Gervasio: Die kleinen Dinge des Gründers

9. April 2007

 

Eigentlich will ich Ihn mit der Untersuchung dieser kleinen Dinge nicht attackieren – das geschieht jedenfalls auch – sondern Ihn in diesen bedeutungslosen Dingen von seinem Podest holen – oder eigentlich überhaupt. Ich tue das nicht, um meine Wut an ihm auszulassen. Vielleicht macht ihn all das ohnehin auch nur menschlicher.

 

1. Eine der ersten Dinge, an die ich mich erinnern kann, die sie mir über den Vater erzählten — er war noch nicht Unser Vater, und auch noch nicht St. Josefmaria —, kurz nachdem ich gepfiffen hatte, betraf das Unverständnis und die Verleumdungen, die er erleiden musste. Getrieben von seiner Liebe zum Herrn in der Eucharistie, reinigte er die Kapelle mit Parfum – nein, nicht mit parfümiertem Wasser, sondern mit einer sehr teuren Essenz. Die „Verleumdung” bestand darin, dass die Gläubigen, die zur Kommunion gingen, sich kritisch  über den starken Parfumgeruch in der Kirche äußerten!..

Als sie mir das, als frisch eingekauftem Mitglied, erzählten, fiel ich in einen Lachkrampf, aus dem ich mich nicht mehr befreien konnte. Für mich wie für jeden anderen normalen Menschen war das die Geschichte von einem Dorftrottel; und ich lachte weiter. Die Konsequenz war, dass die Weisung ausgegeben wurde, diese Anekdote nicht mehr weiter zu erzählen. Das verstehe ich ja noch. Was ich aber nicht verstehe, ist, dass uns danach x-mal die Weisung vorgelesen wurde, die Kapellen seien einfach mit Wasser zu säubern.

Gut, wenn man sich wie ein Dorftrottel benimmt, bedeutet das eine leidvolle Erfahrung. Aber man sollte daraus eben keinen wichtigen „Erfahrungszettel“ machen.

2. Nicht immer war er der Dorftrottel. Wenn jemand anderer patzte, gab es einen allgemeinen Hinweis, damit die anderen nicht in denselben Irrtum verfielen. Ich erinnere mich an einen Hinweis, wie man ein Telegramm aufsetzen solle, um mitzuteilen, dass man mit dem Flugzeug ankommen werde. Kern der Aussage war jedenfalls, dass man mir möglichst wenig Worten auskommen solle, wie genial! Ein solcher Hinweis muss bei allen Jahreskursen verlesen werden. Es könnte sein, dass er weiterhin verlesen wird, auch wenn es zurzeit der SMS keine Telegramme mehr gibt. Man erzählt sich, dass ein Wachsoldat neben einer frisch gestrichenen Bank stand, ganz treu, auch als sie bereits trocken war, denn man hatte vergessen ihn  weggehen zu lassen. Dem Vater gefiel so etwas. „Welche Treue“, kommentierte er.

Was die interne Bürokratie betrifft, so gab er häufig Anweisungen in eine Richtung, die von echten Fachleuten auf diesem Gebiet abgelehnt werden. Ich denke, dass er keine Ahnung hatte, wie eine ordentliche Organisation laufen sollte.

Und so hat er uns genervt. Am Anfang habe ich das noch für genial gehalten, denn diese Regeln waren absolut ungewohnt, sodass man sie für den Ausdruck einer besonderen Erleuchtung halten konnte. Nachher bin ich dann draufgekommen, dass sie lediglich Ausdruck vollkommener Ignoranz waren.

Seine „Instruktionen“ — ich beziehe mich nicht auf die so genannten Instruktionen von St. Raphael, St. Gabriel oder die „Erfahrungen über die Art und Weise Proselytismus zu machen“ etc., die  das nicht im eigentlichen Sinn sind, sondern auf die persönlich erteilten Belehrungen, so etwa die Vorschriften an diejenigen, die Leitungsfunktionen innehatten. Sie hatten das Glück, darüber informiert zu werden, „wie man Freunde gewinnt“, „wie man in der Öffentlichkeit spricht“, „zehn Ratschläge zum Verhalten auf Reisen“. All das ist aber primitiv – und es nimmt alles so furchtbar ernst. Ich wundere mich nicht, dass sie nicht wollen, dass das veröffentlicht wird.

Ich entnehme den Informationen dieser Seite, dass der Gründer den geistigen  Horizont eines einfachen Leiters hatte, nicht eines Generalpräsidenten. Der Vater war Weltmeister im Zweimeterlauf – wenn er in einem Beisammensein zehn oder 20 Personen vor sich hatte, konnte er reden und  faszinieren. Deshalb liebte der Vater das Beisammensein als Mittel, um an Menschen heranzukommen, und im Großen und Ganzen war er ein Kind, mit seinen Wut- und Zärtlichkeitsaus­brüchen, in seiner Naivität und in den lichten Momenten, die er manch mal hatte, in seinem Schuldgefühl für dumme Kleinigkeiten und das Übergehen von Dingen, die niemals geschehen hätten dürfen.

3. Fische fängt man mit dem Kopf. Man muss das Apostolat mit den Intellektuellen forcieren. Wir haben eine große Aufgabe zu erfüllen, auf dem Gebiet der Kultur, der Frauenmode etc.

Der Gründer glaubte nicht an die Intellektuellen. Es ging ihm da ungefähr wie Katharina der Großen von Russland. Sie machte sich die großen Geister ihrer Epoche zu Freunden und erreichte, dass sie gut von ihr sprachen, und sie schuf sich sogar Anhänger. Aber als Diderot am russischen Hof auftauchte und ihr Ratschläge geben wollte, was sie zu tun habe, wies sie ihm die Tür und versicherte ihm, dass er von Regieren keine Ahnung habe, dass man zwar leicht über diese Dinge schreiben könne, weil Papier geduldig ist, aber von der Sache verstünde er gar nichts. Ihre tiefsitzende Missachtung der illustren Köpfe hinderte sie nicht daran, ihnen Pensionen auszusetzen und ihnen so angenehme Arbeitsbedingungen zu schaffen.

Als der Gründer sagte, dass man die Intellektuellen gewinnen müsse, meinte er nicht, dass wir uns auf ihr gefährliches und schlüpfriges Terrain begeben sollten, denn manche ihrer Lehren seien höchst gefährlich. Vielmehr sollten wir sie für uns gewinnen. Das Gleiche meinte er mit der Welt der Damenmode. Ob man im kommenden Herbst Rot oder doch eher Pastellfarben tragen solle, interessierte ihn überhaupt nicht; aber dass es sich die Modeschöpfer angelegen sein ließen, anständige, dezente Stücke vorzustellen, das hielt er für überaus wichtig. Infolge dessen haben die Frauen im Werk die volle Freiheit, sich zu kleiden und zu schminken wie sie wollen, wobei es sich allerdings versteht, dass einige ganz wenige Normen christlicher Bescheidenheit Beachtung finden. Die Sorge darum drückt sich in Hinweisen, Kriterien und Anmerkungen aus, auch in der Hinsicht, dass es nicht gut sei wenn alle gleich aussähen. Ein gemeinsamer Nenner, aber gaaaaaaanz verschiedene Zähler. Das Ergebnis davon ist es, dass man den Numerarierinnen schon von weitem den gemeinsamen Nenner anmerkt. Um das Ideal christlicher Dezenz in der Welt der Mode zu verbreiten, müssen die Modeschöpfer nicht unbedingt vom Werk sein. Es genügt, wenn sie auf der Seite des Werkes sind.

— Die scholastische Philosophie ist heilig und unfruchtbar, hörte ich ihn einmal sagen.

Dieses Bonmot kam nicht von ihm, aber es entsprach ihm. Er wiederholte es auch nicht oft, wie man vermuten kann, weil es die kränkt, die sich mit diesem Gebiet beschäftigen. ich selbst habe es einmal von ihm gehört. Er glaubte nicht an philosophische Systeme. Er glaubte weder an die scholastische Philosophie noch an irgendeine andere. Uns ließ er die scholastische Philosophie studieren, weil sie mit dem kirchlichen Lehramt kompatibel ist und also die anderen Systeme dem Glauben gefährlich werden können. Und dasselbe geschah ihm mit der Theologie oder jeder anderen kulturellen Errungenschaft. Sichere Lehre in jedem möglichen kulturellen Umfeld, alles andere ist vom Bösen.

Diese kulturelle Ignoranz brachte ihn dazu zu bemerken, dass wir niemals eine eigene philosophische oder theologische oder sonst eine wissenschaftliche Schule vertreten werden. Wenn er sagte, dass wir „auf diesen Gebieten völlig frei seien“, meinte er einen sehr schmalen Streifen an Freiheit. Die Bücher zu zensurieren bedeutet schließlich noch nicht eine eigene Schule zu begründen, sondern lediglich wachsam sein. um die reine Lehre aufrecht zu erhalten. Mit der Art der Numerarierinnen sich zu kleiden verhält es sich ähnlich. Der gaaaanz unterschiedliche Zähler bleibt angesichts des gemeinsamen Nenners unsichtbar.

Der Gründer verstand es, die Menschen über ihr Herz zu gewinnen. Seine Schriften – Der Weg, beispielsweise -   und seine Beisammenseins beruhen nicht auf der Entwicklung von Gedanken, sondern sie wenden sich an das Herz des Lesers oder Zuhörers. Das eine ist zu tun, er bittet dich um jenes. Und man musste selbst den logischen Zusammenhang dessen suchen, was er verlangte oder nahelegte.

Deshalb werden die Bildungsmittel von Frömmigkeit getränkt gereicht. Ohne Frömmigkeit erscheint dem Zuhörer die Lehre nicht nachvollziehbar. „Hier, vor dem Allerheiligsten, in Gegenwart von jenem Jesus, der für uns am Kreuz gestorben ist, müssen wir erwägen, dass…“ Wenn sich die Szenerie nicht in der Kapelle abspielt, wo dich der Prediger immer wieder „Mein Bruder!“ nennen kann, sondern das Wohnzimmer oder ein Besucherzimmer, wird immer wieder ein „ich empfehle dir“ oder ein „wir müssen empfehlen, dass“ eingefügt.

Die Gurus intellektueller, musikalischer und kultureller Bewegungen jeder Art wissen sehr gut, dass ihr Erfolg nicht nur von der Qualität des Produkts abhängt, das sie anbieten, sondern auch und vor allem, dass sie die Wünsche der Menschen darauf richten. Ihr Angebot kann der Wahrheit entsprechen oder nicht. Ich möchte nicht in diese Falle tappen. Vielleicht ist es wichtig, die Philosophie ernst zu nehmen, die Opernsaison, die nächste Wintermode etc. – vielleicht aber auch nicht. Woran ich aber nicht zweifle, ist, dass das Werk seine Unfähigkeit bewiesen hat, die Intellektuellen anzusprechen, die Modeschöpfer, die Theologen, die Philosophen und die Hausangestellten.

4. Ich habe mir niemals den Puls gemessen. Und wenn ich mich nicht täusche, so hat er das auch nur gesagt, um zu betonen, wie wenig er auf sich selbst achtete. Ich habe mir jedenfalls niemals gedacht:

— Ich habe keinen Don Alvaro und muss mir deshalb selber den Puls messen.

Normalerweise antwortet man jemandem nicht, der solche Sachen daherredet, und schon gar nicht, wenn er ein heiliger Gründer ist.

5. Wenn es Nacht wird, ist immer Arbeit liegen geblieben, sagte er, gleichsam als Beweis für seine Arbeitsamkeit. Ich habe niemals zu dieser Schule gehört; meine Einstellung war immer, mich erst hinzulegen, wenn alles erledigt ist. Deshalb achte ich auch darauf, dass ich mir keine Arbeit aufhalse, die ich nicht bewältigen kann. Manchmal bleibt mir dann sogar etwas Zeit über. Ich bleibe dabei. Ich halte es für Laxheit, eine Arbeit anzufangen, bei der es egal ist, ob sie fertig wird oder nicht.

Ich habe meine Lektion gelernt. Und nicht nur ich. Wir, seine Mitarbeiter waren immer mit Arbeit überhäuft, die wir nicht abschließen konnten. Es war immer ein Fass ohne Boden. Deshalb gibt es in der Bürokratie des Opus Dei so viele Faulpelze. Viel Arbeit zu haben, ist ein Grundsatz. Dass das Werk mehr Geld braucht, ist ein anderer Grundsatz. Dass wir uns nicht langweilen dürfen, ebenfalls.

6. Alles am Vater war besonders, genial, einzigartig, außerordentlich, ungewöhnlich. Eine dieser ganz besonderen Dinge war die Universität von Navarra. Während vieler Jahre – so belehrte mich ein Priester, einer von denen, die dir „unverhoffte Horizonte“ eröffnen – sei die Universität von Navarra Gegenstand des beharrlichen Gebets und der Abtötung des Vaters gewesen. Als ein Mexikaner, PB., das erfuhr, spießte er den Vater bei einer Tertulia auf – es war keines dieser Beisammenseins mit vielen Teilnehmern, sondern eines in Villa Tevere mit den Studenten vom Collegium Romanum:

— Vater, ich weiß schon, dass Sie viel Freude an Universitäten haben. Wenn Sie möchten, könnte man in Mexiko eine oder zwei gründen. Dort ist das ganz einfach.

Das brachte ihn aus dem Konzept. nach einer kurzen Weile zog sich der Vater zurück.

Wir verdanken PB noch eine weitere Irritation. Er fragte ihn:

— Vater, warum sagen Sie uns, dass wir dem Herrn sehr dankbar dafür sein sollen, wenn wir an Ihrer Messe teilnehmen konnten?

Ich habe mich das in der Tat auch schon gefragt. Nachdem ich die Aussage des Tridentinischen Konzil über den Unterschied zwischen „ex opere operantis” und „ex opere operato”, verinnerlicht hatte, erschien es mir einerlei, ob der Vater oder irgendein anderer Priester die Messe zelebrierte. Es erschien mir ein Privileg, an einem Beisammensein des Vaters teilnehmen zu können, ihn zum Greifen nahe zu haben, ihn fragen zu können. Die Messe war etwas anderes.

Es gab noch einen dritten Beitrag von PB. Diesmal war der Vater vorbereitet – er triumphierte, und PB. musste den Schwanz einziehen.

Ein vierter Beitrag von PB. gab wieder ihm Recht. Von da an mussten wir Numerarier keine Primen und keine Complets mehr singen. Vorher gab es das bei bestimmten Gelegenheiten.

Der Wahrheit zu Ehren muss man sagen, dass sie mich tatsächlich fragten: Wer im Werk hat dir Anlass für deine Unruhe gegeben, deine Kritik? Ich hätte antworten sollen: nur der Vater. Die anderen überhaupt nicht.

Aber sie schenkten dem Bedeutung, was er ihnen sagte. Außerdem bestand seine ganze Begabung, sein Charisma darin, andere zu beeinflussen - inklusive Papst und Kurie – und sie dahin zu bringen, das, was sie tun mussten, zu tun. Und seine Kinder, wie Inés de Castro, wollte er noch nach seinem Tod beeinflussen...

7. Alles am Vater war besonders, genial, einzigartig, außerordentlich, ungewöhnlich. Er hatte ein Theater gemacht, das wir im Scherz untereinander die Affäre Kubinsky nannten, die der Gewinnung von Geld und Berufungen dienen sollte. Das – die Gewinnung von Geld und Berufungen – ist etwas sehr Typisches für das Opus Dei. Die Sache hatte sich zufällig so ergeben; und sie ging gut aus. Die Idee ging nicht vom Vater aus, sondern von einem seiner Mitarbeiter. Zu dieser Zeit kam ein Numerarier an die Villa Tevere, nicht irgendeiner, sondern einer von denen, die zusammen mit dem Zentralrat an einem Beisammensein mit dem Vater teilnehmen dürfen, und er erkundigte sich bei mir über die Affäre Kubinsky:

— Was das eine Idee des Vaters?

Ich sagte ihm, dass dem nicht so sei. Jetzt wusste er, wie er sich hinsichtlich der Affäre Kubinsky angemessen verhalten solle. Wäre die Affäre Kubinsky eine Idee des Vaters gewesen, wären die Dinge anders anzupacken gewesen. Der Engel des Herrn brachte Maria die Botschaft, und sie empfing vom Heiligen Geist wäre im Vergleich mit der Affäre Kubinsky als unbedeutende Anekdote aufzufassen gewesen.

8. Alles am Vater war besonders, genial, einzigartig, außerordentlich, ungewöhnlich. Seine Familie – die Großmutter, Tante Carmen, Onkel Santiago — waren sehr wichtig.  Seine Heimat Aragonien war sehr wichtig, und deshalb gibt es in Torreciudad einige Gedenkräume, die ebenso notwendig wie nutzbringend sind, in denen über Angelegenheiten der Krone von Aragonien geforscht wird – und ich weißt nicht, ob sie schon damit fertig sind und wo das hinführen soll.

Sein Übergang über die Pyrenäen war sehr wichtig. Mir erschien das als eine von tausend Dingen, die so vielen Menschen während eines Krieges zustoßen. In Crónica gab es eine Rubrik „Mit besonderer Liebe“ (Con particular cariño); hier sah man Fotos und Kommentare von Gegenständen, die ihm gehört oder die etwas in seinem Leben bedeutet hatten. Seine Anliegen waren sehr wichtig. Sein Auto war wichtig. Bei Flugzeugreisen war er immer in der VIP-Lounge. Sein Haus war ebenfalls wichtig. In den Einkehrhäusern gibt es Zimmer für den Vater. Er verteilte auch bei bestimmten Anlässen, wie ein römischer Kaiser, Bronzebüsten und Fotos von sich. Da er wichtig war, waren seine Auftritte von Zurufen begleitet, wie bei den römischen Kaisern. Da er wichtig war, begrüßte man ihn, indem das linke Knie die Erde berührte. Man musste sich konsequenterweise auch sehr wichtig vorkommen, wenn man gewürdigt war, an seiner Messe teilnehmen zu dürfen oder Worte der Zuneigung oder des Lobes von ihm zu empfangen.

Und da er sehr wichtig war, waren seine Kinder verpflichtet, in eine Trance von Hyperaktivismus zu verfallen, wenn er eine Region aufsuchte — wir rissen uns den Arsch auf, sagten wir sehr laikal — damit alles tiptop, sauber, ordentlich, perfekt ist. Dann folgte die Trance der Danksagung.

Und da sich alles im Leben irgendwann einmal in Routine verliert, kam der Augenblick, in dem gar nichts mehr besonders, genial, einzigartig, außerordentlich, ungewöhnlich war, einfach deshalb, weil es sich abgenützt hatte. Und dann musste man wieder etwas Besonderes erfinden, auch wenn es ans Lächerliche grenzte.

Warum konnte er sich nicht wie eine wichtige Person benehmen, wenn er das war? Einer der ersten Mitglieder — ich glaube, es war Florentino Pérez Embid — sagte uns, dass der Vater in der Geschichte der Menschheit nur mit Menschen wie Moses oder Paulus von Tarsus verglichen werden könne. Zum Beweis für seine Wichtigkeit erzählte man sich, dass während der ersten Zeit in Madrid irgendein bedeutungsloses, aber seherisch begabtes Mönchlein vor ihm niederwarf, weil ihm – aufgrund einer außerordentlichen Erleuchtung – klar wurde, dass er sich einem außerordentlichen Wesen gegenüber sah. So ähnlich wie bei den Heiligen Drei Königen, nur dass es eben ein Mönchlein war.

Er nahm sich wichtig, aber das ist nicht so wichtig, denn er war wichtig.

9. Was er gesehen hat. Was er getan hat. Was er gekämpft hat.

10. Die Arbeit des Gründers. Uns hat der Gründer viel Arbeit auferlegt: Am Abend waren wir regelmäßig erschöpft, ausgepumpt, und zwar unabhängig davon, ob es uns gesundheitlich gut oder schlecht ging. Wäre da nicht noch Don Alvaro gewesen, in dessen Arbeitszimmer er seine Dinge erledigte, so denke ich, hätte er keinen Strich gearbeitet, sondern wäre durch die Gänge von Villa Tevere gestreunt, um die anderen zu langweilen – das heißt, um dem ersten, den er traf, die Goldmünzen seiner Lehre und seiner Erfahrung anzudrehen.

Eine gewisse Zeit hindurch entschied jemand — vermutlich Don Alvaro — ihm Filme zu zeigen, damit er sich zerstreuen könne. Aber bei diesen Filmen mussten auch alle aus dem Collegium Romanum dabei sein. Es waren insgesamt drei oder vier Filme in der Woche, immer mit jungen Leuten dabei. Dann wieder verfiel er in eine Depression oder eine besondere Niedergeschlagenheit. Er setzte sich in einen Fauteuil und dämmerte vor sich hin, aber dabei brauchte er  ein Hintergrundgeräusch. Er arbeitete nicht nur selber nichts – das könnte ich vielleicht verstehen, wenn er erschöpft war -,er ließ auch die anderen nicht arbeiten.

Gervasio

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