Zum Tod von Johannes B. Torelló, 15. August 2011

 

Heute starb während der Heiligen Messe der ehemalige Consiliarius des Opus Dei in Italien und Österreich und langjährige Pfarrer der Wiener Peterskirche, Prälat DDr. Johannes B. Torelló. Obwohl er intern wegen seiner eigenständigen Haltung geschnitten wurde - er hat zahlreiche Aufzeichnungen darüber, was ihm alles an der Praxis des Werkes bedenklich schien, hinterlassen, seine "Jeremiaden" - und obwohl es den Mitgliedern des Werkes nicht gestattet war, sich bei seinen Predigten Notizen zu machen (bzw. sie ihnen anschließend abgenommen wurden) und Bischof Küng ihm nachgesagt hat, er habe "noch nie etwas für das Opus Dei getan", schätzte man es doch, in ihm einen der ganz wenigen Intellektuellen im Werk zu haben, der weit über die engen Grenzen der Sekte hinaus bekannt und beliebt war. Der bis ins hohe Alter quirlige und auch geistig beweglich gebliebene Priester hatte sich durch seine menschliche Art eine große Zahl von Freunden gemacht, vom Prominenten-Ehepaar Zilk bis zum "liberalen" Theologieprofessor Zulehner. Seine Predigten füllten die Peterskirche, und wenn das Opus Dei in Österreich Sympathie genießt, so geht das zu einem ganz großen Teil auf diesen echten "Seel"-Sorger zurück. Mit einer vom Herzen gut durchbluteten Demut war er als Person präsent. Unvergesslich bleibt die Art, wie er etwa in aller Einfachheit verkündete: "Wer spricht von Wunschkindern? Ich war kein Wunschkind. Mein Eltern haben mich nicht gewollt. Wie hätten sie mich wollen können - sie haben mich ja gar nicht gekannt. Und wenn sie mich gekannt hätten, hätten sie mich gewollt, so wie ich bin: klein, kahl?" Und als ihm in der Schweiz ein Herr Stierli vorgestellt worden war, meinte er: „Ja, so heiße ich auch“. 
Eben diese Demut ließ ihn aber auch immer selbstbewusst sein, weil nicht er, nicht seine Bildung und seine Person es war, die im Mittelpunkt stand, sondern Der, für den er am Altar stand, und diese ihm wohl bewusste Fallhöhe zwischen Mensch und Sendung ließ ihn wahre Meisterwerke barocker Predigkunst schaffen und machte ihn zu einem gesuchten Vortragenden. Anekdotisch war, wie er Magnifizenz Hans Tuppy damit utzte, er habe "auch ein Rektorat"; ohne Scheu widersprach er öffentlich dem Autor des Buchs "Die österreichische Seele" mit dem genialen Anwurf, dieser tanze seinen "Ringel"-Reihen um das goldene Schwein. Und meistens war es sein Wort, das berührte, wenn ihm auch manchmal der Zufall zu Hilfe kam, der seine Wirkung drastisch steigerte. So predigte er vor vielen Jahren einmal in Palermo, und als er vom Teufel sprach, der uns vom rechten Weg ablenken möchte, kam ein großer schwarzer Hund in den Dom, der vor dem draußen tobenden Gewitter Schutz gesucht hatte, und setzte sich in den Mittelgang. Den braven Sizilianern standen die Haare zu Berge.

 

Aber auch seinen Brüdern sagte er ungescheut, was ihm auf dem Herzen lag. Die Knauserei, wenn es darum ging, ein gutes Werk zu tun, war ihm ebenso zuwider wie die dumme Selbstgenügsamkeit der "Mainstreamer", die glaubten, es reiche schon aus, wenn man einmal im Opus Dei gepfiffen habe, und müsse sich ansonsten keine Mühe mehr geben, wenn  man nur gehorche. Er ertrug es schwer, als man ihm aus seiner Kirche ein Herz-Jesu-Bild aus dem 18. Jahrhundert entfernte, um an seiner Stelle ein läppisches Escrivá-Porträt aufzustellen. Der halbgebildete Numerarierpriester, der aufgeschnappte Sätze, von Augustinus bis Ramon Llull, unbesehen "unserem Vater" zuschrieb, brachte ihn ebenso auf wie der Typ des nonchalanten Besserwissers, der es nicht nötig zu haben glaubt, sich für die Dinge dieser Welt, die Wirtschaft, die Politik, die sozialen Fragen zu engagieren oder auch nur ernsthaft zu interessieren. "Nichts Schlimmeres kann uns passieren", rief er bei einer Betrachtung jungen Numerariern zu, "wenn man über euch schmunzelt und sagt: Sie sind lieb, aber weltfremd". Und er setzte in voller Lautstärke hinzu, was der Gründer im Vatikan gebrüllt haben soll, als man ihm, um es sich einfach zu machen, empfahl das Werk als Ordensgemeinschaft approbieren zu lassen: "Ich liebe die Welt!!!" Und manche, die aus dem Opus Dei gingen oder hinausgeworfen wurden, hat er als Seelsorger weiterbetreut, getraut, begleitet; nicht alle denken heute noch daran. "Was wir wegschmeißen, hebt er wieder auf", äußerte einer der karrieregeilen Lausbuben mit Collare. Manche seiner Brüder machten sich sogar darüber lustig, dass er immer auch für die zur Verfügung stand, die nicht nur den Geistlichen, sondern auch die Hilfe des promovierten Psychiaters suchten.

 

Damit hat er sich nicht nur Freunde gemacht; er wurde geschnitten, verächtlich gemacht, marginalisiert; wo er gesammelt hat, zerstreut jetzt ein anderer. Er lebte noch lang genug um zu sehen, wie der Klingelbeutel wichtiger wurde als der Tabernakel, und er litt darunter. Das "Werk Gottes" hat ihn, mit der ihm  eigenen Schäbigkeit, die es von seinem Gründer gelernt hat, ausgenützt und ausgepresst wie eine Zitrone. Während der eine "Bruder" die Lesefrüchte aus einem vergriffenen Buch Torellós in immer neuen Vorträgen für eigene Geistesblitze ausgab, hat der andere, einer seiner Kapläne, wann auch immer er die Mittagsmesse hielt, nachdem er während der von Torelló zelebrierten Frühmesse vom Beichtstuhl aus zugehört hatte, die Predigt seines Vorgängers kopiert. Und nur Gott weiß, was dieser Priester in seinen letzten Lebensjahren, isoliert und von seinen Pfarrkindern, die ihn  verehrten, mit Absicht ferngehalten, von der Bosheit seiner "Geschwister" erleiden musste. Der Wahrheit zu Ehren, damit die, die sehen und doch nicht sehen wollen, wes Geistes Kind das "Werk Gottes" ist, sich darüber klar werden können, veröffentlichen wir seine Hilferufe.

Johannes B. Torelló ist heute heimgegangen. Dem marianischen Priester mit dem großen Herzen und dem großen Geist, dessen besondere Liebe immer noch Italien gehörte, war es vergönnt, nach dem Purgatorium seiner letzten Monate am Fest der Aufnahme Mariens hinüberzugehen. Wir behalten ihn  so in  Erinnerung, wie er, ebenso andächtig wie lausbübisch, am Ende einer Predigt während der Novene zur Immakulata, verzweifelt über die Beschränktheiten der deutschen Sprache, auf die Brüstung der Kanzel klatschte und ausrief: "Vergine Madre, figlia del tuo figlio - ach, Italienisch is´ viel schöner!"

 

Diejenigen, die ihn im Leben gequält haben, mögen ihn wenigstens jetzt in Frieden ruhen lassen.

 

Dietmar Scharmitzer

 

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Notizen von Dr. Torelló an die Leiter des Opus Dei in Österreich


Querido Pepe! Lieber Pepe [Horcajada]! Ich bitte euch inständig, dass ihr um der Liebe Gottes willen nicht so maßlosen Druck auf mich ausübt. Ich weiß nicht, wodurch ich euch beleidigt habe, dass ihr mich auf diese Weise bestraft.

Pepe: Meine Situation ist sehr traurig. Ich hätte mir niemals vorgestellt, dass man mich Zuhause [= „im Opus Dei“] auf eine solche Weise misshandelt.  Ich war vielleicht naiv. Heute erfüllt mich diese „grausame“ Vorgehensweise mit Groll – ich ertrage sie mit der größten Würde, das ist die Frucht der Buße.

Sagt mir offen, worin ich euch beleidigt habe, damit ich um Vergebung bitte. Wenn es dich interessiert, ich ziehe es vor, dass ihr mich ins Spital bringt: dort werde ich respektiert und mit dem Notwendigen versorgt. Dort habe ich eine Kapelle in der Nähe, wo ich  bete und die hl. Messe feiere.

Immer dankbar

Juan Bautista


Lieber Josep Maria [Riera, Mitglied der Regionalkommission des OD in Österreich]! [Brief auf Katalanisch] Es scheint, als hättet ihr beschlossen mich zu liquidieren. Mich berührt das nicht, denn ich habe bereits resigniert. Ihr löscht mich aus, aber Gott wird mir helfen. Die Konzelebrationen gefallen mir nicht, wie Unserem Vater. Aber „oboedientia tutior“ [Der Gehorsam  ist sicherer].

Leb wohl!

Juan Baptista

7.xi. 2009


Lieber Pepe [Horcajada]!

Wenn sie aufgrund meiner Hinfälligkeit glauben, dass ich mich für euch in eine schwere Last verwandelt habe, bitte ich euch inständig, dass ihr mich nicht einem wildem Kerl überlasst, der mich pflegen soll. Ich ziehe es vor, dass ihr mich ins Spital bringt, dort kennen sie mich, dort respektieren sie mich und besorgen mit das Nötigste, und ich habe eine Kapelle in der Nähe, in der ich jeden Tag die hl. Messe feiern kann. In St. Elisabeth [das Spital, Landstraßer Hauptstraße 3] bin ich behütet und gut begleitet..

Verbittert mir nicht die letzten Jahre meines Lebens.

Ich werde sicher bald sterben und euch nicht länger zur Last fallen.

Juan Bautista

22. XII. 2009