Dolcevita : Offener Brief an Javier Echevarria
(9. Januar 2012)
Herr Echevarría, Prälat des Opus Dei, der sich von Gläubigen und Mitarbeitern „Vater“ nennen lässt:
In der gestrigen, ganz besonderen Nacht [Anm.: In Spanien bringen die Heiligen Drei Könige die bescherten Geschenke] habe ich an Sie gedacht. Auch Sie, als Familienvater, sollen Ihre Geschenke bekommen, wie in jeder normalen Familie. Und wie normal ist Ihre Familie! Und sie werden mit geheuchelter Freude ein entzückendes Päckchen öffnen, das, wenn die Tradition fortgeführt wurde, die Ersatzblätter für Ihren Taschenkalender enthält. Ganz genau wie bei unserem Vater, klar.
Und das wird dann, als Beispiel für Armut und Nüchternheit, zur Freude aller in den nächsten Beisammenseins weitererzählt, man wird sich das als Beispiel für Ihre heroische Armut notieren und in Evidenz halten, für Ihren Seligsprechungsprozess. Ich weiß nicht, ob Sie persönlich mit den neuen Einlageblättern zufrieden sein werden, die Sie von Ihren Kindern bekommen haben. Aber wenn ich aufrichtig sein soll, interessiert es mich auch nicht wirklich denn dem Vater und Prälaten – täuschen wir uns nicht – fehlt es an nichts. An absolut nichts. Was mich viel mehr interessiert, sind Ihre sogenannten Kinder. Ihnen fehlt nämlich das Notwendigste; und Sie haben es zur Verfügung und wollen es ihnen nicht geben…
Ich weiß sehr gut, welches Geschenk Sie den Gläubigen und den Mitarbeitern der Prälatur machen müssten, um den Titel eines Vaters zu verdienen. Es ist etwas ganz Einfaches, Sie nehmen beständig den Mund voll damit und zwingen Ihre Kinder, sie auf wilde Weise zu leben: Es handelt sich um die AUFRICHTIGKEIT.
Sie alle, diejenigen, die seit Jahrzehnten treu in der Institution dienen ebenso wie die, die jetzt um die Aufnahme bitten, haben das Recht die Wahrheit zu erfahren, die ganze Wahrheit über die tatsächliche Geschichte des Werkes und seinen Gründer. Warum die Dokumente über sein Leben zurückgehalten werden. Wie ihr Leben etwa in wenigen Jahren aussehen wird. Wie man ihr Gewissen manipulieren wird. Wie man ihre Freiheit unter Druck setzen wird, sodass sie ihre Arbeitsstelle nicht mehr frei aussuchen können, wie man ihnen ihr Gehalt wegnehmen wird, wie man mit ihnen umgehen wird, wenn sie es wagen sollten eine andere Meinung zu vertreten, wie man sie unter Druck setzen wird, ihren freien Willen und ihr Gewissen zu vergewaltigen, wenn sie ihre Brüder denunzieren, wenn sie blind gehorchen, wenn sie die Interessen der Institution über die der Menschen stellen werden. Wie sie das Werk, diese gute Mutter, ohne einen Cent auf die Straße werfen wird, ohne Geld, mit verbrauchter Gesundheit, ohne Übernachtungsmöglichkeit, wenn sie eines Tages das Werk verlassen, und außerdem werfen sie ihnen die Drohung ewiger Höllenstrafen nach.
Ich weiß, Herr Echevarría, anstelle Ihrer unendlich langweiligen Weihnachts- und Nicht-Weihnachts-Briefe, in denen immer dieselben Geschichten erzählt werden, immer die gleichen Phrasen gedroschen werden, die niemandem helfen, die keinen Sinn und keine Spiritualität haben – entscheiden Sie sich einmal für immer, dass Sie aufhören die Ihren und die Kirche zu betrügen, und ich versichere Ihnen, dass dann die Probleme aufhören werden und die Verwirrungen. Die Kirche weist Sie zurecht, und Sie ändern gar nichts, sondern tragen zur Tarnung neue Tünche auf. Ihre Kinder merken das, und sie vertrauen Ihnen nicht mehr. In ihnen wächst das, was bei Ihnen „kritischer Geist“ genannt wird; wir anderen nennen das Wahrheitsliebe.
Sie sollen aufhören Angst haben zu müssen, sie sollen sich frei fühlen können. In den Zentren soll ein echter Familiengeist einziehen können; die Menschen sollen wieder die Freude spüren können, die aufkommt, wenn man sich hingibt, und dann wird sich das Apostolat von selber entfalten. Und außerdem, was besonders wichtig ist, der 4. Stock der Universitätsklinik von Navarra (dort, wo die Mitglieder stationär psychiatrisch betreut werden) wird sich leeren (als guter Vater sollten Sie einmal dort vorbei schauen, mit den Patienten reden und sie um Verzeihung bitten, jeden einzelnen und jede einzelne). Man wird die geschlossenen Zentren wieder öffnen können und die erste Begeisterung wiederfinden.
All das, Herr Echevarría, können Sie erreichen, wenn Sie nur wollen. Mit der gleichen gläsernen Durchsichtigkeit, die Sie Ihren Kindern abverlangen, sollen Sie sich daranmachen ein öffentliches Zeugnis darüber abzulegen, in dem Sie Punkt für Punkt darlegen, was falsch gemacht wurde und warum. Berichtigen Sie alle Leitungsdokumente, die es angeblich nie gegeben hat, das heißt, lassen das tun, was in der internen Gaunersprache „mit C versehen“ heißt, lassen Sie sie vernichten. Auf dieser Grundlage könnte man die neuen internen Regel, angepasst an die Statuten, die der Kirche übergeben wurden, neu redigieren, veröffentlichen und allen zugängig machen. Ein Zettel dürfte dafür ausreichen. Und dann kann Ihnen niemand mehr Verlogenheit oder Sektierertum vorwerfen. Und wird werden diese gesegnete Homepage schließen, die Sie schlecht schlafen lässt, denn dann ist sie überflüssig geworden. Wäre das nicht fein?
Das ist es, Herr Echevarría, was Ihre Kinder von Ihnen erhoffen, was Sie ehren würde und womit Sie sich den Titel eines Vaters erst verdient haben werden. Ich rate Ihnen von Herzen, den Herrn anzurufen: Ut videam !
Ein glückliches Neues Jahr, und lassen Sie sich von Gott leiten!
Dolce Vita