Richard Estarriol kam als einer der ersten beiden Laien des Opus Dei nach Österreich; er ist international anerkannter Journalist, Träger des Silbernen Verdienstkreuzes um die Republik Österreich, und kaum jemand wird hierzulande so sehr mit dem Werk identifiziert wie er. Wenn er allerdings nach seiner Mitgliedschaft gefragt wird, lautet seine Antwort stets ausweichend: „Ich kenne das Opus Dei sehr gut, mein Bruder ist Priester des Opus Dei.“ Seine Mitgliedschaft ist auch im „Who is who?“ nicht erwähnt.
Peter Berglar, einer der prominentesten Verteidiger des Werks in Deutschland, erwähnt in seinem Standardwerk „Opus Dei“, der deutschsprachigen Biographie des Gründers, mit keinem Wort, daß er selbst Mitglied ist. Wenn er auf 214 vom Gespräch eines Supernumerariers mit einem Kollegen erzählt, so weiß nur der Eingeweihte, daß er von sich selber spricht.
Der Austritt eines Mitglieds wird auch gegenüber den „Brüdern“ geheimgehalten; sogar die Möglichkeit des Austritts wird dezidiert geleugnet. In Spanien wird den Mitgliedern im Augenblick eine Schmierenkomödie vorgespielt; zahlreiche Numerarier, auch geweihte Priester, die gehen wollen, werden versetzt, gehen „ins Ausland“, „weil es das Apostolat erfordert“; in Wahrheit wird auf diese Weise der Aderlaß camoufliert. Der Priester Antonio Petit Líbero hatte nach 43jähriger Mitgliedschaft das Opus Dei verlassen und war in die Diözese Barcelona übernommen worden; er starb am 12. Februar 2007, von seinen „Brüdern“ bis zuletzt schikaniert; nach seinem Tod beeilte sich das „Werk“, sein Begräbnis auszurichten, und feierte ein von 18 Priestern konzelebriertes Totenamt; er wird weiterhin als „treues Mitglied“ geführt.
Alles aber, was außerhalb des Werkes geschieht, wird mit Argusaugen verfolgt: Die Agenda eines Geschäftmannes, die Arbeitsaufträge eines Diözesanpriesters, alles, was eine Putzfrau in einem Gerichtsgebäude, der Chauffeur eines Politikers oder eines Bischofs hört, was ein Kellner in einem Lokal erfahren hat, alles das wird gesammelt wie das Wasser in einem Stausee. Als ein ehemaliger Schulkollege von mir in das Benediktinerstift Göttweig aufgenommen worden war und eine Romreise unternommen hatte, erzählte er einem Bischof beim Abendessen, er sei mit einem Mitglied des Werks befreundet. Dieser habe gelacht und den Kalauer von sich gegeben: „Opus Dei, qui tollis pecuniam mundi, dona nobis partem.“ – „Du nimmst hinweg das Geld der Welt, gib uns eine Teil davon.“ Sehr dringend wurde ich von meinem damaligen Leiter ermahnt, ich müsse unbedingt herausfinden, um welche Exzellenz es sich hier gehandelt habe, wir seien verpflichtet, Fehleinschätzungen unserer „Mutter“, des Werkes, zurechtzurücken. Ebenso wurde ich gebeten, einen Funktionär der ÖVP, der damals unserem Apostolat nahestand und der, als ausgezeichneter Autofahrer, zwei prominente Politiker chauffiert hatte, daraufhin anzusprechen, ob er nicht Fahrer des Nuntius werden wolle; ebenso „versorgte“ das Opus Dei den Salzburger Erzbischof Georg Eder mit einem Chauffeur, einem dem Werk nahestehenden Gendarmen, aber auch mit einem Redakteur für sein Diözesanblatt und mit einem Regens für sein Priesterseminar.
Ich hatte im Februar 1986 Besinnungstage gemacht, die Dr. Torelló predigte; wir hörten mit Begeisterung seine leidenschaftlichen Betrachtungen, und besonders beeindruckte mich sein Vortrag über die Laikalität. „Ich liebe die Welt“, schrie er mit Stentorstimme in die Kapelle und zog mit Häme über eine weltfremde Haltung her, sich von den Bedürfnissen der Zeit, Politik, Wirtschaft, Gewerkschaft absentieren und nur süffisant aus der Ferne darüber befinden zu wollen. Zwar nahm uns allen am Ende dieses Kurses unser Leiter unsere Aufzeichnungen ab; aber mich hatten die Ausführungen Torellós doch so weit beeindruckt, daß ich mich bei der ÖVP in meinem Bezirk meldete und meine Mitarbeit beim Präsidentschaftswahlkampf anbot. Da es gerade keine aktive Jugendgruppe im Bezirk gab, wurde ich zum provisorischen Obmann ernannt und erhielt bald darauf auch ein Bezirksratsmandat.
Selbstverständlich versuchte ich auch meine politische Arbeit für das „Apostolat“ zu nützen; als sich ein Landtagsabgeordneter in meiner Anwesenheit zufällig bei seiner Sekretärin erkundigte, was denn eigentlich das geheimnisvolle „Opus Dei“ sei, war es eine Frage von Stunden, bis sich der Beauftragte für das Apostolat der öffentlichen Meinung auf meine Vermittlung hin bei ihm meldete; als sich die Freundin des Landesobmanns der Jungen ÖVP und Inhaberin eines Referats in der Bundeszentrale abfällig über die „Methoden“ des Opus äußerte, erschien ich unangemeldet in ihrem Büro und wies sie zurecht.
Bekannt ist das Bemühen um den Heiligen Vater und die Bischöfe. Als Johannes Paul II. im September 1983 das erste Mal nach Wien kam, wurden zwei Numerarierinnen in die Nuntiatur eingeschleust; die Firma „Kastner und Öhler“ ließ Willkommenstransparente drucken, die wir an allen Ecken der Stadt und, in halsbrecherischen Aktionen auf Fensterbrettern turnend, hoch in der Luft montierten (und die allem Anschein nach niemals bezahlt worden waren); die polizeilichen Absperrungen in Mariazell wurden von dem erwähnten Numerarier, der in der Grazer Polizeidirektion arbeitete, organisiert – und natürlich so manipuliert, daß ausschließlich Angehörige des Werkes nach vorne gelangten. Deren „Huldigungen“ wurden schließlich sogar der Entourage des Papstes zuviel; ein junger Supernumerarier, der den Großteil der Strecke vom Hubschrauberlandeplatz bis zur Basilika laufend an der Hand der Papstes zurückgelegt hatte, wurde schließlich durch die Ohrfeige eines Schweizergardisten in Zivil außer Gefecht gesetzt. Ich selbst ließ mich durch einen älteren Bruder dazu anstiften, dem Heiligen Vater die Anwesenheit von tschechischen Sympathisanten des Opus Dei vorzutäuschen. Eine solche Form der Mimikry hat im Werk Tradition; María Tapia erwähnt (Hinter der Schwelle, 218), daß sich im Zentralhaus beim Besuch eines Bischofs die Spanierinnen versteckten, während eine Mexikanerin, eine Französin und eine Japanerin sowie einige Irinnen vorgeführt wurden; so sollte Universalität vorgetäuscht werden. Der Bekannte führte mich zu einer Rechtskurve in der Walfischgasse, in der das Papamobil abbremsen mußte, und lehrte mich, auf Tschechisch „Hoch lebe der Papst und Kardinal Tomašek!“ zu rufen. Im geeigneten Moment sprang ich, meinen Spruch rufend, vor, überwand die erste Motorradreihe, und als ich dem Papst ein tschechisches Bildchen Escrivás in die Hand drücken wollte, hatte ich auch schon eine Hand am Rücken – und war kurzfristig festgenommen worden. Für brave Buben, die nie Indianer gespielt haben, bietet das Werk also eine willkommene Spielwiese, und ich hörte, wie ein junger spanischer Priester sich damit brüstete, an einem drückend heißen Augusttag, als nur noch die Vertretung der Vertretung anwesend war, ins Archiv der Jesuiten im Borgo Santo Spiritu eingedrungen und so überzeugend als Kirchenhistoriker aufgetreten zu sein, daß man ihm ein die Societas Jesu kompromittierendes Manuskript ausgehändigt habe.
Auf ähnliche Weise wurde auch Benedikt XVI. „eingekocht“. Kardinal Ratzinger, der dem Werk reserviert gegenüberstand, wurde in den achtziger Jahren in das internationale Seminar „Cavabianca“ bei Rom eingeladen; sein Empfang war generalstabsmäßig geplant. 400 Seminaristen feierten eine Gregorianische Messe, danach gab es Ratzingers Leibgericht mit seinem Lieblingswein, und im Anschluß daran ein – ebenfalls sorgfältigst geprobtes – geselliges Beisammensein, in dem, bunt gemischt und spontan wirkend, Mitglieder aus der ganzen Welt sangen, musizierten, aber auch durch anekdotisch vorgebrachte Zeugenberichte das universale Apostolat des Werkes anschaulich machten.