien auseinanderreißt“.   Sie war eine sehr gute Christin, ja ich wage es, sie eine Heilige zu nennen. Man muss gut unterscheiden: Das O.D. hat es bewirkt, dass Deine ganze Blutsfamilie viel vereinter ist und dass unsere Herzen sich noch mehr dem heiligen Geist geöffnet haben, der uns erleuchtet und führt. Und wie Deine Großmutter gesagt hat, Du bist es, den das Opus Dei von uns getrennt hat. Du hast Dich von Deiner Familie losgerissen.

 

Wir leiden sehr um Dich, tatsächlich bist Du das Opfer der Situation, Und wenn Du uns noch so oft wiederholst dass Du frei bist: Wir leiden so sehr! Und wir sagen Dir: Wir lieben Dich mehr als jemals! Wir beten zur heiligen Jungfrau Maria, dem einzigen lebendigen Heiligtum, dass sie vor dem Herrn dafür eintritt, damit Du klar sehen kannst. Bitte: Sei ein guter Christ nach der Lehre Jesu Christi!

 

So, wie wir Dir unser Herz geöffnet haben, so weißt Du auch sehr gut, dass Dir die Tür unseres Hauses immer offen steht und immer offen stehen wird und dass wir Dich mit der größten Freude aufnehmen werden. Unsere Tränen opfern wir dem Herrn auf, damit u die Kraft findest, zu Deiner Familie zurückzukehren, die das Opus Dei zerstört hat, dass er uns dieses Weihnachtsgeschenk macht, diesen Stern, der so hell strahlt wie Dein Gesicht gestrahlt hat, bevor Du beim O. D. warst. Dieses Geschenk wünschen wir uns zu Weihnachten: Dich.

 

Vergiss niemals, dass die WAHRE UND EINZIGE SCHULE DER LIEBE die Familie ist. Betrachte die Familie von Nazareth!

 

Vergiss niemals, dass jeder Mensch selber dafür verantwortlich ist, ob er gerettet oder verdammt werden wird, dass es von seinem Verhalten gegenüber Gott abhängt, der ihn erschaffen hat. Gott ist barmherzig, Er ist die Liebe. Nichts hat eine größere Macht, und es ist ein schweres Vergehen, wenn sich irgend jemand sonst dazu vermisst. Diesen Hochmut hat nur der Teufel.

 

Frage Dich vor dem Allerheiligsten, Du Dich ganz allein: Sind meine Eltern der Teufel, sie, die mich mit all ihren Schwächen, aber auch mit all ihrer Liebe in der Liebe Gottes großgezogen haben – und nicht in der Furcht?


Deine dich liebende Familie.