Alpenland-Mitteilungen Nr. 2/10 (10/10), Zeitung der KÖHV Alpenland, S. 17-19 (http://www.alpenland.or.at/uploads/media/alp-mitteilungen_1010_02.pdf)

 

Abschied vom Opus Dei?

 

Wie sich doch die Zeiten ändern!  Als am 16. Oktober 1978 eine jubelnde Menschenmenge den neu gewählten, sportlichen  und fast noch jugendlich wirkenden Johannes Paul II. begrüßte, war die Welt noch in Ordnung. Die Erde war säuberlich in zwei Hälften geteilt, die eine gut, die andere sehr böse, aber das Gute würde siegen: Das polnische Volk, geschart um seine Hirten, begann aufzumucken; am anderen Ende des Sowjetimperiums brachte der CIA den Mujaheddin bei, wie sie Satan mit Subversion und Stingerraketen  besiegen können.

Speerspitze der zu neuem Selbstbewusstsein erwachten Kirche war eine spanische Gruppierung, die mit der Hilfe Francos und gegen den Widerstand der Jesuiten zu großem Einfluss gekommen war – das Opus Dei. Es war, so wie andere „Bewegungen“ (Communione  e liberazione, Neokatechumenale Gemeinschaften, Cursillo) durch zahlreiche Priesterberufe ausgezeichnet (die man in diesem Fall auch, an den teuren Soutanen, als solche erkannte), durch zahlreiche und begeisterte jugendliche Gefolgschaft und durch einfluss- und kinderreiche Laien in ihren Reihen. Da sie sich der Heiligung der gewöhnlichen Arbeit verschrieben haben, kannten sie sich ziemlich gut aus; und das begann man innerhalb der Kirche zu schätzen – und zu fürchten. Wenn ein Nuntius einen Fahrer, ein Bischof einen Redakteur für sein Diözesanblatt oder fachliche Auskunft benötigte, z. B. ob es stimmt, dass vergewaltigte Frauen seltener schwanger werden, wie einer tollkühn behauptet hatte[1] – die Soldaten Gottes sprangen in die Bresche und genossen es sehr, gebraucht zu werden und in einem sonst weltfremd dahin dümpelnden Milieu Einfluss auszuüben. Hinter den Kulissen geschah freilich noch mehr: Sorgfältig wurde aufgezeichnet, wer in Kirche und Gesellschaft welche Ansichten hat und vertritt; vor allem hinsichtlich der Bischöfe und ihrer Mitarbeiter war man immer ganz im Bilde. Als beispielsweise einmal Bischof Laszlo von Eisenstadt zufällig  im Flugzeug neben Ignacio Carrasco aus Rom saß, der damals innerhalb des Opus Dei für die Anwerbung von Diözesanpriestern zuständig war, und als der Monsignore nach der gegenseitigen Vorstellung den Mund nicht halten konnte, sondern Laszlo die exakte Zahl seiner Priester und den Namen seines Vikars nennen konnte, war dieser zurecht  schockiert – und lancierte das Gerücht, Klaus Küng sei auf seine Diözese als sein Nachfolger angesetzt.

Johannes Paul wusste, was er an den „Ledernacken Gottes“ (© Basilius Streithofen) hatte oder zu haben glaubte. Nachdem es ihm der Orden im Sommer 1982 durch eine kräftige Finanzspritze ermöglicht hatte, die Anteile der Vatikanbank am Banco Ambrosiano auszulösen, revanchierte er sich noch am 23. August mit der offiziellen Ankündigung, das Säkularinstitut Opus Dei werde zur Personalprälatur erhoben. Er hätte ihnen ja sogar den Rang einer Personaldiözese vergönnt, aber einer seiner engsten Berater riet ihm heftig ab: Kardinal Ratzinger.[2]  Das war aber erst der Beginn einer heftigen Liebesbeziehung; als das „Werk“ 1983 im deutschen Sprachraum unter Beschuss geriet, holte sich der Papst demonstrativ am Beginn des neuen Jahres als ersten Besucher den Prälaten del Portillo in den Vatikan und besuchte eine Opus-Dei-Pfarre in Tiburtino. Vierzig Ordensangehörige hat er im Lauf seines Pontifikats zu Bischöfen gemacht, zwei von ihnen zu Kardinälen; den Gründer hat er 1992 selig-, dann 2002 heiliggesprochen, den Vatikan mit dem „Intelligence Service“ durchsetzt.  Nur in einem Punkt hatte er Pech: Als das Opus-Mitglied Alois Estermann (außerhalb der Reihe) zum neuen Kommandanten der  Schweizergarde ernannt wurde, kostete ihn das noch am selben Tag das Leben – es gibt eben mehr Menschen, die ein vitales Interesse daran haben, 44 ha extraterritoriales Gebiet mitten in Italien nutzen zu können, und Estermann hatte peinlicherweise angekündigt, er werde in Zukunft für eine rigidere Kontrolle der vatikanischen Außengrenze sorgen…

So war die Prätorianergarde des Heiligen Vaters aufgestellt und für den Kampf gegen Luzifer  gerüstet; wenn es jemand wagte, etwas gegen sie zu sagen, dann waren es Linke, Links­katholiken oder eifersüchtige Ordensleute, denen ihr Publikum davonlief.

Heute sieht die Situation anders aus. Während der polnische Papst ganz auf den Showeffekt aus war und am Ende noch ganz telegen und erbarmungswürdig vor sich hin starb, macht sein Nachfolger aus Deutschland nunmehr das, was er kann: Ordnung. Dabei zeigt Benedikt  XVI.  ein diplomatisches Fingerspitzengefühl, das ihm niemand zugetraut hätte, der einige seiner entgleisten öffentlichen Auftritte mit verfolgt hat. Nach und nach, und ganz unauffällig werden die Herren aus Spanien abserviert: zuerst der Pressesprecher, Joaquin  Navarro-Valls, Kardinal Re… Am meisten dürfte Seine Heiligkeit dem Opus wohl mit seinem Wunsch auf die Nerven gegangen sein, in Sidney in einem Zentrum des Werkes zu übernachten: Zähneknirschend begrüßten sie ihren zu Ehren gekommenen Lieblingsfeind, dessen Werke bis zu seiner Ernennung als Präfekt der Glaubenskongregation für Opus-Mitglieder verbotene Lektüre waren. Noch machen die Herren gute Miene, noch pflegen sie ihre Kontakte, aber die Probleme sind unübersehbar:

Es gab manche Versuche, hier eine Kirche in der Kirche zu schaffen. Es wird weh tun, diesen Auswuchs, von dem sich viele vieles erhofft haben, zu beschneiden, aber es ist jetzt an der Zeit.

Dietmar Scharmitzer



[1] Es war dies Georg Eder, der sich medizinische Schützenhilfe  vom Institut IMABE erbitten musste.

[2] Vgl.  „Acta et Documenta“ der Päpstlichen Kommission zur Interpretation des Codex Iuris Canonici, Vollversammlung vom 20. – 29. 10., Vatikan 1981, 402 f.

[3]  Vgl. Giancarlo Rocca: Gli studi accademici di s. Josemaría Escrivá y Albás. In: Claretianum, Bd. XLIX, 2009, S. 241-297

[4] Vgl. Anna Calzada: Die Gründungslegende des Opus Dei. http://www.opusfrei.org/show.php?id=130

[5] Die „Gründungsbriefe“  wurden von Alvaro del Portillo ins Lateinische übersetzt und kommentiert, dann wurden sie ins Spanische rückübersetzt, angeblich, damit es so „würdiger klingt“, und die Originale vernichtet. Welcher Wissenschaftler, welcher Theologe geht so mit Dokumenten eines kanonisierten Heiligen um? Die meditativen Werke des Gründers „Die Spur des Sämanns“ und „Im Feuer der Schmiede“ wurden gar erst in den achtziger Jahren ans Licht gezogen; es gibt starke Hinweise, dass sie von Ignacio Carrasco geklittert wurden. Und während alle Unterlagen und Dokumente zu Escrivás Studium (angeblich) im Spanischen Bürgerkrieg verloren gegangen sind, tauchten, o Wunder, neuerdings 50 von ihm vor der Flucht gehaltene Predigten auf.