Frontal21 berichtete über Pläne der katholischen Laienorganisation Opus Dei, ein Jungengymnasium in Potsdam zu gründen. Jetzt lehnte das brandenburgische Bildungsministerium den Antrag einer Elterninitiative ab. Begründung: ein Jungengymnasium widerspreche dem Grundsatz der gemeinsamen Erziehung von Jungen und Mädchen.

 

Manuskript

 

 (veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung der Redaktion)

 

Beitrag: Opus Dei — Katholische Kaderschule für Potsdam

Sendung vom 10. April 2007 Von Andreas Halbach

 

Anmoderation:

Wer beitreten will, muss „göttlich berufen" sein. Die Rede ist von einer Geheimnis umwitterten und einflussreichen Gemeinschaft, deren Finanz- und Organisationsstruktur so undurchsichtig, wie ihre Macht groß sein soll. Es geht um Opus Dei, zu deutsch das „Werk Gottes". Weltweit zählen rund 85.000 Menschen zu dieser konservativen, katholischen Kaderschmiede. Sie leben zum Teil zölibatär, geißeln sich regelmäßig selbst und tragen Dornenringe an den Beinen. Papst Johannes Paul II hat den Opus Dei­Gründer heilig gesprochen. In Potsdam soll jetzt eine reine Jungenschule im Geiste des Opus Dei eröffnet werden. Andreas Halbach über die Geheimdiener Gottes, ihren Einfluss und ihre Wirkung.

 

Text:

Eine alte Preussen-Kaseme mitten in Potsdam. Disziplin und Gottesfurcht sollen wieder Einzug halten, denn eine Elterninitiative will hier ein Jungen-Gymnasium gründen. Der Vorsitzende gehört dem Opus Dei an, einer konservativen Laien-Organisation innerhalb der katholischen Kirche.

O-Ton Christoph Rüssel, Vors. Initiative freie Schulen Brandenburg:

Als Mitglied des Opus Dei habe ich auch die Aufgabe, die Welt christlich zu prägen und das ist meine Berufung

Die Personalkosten der Schule soll später der Staat tragen – die Baukosten von 20 Millionen  Euro angeblich nur die Eltern:

 

O-Ton Christoph Rüssel, Vors. Initiative freie Schulen Brandenburg:

Wir werden die Investitionen mit Spenden bewältigen.

 

O-Ton Frontal2l:

Und von wo erwarten sie da Spenden? (Antwort bleibt aus)

Beim Infoabend zur Schulgründung treten die mächtigen Unterstützer der Elterninitiative ganz offen auf: das Opus Dei, zu Deutsch "Werk Gottes". Voraussetzung für die Mitgliedschaft ist, wie es heißt, eine "übernatürliche Berufung". Die Botschaft Gottes ist wichtiger als staatlicher Auftrag:

O-Ton Wolfgang Weber, Priester und Opus Dei-Mitglied: Natürlich werden wir auch das berücksichtigen, was der Lehrplan sagt. Aber wir werden das zumindest mit Fragezeichen versehen.

Den staatlichen Lehrplan also will er in Frage stellen, der Sport- und Religionslehrer, Mitglied des Opus Dei, nach dessen Geboten er lebt:

O-Ton Wolfgang Weber, Priester und Opus Dei-Mitglied: Ich trage ab und zu einen Bußgürtel, ja."

O-Ton Frontal2l: Was bedeutet das?

O-Ton Wolfgang Weber, Priester und Opus Dei-Mitglied: Das bedeutet, dass ich mir so ein kratziges Band um den Oberschenkel schnalle und das ist für mich eine Möglichkeit, mich mit dem Leiden Christi zu vereinigen.

Auch Dietmar Scharmitzer hat während der Studienzeit als Opus­ Dei-Mitglied mit solchen Bußwerkzeugen, wie verlangt, seinen Glauben gestärkt.

O-Ton Dietmar Scharmitzer, Opus Dei-Aussteiger

Die Mitglieder des Opus Dei, die nicht bei ihrer Familie leben, sind verpflichtet, jeden Tag außer Sonntag das Bußband für zwei Stunden zu tragen. Es wird auf der nackten Haut des Oberschenkels festgeschnallt, man setzt sich darauf und die Schmerzen, die man dabei empfindet, dienen der Abtötung des Fleisches und der Buße für eigene und fremde Sünden. Dem gleichen Zweck dient die Verwendung der Bußgeißel am Samstag. Sie wird auf das nackte Gesäß appliziert für die Dauer eines Gebetes; des salve regina - je nach Großzügigkeit. Aus heutiger Sicht möchte ich sagen, dass es schwierig ist und bedenklich, wenn junge Menschen solche Dinge benützen, weil es sie durchaus fehlprägen kann.

Fehlprägung durch Selbstkasteiung - das Gedankengut von Opus Dei gehöre nicht in eine Schule, sagt Peter Hertel, Autor zahlreicher kritischer Bücher:

O-TonPeter Hertel, Theologe und Buchautor:

Bedenklich im Hinblick auf Jugendliche scheint mir, wenn das Opus Dei dort so eine Art Werbereservoir errichtet, so den Fischfang betreibt, wie das im Opus Dei heißt, weil schon 14-jährige in sogenannten Aspirantengruppen auf den Zölibat, die Ehelosigkeit hingeführt werden und in den Geist des Opus Die eingeführt werden - mit 14 Jahren, wenn sie ihre Lebensperspektive noch gar nicht überschauen können, werden sie bereits indoktriniert.

Eher traurige Erfahrungen mit dem Werk Gottes hat auch der 25‑jährige Gereon gemacht. Mit 13 hätten ihn Opus Dei-Mitglieder angeworben; Armut, Gehorsam und Selbstgeißelung seien ihm abverlangt worden, bis er daran zerbrach:

O-Ton ehemaliger Aspirant Opus Dei:

Ich werfe dem Opus Dei vor, mein eigenes Ich mir genommen zu haben, meine eigene Identität mit mir selber, mit meiner Familie und mit der Gesellschaft.

Das bestätigt auch diese Mutter. Einer ihrer vier Söhne ist seit 30 Jahren im Opus Dei. Der Sohn sei ihr entfremdet worden er sei regelrechter Gehirnwäsche ausgesetzt. Wenn die Mutter daran denkt, wird sie wütend:

O-Ton Mutter eines Opus Dei-Mitglied:

Eine ohnmächtige Wut, muss ich sagen. Die gehen ihren strikten Weg und vereinnahmen die Jugendlichen so in ihrem Denken und Handeln, dass man die einfach nicht mehr erreichen kann.

Und ihre kleine Tochter war im Kommunionunterricht an einen Opus-Dei-Priester geraten.

O-Ton Mutter:

Meine 10-jährige Tochter kniete abends regelmäßig vor dem Bett und betete. Und das fand ich irgendwie sehr befremdlich. Und als ich sie daraufhin ansprach, sagte sie mir, das müsse sie mir nicht erklären, der Pfarrer hätte ihr gesagt, es gebe wichtigere Menschen in ihrem Leben als die Eltern. Da war ich schon sehr entsetzt.

Indoktrinierte, ihren Eltern entfremdete Kinder. Damit will Frontal21 die deutsche Prälatur des Opus Dei in Köln konfrontieren. Zum Interview ist niemand bereit. Auch schriftliche Fragen werden nicht beantwortet.

Stattdessen werden wir lediglich auf eine Verteidigungsschrift des Opus Dei im Internet von 1996 verwiesen.

Zum Vorwurf der "Entfremdung von Kindern", findet sich dort eine für betroffene Eltern zynisch klingende Rechtfertigung.

Zitat:

Auch wenn dem Schmerz von Eltern über die tatsächliche Respekt gebühren, hat das Kind einen Anspruch auf Respekt vor seiner eigenen verantwortlichen Lebensentscheidung.

Solche Lehren gelten dem Vatikan offenbar als vorbildlich. Denn Josemaria Escrivä, der umstrittene Gründer des Opus Dei, wurde vor fünf Jahren heilig gesprochen.

Escrivá und sein Werk gelangten zu Macht und Einfluss in Spanien, vor allem in der Zeit der faschistischen Diktatur unter Franco. Heute zählt das Opus Dei weltweit mehr als 85.000 Anhänger.

Lebenshilfe für die Mitglieder soll vor allem ein Buch des Gründers leisten: "Der Weg", erschienen in mehr als vier Millionen Exemplaren. Es fordert unterwürfige Frömmigkeit.

So heißt es,

Zitat: Vergiß nicht, was du bist.., ein Kehrichteimer.

Und weiter:

Zitat: Gesegnet sei der Schmerz. ... Verherrlicht sei der Schmerz!

Der Wiener Psychoanalytiker und Theologe, Professor Alfred Kirchmayr, betreute Opus Dei-Mitglieder und -Aussteiger. Sein Fazit nach jahrzehntelanger Beschäftigung mit dem Gotteswerk:

O-Ton Prof. Alfred Kirchmayr, Psychoanalytiker, FH St Pölten:

Man wird enteignet, man darf eigentlich nicht selbständig denken. Man darf nicht zu seinen Wünschen und Bedürfnissen stehen, man muss die abtöten, ja. Das ist ja das Schreckliche: Töten der Feinde Gottes, Abtöten der bösen Triebe. Und das ist einfach Inhumanität, die zum Himmel stinkt.

Und dabei kann sich der Kritiker noch auf eine der 999 Lebensweisheiten des heiligen Escrivä berufen.

Zitat: Wo keine Abtötung, da keine Tugend." 

Abmoderation:

Der Gründer der katholischen Konkurrenzbewegung „Gemein­schaft und Befreiung" meinte über Opus Dei: „Sie gehen mit ihren Panzern voran, auch wenn sie die Raupenketten mit Gummireifen verkleidet haben. Sie machen keinen Lärm, aber sie sind da, und wie!"