Schriftliche Stellungnahme von José María Escrivá zum Generalkongress des Standes der Vollkommenheit, Rom 1950

 

Der hochwürdigste Herr José Maria Escrivá de Balaguer, Generalpräsident des Opus Dei, hat geschrieben (S. 272-276):

Damit die Fragen leichter zu stellen und klarer zu beantworten sind, die die juristische Verfassung betreffen, wird es hilfreich sein eine Methode anzuwenden, die im kanonischen Recht erfahrene Männer zu brauchen pflegen, indem man nämlich einen zweifachen Gesichtspunkt erwägt; daraus geht die im kanonischen Recht allgemein übliche zweifache Unterscheidung hervor, die die Leitung der Institute hinsichtlich der Verfassung und hinsichtlich der Lebenspraxis betrachtet.

Die Besonderheit unseres Beitrags verlangt es allerdings, dass wir das Thema weder ausführlich behandeln noch einzelne Gesichtspunkte desselben unterschiedlich darlegen; dennoch hielten wir es für passend, die oben erwähnte Unterscheidung zu verwenden, um die Frage mit der geeigneten Methode zu klären und dann an einige Anmerkungen zum uns vorgegebenen Thema passender und mit mehr Ertrag zu umreißen.

Wir haben also vor, die Leitung der Institute den freilich geänderten Verhältnissen anzupassen, die durch den Dienst und das Lehramt der Kirche den "Stand der Vollkommen­heit" erst vervollständigen. Es ist nicht zweckdienlich, sofort die Erlaubnis zu erteilen, dass religiöse Institute errichtet werden, die mit der typischen hierarchischen und universalen Rechtsform ausgestattet sind; allerdings ist es hilfreich, je nachdem es nützlich oder angebracht erscheint, die Zeit abzukürzen, indem man [vorerst] Institute mit minderer juristischer Form anerkennt, worunter Fromme Gemeinschaften, Sodalitäten etc. zu rechnen sind. Außerdem muss man darauf bestehen und dringen, dass eifrig und sorgfältig darauf  geachtet werde die Errichtung von solchen in Rede stehenden Instituten zu gestatten, insoweit sie sich eines gewissen Fortschritts und Zuwachses erfreuen, nicht nur an offenkundiger Kraft und Tugend, sondern dass sie auch aktuellen Fortschritt zeigen, das heißt, dass sie von der Anzahl her ausreichend Mitglieder haben und dass diese mit einem festen Urteil und einem in der Tugend gebildeten Geist begabt sind und dass diese Institute über die nötigen Mittel und Instrumente verfügen.

Die Erfahrung lehrt allerdings, dass die Institute, von denen die Rede ist, an Festigkeit gewinnen, wenn sie eine bestimmte Zeit aushalten müssen, bevor sie eine höhere juristische Form erlangen. Nachdem dies vorausgeschickt ist, halten wir in erster Linie das für beachtenswert, was aus Art. IX der Apostolischen Konstitution "Provida Mater Ecclesia" von Papst Pius XII. erfließt, in der mit großer Klugheit und Bedachtsamkeit eine Regelung getroffen wird, die im Wortlaut wie folgt besagt: "Die interne Leitung der Säkularinstitute kann in einer Hierarchie geordnet werden, die mutatis mutandis der Leitung der Orden und der Gesellschaften des gemeinsamen Lebens entspricht, nach den Anordnungen derselben Hl. Kongregation und gemäß ihrer jeweiligen Natur, ihrer Zielsetzung und Umstände.

Wenn man technische Fragen außer Acht lässt, die passender in Zusammenhang mit den jeweiligen Einzelfällen zu behandeln sind, empfiehlt es sich, damit man nämlich sagen könne, die Leitung dieser Institute entspreche den neuen Verhältnissen, dass sie bestmöglich der Natur, dem Ziel du den Bedingungen jedes einzelnen Institutes anzupassen sei, sodass ein Institut den neuen Zeitverhältnissen umso eher angepasst genannt werden könnte, je leichter und unmittelbarer das jeweils besondere Ziel erreichbar ist.

a) Wir denken, dass in dieser Angelegenheit jene Versammlungen nutzbringend sein können, von denen uns die Säkularinstitute je nach Stand von Praxis und Erfahrung berichtet haben oder berichten werden, wenn sie neue spezifische Ziele definieren, mit denen sie neue Lösungsansätze versprechen, die mutatis mutandis auch auf die Ordensinstitute angewendet werden können. Wenn man Wesen, Ziel und Rahmenbedingungen dieser Institute untersucht hat, dass nicht nur Formen mit lokaler und diözesaner Leitung zugelassen werden sollen, die nach Recht und Verdienst in Föderationen und Konföderationen eingeteilt werden können.

b) Zu wünschen ist, dass ein Ius particulare, das in Zukunft, wenn er von der Kirche anerkannt ist, steuert, und dass er wie ein neu eröffneter Weg mehr Instituten die Gelegenheit gibt, zu leben und zu wachsen, deren Eigenart, Zweck und Umstände eine bestimmte Lebensform, ein für jede Region besonderes Apostolat oder eine föderative oder konföderative Askese fördern oder nahelegen.

Wie bekannt ist, entstehen Gesellschaften des gemeinsamen  Lebens ohne Gelübde (Tit. XVII C.I.C.) auf höchst nützliche und wirksame Weise, wie sie oben vorgetragen wurde, die beginnen, die besondere Rechtsform der Säkularinstitute anzunehmen (1)

Ganz besondere Aufmerksamkeit verdient die neueste Lehre, die Föderationen von Nonnen fördert. (2)

Einige von den Regeln und Urteilen, von denen ich sprechen werde, können den größten Nutzen dazu beitragen, um Priestergesellschaften, die die Vollkommenheit befördern sollen, juristisch zu regulieren.

 c) Was die juristische Form der Konföderationen betrifft, so halten wir es für bemerkenswert, dass man sich, je nachdem es die Natur oder der Zweck des Instituts erfordert oder die Bedingungen des Apostolats es empfehlen, bemühen muss, dass sich die Konföderationen nicht wie bloß moralische Vereinigungen verhalten. Deshalb ist es nötig, dass angemessene juristische Leitungsmodaltäten  gegeben werden, wie beispielsweise die Möglichkeit, dass Mitglieder je nach den Bedürfnissen des Instituts oder des Mitglieds, an einen anderen Ort versetzt werden, das Recht zu visitieren oder dass einem (einer?)  von den Konföderationen  die Obsorge für den direkten Verkehr mit dem Apostolischen Stuhl verliehen wird, sowie die Aufsicht über Wahlen und über Entlassung.

d) Darüber hinaus ist es angebracht, dass die Superioren zu verschiedenen Anlässen Zusammenkünfte über die Zusammenarbeit in wirtschaftlichen Fragen und besonders in Werken, die ein gemeinsames Anliegen der gesamten  Konföderation sind, darunter  ganz besonders die Sorge um die recht Bildung der Mitglieder der Vereinigung. Zu solchem Zweck zusammen­gerufene Zusammenkünfte werden sich sehr wirksam dahin auswirken, dass die Statuten in gleichmäßiger Treue eingehalten werden und der von den Älteren überlieferte Eifer und der Geist des Instituts sichergestellt sind.

Diese Konföderationen werden daher, wie es die neuen Zeitumstände erforderlich machen, religiöses Leben fördern und erneuern, wo sein Eifer wankend geworden ist, sie werden einander gegenseitig Hilfe leisten, nachdem die die Bedingungen von Heute erkannt haben, um ihr geistliches und materielles Leben zu fördern.

Wir glauben, dass es zu gestatten und zu fördern ist, sofern Sache und Klugheit es anraten, dass sich Institute in einem Oberen Rat zusammenschließen, der sich aus Beauftragten der einzelnen zusammensetzt, die freigestellt sind, um sich den Arbeiten und dem Wachstum der Früchte des Apostolates zu widmen. Jene Institute aber können sich zusammenschließen, die vom gemeinsamen Eifer beseelt sind, dieselben Ziele haben und denselben Gründer oder dieselbe Regel und denselben Eifer nach religiöser Übung.

[Anmerkung: Selbstverständlich geht es hier um das Tandem Opus Dei – Priestergesellschaft vom Heiligen Kreuz.]

Wie es angebracht ist, dass sich die Institute mehr und mehr den neuen Zeitverhältnissen gegenüber anpassen, jedoch, unserer Meinung nach, unter Berücksichtigung von Wesen, Zweck und Lebensbedingungen der einzelnen Institute, so sollen sie sich klug und weise gemeinsam darauf ausrichten, was den Zusammenhalt des Instituts fördert, dass das Vermögen weise verwaltet und die Mitglieder sicherer ausgebildet und angeleitet werden können.

e) Da die Gelegenheit gegeben ist, halten wir es nicht für überflüssig, die Oberen der Institute, die den Stand der Vollkommenheit bilden, zu erinnern, dass sie sich in dieser bedeutenden Angelegenheit nicht nach den Grundsätzen orientieren, wie in den Staatswesen die politische Leitung verfasst ist. Denn dort herrscht das Prinzip, möglichst wenig zu geben und sich abzuverlangen, wie asketische und juristische Beispiele lehren.

Wie offenkundig ist, muss man davon ausnehmen, was die Einrichtung von Wahlen nach den rechtmäßig eingeführten Satzungen betrifft. Allerdings sind auch in dieser Frage, je nach der Sachlage, die Notwendigkeiten zu berücksichtigen und zu erwägen, die sich aus der Natur, dem Zweck und den Umständen jedes einzelnen Instituts ergeben.  Um eine Vereinheitlichung (Zentralisation) zu erreichen, soll kurz auf diesen Grundsatz verweisen werden: Die Leitungsgewalt der Oberen ist sicherzustellen, sei es auf örtlicher Ebene, auf der Ebene der Provinz  oder auf der obersten Ebene, denn sie sind die die Grundlage jeder Leitung des Instituts, und zugleich werden sie dafür Sorge tragen, dass sie von einem Oberen einer höheren Leitungsebene beaufsichtigt werden, wie es Gerechtigkeit und Klugheit mit sich bringen, sodass die Untergebenen fester und sicherer geschützt werden und die Willkür eines Oberen von seinem unmittelbaren Vorgesetzten außer Kraft gesetzt werden kann.

Sehr passend erscheint es außerdem, dass Generalmoderatoren der religiösen Institute das Recht haben, Mitgliedern, die dessen würdig sind, die littera dimissoria für die Weihe auszustellen.

f) Bevor wir zum Schluss kommen, halten wir es für notwendig, einiges in Hinblick auf die interne Leitung der Institute in Bezug auf die Jurisdiktionsgewalt des Ortsordinarius zu bemerken.

Um die Frage recht zu stellen, muss zunächst einiges über die Exemtion vorausgeschickt werden,  gemäß der allen bekannten juristischen Natur von Fachkundigen des Kanonischen Rechts als „immunitas a iurisdictione“ [Befreiung aus der Rechtsgewalt] bezeichnet wird und die zwei Aspekte umfasst, die genau zu beachten sind, wenn jene Exemtion nicht als etwas Unvollkommenes oder gar Anstößiges erscheinen soll. Die Exemtion hat also gewissermaßen den negativen Aspekt, dass sie die juristische Befreiung aus der Vollmacht des Ortsordinarius mit sich bringt. Darüber hinaus ist allerdings der positive Aspekt zu erwägen und zu bemerken, der die wahre Bedeutung und Berechtigung der Exemtion zeigt, denn wo auch immer die Jurisdiktionsgewalt des Ortsordinarius unzuständig ist, greift direkt und unmittelbar die Gewalt des Heiligen Stuhles ein.

Die Exemtion bietet zwei weitere Gesichtspunkte bzw. Gesichtspunkte, die sorgfältig zu bedenken sind:

Der erste ist der innere Aspekt, der darauf abzielt, das Leben und die Aktionen einer Gesellschaft,  die nach dem Vollkommenen Leben strebt, auf geeignete Weise durch eine interne Leitung zu bewahren.

Eine solche Exemtion hinsichtlich Leitung, Verwaltung, Disziplin und Ausbreitung des Instituts ist zu betreiben, sofern jedenfalls sie die notwendige innere Autonomie als von der Kirche anerkannte Institute deren spezifischem Zweck dient.

Es ist aber nützlich, den äußeren Aspekt der Exemtion zu mäßigen, sodass die Ortsordinarien ihre Leitung und Inspektion wirksam ausüben können in dem , was ihren territorialen und diözesanen Dienst und die öffentliche Ordnung betrifft oder angehen kann, wie z. B. Vergehen, die Klausur, finanzielle Einkünfte etc.

Um die Frage ordnungsgemäß zu beantworten, muss ein wenig über die Art gesagt werden, der gemäß eine Zentralisation wunschgemäß durchzuführen sei. Es ist ein Gebot der Klugheit, dass der Vorgesetzte die Zentralisation de jure nicht in eine Zentralisation de facto überführt, sondern sie geschieht nach Art einer Herde, die sich von Herzen eifrig bemüht, dass jeder einzelne der Mitglieder sein Bestes gibt, dass er jedem das Seine gibt, sich selbst aber der eigenen Verantwortung immer bewusst ist und sich Rechenschaft darüber gibt, dass er seinen Untergebenen die Freiheit nicht verweigern darf, die ihnen von Rechts wegen zusteht.

Eine solche Ausübung der Leitung wird wohlerfahrene Männer hervorbringen, wie eine Schule des rechten Urteils, und sie wird zugleich die apostolischen Früchte des Instituts fördern.

Die Oberen sollen erwägen, dass die juristische Gewalt, die ihnen übertragen ist, um Angelegenheiten zu entscheiden, um Angelegenheiten zu entscheiden, nicht nach Gewohnheit oder leichthin zu treffen ist, aber auch nur selten im striktesten Sinn, sondern mit größter Mäßigung.

Wer eine Leitungsaufgabe innehat, soll sich durch die verbreitete Meinung derer nicht irremachen lassen, die glauben, dass die Leitungsämter Mitgliedern in fortgeschrittenem Alter übertragen werden sollen, sondern soll es hoch einschätzen,. neben der Weisheit und Erfahrung der Älteren auch die Kräfte und den Eifer der Jüngeren, die alles optimistisch beurteilen, dem Institut Vorteil und Nutzen bringen. Jüngere Mitglieder lassen sich tatsächlich viel leichter und mit weniger Umständen lenken, versetzen oder ersetzen.

Häufige Versetzungen können, wenn sie nicht übertrieben werden, der die Art der Leitung fördert, weil sich mehr Mitglieder in Rat und Weisheit üben. Folglich wird auch jene im asketischen Leben bekannte Gefahr vermieden, dass einer nicht weiß, was für ihn vonnöten ist.

Vor der wiederholten Wahl derselben Person in ein Leitungsamt soll man keine Angst haben, sie soll jedoch auch nicht maßlos geschehen; diejenigen, die das Amt zu leiten übernehmen,  müssen dies zum Wohl der Gemeinschaft und zum geistlichen Fortschritt der Mitglieder tun, damit niemand den Eifer und die Freude am Gehorsam verliert.

 

(1) Vgl. das Motu propio Primo feliciter vom 12. März 1948:  „8 IV. Die hierarchische Gliederung nach Art einer organischen Körperschaft, sei es innerhalb von Bistümern oder im Bereich der Gesamtkirche, kann auf die Weltlichen Institute angewendet werden (ebd. ART. IX). Sie ist ohne Zweifel dazu angetan, ihnen innere Lebenskraft sowie weiterreichenden, wirksamen Einfluss und Festigkeit zu verleihen. Doch muss bei dieser Organisation, die den einzelnen Instituten anzupassen ist, folgendes berücksichtigt werden: die Eigenart des Zieles, das ein Institut verfolgt; der größere oder geringere Ausbreitungswille, die Entwicklungs- und Reifestufe, die Verhältnisse, in denen es sich befindet, und andere Umstände ähnlicher Art. .Auch jene Institutsformen sind weder abzulehnen noch gering zu schätzen, die auf Zusammenschluss beruhen und räumlich auf einzelne Länder, Gegenden oder Bistümer begrenzten Charakter beizubehalten oder maßvoll zu pflegen beabsichtigen, sofern diese räumliche Einschränkung berechtigt und mit dem Geist der katholischen Kirche zu vereinbaren ist.“

(2) Vgl. die Apostolische Konstitution  Sponsa Christi.