ESCRIVÁ, ESCRIBÀ, ESCRIBA...

Anna Calzada, 7. April 2010

Vom Thema des ursprünglichen Familiennamens des Gründers des Opus Dei (von den späteren Hinzufügungen weiß man ja bestens Bescheid) war schon öfters die Rede; seine Hagiographen, besonders Vázquez de Prada, verteidigen mit Hartnäckigkeit die Form “Escrivá” und halten alle Belege, bei denen Escriba oder Escribà aufscheint, für einen Irrtum des Chronisten. Seine Haltung scheint logisch, wenn man in Betracht zieht, dass der Gründer immer die Schreibung Escrivá für sich beansprucht hat (1), aber wenig objektiv. Auch Jaume Aurell verwendet in seiner historischen Studie (2) über den (möglichweise vorhandenen – er erörtert das in einer anderen Schrift) katalanischen  Zweig der Familie immer „Escrivá”, mit einem Akzent wie im Kastilischen üblich. Freilich nehmen andere Autoren an, dass der Familienname Escriba oder Escribà war. Ich möchte einen Schlussstrich unter diese Frage ziehen, indem ich von eben den Quellen ausgehe, die seine Hagiografen zitieren.

Alle stimmen sie darin überein, dass sie als Ursprungsort der Familie die Stadt Balaguer in der Provinz Lleida bezeichnen, und sogar Aurell versichert, dass dieser Zweig in der Stadt bis 1936 bestand; ich konnte nachweisen, dass sich dieser letzte Nachkomme Escribà schrieb und nicht Escrivá (3).

Ich habe auch nachgeprüft, ob der Familienname Escrivá heutzutage in dieser Gegend üblich ist. Es ist sehr einfach, man muss nur über das Internet verifizieren, wie viele Personen in der Provinz Lleida diesen Familiennamen führen: Es sind sehr wenige, nämlich nur sechs. Wenn wir es dagegen mit Escribà probieren, erhalten wir etwa neunzig; dass legt nahe, dass die bodenständige Form Escribà ist...

Wenn wir nun annehmen, dass sich im neunzehnten Jahrhundert ein Vorfahre des Gründers in Huesca/Aragonien niederließ, hat es eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass sich der Familienname Escribà ans Kastilische anpasste: Escriba, ohne Akzent; immerhin gab und gibt es in dieser Gegend auch weitere Escribas.

Wenn wir von den Dokumenten ausgehen, die die Hagiografen selbst nennen, ist vollkommen einsichtig: Der Familienname Escriba (oder Escribà) taucht mit Beharrlichkeit in den Taufscheinen, Eheurkunden oder Todesanzeigen der Eltern und der Schwestern auf (4), sogar des Gründers selbst (5), und es scheint nicht sehr logisch zu denken, dass alle diese Dokumente denselben Fehler aufweisen sollten, während sie zu verschiedenen Zeiten und von verschiedenen Händen niedergeschrieben worden sind. Ockham wäre jedenfalls dieser Ansicht gewesen.

Nichts scheint darauf hinzuweisen, dass der Vater einen Wechsel des Familiennamens anstrebte, wenn es auch möglich ist, dass er im Familien- und Freundeskreis die Schreibung mit v vorgezogen haben wollte, weil ihm vielleicht Gassenbuben ein „escribas y fariseos”, „Schriftgelehrte und Pharisäer“ nachgerufen haben mochten, das dazu noch eine jüdische Herkunft suggeriert. In den offiziellen Dokumenten überlebte jedenfalls die Form „Escriba“, wir sehen sie in der Todesanzeige des Vaters, und zwar in der pfarrlichen (dort heißt er Escribá) ebenso wie in der zivilen, wo die Form „Escriba“ lautet (6).

Und noch einen letzten Beleg, den Raurell beibringt: Nachdem er seine ganze Arbeit hindurch auf der Form „Escrivá“ bestanden hatte, zitiert er eine Notiz aus der lokalen Presse von Barbastro: „In der Kapelle des Allerheiligsten Christus von den Wundern fand letzten Montag die Feier der Vermählung des  ehrenwerten und hochgeborenen Frl. Dolores Albás y Blanc mit dem begabten und arbeitsamen Kaufmann aus dieser Stadt, Herrn José Escriba statt; die Trauung wurde vollzogen vom Hochwürdigen Herrn Alfredo Sevil“. Zitiert aus: La Cruz de Sobrarbe, 24.  September 1898.


Es gibt also im ausreichenden Maß gesicherte Daten darüber, dass der Familienname des Gründers Escriba war, auch wenn er ihm und seinem Vater missfallen haben mag. Es gäbe einige Erklärungen dafür, aber das würde einen eigenen Beitrag erfordern.

Ich schlage auch vor, dass die Hagiografen dieser Person in den nächsten Auflagen ihrer Bücher deren wahren Familiennamen feststellen, unbeschadet dessen, dass sie seinen angenommenen zitieren; sie könnten beispielsweise schreiben: Josemaría Escrivá de Balaguer, geborener José María Escriba. Es wäre ein Akt der Gerechtigkeit gegenüber seinen Vorfahren.


ANMERKUNGEN:

1. „Bis eines Tages der Vater empört reagierte: er schärfte Josemaría ein, solche Verunglimpfungen nicht zu dulden. Der merkte sich das gut und nahm von nun an den Kampf gegen das b in seinem Namen auf. In einer Notiz von Mai oder Juni 1935 über sein geistliches Leben schreibt er im Hinblick auf die Sorgfalt, die er seiner Unterschrift angedeihen ließ: „Um 1928 begann ich, das „v“ meines Namens übertrieben groß zu schreiben, um zu verhindern,  dass man Escrivá mit „b“ schrieb.“ Eine andere Notiz enthält die Erinnerung: „Es war mein Vater (Gott hab ihn selig), der mich bat, das „b“ im Familiennamen nicht zu dulden; er erzählte mir dabei etwas über unsere Vorfahren… Okt. 1939.

Anm. 12. : Aufzeichnungen, Nr. 1273. Als Josemaría 1939 wieder las, was er 1935 über einen Feldzug zur Verteidigung des „v“ in „Escrivá“ geschrieben hatte, kehrte er in Gedanken zu seinen Kinderjahren zurück, als sein Vater ihm, mit dem vornehmen Stolz eines Edelmannes und um dem Kind zu zeigen, dass die Geschichte des „b“ und „v“ weder einer Laune noch Manie entsprang, sondern dass der Name durch viele Generationen geschichtsträchtig war, von der Familien erzählte, von „unseren Vorfahren…“. Diese Pünktchen in der Anmerkung von 1939 haben ihre konkrete Bedeutung; sie gleichen dem Wasserlauf, der unter der Erde verschwindet und etwas weiter wieder auftaucht. Wenn wir zurückblicken, finden wir in den Heften seiner Aufzeichnungen in der ersten Juniwoche 1933 (mit einer eingeschobenen erläuternden Anmerkungen  vom Dezember 1934) folgenden Text: „Weise diese Entmutigung weit von dir, die durch die Erkenntnis deines Elends aufkommt. Es stimmt: von deinem wirtschaftlichen Prestige her bist du eine Null … von deinem sozialen Prestige her eine weitere Null…“ (und seine spätere Anmerkung: „meine Eltern hatten mir Dinge erzählt, die zu erkennen gaben, dass es nicht so war; es war aber doch so, was mich betrifft; Dez. 1934), „und noch eine aufgrund deiner Tugenden, und noch eine hinsichtlich deiner Fähigkeiten. Jedoch links von diesen Nullen steht Christus, was für eine unermeßliche Zahl ergibt das!“ (Aufzeichnungen, Nr. 1017).

(Andrés Vázquez de Prada, Der Gründer Opus Dei Josemaría Escrivá. Eine Biographie. Bd. 1: Die frühen Jahre. Köln: Adams 1997, S. 19)

2. Jaume Aurell: Apuntes sobre el linaje de los Escrivá: desde los orígenes medievales hasta el asentamiento en Balaguer (siglos X-XIX) [Genealogische Notizen über die Escrivás von den Anfängen im Mittelalter bis zur Niederlassung in Balaguer (10.-19. Jh.)] in: „Cuadernos del Centro de Documentación y Estudios Josemaría Escrivá de Balaguer”, Nr. VI, 2002. (Dr. Jaume Aurell, Professor der Historischen Abteilung der Universität von Navarra, einem korporativen Werk des Opus Dei und Mitglied des Zentrums Josemaría Escrivá für Dokumentation und Studien).

3. „Alles scheint darauf hinzuweisen, dass die Primogenitur der Familie weiterhin in Balaguer ansässig blieb, bis zum Tod des letzten Nachkommens in direkter Linie 1936. Es handelt sich um Daniel Escrivá Miró, der unter dramatischen Umständen während der ersten Wochen des blutigen Bürgerkriegs verschwand und am 5. August 1936 in der Umgebung Balaguer ermordet wurde (33)“.

(33) J. CASTELLS I SERRA, Martirilogi de l’Esglésica d’Urgell, La Seu d’Urgell 1975, S. 81f.
Jaume Aurell, Apuntes sobre el linaje de los Escrivá: desde los orígenes medievales hasta el asentamiento en Balaguer (siglos X-XIX) en “Cuadernos del Centro de Documentación y Estudios Josemaría Escrivá de Balaguer” Nr. VI, 2002.

Mein Kommentar zu diesem Text: Ich habe Daniel Escribà Miró in einer Zeitung aus dieser Epoche gefunden, nämlich „Pla i montanya“ Nr. 155, 11. Mai 1931, die in Balaguer herausgegeben wird:

POLÍTIQUES
Dreta Liberal Republicana
Ha quedat constituït en aquesta Ciudad el Comitè Local de la Dreta Liberal Republicana integrat pels senyors següents:
President, En Daniel Escribà Miró, advocat.
Vice president, En Josep Font Moragues, metge.
Secretari, Emili Gili Forn, odontòleg.
Tresorer, En Jaume Rotés Esteve, del comerç.
Vocals: En Joaquim Lanau Bofalluy, industrial; En Joan Marvà Solé, empleat i N’Àngel Monge, del comerç.
El domicili social ha quedat instal•lat a la Plaça Mercadal, nº 6.

Wieder ist der Familienname mit „b“ wiedergegeben, ein klarer Hinweis, dass Raurell die Quellen manipuliert hat.

4. „Dieser Irrtum beim Abschreiben des Namens muß oft genug vorgekommen sein, um José zu beunruhigen. Tatsächlich taucht er bereits in  seiner eigenen Taufurkunde als „eheliches Kind de José Escribá y Zaydin“ auf (vgl. Anhang II). Dieser gleiche Irrtum wird sich dann in den Taufurkunden seines Sohnes und von drei Töchtern wiederholen und vervielfachen, wie im folgenden Text zu sehen ist. Von der ältesten heißt es, dass „María del Carmen Constancia Florencia Escribá“ Tochter von „José Escribá“ war; von „María Asunción Escribá“, dass ihr Vater „José Escribá“ und ihr Taufpate „Teodoro Escribá“ waren; von „María Dolores Escribá“,  dass ihr Vater und ihr Großvater „José Escribá“ hießen. [Die Übersetzer übergehen hier, dass in ihrer Sterbeurkunde ebenfalls „Escribá“ urkundet.] Ausnahmsweise enthalten die Tauf- und Sterbeurkunde von María del Rosario Escrivá keine Schreibfehler. (vgl. Archiv der Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt in Barbastro, Taufregister, XLIII, Bl. 22; XLIV, Bl. 35, 64v; Sterbebuch, XLV, Bl. 14v.).
(Andrés Vázquez de Prada, Der Gründer Opus Dei Josemaría Escrivá. Eine Biographie. Bd. 1: Die frühen Jahre. Köln: Adams 1997, S. 19, Anm. 10)

Taufurkunde des Vaters

Die Urschrift der Taufurkunde befindet sich im Archiv der Pfarrei Nue­stra Señora de la Asunción (Mariä Himmelfahrt) in Fonz (Huesca), im Tauf­buch, Band IX, Blatt 271. Sie enthält einige Fehler; unter anderem: Escribá, Zaidin und Perarruga anstelle von Escrivá, Zaydín und Perarrúa.

Antonio Buil Salinas, Pfarrverweser der Pfarrei Asunción de Ntra. Sra. und Pfarrarchivar in Fonz, Diözese Barbastro, Provinz Huesca, BESCHEINIGT, daß auf Blatt 271, Band IX des Taufbuchs dieses Pfarr­archivs, eine Urkunde mit genau folgendem Wortlaut eingetragen ist:

Am Rand: José Escribá

In der Mitte: Am fünfzehnten Oktober achtzehnhundertsiebenund­sechzig habe ich, Antonio Comet, Pfarrer der Stadt Fonz, feierlich einen um zwölf Uhr desselben Tages geborenen Jungen getauft, eheliches Kind des José Escribá y Zaydin, geboren in Perraúa, und der Constancia Corzan Manzana aus Fonz. Großeltern väterlicherseits sind Herr José aus Balaguer und Frau Vitoriana Zaidin aus Perarruga und mütterlicherseits Herr Antonio Corzan und Frau Nicolasa Manzana, beide aus Fonz. Das Kind erhielt den Namen José. Taufpatin war seine Schwester Constancia, die ich auf Blutsverwandtschaft und Verpflichtungen hingewiesen habe. Es unterzeichnet: Lizentiat Antonio Comet Quintana (Unterschrift).

Die Übereinstimmung der vorstehenden Abschrift mit der Urschrift wird bescheinigt mit Unterschrift und Siegel der Pfarrei, Fonz, den 21. Ja­nuar 1985.

L + S / Antonio Buil

(Vasquez de Prada, Anhang II, S. 566)


5. Was Josemaría angeht, begegnen wir dem „Escribá“ verschiedene Male: In der Dis­pens des Bischofs aufgrund mangelnden kanonischen Alters für die Priesterweihe vom 20.2.1925 heißt es am Anfang: „Beatissime Pater, Diac. Joseph M. Escribá ...“ (Sacra Congregatio De Sacramentis, Prot. N. 871/25; AGP, RHF, D-03263); ebenso im Brief des Erzbischofs von Saragossa an Antonio Lasierra, Präsident des Parlaments, vom 19.12.1925 (AGP, RHF, D-05188), auf dem Passierschein des Militärkommandos von Fu­enterrabfa, 12.12.1937 (AGP, RHF, D-15073), auf dem Umschlag eines Briefes von Julio M. Cortes Zuazo vom 8.10.1952 (AGP, RHF, D-15282), usw.

 (Vázquez de Prada, S. 18, Anm. 10 [Forts.])

6. Kirchliche Sterbeurkunde von José Escrivá, Logroño 28.9.1924 (Sterbebuch der Pfarre Santiago el Real, Bl. 294, Nr. 587.
D. José Escribá Corzan
En la ciudad de Logroño, obispado de Calahorra y la Calzada, a veinte y ocho de Noviembre de mil novecientos veinte y cuatro, yo, D. Hilario Loza, cura propio de la parroquia de Santiago el Real, de la misma, previa autorización judicial y con intervención del señor Capellán del Cementerio, D. Santiago Pérez mandé dar sepultura eclesiástica al cadáver de Don José Escribá Corzan natural de Font (Huesca) que falleció hoy a las cinco de cincuenta y dos años de edad, calle Sagasta número diez y ocho, casado con María Dolores Albás, natural de Barbastro (Huesca), deja tres hijos llamados Carmen, José María y Santiago hijo legítimo de José Escribá y Constancia Corzan naturales de Peralta (Huesca) y Font (Huesca) recibió los santos sacramentos de Extremaunción y se le hizo oficio de Segunda clase siendo testigo del sepelio D. Santiago Pérez y Cipriano Pascual de esta vecindad. Lo que está entre líneas valga.
Y para que conste, lo firmo, fecha up supra.
Hilario Loza (firma).

Zivile Sterbeurkunde von José Escrivá, Logroño 28.9.1924(Zivilregister von Logroño, Secc. 3, Bd. 60, S. 586).
MINISTERIO DE JUSTICIA, Zivilregister von Logroño, Nr. 586 
[Randnotiz]: Nombre y Apellidos: José Escriba Corzán
En la ciudad de Logroño, provincia de idem a as once horas y treinta minutos del día veintiocho de Noviembre de mil novecientos veinticuatro ante D. Manuel del Solar Orúe, Juez Municipal y de D. Santiago Martínez Laínez Secretario, se procede a inscribir la defunción de D. José Escriba Corzán de 52 años, natural de Font, provincia de Huesca, hijo de D. José y de Dña. Constancia, domiciliado en Logroño, calle de Sagasta nº 18 piso segundo, de profesión empleado y de estado casado con Dña. María Dolores Albas natural de Barbastro, provincia de Huesca, habiendo dejado tres hijos llamados, Carmen, José María y Santiago, falleció en su domicilio en el día de ayer a las 16 horas, a consecuencia de Hemorragia cerebral ventricular según resulta de Certificación facultativa y reconocimiento practicado, y su cadáver habrá de recibir sepultura en el Cementerio de esta capital.
Esta inscripción se practica en virtud de la manifestación personal de D. Jerónimo Miguel Arana, mayor de edad, funerario y de esta vecindad, habiéndola presenciado como testigos, D. Fermín Rodríguez Tamayo y D. Luis Inchaurralde Uriarte, mayores de edad y vecinos de esta ciudad.
Leída esta acta, se sella con el de este Juzgado, la firman el señor Juez, los testigos y el manifestante de que certifico
(Siguen las firmas) Manuel Solar, Jerónimo Miguel, Luis Inchaurralde, Fermín Rodríguez y Santiago M. Laínez.


Anna Calzada

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