Flieder: Sich von allem freimachen

 

20. Juli 2011

 

Ich schreibe euch, weil ich berichten möchte, wie sich meine Frau und ich wieder ein wenig vom Opus freimachen konnten. Wir waren beide Numerarier, aber meine Frau war zuerst noch Supernumerarierin...

Normalerweise geht es uns Nummis im Werk viel schlimmer als den Supers. Allerdings erleben sie eine Form der Vergewaltigung, die uns erspart bleibt. Man „lädt sie ein“, „wenn es ihnen angebracht erscheint“, geistlichen Sperrmüll einzukaufen, eine ganze Opus-Bibliothek.

Natürlich müssen es die Bücher sein, die der Gründer (angeblich?)geschrieben hat: „Der Weg“, „Die Spur des Sämanns“, „Im Feuer der Schmiede“; dann natürlich auch „Freunde Gottes“ und „Christus begegnen“. Dann kommen die ersten, die die Lehre Josemarías verstanden und ausgedeutet haben: „Siempre Alegres”, „Ascética meditada”... Und um den „Geist des Werkes“ kennenzulernen, je nach dem Fortschritt deiner Gehirnwäsche, kaufst du dir die Biografien Escrivás, von Peter Berglar, von Pilar Urbano, von Ana Sastre (im Spanischen machte man gern den Scherz über das Buch „de-Sastre“, der ersten von Vázquez de Prada, und dann der über-drüber-tollen dreibändigen).

Ich mache einen Absatz, damit wir durchatmen können. Der „freiwillige“ Bücherkauf der Supis endet hier keineswegs: Sie bringen auch noch die Biografien der vergessenen Montse, des Dr. Cofiño, der Guadalupe Ortiz de Landázuri an den Mann, dazu noch die manipulierten Geschichten der einzelnen Regionen: „Soñad y os quedaréis cortos”, oder „Un mar sin orillas”. Dazu müssen sie vor ihrem Jahreskurs noch die entsprechenden Unterlagen kaufen, die ein gescheiter Univ. Prof. aus Pamplona oder Rom geschrieben hat, und die Oberstreber schaffen sich die kritische Ausgabe des „Weges“ an! Und die Heftchen über die christlichen Tugenden und wie der Schmerz christlich zu ertragen ist. Und außerdem, liebe Supernumerarierin, lieber Supernumerarier, wie willst du Christus ähnlich werden, wenn du dein Gebet nicht mit der kommentierten Evangelienausgabe der Universität von Navarra verrichtest?

Nun, meine Frau war eine so vorbildliche Supernumerarierin, dass sie all das kaufte, und dann wurde sie Numerarierin. Ihr guter Geist brachte sie dazu, den ganzen spirituellen Müll zu kaufen; überraschenderweise durfte sie als Numerarierin all das behalten und es bei ihrem Ausstieg auch wieder mitnehmen.

Nun kam die Stunde der Befreiung. Diese Ferien haben wir uns vorgenommen, das Wohnzimmer zu entrümpeln, und welchen Sinn  sollte es haben, dass wir unseren kostbaren Platz mit der Opus-Bibliothek verstellen? Nach einer gefinkelten Analyse, die exakt drei Minuten dauerte, beschlossen wir, uns von allem zu trennen. Wir verpackten die Opus-Bibliothek in verschiedene Schachteln, packten sie auf den Gepäckträger unseres Autos, das sich wie unter einer schweren Last bewegte, und fuhren in die Gegend der Stadt, in der die Antiquariate sind.

Wir kamen zum ersten. Der Buchhändler durchwühlte die Kartons, sah uns misstrauisch an und meinte, er würde uns lediglich die „Kirchengeschichte“ von José Orlandis um zwei € abkaufen. Meine Frau und ich dachten, das Problem bestünde darin, dass spirituelle Bücher in einem Antiquariat keinen Absatz fänden, das nicht auf spirituelle Literatur spezialisiert ist, und so suchten wir eine Buchhandlung mit alten spirituellen Büchern. Wir fanden sie und boten die Opus-Bibliothek an. Der Dialog mit dem Buchhändler brachte es ganz schnell auf den Punkt: „Alles, was Sie mir das bringen, ist sehr teuer, aber das kaufen nur Leute vom Opus, und die lieben es nicht gebrauchte Bücher zu kaufen. Ehrlich gesagt, wenn Sie etwas dafür bekommen wollen, muss ich sie Ihnen für den Kilopreis Papier abnehmen“. Da wir keine Lust hatten, noch mehr Zeit mit der Opus-Bibliothek zu vergeuden, boten wir ihm alles für den Kilopreis an. Darauf sagte er: „Jetzt verstehe ich Sie. Sie wollen kein Geschäft machen, sondern sich von einem Karma befreien. Diese Bücher stellen eine bedrückende Form dar, das Christentum zu leben“. Wir standen mit offenem Mund da.

Wir ließen ihm die Schachteln für zehn  € da. Und als wir nach Hause fuhren, war uns viel, viel leichter, und wir hatten ein paar Euros um uns Eis zu kaufen.

Flieder