Chewaka:  Assoziierter mit 15

 

Nachdem ich eure letzten Beiträge gelesen habe, habe ich mich sehr betroffen gefühlt. Von meinem Eintritt in den Jugendclub (im Alter von 9 Jahren) bis zu meinem Austritt aus dem Opus (mit 21; dank Gott und einigen echten Freunden) erlebte ich eine sehr wichtige  Zeit für meine Entwicklung.

Es war schlimm : ich habe dort gelernt zu rauchen, zu trinken, zu fluchen (schließlich waren wir ja keine Nonnen...), und außerdem waren wir Assoziierten ja die zweite Klasse im Werk, die „Arbeiterklasse“. Was für eine Zeitvergeudung – hier beginnt die Unbildung…

Ich habe von klein auf sehr gerne gelesen, und als ich mit 15 gepfiffen habe, haben sie von mir verlangt, ich solle um Rat fragen was ich lesen dürfe. Mein erster Auftrag als Assoziierter war, die Bibliothekskartei auf Vordermann zu bringen und die Bewertungen der Bücher einzusortieren. Aufgrund dieser Zensur konnten also meine Freunde lesen was sie wollten und ich nicht. Es war eine schwere Belastung für das Gewissen, wenn ich etwas las, was auch nur die Bewertung 3 hatte. Folglich verzichtete ich aufs Lesen, um mir einen Gewissenskonflikt zu ersparen. Einen Punkt aus dem „Weg“ habe ich nie verstanden : Dem, der gelehrt sein kann, verzeihen wir nicht, wenn er es nicht ist. [332]

Ich ging gern ins Kino, und da ich sehr „apostolisch“ war, ging ich mit einem Freund (14 Jahre) Ben-Hur anschauen. Der Direktor verbot es mir, wie ich es kommen gesehen hatte. Sie hatten mir erklärt, dass da Kino verboten war. „Aber Mensch, es ist Ben-Hur, und Jesus kommt darin vor,... ich kann mit einem Freund gehen und Apostolat machen,... ich habe ja auch schon die Karte gekauft,...". Aber nein, ich konnte den Direx nicht überzeugen (ein paar Jahre später wurde er geweiht, kaum war er mit dem Architekturstudium fertig)

Also:

1.- Es ging mir nicht den Kopf, was das Kino mit dem Geist von Zuhause zu tun haben sollte.

2.- Was sie mir über die arme, aber kinderreiche Familie sagten, hinderte mich nicht eine Eintrittskarte zu kaufen.

3.- Ich blieb meinem Freund im Wort – die Freundschaft kam für mich zuerst.

4.- Für mich war klar, dass ich meine Freiheit gebraucht hatte, denn dazu war die Freiheit da.

5.- Ich liebte meine Freunde, weil es meine Freunde waren, und für mich war diese Freundschaft wichtiger als die Interessen des Werkes (tatsächlich habe ich niemals eine Berufung zum Werk gebracht, weil ich meine Freunde respektiert habe und sie mich, und das hat mir nicht das Opus beigebracht, sondern meine Mutter). Ich machte wohl Apostolat mit ihnen, aber ohne Zwang, mit Respekt, auf meine Weise.

6.- Deshalb ging ich mir mit meinem Freund diesen Film anschauen.

Und was für ein Wirbel, der Direktor erschien wirklich im Kino und holte mich heraus. Ich habe mich fürchterlich geschämt, mein Freund ist ausgeflippt. Klar, ich musste ihm dann sagen, dass mir die Spiritualität der Sache, wo ich beigetreten war, verbietet ins Kino zu gehen. (Als ich das Opus verließ, ging ich jeden Mitt­woch – dem Kinotag – und jedes Mal, wenn ich eine Prüfung geschafft hatte, mit meinen Freunden ins Kino).

Diese Anekdote spiegelt nahezu m,eine gesamte Zeit im Opus wider. Es war immer dasselbe, der Mangel an Freiheit. Mit dem Hinweis auf die Gelübde des Gehorsams, der Armut und der Keuschheit haben sie dich psychologisch eingewickelt, dich wirtschaftlich abhängig gemacht, dich mit Aufträgen noch und noch unter Druck gesetzt. Ich glaube nicht, dass man mit 14 schon eine Idee hat was Gelübde sind. Mir war allerdings klar, dass ich Supernumerarier sein wollte, wie mein Vater. „Nein, Mensch, deine Berufung ist … ASSOZIIERTER!“ Ah, gut, klar, Assoziierter, danke.

Ich musste damit aufhören, im Sommer einen Zeichenkurs zu halten (um mir ein paar Groschen dazuzu­ver­die­nen), denn es kamen auch Mädchen hin und man darf mit der Versuchung nicht spielen. Aus familiären Gründen gab ich aber einer Cousine und deren Freundin Unterricht. Lange Zeit passierte nichts, aber ich musste den Unterricht zu den unmöglichsten Zeiten halten, damit die im Club nichts merkten. Und mit ihren verschrobenen Kriterien belasteten sie so noch weiter mein Gewissen...

Jedenfalls las ich nichts mehr, ich ging nicht mehr ins Kino, sammelte keine Schallplatten mehr. Statt dessen begann ich zu rauchen, zu trinken, im Beisammensein Kraftausdrücke zu gebrauchen und mir dabei gut vorzukommen; um unsere kulturelle Bildung kümmerte sich niemand. Heute, mit vierzig, habe ich das Rauchen aufgegeben, ich trinke, wenn ich will, und wenn nicht, dann nicht, ich achte darauf, welche Ausdrücke ich verwende (meine Frau hilft mir dabei). Merkwürdigerweise habe ich mein Architekturstudium abgeschlossen (ich hatte es in Navarra begonnen, und als ich ging, machten sie es mir zusätzlich schwer). Merkwürdigerweise gibt es außerhalb der Vereinigung frische Luft zum Durchhalten, und es ist möglich, mit dem Stockholm-Syndrom fertigzuwerden.

Sagen wir einmal, ich habe versucht, die verlorene Zeit aufzuholen. Ich habe eine heftige Abneigung gegen die Mittelmäßigkeit entwickelt, die sie mir nahebringen wollten, die berufliche, die apostolische und die theologische. Sie haben keine Bildung. Hätten sie ein Minimum an Kriterien, wüssten sie, was sie den Seelen antun.

Chewaka

 

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