Salypimienta: Die Rose von Rialp

Das phantastische Epos eines Beinahe-Märtyrers

 

Was den Spanischen Bürgerkrieg betrifft, so habe ich noch immer viele Fragen über Anekdoten, die ich tausende Male im Opus gehört und in Büchern des Opus gelesen habe. Allerdings habe ich sie niemals von den direkt Betroffenen gehört, nicht einmal von Pedro Casciaro, der doch dabei gewesen ist.

Ich erinnere mich daran, dass ich die Geschichte ziemlich oft gelesen habe, in einer der Biografien von Vázquez de Prada, in „Der Mann von Villa Tevere“, in „Träumt, und die Wirklichkeit wird eure Träume noch übertreffen“ („Soñad y os quedaréis cortos“) und auch noch in einem anderen Buch, an dessen Titel ich mich nicht mehr erinnere. Ich habe diese „Geschichte“ auch in vielen Beisammenseins erzählen hören, und immer kam sie mir ein wenig fantastisch vor, wie sie da versteckt in der Einschicht in Rialp gesessen sind und wie der Gründer ohne Grund in aller Herrgottsfrühe losgezogen ist mit dem festen Entschluss, das Martyrium erleiden zu wollen. Die Legende weiß zu berichten, dass der Mann wie ein Schlosshund weinte, dass er wie ein Blatt zitterte und in Panik geriet bei dem Gedanken, dass er binnen kurzem ins Himmelreich eingehen würde, denn die Ketzer waren ihm fast schon auf den Fersen, die ihn um die Ecke bringen wollten; aber wenn Gott es so wollte, würde er, José María, es so akzeptieren. Die Geschichte erzählt weiter, dass einer der Begleiter ihn tröstete und zu beruhigen versuchte, ich weiß aber nicht mehr wer das war. Soweit habe ich mich in die Heiligenlegende der Santa Mafia vertieft, und jetzt stelle ich mir einige Fragen...


Wie ist es möglich, dass jemand, der angeblich im Seminar immer nur ausgezeichnete Noten hatte, keinen Tau von den Bedingungen hat, die zu einem Martyrium gehören? Zunächst einmal ist ein Märtyrer jemand – nach Aussage aller Lexika – der sein Leben hingibt um seinen Glauben zu verteidigen. In den  allermeisten Fällen wurden Märtyrer bis zum Tod gefoltert.

Ich weiß, dass viele Menschen im Bürgerkrieg das Martyrium erlitten, aber beim hl. Josemaría war das aus verschiedenen Gründen recht unwahrscheinlich. Erstens war er bei der Überquerung der Pyrenäen weder als Priester noch als Mönch angezogen, weder als Nonne noch als Bischof... und er hatte auch nichts in seinem Gepäck, was darauf hindeutete, dass er überhaupt Katholik war. Denn eben die erwähnten Bücher erzählen auch, dass sie sich beim Aufbruch ihrer Kruzifixe, Medaillen, Skapuliere und anderer Dinge entledigten, die auf eine besondere Affinität zur Religion hingewiesen hätten, und um den Rosenkranz beten zu können, mussten sie die Finger zum Abzählen der Avemarias nehmen. Tatsächlich wird auch in den erwähnten Schriften erzählt, dass er Hostien in einem Zigarrenetui bei sich hatte, und in einem bestimmten Moment zog er es vor sie zu konsumieren als sich einer Gefahr auszusetzen.

Mehr noch, der heilige Josemaría hat ja schon von dem Moment seiner Priesterweihe an ein Vagabundenleben geführt und stets getrachtet seine Spuren zu verwischen, vermutlich deshalb, dass ihn ein Onkel, der Kleriker, nicht an den Ohren nach Saragossa zurückschleift, um ihm bei der Aufnahme eines ordentlichen priesterlichen Lebens zu helfen. Es war da ziemlich illusorisch zu denken, dass sie ihn in den Pyrenäen zum Märtyrer machen würden. Und für den Fall, dass er dort getötet worden wäre, so wäre es nicht wegen seines Glaubens gewesen, sondern weil die Soldaten damals ziemlich wenig Verständnis dafür hatten, dass Zivilisten zwischen der Spanischen Republik und Nationalspanien hin- und herspazierten, und in einem Krieg werden solche Dinge eben mit der Todesstrafe geahndet, ohne dass man sich einen Deut um Heiligkeit oder Religion oder sogar politische Zugehörigkeit geschert hätte.

Es scheint, dass Sanktjosemaría in der Nacht seines eingebildeten Martyriums – wobei er eine Fantasie bewies, wie sie nicht einmal Luis Buñuel in seinen Filmen zeigte – die Jungfrau Maria bat, dass sie ihm ein Zeichen geben möge, und so fand er „die Rose von Rialp“. Ob das wirklich so war, wissen wir nicht, und ich persönlich bezweifle es. Als ich im Jahr 1986 gerade erst die Oblation gemacht hatte, wir feierten ein A-Fest, zeigte man uns im Beisammensein die „Rose von Rialp“. Es waren Farbfotos, und man sah eine mehr oder weniger kreisförmiges Gebilde, ganz verkohlt, und man hätte uns alles Mögliche einreden können, was es gewesen sein mag. Auf jeden Fall brauchte man eine gute Fantasie und vor allem viel guten Willen, um in dem Ganzen eine verschmorte Rose zu entdecken [Kenner der Materie behaupten, es handle sich um einen stilisierten Granatapfel, der, mit seiner zähen Schale und den schmackhaften Kernen, ein uraltes Symbol des Studiums bzw. überhaupt der Tugend sei]. Viele Jahre später, ich stand fast schon vor meinem Abgang aus dem Werk, wieder war es das Beisammensein an einem A-Fest, kündigte man uns an, dass man uns aus der Delegation als Geschenk Fotos der „Rose von Rialp“ geschickt habe, die noch niemals vorher fotografiert worden sei da drinnen haben sie wohl ein ganz schlechtes Gedächtnis. Es war eine wunderschöne goldene Rose, ganz anders als die, die sie uns 21 Jahre zuvor gezeigt hatten. Naiv wie ich war, sagte ich, dass uns doch vor zwanzig Jahre andere Fotos gezeigt worden wären. Der Effekt war, dass sie Miene machten mich zu töten: eine brüderliche Zurechtweisung für den schlechten Geist, eine andere, weil ich dem widersprochen hatte, was eine Direktorin gesagt hatte, und außerdem erklärten sie mir, dass die Rose von Rialp restauriert worden sei, um Gott die Ehre zu geben (?). Nun dachte ich immer, dass Reliquien so aufzubewahren seien, wie man sie gefunden hat... aber offenbar war ich falsch informiert gewesen.

Eine feste Umarmung.

Salypimienta