Otaluto: Über das Beichtgeheimnis

(9. Dezember 2011)

 

Die Zeugnisse, die hier zum Thema Verletzung des Beichtgeheimnisses beigetragen sind, sind mehr als aussagekräftig und bedeutsam. Freilich, angesichts jedes einzelnen Falles, so kennzeichnen er auch sein mag könnte man jedenfalls anmerken, dass es eben ein Einzelfall sei...

 

Bevor ich gepfiffen hatte, war jedes Mal, wenn ich angesichts der Handlungsweise einer Person des Werkes Kritik äußerte, die Antwort unfehlbar dieselbe: Man dürfe nicht generalisieren. Es könne sein, dass Hinz dieses oder jenes getan habe, aber das könne nicht hinsichtlich des Werkes als Ganzem gelten.

Sobald ich gepfiffen hatte, merkte ich, dass das Werk die große Welt der Verallgemeinerungen war. Man urteilt mit großer Unbekümmertheit über einzelne Gruppen, ja über die gesamte Menschheit. “Sie verstehen uns nicht”, “sie sind Feinde der Kirche”, “sie haben eine materialistische Einstellung” etc. Auch intern gibt es zahlreiche Generalisierungen: „Numerarier tun so etwas nicht“, „so etwas ist nie vorgekommen und wird nie vorkommen“ etc.

Und auch wenn sie nach außen hin eine solche Vorgangsweise ablehnen, sollte man doch vorsichtig sein, konkrete Vorfälle zu verallgemeinern. Dass irgendein Priester das Beichtgeheimnis gebrochen hat, bedeutet noch nicht, dass dies alle tun.

Die Frage ist, ob angesichts so vieler einzelner Vorkommnisse ein Hinweise darauf existiert, dass das Beichtgeheimnis systematisch verletzt wird.

Mein Gesichtspunkt ist der folgende. Ich war vor vielen Jahren bei einem Kreditinstitut beschäftigt. Es gab hier ein ungeschriebenes Gesetz, dass niemand, der dort arbeitete, in ein Casino gehen könne. Am Anfang wunderte ich mich das zu hören, und zweifellos macht das Sinn, wenn jemand seinen Beruf versteht: Niemand, der fremde Gelder verwaltet, kann einen aufwändigen Lebensstil zeigen.

Ich komme so dem Schluss, dass es solche ungeschriebenen Gesetze in jedem Beruf gibt. Ich würde daran Anstoß nehmen, wenn ich beispielsweise jeden Abend einen  Chirurgen an der Bar stehen sehe. Ein Polizist kann keine Verbrecher zu Freunden haben. Ein Militär kann nicht in ein Land reisen, mit dem es einen diplomatischen Konflikt gibt. Ein Professor kann nicht mit seinen Schülerinnen ausgehen. Ein Richter kann der Presse keine Auskunft über ein schwebendes Verfahren erteilen. Jeder einzelne würde mir hier recht geben.

Sind das Vergehen? Keineswegs. Es sind einfach Dinge, die man nicht tut, wen man seinen Beruf ernst nimmt.

Und nun komme ich auf den Punkt: Was hat ein Priester bei wöchentlichen Treffen verloren, in denen über das Leben der Menschen gesprochen wird, die beim ihm beichten? Warum muss bei diesen Treffen ein Priester anwesend sein, wenn nicht zu dem Zweck, dass er über die ihm anvertrauten Schäfchen redet? Wir wollen klarstellen, dass es sich nicht um eine punktuelle Anwesenheit handelt, bei der er etwa über den  Stundenplan des Zentrums um seinen Rat gebeten wird. Ganz im Gegenteil: Der Priester ist immer dabei. Und nach meiner persönlichen Erfahrung geht es bei den Treffen im Örtlichen Rat 90% der Zeit um intime Angelegenheiten von Personen.

Die Gegenwart eines Priesters bei solchen Treffen ist eine moralische Ungehörigkeit, weil es um eine beständige Versuchung geht das Beichtgeheimnis zu brechen. Mit vollem Recht, und ohne dass man erst Beispiele bringen müsste, kann man daraus ableiten, dass ein solches unangebrachtes Verhalten einen systematischen Bruch des Beichtsiegels verschleiert.

Mehr brauche ich nicht: Genauso wenig, wie ich mein Geld einem bankrotten Spieler anvertrauen würde, genauso wenig ließe ich mich von einem Chirurgen operieren, der Alkoholiker ist, oder würde ich eine heikle Frage einem Priester des Opus Dei anvertrauen, weder innerhalb der Beichte noch außerhalb.

Pax an alle.

Otaluto.