Die Kapelle vom heiligen Joseph und die wunderbare Geschichte vom heiligen Severin in Villa Tevere – von Sakrilegien und Obsessionen
Das Oratorium des heiligen Joseph ist eines von denen, die wir „nutzlose Kapellen“ nennen könnten, und von dieser Sorte gibt es viele am Zentralsitz des Opus Dei. Es handelt sich um kleine Kapellen ohne Tabernakel, und niemand geht hin, außer um seine Neugierde zu befriedigen. Ihr einziger Zweck ist es, Zeugnis von irgendeiner Laune des Gründers abzulegen. So sagte etwa der Gründer eines schönen Tages zum hl. Pfarrer von Ars: „Wenn du mir diesen Gefallen tust, baue ich dir eine Kapelle, und siehe da, wir haben eine Kapelle von hl. Pfarrer von Ars: eine sitzende Vollplastik aus Carraramarmor ein Buch in der Hand, mit einem „aufmerksamen und väterlichen“ Blick; der Altar aus Alabaster mit Intarsien nach der Art einer antiken Urne, die von vier Löwentatzen aus vergoldeter Bronze gehalten wird.
Die Besessenheit nach Reliquien überkam Escrivá schon sehr bald, in den vierziger Jahren, als er den Erzbischof von Burgos davon überzeugte, ihm ein Lignum Crucis auszuhändigen, und außerdem war das eine hervorragende Begründung dafür, herrliche Juwelierarbeiten herstellen zu lassen.
Während der 50er und 60er Jahre, wann auch immer die Arbeit in einem Land begann, mussten die Numerarier zum Bischof gehen und ihn um Reliquien bitten, um die Privatsammlung de Gründers zu vermehren, je mehr, desto besser, und es war egal, wieviel es kostete. Der Numerarier José Luis Soria (vgl. José Luis Soria: Maestro de buen humor. Madrid: Rialp 1993) erzählt, dass er eine gewisse Zeit lang den Auftrag hatte, die Reliquien zu klassifizieren, die in Villa Tevere eintrafen. Als Beweis für den übernatürlichen Humor des Gründers, der das Menschliche und das Göttliche in einer unverbrüchlichen Einheit des Lebens zugleich pflegte, erzählt er, dass Escrivá ihm bei einer bestimmten Gelegenheit sagte: „Prüfe das ordentlich, was ich dir hier übergeben habe, denn ich hege keinerlei Andacht zu Katzenrippen”, ein Satz von einer solchen spirituellen Tiefe, wert, in den Kalender eingetragen und ins Gebet mitgenommen zu werden. Und genau das hat Soria sofort gemacht...
Es ist klar, dass „unser Vater, als er im Vatikan erklären musste, was das Werk war, nur auf das Beispiel der erste Christen zurückgreifen konnte, da das Opus Dei etwas derart Neues war, aufgrund seiner unvergleichlichen Treue zum Evangelium. Mit der Zeit schenkten viele Bischöfe dem Werk Reliquien von Heiligen der ersten Stunde, als Beweis, dass die den Geist von Zuhause vollkommen verstanden hätten ”.
Der Prälat Echevarría bezog sich vor kurzem auf die Reliquien des heiligen Severin in einem Beisammensein in Villa Tevere. Er sagte: „Ein Kirchenmann der Kongregation für den Klerus, der eine große Liebe zum Werk hatte, drängte den Kardinal von Neapel, unserem Vater die Reliquien des hl. Severin zu schenken, einen Soldaten des römischen Kaiserreichs, der als Märtyrer während der ersten Jahrhunderte gestorben ist. (...) Lange Zeit hindurch war er in einer Katakombe in der Hauptstadt begraben, bis unter dem Pontifikat Papst Gregor XVI. seine geweihte Reste in die Stadt Vesubio überführt wurden. Im Lauf der Zeit erlosch allerdings die Verehrung des Märtyrers, und seine Reliquien blieben unbeachtet und verwahrlost in irgendeiner Kirche. Als man sie 1957 von Kardinal Mimmi für das Werk erbat, willigte er ein, weil er wusste, dass mit der Überführung der Gebeine nach Villa Tevere der hl. Severin an vielen Orten verehrt werden würde. (...) Als der Erzbischof seine Genehmigung erzeilt hatte, beauftragte unser Gründer Don José Luis und Don Giorgio, die mit dem Auto losfuhren, um die geweihten Reste des Märtyrers und die Beglaubigung einzuholen. Das Reliquiar bestand in einem Wachsbild des Märtyrers in der Uniform eines Soldaten. Sie befanden sich in keinem guten Zustand, und es war notwendig sie zu restaurieren, und sie wurden möglichst gut hergerichtet und mit den Kleidern, die er hatte, wurde das Bild mit den Reliquien im Oratorium des hl. Joseph niedergelegt“.
Die Kapelle ist rechteckig, mit drei Gemälden von Manuel Caballero, einem Numerarier, die Szenen aus dem Familienleben des hl, Joseph zeigen, in einer Art düsterem Renaissancestil, verschwenderisch mit antikem Marmor ausgelegt; einer davon bildet das Altarblatt. Der Altar beherbergt, hinter Gittern, eine Urne aus Kristall, in der sich in natürlicher Größe die Statue aus polychromem Wachs befindet, ausgeführt im minuziösestem Realismus des neapolitanischen Barocks des achtzehnten Jahrhunderts.
Das Histörchen vom geheimnisvollen Kirchenmann aus der Kleruskongregation, der so große Zuneigung zu Werk hatte, und dem Kardinal von Neapel, der ganz gewiss nicht die geringste Ahnung hatte, dass so etwas wie das Opus Dei existiert, glaubt wohl nicht einmal Echevarría selbst. Die tatsächliche Geschichte ist unglaublich und doch so typisch für Escrivá und das Werk. Mir erzählte sie unter heftigem Gelächter ein Numerarierpriester, der bei der Kommandoaktion Entführung des hl. Severin dabei gewesen war. Tatsächlich wandten sich 1957 die Numerarier von Neapel an Kardinal Mimmi, den Erzbischof der Stadt, weil sich Escrivá das ausdrücklich gewünscht hatte: um die vollständig erhaltenen Reliquien eines Laien aus den ersten Jahrhunderten des Christentums zu erhalten. Der Kardinal hielt sie geschickt hin, aber die „Söhne des Vaters“ setzten sich in Bewegung und fanden St. Severin in der Stadt Vesubio. Als sie dem Priester der Kirche, in der sich die Reliquien befanden, ihren Wunsch erklärten, stieß er einen Schrei aus, und mit ihm die ganze Gemeinde, dass hier einige Maulhelden auftauchten und ihnen mir nichts, dir nichts ihren Heiligen wegnehmen wollten. Alle Versuche der Numerarier, die Einwohner von Vesubio zu überzeugen, sprich einzukochen, bleiben fruchtlos, und so griff man zu weniger orthodoxen Methoden. Eines Tages brachen aus Villa Tevere zwei Wagen nach Neapel auf, mit den kräftigsten Studenten des Collegium Romanum, angeführt von „Don José Luis und Don Giorgio”. Der Trupp drang nachts in die Kirche ein und riss aus der Kapelle „die geweihten Reste des Märtyrers und die Beglaubigung“ (das Wachsbild). War das nicht, genau genommen, ein echtes Sakrileg? Der Vater hatte es befohlen und man musste gehorchen. So wurde, buchstäblich über Nacht, der heilige Mann geraubt, und verständlicherweise waren alle Gläubigen bestürzt, die ihre ausgestellten Reliquien in öffentlichem Kult seit dem vierten Jahrhundert verehrt hatten. Ich kann mir nicht vorstellen, wie Kardinal Mimmi dreingesehen haben mag, als er all das erfuhr, und welche Rechtfertigung sie ihm dafür gaben (denn er hat es erfahren, und sie mussten ihm Rede stehen). „Sie waren nicht in gutem Zustand, und es war notwendig sie zu restaurieren, man tat es, so gut es ging…“ Der schlechte Erhaltungszustand hängt aber nicht damit zusammen, dass die Überreste des heiligen Severin „unbeachtet und verwahrlost in irgendeiner Kirche“ gelegen hätten, sondern weil sie gewaltsam von dem Ort entfernt worden waren, heimlich, in der Nacht, unter Zeitdruck.
Im Werk erfuhr niemand, dass sich der Heilige in Villa Tevere befand, denn es schien nicht ratsam auszuposaunen, dass wir im Zentralsitz des Opus Dei die Reliquien eines Märtyrers haben, die wir vor kurzem aus einer Kirche gestohlen haben. Jetzt, nachdem viel Zeit vergangen ist, kann man eine völlig falsche Version der Geschichte auftischen (wie man es im Werk immer tut), weil es keine unbequemen Zeugen mehr gibt.
Die offizielle Geschichte klingt so: Escrivá „ermahnte diejenigen, die damit befasst waren, häufig zur Sorgfalt, die auf diesem Gebiet notwendig sei, und drängte sie, diese Aufgabe übernatürlich zu sehen, indem er ihnen Sätze wiederholte wie: Cum Sanctis sanctus eris! [Zusammen mit den Heiligen wirst du heilig sein] und Sancta sancte tractanda [Das Heilige muss man heilig behandeln]! Auf die Bitte unseres Vaters gewährte der Heilige Stuhl die Möglichkeit, in allen Zentren des Opus Dei die Votivmesse zum hl. Märtyrer am ersten Tag des Monats November zu feiern, an dem die Liturgie das gestattet. Als er das den Regionen am 16. Oktober 1958 mitteilte, bestand unser Gründer darauf, dass überall dieses neue Zeichen der Zuneigung des Apostolischen Stuhls angenommen werde, um die Einheit mit dem Herzen des Werkes zu vertiefen. Seitdem handeln wir so und achten darauf, dass sich unser Denken und unser Wünschen bevorzugt nach Rom richten: Wir danken Gott für die wunderbare Einheit im Werk und bitten Ihn, sie jede Tag wachsen zu lassen, überzeugt, dass wir consummati in unum [Joh. 17,23: „vollendet in der Einheit“] sind, ein Herz und eine Seele, und so erreichen wir vom Herrn so viele gute und notwendige Dinge, weil wir ihm in der ganzen Welt dienen und wirksam und heilig sind“.
Escrivá ist zynisch genug, um auf die Sorgfalt hinzuweisen, mit der man diese Dinge behandeln muss; es ist undenkbar, dass er nicht über die „Heldentat“ auf dem Laufenden war, die seine „Söhne“ vollbracht hatten. Dafür belästigte er sie übernatürlich mit Phrasen wie: Cum Sanctis sanctus eris! und Sancta sancte tractanda!”. Diese übernatürlichen Betrachtungen, die Escrivá seinen Leuten mitgeteilt haben soll, als sie Reliquien klauten, passt nicht zu der Anekdote, die Soria erzählt: Als der Gründer einen Briefbeschwerer in Form eines Horns (span. cuerno) sah, habe er gefragt: „Und das, was ist das? Eine Reliquie des hl. Cornelio?” Das ist eine wahre übernatürliche Sicht der Dinge, Zeichen eines luziden Humors, den nicht einmal ein Don Bosco aufgebracht hätte! Obwohl dieser Worte den unangenehmen Stockgeruch aufweisen, der die mangelnde Kinderstube des Gründers des Opus Dei verrät. Die Geschichte rundet sich ab mit der Bitte „unseres Vaters an den Heiligen Stuhl die Möglichkeit zu gewähren, in allen Zentren des Opus Dei die Votivmesse zum hl. Märtyrer Severin zu feiern (...), damit „überall dieses neue Zeichen der Zuneigung des Apostolischen Stuhls angenommen werde, um die Einheit mit dem Herzen des Werkes zu vertiefen.
Im Werk hat man immer betrogen, auch auf diesem Gebiet, und man hat, wenn es notwendig war, vor Straftaten nicht zurückgeschreckt. Pilar Urbano, eine Numerarierin, erzählt uns. „Die Neffen den Heiligen Pius X. werden ihm einige Kleidungsstücke des Heiligen schenken, weil sie wissen, dass er das schätzt, und einige Stücke seines häuslichen Mobiliars. Darunter war ein nüchterner Betstuhl, den Escrivá benützte, um darauf zu knien, und ein schmutziges Solideo aus weißem Moiré. Als er das Solideo am 6. Januar 1971 erhielt, küsste er es, und noch bevor er einen passenden Aufbewahrungsort dafür suchte, setzte er es sich auf und ließ es einige Augenblicke auf seinem Haupt:
- Es stimmt mich andächtig, es aufzusetzen... und ich bitte den Heiligen Pius X. mir Stärke zu geben, die Stärke eines Felsens, die mir fehlt”.
Es ist eine Schande, wie schamlos die Fakten manipuliert werden. Nach dem II. Vatikanischen Konzil brach im Kopf des Gründers eine unwiderstehliche und unbezähmbare Andacht zu Pius X. aus, während er sagte, “dass die Kirche auf den Abgrund zusteuert”. Was geschah dann? Nun, die wackeren “Söhne des Vaters” begannen ihre Machinationen, um an die Reliquien heranzukommen. Die Überreste des heiligen Papstes befinden sich in der Basilika von St. Peter, das gestaltete die Vorgangsweise etwas schwieriger. Aber es gelang immerhin zwei Greise auszuplündern, die in ihrem Haus viele Gegenstände des hl. Pius X. wie einen Schatz hüteten und plötzlich, über Nacht, neue Freunde fanden, die sie einluden und beschenkten, bis sie ihnen das Wertvollste, was sie besaßen, geraubt hatten. Das Solideo, das bei Escrivá wahre Ausbrüche von Frömmigkeit (Eitelkeit?) hervorrief, und den hölzernen Gebetsstuhl, der sich in der Privatkapelle Escrivás an der linken Seite seines Thronsessels befindet. Und viele andere Dinge, wie das Metallbett von José Sarto (dem zukünftigem Pius X.), das er benützte, als er Bischof von Mantua war, und das sich heute im Schlafzimmer des Vaters befindet (die Seitenteile sind mit Seide überzogen), in der Casa del Fiume, dem Haus des Vaters in Cavabianca. „Das Bett ist schlecht und billig, man sieht, dass er nicht viel Platz hatte, als er es benutzte“, erklärte der Gründer über seine neue Reliquie, mit einer Andacht, die Frucht seiner unüberwindlichen Verehrung für Pius X. war. ― Sie nahmen alles, was sie kriegen konnten: die Wäsche von José Sarto, die er im Lauf seines Lebens trug, bis hin zu seinem Taufkleid, aber auch Kunstwerke wie verschiedene wertvolle alte Gemälde, darunter eine Jungfrau mit dem Kind, Zeichen der (diesmal echten) Verehrung, die Pius X. für die Gottesmutter hegte.
Ein anderes Beispiel der Dynamik, die sich entwickelte, wenn man all das ohne Skrupel erreichen wollte, war die Art, wie man an Reliquien des hl. Thomas Morus herankam. Ich habe bereits erzählt, dass es in der Kapelle Escrivás fünf Schatullen über dem Altar gibt, die die Reliquien der fünf offiziellen Fürsprecher des Werkes enthalten: Nikolaus von Bari, Thomas Morus, Pius X., Katharina von Siena und der Pfarrer von Ars. Es wäre interessant zu erfahren, wie man die Reliquie ex indumentis erhalten hat, die Nikolaus von Bari zugeschrieben wird, einem Heiligen, der so lange in der Vergangenheit gelebt hat und von dem wir so wenig wissen, und wie sie über die übrigen gelogen haben. In den sechziger Jahren orderte Escrivá diese fünf sehr reich geschmückten Kassetten, obwohl er die Reliquien noch nicht hatte, und seine Söhne in England hetzte er auf, um irgendetwas von Thomas Morus zu ergattern: „Solange bis ihr das erreicht habt, lege ich ein Säckchen mit Erde in das Kästchen und schreibe dazu: „Meine Söhne in England haben die Reliquie noch nicht bekommen”. In dieser so väterlichen Weise bedrängte Escrivá die englischen Numerarier, nebenbei bemerkt, von tausend Problemen bedrängt waren in einem Land, in dem die Arbeit niemals so recht voranging. Einige alte Engländer fanden plötzlich einen Haufen „neue Freunde“, und so bekam man schließlich auch Reliquien von Thomas Morus.
Escrivá – eine überraschende Persönlichkeit, auch was seine „Heiligenverehrung“ betrifft, nicht wahr?
escriBa
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