Brief des Prälaten (Oktober 2011)


[Anmerkung: Der Hirtenbrief, den Bischof Echevarría am 1. Oktober 2011 geschrieben hat, ist für die Mitglieder des Werkes bestimmt. Wohlweislich ist das genaue Datum hier weggelassen. Derjenige, der die Datierung des Folgetags trägt, ist ausschließlich in Hinblick auf den Heiligen Vater und die Kurie verfasst, da die Praxis der Beichte und Aussprache im Opus Dei  dem gültigen Kirchenrecht widerspricht und dies auch Gegenstand einer Ermahnung durch den Heiligen Vater war; die Kapitel 14-16 enthalten die Unwahrheit, und es liegt nicht im Interesse der derzeitigen Nomenklatur, diese Diskrepanz den von ihnen abhängigen Gläubigen mitzuteilen. Wir werden den Brief vom 2. Oktober ausführlich kommentieren.

Das durchsichtige Manöver, durch zwei Briefe innerhalb von zwei Tagen (denn auch der Brief vom 1. Oktober ist zum 2. Oktober, dem Gründungstag, geschrieben worden), ist den Herren von der Sekte selbst nicht ganz geheuer gewesen; deswegen findet man den Brief vom 2. Oktober – wenn man sorgfältig sucht – unter dem 21. Oktober, und zwar als pdf-Datei, abgespeichert.]

 

01.10.2011

Morgen feiern wir einen neuen Jahrestag, der an den Augenblick erinnert, in dem das Licht Gottes in der Seele unseres Gründers hell wie die Mittagssonne aufleuchtete. Domine, ut videam!, Domina, ut sit! hatte er seit seiner Jugend ohne Unterlass gebetet. Und die Antwort Gottes wurde ihm am 2. Oktober 1928 auf die Fürsprache Mariens hin zuteil. Ich lade Euch ein, diese Szene, so wie der hl. Josefmaria sie in seinen persönlichen Aufzeichnungen beschrieben hat, ein weiteres Mal zu betrachten, um daraus Lehren für unser alltägliches Leben zu ziehen. Und ebenso möchte ich Euch bitten, der Heiligsten Dreifaltigkeit jeden Tag dafür zu danken, dass sie das Opus Dei gewollt hat.

Wie wir alle wissen, machte unser Vater geistliche Besinnungstage. Am Morgen des dritten Tages war er nach der Feier der Messe in sein Zimmer gegangen, wo er begann, im Gebet persönliche Notizen der letzten Monate und Jahre zu betrachten, innere Eingebungen, die Gott ihm im Hinblick auf seine kommende Aufgabe gewährt hatte. Bis zu diesem Zeitpunkt waren die Eingebungen bruchstückhaft und unvollständig gewesen, helle Blitze, die ihn nur mit Mühe ahnen ließen, was Gott wirklich von ihm wollte. Während all der Zeit hatte er sein Herz bereit gemacht, um diesen noch unbekannten Willen Gottes zu erfüllen. Und plötzlich tauchten vor seinem geistigen Auge die fehlenden Teile des Bildes auf, das er nun klar erkannte. „Als ich in diesen Papieren las, erhielt ich die Erleuchtung über das Werk als Ganzes. Ich fiel tief ergriffen auf die Knie – es war in der Pause zwischen zwei Vorträgen, ich befand mich allein in meinem Zimmer –, dankte dem Herrn, und ich erinnere mich bewegt an das Glockengeläut der Pfarrei Unsere Liebe Frau von den Engeln.“
[1]

Wie man diesem autobiographischen Text entnehmen kann, war die erste Reaktion des hl. Josefmaria, als er den göttlichen Plan erkannte, eine tiefe Ergriffenheit, die auch nach außen sichtbar wurde: Er sank er anbetend auf die Knie, denn – mit Worten Benedikts XVI. – „eine der typischen Ausdrucksformen des Gebets ist die Geste des Niederkniens“
[2]. Durch diese Haltung erkennt das Geschöpf seine absolute Abhängigkeit von Gott an, ohne den es nichts ist und nichts vermag. Der Mensch, der die Erfahrung einer besonderen Begnadung durch Gott macht, „wendet sein ganzes Selbst dem göttlichen Sein zu, vor dem er steht; er richtet seine Seele auf das Geheimnis aus, von dem er die Erfüllung des tiefsten Verlangens erwartet und die Hilfe, das Elend des eigenen Lebens zu überwinden“[3].

Dieser Akt der Unterwerfung, mit dem unser Vater seinen Weg im Opus Dei begann, war von großer Demut gekennzeichnet. Wie oft äußerte er seine tiefe Überzeugung, dass der Herr sich seiner als eines ungeeigneten Werkzeugs bedient hatte, damit klar ersichtlich war, dass das Werk von Gott kam und nicht Frucht des menschlichen Geistes war! „Es ist, als hätte jemand ein Tischbein genommen und damit in Schönschrift eine kostbare Miniatur geschrieben“
[4], sagte er einmal. Als er sich bei einer anderen Gelegenheit an jenen Eingriff Gottes in seiner Seele erinnerte, erklärte er: „Christus hat mich nicht um Erlaubnis gefragt, um sich in mein Leben einzumischen. Er kam und sagte: Du wirst das und jenes für mich tun; und ich … folgte wie ein Eselchen, denn er ist Herr über alle Geschöpfe.

Ihr habt das Recht, euch unter Achtung ihrer Freiheit in das Leben aller Menschen einzumischen, um ihnen zu helfen, besser zu werden. Manchmal wird man euch nicht gut aufnehmen, aber andere Male wird man euch sogar dazu auffordern. Auf jeden Fall istklar,dass das nicht nur ein Recht des Christen ist, sondern eine Pflicht: Geht hin und lehret alle Geschöpfe (Mt 28, 19)“.
[5]

Es wäre nicht verwunderlich, wenn wir uns als Jünger Jesu angesichts der Größe der göttlichen Sendung und unserer geringen Kräfte einmal fragen würden: Wie ist es möglich, dass Gott auf mich geschaut hat, um diese Arbeit zu leisten? Wie ist es möglich, dass er seinen Ruf an mich gerichtet hat, obwohl ich wenig wert bin, keine Tugenden vorweisen kann und keine Mittel zur Verfügung habe? Bei solchen Gelegenheiten gab der hl. Josefmaria den Rat, das Evangelium von Johannes aufzuschlagen und jenen Abschnitt zu betrachten, „in dem die Heilung des Blindgeborenen berichtet wird. Seht, wie Jesus aus dem Staub der Erde und seinem Speichel den Lehm bildet und ihn dem Blinden auf die Augen streicht, um ihn sehend zu machen (vgl. Joh 9, 6). Eine Handvoll Lehm benutzt Christus als Heilsalbe“
[6]. Und an seine Töchter und Söhne im Opus Dei gewandt fügte er Worte hinzu, die für alle Christen gelten: „Im Wissen darum, dass wir schwach sind und nichts vermögen, aber mit der Gnade Gottes und unserem gutem Willen rechnend, sind wir eine Medizin, die sehend macht; wir sind – trotz der Erfahrung unserer menschlichen Beschränktheit – für die anderen göttliche Stärke.“[7]

Vor allem in der Messe verwandelt sich der Lehm unserer persönlichen Schwäche in eine heilsame Medizin für viele Menschen, aber auch im Gebet, wenn wir uns vor Gott stellen, ohne unser Elend zu verbergen, jedoch in der Gewissheit, seine geliebten Kinder zu sein. In diesem Schmelzofen göttlicher Liebe, der das Herz Jesu ist, wird unsere Seele durch das Wirken des Heiligen Geistes Christus immer ähnlicher. „Das Gebet, die Öffnung und Erhebung des Herzens zu Gott, wird so zur persönlichen Beziehung mit ihm. Und auch wenn der Mensch seinen Schöpfer vergisst, hört der lebendige und wahre Gott nie auf, als erster den Menschen zur geheimnisvollen Begegnung mit ihm im Gebet zu rufen.“
[8] Halten wir zur vorgesehenen Zeit unsere beiden halben Stunden des Gebetes, um mit unserem Gott von Du zu Du zu sprechen? Was setzen wir ein, um keine Minute dieser Zeit zu verlieren?

In den letzten Monaten habe ich Euch daran erinnert, wie wichtig es ist, die täglichen Zeiten des Gebetes gut zu nutzen. Und ich werde nicht müde, das zu tun, denn wie Ihr bin ich überzeugt, dass dies die einzige Waffe ist, die wir Christen haben, um in den täglichen großen und kleinen Schlachten zur Ehre Gottes zu siegen. Das war stets die fest in der Überlieferung der Kirche verankerte Lehre unseres Vaters.


Benedikt XVI., der vor kurzem seine Mittwochs-Katechesen während der Generalaudienzen über das Gebet gehalten hat, betrachtet einmal die geheimnisvolle Szene des nächtlichen Kampfes zwischen Jakob und einem Unbekannten, bevor er das Flussbett überquert, um Esau zu treffen
[9]. Mit Worten des Katechismus der Katholischen Kirche erinnert er daran, dass „die geistliche Überlieferung der Kirche darin ein Sinnbild des Gebetes gesehen hat, insofern dieses ein Glaubenskampf und ein Sieg der Beharrlichkeit ist“[10]. Und er fügt hinzu: „Der biblische Text spricht zu uns über die lange Nacht der Suche nach Gott, über das Ringen, seinen Namen kennenzulernen und sein Angesicht zu sehen; es ist die Nacht des Gebets, das mit Ausdauer und Beharrlichkeit von Gott den Segen und einenneuen Namen erbittet, eine neue Wirklichkeit, die Frucht der Bekehrung und der Vergebung ist.“[11]

Lasst es mich noch einmal sagen: Harren wir aus im
Ringen des Gebets, vernachlässigen oder verkürzen wir nicht diese Zeiten des Gespräches mit unserem Vater Gott; sprechen wir auch mit Christus, unserem älteren Bruder, der uns lehrt, mit seinem himmlischen Vater umzugehen; lassen wir den Tröster in unsere Herzen eintreten, die er mit der Liebe zu Gott entzünden will. Versichern wir uns der Fürsprache Mariens, der Mutter Gottes und unserer Mutter, die Meisterin des Gebetes ist; und wenden wir uns auch an den hl. Josef, die Engel und die Heiligen, besonders an den hl. Josefmaria, der uns in Wort und Bespiel gezeigt hat, wie man mitten in der Welt beschaulich sein kann.

Kehren wir zu den Worten zurück, mit denen unser Vater beschreibt, was am 2. Oktober 1928 in seiner Seele vorging. Nach der Bemerkung, dass er auf die Knie sank, um angesichts des göttlichen Planes, den er in diesem Augenblick klar erkannte, Gott anzubeten, fügt er hinzu, dass sich sein Herz mit unendlicher Dankbarkeit erfüllte: „Ich dankte dem Herrn, und ich erinnere mich bewegt an das Glockengeläut der Pfarrei Unsere Liebe Frau von den Engeln.“
[12]

Für denjenigen, der weiß, dass alles Gute von Gott kommt und er aus sich heraus nichts von Wert besitzt, ist die Dankbarkeit wie die Rückseite der Anbetung; diese Haltungen sind wie die beiden Seiten einer Medaille. Daher wollte unser Vater, dass im Opus Dei der 2. Oktober wie auch der 14. Februar – ein weiterer Jahrestag entscheidender Eingriffe Gottes in die Geschichte des Werkes – Tage tiefer und beständiger Danksagungsakte sind. Wisst Ihr, wie er seine Dankbarkeit ausdrückte? Durch viele Sühneakte.


Erheben wir also voller Dankbarkeit unser Herz zu Gott. Auch der 6. Oktober lädt uns dazu ein, denn die Heiligsprechung unseres Vaters erinnert uns daran, dass es möglich ist, wirklich heilig zu werden, wie er in Treue Tag für Tag diesen Weg zu gehen, der über die normalen Umstände des gewöhnlichen Lebens führt.


Natürlich verlangt dieses Bemühen einen beständigen Kampf gegen alles, was uns von der Liebe Gottes trennen könnte; dieser wiederum gewinnt in den Zeiten des persönlichen Umgangs mit Gott neue Kraft und Energie. Das nächtliche Ringen Jakobs „wird so für den Gläubigen zu einem Bezugspunkt, um die Beziehung zu Gott zu verstehen (…). Das Gebet verlangt Vertrauen, Nähe, gleichsam in einem sinnbildlichen Zweikampf nicht mit einem feindlichen, gegnerischen Gott, sondern mit einem segnenden Herrn, der stets geheimnisvoll bleibt und unerreichbar erscheint. Daher gebraucht der biblische Autor das Sinnbild des Ringens, das Mut, Beharrlichkeit, Ausdauer erfordert, um das zu erlangen, wonach man sich sehnt. Und wenn der Gegenstand der Sehnsucht die Beziehung zu Gott, sein Segen und seine Liebe ist, dann kann der Höhepunkt des Kampfes nur die Selbsthingabe an Gott sein, in der Anerkennung der eigenen Schwäche, die gerade dann siegt, wenn sie sich in die barmherzigen Hände Gottes gibt.“
[13]

In dem Augenblick, in dem der hl. Josefmaria am 2. Oktober das Werk sah, hörte er das festliche Glockengeläut der Pfarrei Unsere Liebe Frau von den Engeln, das zu Ehren ihrer Patronin erklang. „Nie haben sie aufgehört, in meinen Ohren nachzuklingen“
[14], sagte unser Vater häufig. Und in einem der Briefe, die er gegen Ende seines Lebens schrieb und die er „Glockenschläge“ nannte, rief er uns zur Wachsamkeit aus Liebe zu Gott auf: „Ich wünschte, dass dieses Glockengeläut in euren Herzen für immer dieselbe Freude und dieselbe Wachsamkeit des Geistes auslösten, die jene Glocken der Pfarrei Unsere Liebe Frau von den Engeln vor nunmehr fast fünfzig Jahren in meiner Seele hinterlassen haben.“[15]

Im August musste ich noch einmal nach Pamplona, um die ärztliche Untersuchung fortzuführen, die ich vor meiner Reise nach Afrika unterbrochen hatte; am 23. August bin ich nach Torreciudad „entwischt“. Dort befindet sich die einzige Glocke der Kirche Unsere Liebe Frau von den Engeln, die der Zerstörung entgangen ist. Ich wollte so lange wie möglich in der Kirche verweilen und hielt das Gebet am Nachmittag in der Christus-Kapelle. Zusammen mit Euch allen habe ich den Herrn darum gebeten – wie es unser Vater geraten hat –, dass wir es verstehen, unsere Hingabe durch die Betrachtung der seinen zu verbessern. Seid ganz sicher, dass wir es können!


Maria ist an allen Wegkreuzungen des Opus Dei zugegen gewesen; daher ist es nur logisch, dass unsere Danksagung durch sie zu Gott gelangt. Nehmen wir in jedem Augenblick, besonders aber an ihren Festtagen, unsere Zuflucht zu ihr. In diesem Monat gibt es mehrere Marienfeste: am 7. Oktober Unsere Liebe Frau vom Rosenkranz; am 12. Unsere Liebe Frau von Pilar, die unser Gründer von klein auf verehrte und die er jeden Tag besuchte, während er sich auf die Priesterweihe vorbereitete. Damals bat er sie mit dem Stoßgebet
Domina, ut sit!, Herrin, dass es sei! um die Verwirklichung seiner Vorahnungen. Vergessen wir auch nicht, dass das Werk am 11. Oktober 1943, dem damaligen Fest der Gottesmutterschaft Mariens, die erste schriftliche Approbation des Heiligen Stuhls erhielt.

In Erinnerung an den seligen Johannes Paul II., dessen Gedenktag wir in diesem Jahr am 22. Oktober feiern können, wollen wir Maria voller Vertrauen sagen:
totus tuus, ich möchte ganz dein sein, wie es dieser heilige Papst war, wie es unser geliebter Vater war. Nutzen wir diesen Tag, um Johannes Paul II. um seine Fürsprache für die Kirche und das Opus Dei zu bitten und für den Papst zu beten. Empfehlt Gott auch meine Anliegen.

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[1] Hl. Josefmaria, Persönliche Aufzeichnungen, Nr. 306 (2.10.1931), in A. Vázquez de Prada, Der Gründer des Opus Dei, Bd. 1, S. 281
[2] Benedikt XVI., Ansprache bei der Generalaudienz, 11.5.2011
[3] Ebd.
[4] Hl. Josefmaria, Aufzeichnungen aus einem Familientreffen, 3.12.1973
[5] Hl. Josefmaria, Aufzeichnungen aus einem Familientreffen, 18.5.1970
[6] Hl. Josefmaria, Brief 29.11.1957, Nr. 16
[7] Ebd.
[8] Ansprache bei der Generalaudienz, 11.5.2011
[9] Vgl. Gen 32, 22-32
[10] Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2573
[11] Benedikt XVI., Ansprache bei der Generalaudienz, 11.5.2011
[12] Hl. Josefmaria, Persönliche Aufzeichnungen, Nr. 306 (2.10.1931), in A. Vázquez de Prada, Der Gründer des Opus Dei, Bd. 1, S. 281
[13] Benedikt XVI., Ansprache bei der Generalaudienz, 11.5.2011
[14] Hl. Josefmaria, Instruktion, 19.3.1934, Anm. 9
[15] Hl. Josefmaria, Brief 14.2.1974, Nr. 1