Jeden Tag eine Abtötung

Von Steigleder, Klaus

(http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-14019115.html)

 

Opus Dei - die heimliche Elite der Katholischen Kirche / Von Klaus Steigleder _(1983 Alle Rechte bei Benziger Verlag, ) _(Zürich. ) *

 

Ich besuchte die neunte Klasse eines Kölner Gymnasiums, als mich im Februar 1973 H. P., der als Unterprimaner damals Schülersprecher des Gymnasiums war, ansprach: Er leite einen Laienspielarbeitskreis, mit dem er eine Kriminalparodie aufführen wolle. Ob ich nicht Lust habe, die Hauptrolle des Meisterdetektivs zu übernehmen. Am Nachmittag, einem Samstag, warf H. P. bei uns zu Hause das Textbuch der Kriminalparodie in den Briefkasten. Noch sehr genau erinnere ich mich an meine Begeisterung damals. Theaterspielen war immer schon eine Leidenschaft und ein Hobby von mir gewesen. Gleich am Montag sagte ich H. P. meine Teilnahme an dem Laienspielarbeitskreis zu.

Die Proben fanden jeweils samstags in der Aula eines Studentenheims mit dem Namen "Schweidt" statt. Daß es sich dabei um ein vom Opus Dei geleitetes Haus handelte und daß H. P. Mitglied des Opus Dei war, wußte ich damals noch nicht. Den Namen "Opus Dei" hatte ich zu jenem Zeitpunkt noch nie gehört.

Schon bald gewann ich den Eindruck, daß H. P. mich unter den anderen Arbeitskreisteilnehmern bevorzugt behandelte. Gemeinsam kamen wir zum Studentenheim, gemeinsam verließen wir es auch wieder. In den Schulpausen trafen wir uns bisweilen und sprachen miteinander. Einmal lud er mich nachmittags in ein Cafe ein, was für mich etwas ganz Außerordentliches war, da mir meine Eltern damals nur wenig Taschengeld gaben.

Ein anderes Mal rief mich H. P. zu Hause an, um mich zu einem Filmabend im Studentenheim Schweidt einzuladen. Ich fühlte mich geschmeichelt, daß ein Älterer sich derart um mich kümmerte und mich ernst zu nehmen schien.

Nach den Sommerferien lud mich ein Klassenkamerad zu einer Fahrradrallye in den Jugendclub "Feuerstein" ein. Von diesem Jugendclub hatte ich vorher schon verschiedentlich gehört; ich wußte, daß einige meiner Klassenkameraden dort an wöchentlich stattfindenden Clubstunden teilnahmen. Fahrradrallye klang für mich faszinierend, so daß ich zusagte.

Am Nachmittag war ich etwas zu früh im Jugendclub und nicht wenig überrascht, daß erst einmal eine 15minütige Betrachtung in einer in dem Haus des Jugendclubs befindlichen Kapelle stattfand, die ein spanischer Priester in schlechtem Deutsch zum Thema "Gebet" hielt. Diese Betrachtung sprach mich sehr an, und die anschließende Fahrradrallye machte großen Spaß. Danach war im Jugendclub noch eine Messe, an der ich, weil ich mich dazu irgendwie verpflichtet fühlte, auch noch teilnahm.

Als ich den Feuerstein mit der festen Zusage verließ, künftig nun jede Woche an der Clubstunde teilzunehmen, traf ich zu meiner großen Überraschung H. P., der selber sehr überrascht tat, mich dort zu treffen. Noch wußte ich nicht, daß H. P. im Jugendclub Feuerstein eine Fülle von Aufgaben hatte und wenige Wochen später dort einziehen würde, um als Numerariermitglied des Opus Dei, das er schon seit einigen Jahren war, mit anderen Mitgliedern der Vereinigung, welche die Arbeit des Jugendclubs betreuten, zusammenzuwohnen.

Mit meiner Teilnahme an Veranstaltungen des Jugendclubs Feuerstein wurde der Kontakt mit H. P. intensiver. Es begannen nun regelmäßige, längere Treffen mit ihm. Hatten wir uns bislang vornehmlich über Theater, Oper und unsere Schule unterhalten, so wurden unsere Gespräche nun durch H. P. immer mehr von religiösen Themen bestimmt. Er begann, mich nach meinem Glauben und meiner religiösen Praxis zu fragen: Ob ich beten würde, was Gott mir in meinem Leben bedeute.

Da ich zu H. P. großes Vertrauen hatte und er für mich eine Autorität darstellte, gab ich ihm bereitwillig Auskunft und befolgte gewissenhaft die Anregungen und Anweisungen, die er mir gab. Kontinuierlich, schnell und für mich zunächst unmerklich vollzog sich ein Übergang von einem älteren Freund zu einem (geistlichen) Leiter.

Kurz vor den Herbstferien, die ich in der Eifel bei meiner Großmutter verbrachte, gab er mir als Hilfe für die tägliche Gebetszeit das von Escriva de Balaguer, dem Gründer des Opus Dei, verfaßte Büchlein "Der Weg". Es ist eine Sammlung von 999 aphorismenhaften Sentenzen. H. P. legte mir eindringlich ans Herz, die vereinbarten Frömmigkeitsübungen auch in den Ferien zu verrichten. Ferien dürften niemals Ferien von Gott sein.

Während jener Herbstferien erhielt ich von H. P. fast täglich einen Brief mit Erinnerungen, Ermahnungen und Aufforderungen. So hieß es in einem Brief vom 8. Oktober 1973: "Streng mal Dein kluges Köpfchen an, ob es da nicht noch jemanden in Deinem weiten Bekanntenkreis gibt, der es verdient hätte, daß Du ihn mal zum Club einlädst." Eine Karte vom 10. Oktober enthielt die Aufforderung, nicht zuviel Zeit vor dem Fernsehgerät zu verbringen. In einem Brief vom 11. Oktober schrieb H. P.: "Mach Dein Gebet, auch wenn Du dazu keine Lust hast!"

Nach den Herbstferien begannen wir uns noch häufiger zu treffen. Ich fing an, die Sonntagsmesse im Jugendclub Feuerstein zu besuchen, und verabredete mich mit H. P. auch verschiedentlich zu den Werktagsmessen dort. Von Oktober an nahm ich an den monatlichen Einkehrtagen teil, die im Jugendclub abgehalten wurden. Aus täglichen sieben Minuten Gebet wurden recht bald zehn Minuten am Morgen und zwanzig Minuten am Nachmittag.

Befolgte ich sonst alle Ratschläge und Anweisungen, die H. P. mir gab, sehr genau, so wollte ich seinem Drängen, doch bei dem Priester des Opus Dei, der den Jugendclub Feuerstein betreute, zu beichten, zunächst nicht nachkommen. Ich ging damals in meiner Heimatpfarrei regelmäßig zur Beichte und wollte nicht einsehen, warum ich jetzt bei einem anderen Priester zur Beichte gehen sollte, zumal ich Scheu davor empfand, bei einem Priester zu beichten, der mich durch meine inzwischen recht häufigen Besuche im Jugendclub Feuerstein genauer kannte.

H. P. vermutete bei mir eine schwere Sünde im Bereich der Sexualität, wobei ich nun Angst hätte, diese einzugestehen. Wenngleich ich mich bemühte, ihm klarzumachen, daß seine Annahme falsch sei, gab er in seinem Drängen nicht nach. Ich bekam ein schlechtes Gewissen. Nach der Messe teilte ich ihm mit, daß ich bei dem Opus-Dei-Priester zur Beichte gehen würde, was ich auch am darauffolgenden Montag tat.

Solche Aufforderungen durch ältere "Leiter" oder "Tutoren" an Jüngere, zur Beichte zu gehen (möglichst bei einem Priester des Opus Dei), waren im Jugendclub Feuerstein und in den anderen von der Vereinigung geleiteten Jugendclubs feste Praxis. Gerade die Jüngsten, 11- bis 12jährige Schüler, wurden nicht selten unter Druck gesetzt. Bei solchen Gesprächen waren dann Begriffe wie "schwere Sünde" oder "Todsünde" sehr schnell zur Hand.

Jugendliche im Pubertätsalter pflegt der jeweilige "Leiter" auf den Bereich der Sexualität, vor allem auf die Selbstbefriedigung, hin anzusprechen. Gibt jemand zu, sich selbst zu befriedigen, so wird ihm sogleich gesagt, daß die Masturbation eine Todsünde sei, daß er schwer gesündigt hat, daß er unbedingt beichten müsse und vorher nicht zur Kommunion gehen dürfe.

Welches Recht hat ein Älterer zu derartigen, bis zu den persönlichsten Bereichen vordringenden Fragen an solche, die er oft kaum kennt? Die Antwort darauf ist im Opus Dei schnell zur Hand: Gott hat sich, ohne uns zu fragen, in unser Leben eingemischt. Deshalb dürfen, sollen und müssen wir, die wir ja seine Apostel sind, uns auch unbefragt und ungebeten in das Leben anderer einmischen.

Damals begeisterte mich, was ich aus den für die Öffentlichkeit bestimmten

Schriften des Opus Dei und von H. P. über die Vereinigung erfuhr: Mit seinem Christsein mitten in der Welt Ernst zu machen. Gott im Alltag begegnen zu können. Ich bemühte mich, in der Schule und zu Hause konzentrierter zu arbeiten, und begann, bei meinen Schularbeiten ein kleines Taschenkreuz auf meinen Schreibtisch zu legen, das mich immer wieder an Gott erinnern sollte.

H. P. fragte mich, ob ich mir schon einmal Gedanken darüber gemacht hätte, wen von meinen Klassenkameraden und Freunden ich mich bemühen könnte, Gott näher zu bringen. Er erzählte mir von der Notwendigkeit des "Apostolates". Die Einsicht, daß man Gott in der Normalität des Alltages begegnen könne, dürfe ich nicht für mich behalten.

Ich faßte mir ein Herz, meinen besten Freund auf das tägliche Gebet anzusprechen, und versuchte, ihn von der Notwendigkeit einer täglichen Zeit der Betrachtung zu überzeugen. Vorher hatte ich ihn schon mit zu den Clubstunden im Feuerstein gebracht. H. P. hielt mich zu solchem "Apostolat" an.

Wir sprachen regelmäßig über meinen Freund, ich berichtete, wie er auf meine "apostolischen Bemühungen" reagierte. H. P. gab die jeweils nächsten Schritte und Ziele für meinen Freund vor. Ich durfte nicht für mich behalten, was mir völlig unverdient zuteil geworden war.

Von H. P. lernte ich auch, mich nach Möglichkeit erst einmal um diejenigen apostolisch zu bemühen, die in der Schule gute Leistungen erbringen. Eine stehende Redewendung lautete: "Von hundert Seelen interessieren uns hundert, aber ..." Aber, angesichts der großen Zahlen gilt es zunächst, eine Auswahl zu treffen, sich um die zu kümmern, die beruflich und menschlich die Besten sind, weil sie am ehesten verstehen können. Wenn sie beginnen, "inneres Leben zu haben", werden sie selbst wiederum apostolisch sein und weitere Menschen zu gewinnen suchen.

Das Ansprechen eines anderen auf sein "inneres Leben", die Einladungen zu den Betrachtungen im Jugendclub oder zu gemeinsamem Gebet, die "diskrete Indiskretion" eines Fragens, das bis zu den intimsten Bereichen eines Freundes oder Kameraden vorzudringen versucht, all das forderte stets von neuem große Überwindung.

Im Herbst 1973 begann ich, an einem wöchentlichen "Bildungskreis" teilzunehmen, der von H. P. geleitet wurde. Ein "Bildungskreis" (kurz "Kreis" genannt) stellt eines der Ausbildungsmittel des Opus Dei für die sogenannten Jungen (bzw. Mädchen) von St. Raphael dar, also für solche, die mit dem Opus Dei schon näheren Kontakt haben, von seiten der Vereinigung dem engeren Freundeskreis der "Familie des Opus Dei" zugerechnet werden und von denen erhofft wird, daß der eine oder andere unter ihnen Mitglied der Vereinigung wird.

Ein solcher "Kreis" besteht aus verschiedenen, genau vorgeschriebenen Teilen: Zunächst Wiederholungsfragen zu den wichtigsten inhaltlichen Aussagen des Vortrages der vergangenen Woche; dann Verlesung und kurze Kommentierung des Tagesevangeliums, an die sich ein Vortrag zu einem geistlichen Thema anschließt.

Dem Vortrag folgt eine Gewissenserforschung mit festgelegten elf Fragen, die durch den Leiter des "Kreises" gegebenenfalls präzisierend kommentiert werden. Ein kurzes "Beisammensein" und eine kurze "geistliche Lesung" beschließen den "Kreis", der durch ein vorgegebenes Einleitungs- und Schlußgebet umrahmt ist. Insgesamt dauert ein solcher "Bildungskreis" eine halbe bis dreiviertel Stunde.

Diskussionen über das Vorgetragene sind während eines "Kreises" undenkbar und werden, falls sie aufzukommen drohen, sofort unterbunden. Eventuell aufkommende Fragen dürfen nicht im Kreis der Teilnehmer gestellt werden, sondern sollen mit dem Leiter gegebenenfalls nachher unter vier Augen besprochen werden.

Meine Eltern begann die intensive Weise, in der sich H. P. um mich kümmerte, zu wundern und zu sorgen. Über meinen Kontakt zum Jugendclub Feuerstein waren sie aber zunächst recht froh, da ich vorher eher kontaktarm war. Schon bald wurden sie von H. P. und dem damaligen Sekretär des Feuersteins besucht und in groben Umrissen über die Arbeit des Clubs und das, was das Opus Dei sei, informiert und um einen Dauerauftrag als regelmäßige Spende für die Clubarbeit gebeten.

Dem Opus Dei trauten sie anfänglich noch als einer katholischen Vereinigung; daß diese Vereinigung mich ihnen in der Folgezeit zunehmend entfremden und der Grund Jahre andauernder großer Sorge und Verzweiflung sein würde, konnten sie damals noch nicht wissen.

Während der Weihnachtsferien half ich im Januar 1974, eine Fahrt des Jugendclubs zu betreuen, die für fünf Tage in eine Jugendherberge im Sauerland führte. Die Fahrtteilnehmer, 10- bis 13jährige Jungen, wurden in verschiedene, schon vor Antritt der Fahrt genau festgelegte Gruppen eingeteilt, die jeweils von zwei Älteren betreut wurden. Zusammen mit H. P. leitete ich eine dieser Gruppen. Geehrt fühlte ich mich, daß ich offiziell zum Gruppenleiter avancierte, während H. P. mein Stellvertreter war.

Faktisch verhielt es sich natürlich genau umgekehrt. Daß Nichtmitglieder bei solchen Gelegenheiten nach außen hin zu Gruppenleitern gemacht werden, während deren "Geistliche Leiter" Stellvertreter sind, habe ich auch später verschiedentlich als planvolle Praxis erlebt. Es soll auf diese Weise bei den Nichtmitgliedern ein größeres Verantwortungsgefühl geweckt und, wenn ich das richtig sehe, eine stärkere Identifikation mit den Zielen der Vereinigung erreicht werden.

Ziel einer solchen Fahrt ist primär die religiöse und menschliche Formung der Fahrtteilnehmer. In der Regel fährt ein Priester mit oder begleitet die Fahrt für eine bestimmte Zeit. Tägliche Programmpunkte

sind der Besuch der Messe, eine kurze Zeit gemeinsamen Gebetes, ein Vortrag beispielsweise über das Bußsakrament, das Gebet oder die Aufrichtigkeit, eine abendliche Gewissenserforschung.

Jeder der Teilnehmer soll nach Möglichkeit während der Fahrt bei dem Priester beichten oder zumindest mit ihm sprechen. Vor Beginn der Fahrt ist jeweils genau festgelegt worden, wer von den Gruppenleitern mit welchen Gruppenmitgliedern vor allem über die Beichte und das Gebet spricht.

Bei jener Winterfahrt waren mir drei Jungen zugeteilt worden, mit denen ich sprechen sollte. Täglich wurde ich von H. P. oder dem Gesamtleiter der Fahrt auf diese mir anvertrauten Jungen angesprochen: Über was ich mit ihnen gesprochen hätte, ob sie schon gebeichtet hätten und was ich noch mit ihnen besprechen sollte.

Es war das erste Mal, daß ich so mit Jüngeren sprach; ihnen von der Wichtigkeit der Beichte zu reden und sie dazu (meist mit Erfolg) zu bewegen versuchte. Daß ich als ein ihnen gegenüber Älterer durch solches Reden und das damit verbundene Drängen massiv in ihre Freiheit eingriff, kam mir damals nicht zu Bewußtsein. Vielmehr erblickte ich in einem solchen Vorgehen eine wichtige und gute Sache und war überzeugt, daß es zum Besten der Jungen sei.

Erheblich trug aber auch die ständige Kontrolle durch meine eigenen Lehrer dazu bei, daß ich mich zu solchem Ansprechen von Jüngeren überwunden habe - denn Überwindung haben für mich solche "apostolischen Gespräche" mit Jüngeren stets bedeutet. Doch nahm ich die inneren Widerstände in mir nicht recht wahr, geschweige denn ernst.

Kurz vor Weihnachten 1973 habe ich damit begonnen, täglich eine Messe zu besuchen, in der Regel die abendliche Eucharistiefeier im Feuerstein. Da ich Freitag abends im Schulorchester Geige spielte, besuchte ich an diesen Tagen zunächst die Messe nicht. H. P. sprach mich darauf an. Es zeuge von einem Mangel an Liebe, nur wegen der Proben des Schulorchesters nicht die Messe zu besuchen.

Er hielt mich dazu an, vor dem Unterrichtsbeginn freitags an einer Eucharistiefeier teilzunehmen, die in einer in Schulnähe gelegenen Kirche stattfand. Wenn ich die Messe vor dem Schlußsegen verließe, könnte ich noch gerade pünktlich in der Schule sein. So hielt ich es dann auch in der Folgezeit. Trotz vorzeitigen Verlassens der Messe kam ich aber nicht selten zu spät zum Unterricht.

Wegen des Nüchternheitsgebotes frühstückte ich erst in der kurzen Pause nach der ersten Unterrichtsstunde. Ich nahm es als "Abtötung". H. P. hatte mir von der Notwendigkeit täglicher kleiner Abtötungen gesprochen. Er zitierte ein Wort von Escriva: "Wenn du dich nicht abtötest, wirst du nie ein Mensch des Gebetes."

Er hatte mir einige Vorschläge unterbreitet, welche kleinen Opfer ich mir vornehmen könnte: die "heroische Minute", das bedeutet sofortiges Aufstehen, wenn morgens der Wecker schellt. Oder Abtötungen beim Essen: etwas weniger von dem, was man gerne mag, und etwas mehr von dem, was man nicht so gerne ißt; sich nicht an die Lehne des

Stuhles anzulehnen; ohne Kopfkissen zu schlafen.

Mit H. P. erstellte ich eine Liste solcher Abtötungen, um die ich mich täglich bemühen sollte. H. P. riet mir, sie jeweils für bestimmte Personen "aufzuopfern": für den Papst, für meine Eltern und Geschwister, für Freunde und Klassenkameraden, für den Leiter des Jugendclubs Feuerstein, für den Gründer des Opus Dei, für meinen "geistlichen Leiter", also für H. P.

Die regelmäßigen Gespräche mit H. P. setzten sich auch 1974 fort. Ich berichtete jeweils, wie die einzelnen Punkte des "Lebensplans" - Gebet, täglicher Meßbesuch, Rosenkranzgebet, Stoßgebete, Abtötungen, Heiligung der Arbeit und Apostolat - "geklappt" hatten; er gab mir Ratschläge und schlug vor, worum ich mich in der nächsten Zeit besonders bemühen sollte.

Am Fest der Verkündigung Mariens, 25. März, hielt der damalige Consiliarius des Opus Dei in Deutschland, Dr. M., die Messe im Jugendclub. In einer kurzen Ansprache sagte er, daß Maria, als ihr der Engel der Verkündigung erschien und sie ihr "Fiat" (es geschehe) gesprochen habe, höchstwahrscheinlich nicht älter als 14 Jahre gewesen sei, also jünger als der Jüngste hier in diesem Kreis.

Während der Predigt mußten die anderen immer wieder lachen; ich verstand damals nicht, warum. Erst später wurde mir klar, daß die ganze Predigt auf mich gemünzt gewesen war. Unter denen, die an der Eucharistiefeier damals teilgenommen hatten, war ich nämlich der einzige gewesen, der nicht dem Opus Dei angehörte, und zudem der Jüngste. Es sollte eine Aufforderung an mich sein, doch in meinem Alter mein eigenes "Fiat" hinsichtlich einer Mitgliedschaft im Opus Dei zu sprechen.

Sehr gedrängt wurde ich von H. P., doch in den Ostertagen an einer vom Opus Dei durchgeführten Romreise teilzunehmen. In Rom hätte ich dann die Möglichkeit, den Gründer des Opus Dei in einem Beisammensein kennenzulernen, mehr noch und Genaueres über die Vereinigung zu erfahren und vor allem in meinem "inneren Leben" einen großen Schritt vorwärts zu tun.

Meine Eltern gaben mir jedoch nicht die Erlaubnis, da schon länger geplant gewesen war, daß ich mit meinem Bruder die Ferien in England verbringen sollte. Wie ich im nachhinein erfuhr, hatte man sich von seiten der Leitung des Jugendclubs Feuerstein erhofft, ich könnte während der Romfahrt dem Opus Dei beitreten.

Nach der Englandfahrt sagte mir H. P. immer wieder, ich solle mich doch im Gebet fragen, was Gott von mir verlangen würde, ob er nicht mehr von mir erwarte; und irgendwann stand dann die Frage ausdrücklich im Raum: ob ich nicht eine Berufung zum Opus Dei hätte.

Bis dahin war mir überhaupt nicht klar gewesen, daß es so etwas wie Mitglieder des Opus Dei gibt. Dadurch, daß ich an der Arbeit des Opus Dei teilnahm, fühlte ich mich schon dazugehörig.

Ich beschäftigte mich zu dieser Zeit intensiv mit dem Leben und Wirken von Pater Maximilian Kolbe, das mich begeisterte. Der beständige Anstoß zu der Frage, ob Gott nicht etwas Besonderes von mir erwarte, ließ mich bei meiner Begeisterung in diesem Alter denken, es könnte vielleicht mein Weg sein, Minorit zu werden und ähnliches zu tun wie Maximilian Kolbe, ein Apostolat zu entfalten wie dieser Pater.

Ich erzählte H. P. von meinen Ideen. Er war sehr bestürzt. Ordensleben sei etwas Außergewöhnliches, und Berufung und Leben Maximilian Kolbes seien etwas Außerordentliches und Einmaliges gewesen. Dies sei wohl auch nicht das, was Gott von mir erwarte.

Immer drängender stellte H. P. mir die Frage nach meiner Berufung zum Opus Dei und machte deutlich, daß er davon überzeugt sei, daß dies mein Weg wäre. Auch stellte er es so dar, als handelte es sich hier um eine Lebensentscheidung, die ich möglichst zum damaligen Zeitpunkt in meinem damaligen Alter zu treffen hätte.

Ich bekam Angst; eine Angst, die regelrecht lähmend war. H. P. erzählte mir, wie er Mitglied des Opus Dei geworden sei und wie andere es geworden seien.

In oft stundenlangen Gesprächen erörterten wir die Frage einer Berufung zum Opus Dei. H. P. sagte mir, daß man, um Mitglied des Opus Dei zu werden, einen Brief an den Generalpräsidenten der Vereinigung schreiben müsse. Umrißhaft deutete er an, daß es drei Weisen der Mitgliedschaft gibt, wobei er, ohne die Bezeichnungen zu nennen, die Mitgliedschaft als Numerarier (Vollmitglied) und Supernumerarier (außerplanmäßiges Mitglied) etwas genauer ausführte. Für mich komme - so sagte er fast beiläufig in einem Satz - nur eine Mitgliedschaft als Numerarier in Frage.

Ich fragte nicht näher nach, warum. Lebenslange Ehelosigkeit schien mir in diesem Alter kein Problem zu sein. Ich stellte es mir zwar nicht einfach vor, aber schließlich würde ich, falls ich Priester und Minorit werden sollte, ja auch ehelos leben. Kurz erwähnte H. P. auch das Leben in Armut und Gehorsam, erläuterte aber nicht näher, wie das in der Vereinigung aussieht.

In bezug auf den Gehorsam sagte er nur, daß der stärkste Befehl im Opus Dei das "Bitte" sei. Auch hier fragte ich nicht näher nach. Wissen wollte ich zunächst nur, was sich denn in meinem Leben ändere, wenn ich Mitglied des Opus Dei würde. Im Grunde nicht viel, antwortete H. P. darauf.

Die Vorträge, die H. P. in dieser Zeit im "Kreis" hielt, waren alle auf mich zugeschnitten. Es ging um "Hingabe", "Großzügigkeit", "Berufung". Auch traf ich mich mit H. P. häufiger zu gemeinsamer "geistlicher Lesung". H. P. übersetzte mir aus der internen Opus-Dei-Zeitschrift "Obras" - wiederum ging es um die gleichen Themen.

Ich mußte eine Entscheidung treffen. Diese lähmende Angst, die mich ergriffen hatte, machte mich beinahe handlungsunfähig; ich konnte kaum noch konzentriert arbeiten. H. P. erklärte mir, daß die Angst das sicherste Zeichen für eine Berufung sei.

Schließlich sagte ich "ja". H. P. war hocherfreut und sagte, ich müsse jetzt mit dem Leiter des Jugendclubs Feuerstein sprechen. Nach einigem Hin und Her willigte ich ein, ihn am nächsten Tag aufzusuchen. Am Abend kamen mir große Zweifel an meiner Entscheidung. Ich rief H. P. an, mir sei alles wieder unklar und ich könne zu meinem "Ja" am Nachmittag nicht mehr stehen.

Am nächsten Morgen traf ich mich mit H. P. im Feuerstein; wir hatten an diesem Tag schulfrei. Unser Gespräch dauerte den ganzen Vormittag, und wieder sagte ich "ja". Am Nachmittag sprach ich mit dem Leiter des Jugendclubs.

All diese Gespräche mit H. P. waren meinerseits so persönlich, daß ich gar nicht auf die Idee kam, mit meinen Eltern darüber zu sprechen. Der Leiter des Jugendclubs Feuerstein sagte mir ausdrücklich, daß ich mit ihnen nicht darüber reden solle. Es sei noch nicht der Zeitpunkt, daß sie meine "Berufung" verstehen könnten. Später werde ich ihnen schon alles sagen, und sie würden sich sicherlich darüber freuen.

Im Lauf meiner Mitgliedschaft in der Vereinigung habe ich immer wieder erlebt, wie ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, man solle den Schülern, die auf eine Mitgliedschaft im Opus Dei angesprochen werden, klarmachen, daß es nicht gut sei, mit den Eltern darüber zu sprechen. Die Eltern hätten sich wahrscheinlich schon Pläne für die Zukunft ihrer Kinder gemacht, würden vielleicht auf spätere Enkelkinder hoffen und hätten womöglich zunächst kein Verständnis für eine solche Berufung. Man dürfe sie nicht in die Versuchung bringen, eine gottgewollte Sache verhindern zu wollen.

Ihnen nichts darüber zu erzählen - meist während der ersten Jahre der Mitgliedschaft - geschehe also im Grunde aus Liebe zu den eigenen Eltern. Außerdem handele es sich bei einer Berufung zum Opus Dei um eine sehr persönliche Entscheidung, die Sache des jeweils einzelnen sei und nicht der Eltern.

Der Leiter des Jugendclubs Feuerstein fragte mich, ob ich meine Entscheidung, Mitglied des Opus Dei werden zu wollen, frei getroffen habe und mich durch niemanden dazu gedrängt fühle. Etwas zögernd antwortete ich mit "ja" und war von der Richtigkeit meiner Antwort trotz der intensiven "Bearbeitung" durch H. P. auch überzeugt, wenngleich ich ein ungutes Gefühl bei dieser Antwort hatte.

Der Leiter betonte, daß es sich bei meiner Entscheidung um eine endgültige, das ganze Leben betreffende Entscheidung handele. Kurz sprach er Armut, Ehelosigkeit und Gehorsam an.

Ich erfuhr, daß man als Numerariermitglied sein ganzes Geld beim Sekretär des "Zentrums", zu dem man gehört, abgibt und jeweils nur soviel Geld erhält, wie man für anfallende, notwendige Ausgaben benötigt, wobei jede Ausgabe auf einem Zettel genau zu notieren ist, den man jeweils am Monatsende seinem Leiter abzugeben hat.

Als Numerariermitglied würde ich keine Tanzstunde besuchen, da dies für jemanden, der für Gott ein Leben in Ehelosigkeit führen wolle, überflüssig sei und nur eine Gefährdung der Berufung darstelle. Ebenfalls dürfe ein Numerarier keine Kinos, Theateraufführungen, Opern oder Konzerte besuchen.

Wir vereinbarten, daß ich alles nochmals in Ruhe überdenken und am nächsten Tag kommen würde, um den Brief an den Generalpräsidenten zu schreiben. Am Samstag, dem 15. Juni 1974, schrieb ich im Beisein von A. G., dem damaligen stellvertretenden Leiter des Jugendclubs - der Leiter war an diesem Tag abwesend -, den Brief.

A. G. prüfte anschließend, ob der Brief auch den Satz "Ich bitte um die Aufnahme in das Opus Dei als Numerariermitglied" enthielt, und nahm ihn an sich. Im Alter von 15 Jahren war ich Mitglied des Opus Dei geworden.

Die meisten Numerariermitglieder in Deutschland sind als Schüler dem Opus Dei beigetreten, eine Reihe von ihnen in einem Alter zwischen 14 und 17 Jahren. Es ist allerdings zu hören, daß das Mindestalter neuerdings von 14 auf 16 Jahre heraufgesetzt wurde. Die Arbeit mit Jugendlichen gilt der Vereinigung als ihre eigentümlichste; sie stellt gleichsam die "Brutstätte" der Vereinigung dar.

Oft konnte ich miterleben, wie mit Jugendlichen immer und immer wieder über die Frage einer Mitgliedschaft gesprochen wurde, vor allem bei den alljährlich stattfindenden Osterfahrten nach Rom.

Möglichst sollen solche mitfahren, die mit dem Opus Dei schon näher vertraut sind und die Voraussetzungen dafür mitbringen, während der Romfahrt zu "pfeifen". "Pfeifen" bedeutet in der Sprache der Mitglieder des Opus Dei das Mitgliedwerden in der Vereinigung, das Schreiben des Briefes an den Generalpräsidenten des Opus Dei.

Seit einigen Jahren werden die Fahrten nach Rom mit Bussen durchgeführt. Während der zweitägigen Hinfahrt können die Zweiersitze der Busse für ständige Gespräche mit den Nichtmitgliedern genutzt werden; ein Bus ist dazu geeigneter als ein Zugabteil, wo immer andere Mitinsassen mithören würden.

Vor Fahrtbeginn ist genau festgelegt worden, wer mit wem die Gespräche führt. Die mitfahrenden Opus-Dei-Mitglieder erhalten von der Fahrtleitung einen kleinen Zettel, auf dem die Namen derjenigen notiert sind, mit denen sie während der Romfahrt sprechen sollen, außerdem die Grundthemen, die spätestens während der Hinfahrt besprochen werden müssen.

Vor der Fahrt hat jedes teilnehmende Mitglied des Opus Dei - in der Regel dürfen nur Mitglieder teilnehmen, die mindestens zwei oder drei "Freunde" mitbringen - mit seinem "geistlichen Leiter" die genauen Ziele für die einzelnen "Freunde" während einer solchen Romfahrt festgelegt. Der "örtliche Rat" der jeweiligen "Zentren" des Opus Dei hat vorher beschlossen, welche Nichtmitglieder während der Fahrt "grünes Licht" haben, d. h. Mitglieder der Vereinigung werden dürfen oder sollen.

Der "Leiter", der sich während der Romfahrt um ein Nichtmitglied kümmert, setzt sich während der Busfahrt neben den Betreffenden. Mit scheinbar belanglosen, "normalen" Themen fängt es dann meist an: Man spricht über "Gott und die Welt", wie es heißt. Dann die schrittweise Überleitung - "immer weniger von der Welt und immer mehr von Gott".

Es beginnt jenes unnachgiebige Fragen, jene Einmischung in die innersten Bereiche eines anderen, zu der man sich berechtigt glaubt. Fragen über das "innere Leben" des anderen, Drängen, gemeinsam zu beten; Aufforderungen zur Beichte (ein Priester fährt im Bus mit). Häufiger Wechsel der Sitzplätze, da jedes Opus-Dei-Mitglied während der Romfahrt in der Regel mehrere "Freunde" zu betreuen hat.

In der Unterkunft am Rand von Rom - in der Regel wohnt man außerhalb der Stadt und fährt morgens gemeinsam mit dem Bus in die Stadt hinein - erfolgt dann eine planmäßige Zimmerverteilung, wobei man häufig darauf bedacht ist, miteinander befreundete Nichtmitglieder voneinander zu trennen. Nach Möglichkeit wohnt der jeweilige "Leiter" mit denen, die er betreut, in einem Zimmer zusammen.

Die männlichen Gruppen haben keine Kenntnis davon, wo sich während des Ostertreffens die Unterkünfte der weiblichen Gruppen befinden, und umgekehrt. Auch bei den Romfahrten wird eine strikte Trennung der beiden Abteilungen der Vereinigung gewahrt.

Die Osterfahrt wird von beiden Abteilungen nach außen hin unter dem Namen eines internationalen Studentenkongresses (UNIV-Kongreß) über studentische und universitäre Fragen und Probleme durchgeführt. Ein solcher Kongreß findet tatsächlich während der Karwoche in Rom statt, doch hatten zumindest bis 1979 über 95 Prozent aller Romfahrtteilnehmer damit nichts zu tun. Lediglich an der Abschlußsitzung nahmen einige der mitgefahrenen Studenten teil. Die an der Romfahrt teilnehmenden Schüler sind nicht selten angewiesen, sich als Studenten auszugeben.

1979 wurde erstmals eine Papstaudienz ausschließlich für die "Teilnehmer" am UNIV-Kongreß gewährt. Zu Beginn der Audienz trug jemand dem Papst die Ergebnisse des Kongresses vor. Es war peinlich mitzuerleben, wie Johannes Paul II. in seiner Rede darauf einging und Tausende Audienzteilnehmer ansprach, die mit dem UNIV-Kongreß eigentlich gar nichts zu tun hatten und größtenteils nicht einmal recht wußten, um was es sich bei dem Kongreß, dessen Teilnehmerplakette sie trugen, wirklich handelte.

Einen Höhepunkt der Romfahrt stellen die "Beisammensein" mit dem Generalpräsidenten dar, an denen jeweils einige hundert Romfahrer teilnehmen. Bei diesen Treffen nimmt die Thematik "Berufung zum Opus Dei" geradezu überhand. Einzelne werden vorher von ihrem "Leiter" dazu angehalten, dem "Vater" eine Frage mit dem Inhalt zu stellen, daß man nicht wisse, ob man zum Opus Dei berufen sei.

Die Antworten sind oft die gleichen; meist übernimmt Alvaro del Portillo, der heutige "Vater", was der Gründer des Opus Dei auf solche "Berufungsfragen" zu antworten pflegte: "Du hast Angst? Das ist das sicherste Zeichen dafür, daß du berufen bist!"

Fast regelmäßig wiederholte sich in den zahlreichen Beisammensein mit dem Generalpräsidenten des Opus Dei, die ich in Rom miterlebt habe, die folgende Szene: Ein Mitglied des Opus Dei steht auf und sagt, es habe einen Freund, von dem es sicher sei, daß er eine Berufung zum Opus Dei habe. Dieser habe aber Angst und sei nicht bereit, sich in dieser Weise Gott hinzugeben. Der betreffende "Freund" sitzt dann nicht selten neben dem Fragenden und weiß nicht, wie ihm geschieht.

Es herrscht bei solchen Beisammensein eine Atmosphäre der Begeisterung, eine kaum vorstellbare Euphorie. Für die unverheirateten Mitglieder des Opus Dei ist der "Vater" der Mensch auf Erden, den sie am meisten lieben. Für sie ist ein solches Beisammensein ein Erlebnis, dem sie schon lange entgegenfieberten.

Vor dem Haus, in dem die Treffen stattfinden, muß jedesmal eine große Zahl von Ordnern eingesetzt werden: denn fast jeder ist darum bemüht, möglichst schnell in die große Aula hineinzugelangen, um nur ja einen guten Platz zu erwischen, von dem aus es möglich sein könnte, den "Vater" zu berühren, vor ihm auf die Knie zu fallen und ihm die Hand zu küssen.

Im Anschluß an ein Beisammensein mit dem Generalpräsidenten wird nach einer kurzen Pause auf verschiedenen Fernsehbildschirmen das Beisammensein nochmals in Videoaufzeichnung gezeigt, damit alle Worte des "Vaters" möglichst vollständig im Gedächtnis bleiben.

Immer wieder heißt es: "Der Vater hat gesagt, daß er mehr, viele Berufungen aus Deutschland erwartet!" Es wird überlegt, welche Fahrtteilnehmer, die von den "Örtlichen Räten" in Deutschland noch kein "grünes Licht" erhalten haben, während der Ostertage vielleicht doch noch "den Brief schreiben" könnten. Bisweilen wird eigens nach Deutschland telephoniert, damit der "Örtliche Rat" eines "Zentrums" des Opus Dei dem einen oder anderen noch "grünes Licht" erteilt.

Die aus den verschiedensten Ländern kommenden Numerariermitglieder erzählen, welche und wie viele Personen aus ihrem Land in diesen Tagen bereits "gepfiffen" haben und wer die nächsten "Pfeifkandidaten" sind. Namen werden ausgetauscht und aufgeschrieben, und die Numerarier versprechen einander, für jede der betreffenden Personen besonders zu beten.

Die jedesmal verhältnismäßig hohe Zahl derer, die während einer Romfahrt Mitglieder der Vereinigung werden, wird - seit dem Tod von Escriva de Balaguer im Jahre 1975 - der wirksamen Fürsprache des Gründers bei Gott zugeschrieben. Das Gebet am Grab des Gründers gehört zu den wichtigsten Programmpunkten während der Romfahrten. Es wird versucht, mit den "Pfeifkandidaten" so oft wie möglich an das Grab des Gründers zu gelangen.

Immer wieder gelingt es während der Tage in Rom, auch solche zu einer Mitgliedschaft im Opus Dei zu bewegen, die sich bislang beharrlich dagegen gewehrt hatten. Auch bei den Romfahrten sind es vornehmlich wieder Jugendliche, die sich, in vielfältiger Weise bedrängt und bisweilen regelrecht "bearbeitet", schließlich zu einer "Lebensentscheidung" durchringen, die ihr Leben in einem Maß verändern wird, wie es für sie im Augenblick der "Entscheidung" oft nicht im geringsten absehbar ist.

Ein Betroffener: "Den ungeheueren psychischen Druck konnte ich selbst 1978 auf einer solchen Fahrt erleben. Von einer Entscheidung, die in einer solchen Situation gefällt wird, kann ich unmöglich sagen, daß sie frei und unbeeindruckt gefällt wird."