Adrenalina: Die Verlogenheit des Prälaten I
12. Oktober 2011
Mit Überraschung lesen wir im dem Brief des Prälaten des Opus Dei, datiert vom 2. Oktober dieses Jahres, eine große Neuigkeit. Wenn sie wahr wäre, würde das Opus Dei in eben diesem Moment aufhören zu existieren:
„Im Werk ist die Trennung zwischen der juristischen und der hierarchischen Leitung unter anderem dadurch garantiert, dass gerade diejenigen, die in der geistlichen Leitung die Aussprachen entgegennehmen — die lokalen Direktoren und einige andere Gläubige, die die entsprechende Vorbereitung besitzen, sowie die Priester, wenn sie das Sakrament der Buße spenden — keinerlei Leitungsgewalt über die Personen haben, die sie betreuen. Die örtliche Leitung bezieht sich, was die Leitungsgewalt angeht, nicht auf die Personen, sondern nur auf die Organisation der Zentren und der apostolischen Aktivitäten; die Funktion der örtlichen Direktoren beschränkt sich in dem, was sich auf ihre Brüder bezieht, auf geschwisterliche Ratschläge. Dabei kommt es zu keinen Überschneidungen zwischen juristischer Leitung und geistlicher Hilfe. In der Prälatur ist die einzige Grundlage der Leitung über die Personen die Rechtsprechung, die der Prälat und seine Vikare ausüben“.
Was der Vater wirklich damit sagen wollte, ist, dass sich die Leitung im Opus Dei auf die Praxis stützt, dass über Menschen Entscheidungen getroffen werde auf der Basis von Informationen, die man aus der geistlichen Leitung gewonnen hat [Anm. d. Übersetzers: Das ist allerdings durch das Dekret Quemadmodum vom 17. Dezember 1890 strikt verboten; dieses Faktum kennt jeder Seminarist oder Ordensangehörige durch die Unterscheidung von Forum externum und Forum internum].
Unsere gelebte Erfahrung lehrt uns, dass das, was der Prälat des Opus Dei in seinem letzten Brief schreibt, eine glatte Lüge ist. Was er schreibt, ist falsch; so, wie er es darstellt, was das Opus Dei niemals organisiert.
Dieser Paragraf widerspricht vollkommen den Lehren des heiligen Josemaría. Seit seiner Gründung sind die Direktoren (wörtlich „Leiter“) im Opus Dei diejenigen, die leiten sowie gleichzeitig diejenigen, die tatsächlich die geistliche Leitung der Mitglieder ausüben. Mehr noch, in den geheimen Leitungsdokumenten steht, dass es „das Werk selbst ist, dass die seinen Mitgliedern die geistliche Leitung erteilt“, und auf diese Weise ist sichergestellt, dass sich die Direktoren völlig frei über das austauschen könnne, was sie von ihren Untergebenen in der geistlichen Leitung erfahren haben, sie können Informationen weitergeben und Leitungsentscheidungen auf der Basis dieser Kenntnisse treffen (z. B. einen Numerarier in ein anderes Zentrum schicken, ihm einen Wechsel der Arbeitsstätte befehlen, disziplinäre Maßnahmen setzen etc. Erinnern wir uns nur an den Satz, den wir tausendmal gehört haben: „Die Direktoren haben mehr Informationen“. Woher? Wie kommen sie dazu?
Gibt Prälat Echevarría etwa vor, den „Geist des Opus Dei“ ändern zu wollen?
So etwas würde er niemals wagen. Dieser Absatz dient viel mehr der propagandistischen Camouflage gegenüber dem Heiligen Stuhl angesichts der Zurechtweisung, die der Heilige Vater dem Prälaten erteilt hat, als er ihn darauf hingewiesen hat, dass seine Methoden der hierarchischen und der spirituellen Leitung unmoralisch sind.
Der ganze Brief [der auf den deutschsprachigen Webseiten der Prälatur übrigens nicht veröffentlicht ist, dort steht nur das Schreiben vom Vortag, Anm.] ist eine peinliche Augenauswischerei, drapiert um den Paragraphen 14, mit dem der Prälat den Papst selbst betrügen möchte.
Der Prälat des Opus Dei lügt. Er schreibt (natürlich nicht er persönlich, denn im Opus Dei ist Javier Echevarría lediglich ein Codename für das Konsortium der Chefideologen), dass im Opus Dei eine theoretische Trennung zwischen Leitungsfunktion und geistlicher Leitung existiert, während in der Praxis eine solche Trennung doch völlig unmöglich ist.
Der Prälat sagt, dass nur die Vikare Leitungsfunktionen in der Prälatur haben. Eine nichtssagende, reine Entdeckung! In der Praxis leiten die Vikare aufgrund der Informationen, die sie durch die geistliche Leitung erhalten haben. Die Vikare kennen die Mitglieder nicht wirklich. Wenn sie sie sehen, so einmal flüchtig in einem Beisammensein, das ja. Aber sie leben nicht mit ihnen zusammen, sie haben keinerlei Kontakt mit ihnen und leben isoliert in ihren Büros der Delegationen und Kommissionen. Noch viel weniger wissen sie von den Frauen (wenn sie denn die „Trennung“ tatsächlich leben). Es ist völlig unmöglich, die beiden Funktionen im Opus Dei voneinander zu trennen, nämlich die hierarchische und die spirituelle Leitung, ohne dass das Kartengebäude in sich zusammenstürzt. Und außerdem wurde uns immer erklärt, dass „die Direktoren die geistliche Leitung ausüben“.
Erhellend sind hier die Artikel von Oráculo Die Freiheit der Gewissen im Opus Dei und von Antonio Ruiz Retegui Lo teologal y lo institucional. Diese Schriften erklären erschöpfend, wie das Opus Dei wirklich funktioniert und welche Konsequenzen sich daraus ergeben. Bei Autoren sind zuverlässig; der erste ist hoch gebildet, der andere Numerarierpriester der Prälatur, der „entdeckt hat, wo der Hund begraben liegt“, und dies in einem brillanten Artikel dargelegt hat.
Adrenalina