Josef Knecht: Die Anfänge des Opus Dei und die Blaue Division

(13. Januar 2012)

 

Die letzten Artikel von Gervasio (Die Gründung des Opus Dei 1941, 3.02.2012 und Die Gründung des Opus Dei am 19. März, 10.02.2012) erscheinen mir brillant. Ich hätte nun gerne Auskunft angesichts meines Zweifels an der Behauptung über die, letztlich nicht erfolgte, Beteiligung der ersten Numerarier des Opus Dei an der Blauen Division in den vierziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts. Gervasio schreibt am 10. 2., indem er sich auf den Bischof von Madrid-Alcalá, Leopoldo Eijo y Garay bezieht: Anzeichen, dass auch Don Leopoldo in das Opus Dei verwickelt war, scheint die Tatsache, dass er nach dem Ende des Bürgerkriegs verfügte, dass sich alle männlichen Mitglieder in die Blaue Division einschreiben lassen sollte, die so hieß in Anspielung auf die blauen Hemden der Falangisten, die dazu bestimmt war, im Zweiten Weltkrieg an der Ostfront gegen die kommunistische Sowjetunion zu kämpfen. Da es viel mehr Freiwillige als Plätze gab, stritten sich die Kandidaten um  die Ehre, an diesem Freiwilligenverband teilnehmen zu dürfen. Escrivá erreichte schließlich, dass der abseitige Vorschlag Don Leopoldos fallen gelassen wurde. Bezeichnend ist, dass alle Don Leopoldo gehorchten, ohne gegen eine Entscheidung zu protestieren die nichts weniger bedeutet hätte als die Bestimmung und die Aktivität der entstehenden Pia Unio zu lähmen…

Nunmehr können wir in dem Buch von Isabel de Armas, Josemaría Escrivá y Pedro Arrupe: cara y cruz ¿de una misma Iglesia? (JE und PA – Antlitz und Kreuz derselben Kirche?), Madrid: Iepala 2008, S. 123 eine differenzierte Version nachlesen: Ein Beweis für dieses Naheverhältnis [des Opus Dei] zum Franquismus ist die Entscheidung, die Juan Jiménez Vargas in Übereinstimmung mit den gesellschaftlichen und politischen Verhältnissen der vierziger Jahre traf. Jiménez Vargas, der damals, nach Escrivá der Chef der Numerarier im Werk war, stellte fest, dass sich viele junge Männer aus Madrids als Freiwillige zur Unterstützung der Blauen Division meldeten, und zog die Schlussfolgerung, dass die Jünger Escrivás als Feiglinge angesehen würden, wenn sie nicht ebenso handelten, wie es damals politisch korrekt war; deshalb entschied er sich, dass sich die Numerarier freiwillig in die Blaue Division melden sollten. Und so geschah es, allerdings kam niemand von ihnen in die engere Wahl, und sie leisteten keinen Kriegsdienst in Russland.

Ich erinnere mich auch, wenn auch nur vage,  daran, denselben Juan Jiménez Vargas sagen gehört zu haben, dass er für diese Entscheidung verantwortlich war. Das einzige Mal, als ich ihn selbst über die Blaue Division reden hörte, erwähnte er nicht den Bischof von Madrid-Alcalá, Don Leopoldo Eijo y Garay, als denjenigen, der die Anregung dafür gegeben hätte; Jiménez Vargas sagte – so hörte ich ihn jedenfalls selbst sagen – dass er dafür verantwortlich gewesen sei.

Deshalb wollte ich Gervasio fragen, wie sich dieser Punkt klären ließe. Dabei geht es keinesfalls darum, dass ich seine Vertrauenswürdigkeit anzweifle; das Problem ist vielmehr , dass die „offiziellen“ Quellen zum Leben Escrivás durch ein hagiografisches Filter gegangen sind. Sie werfen die unleugbaren historischen Tatsachen aus und liefern daneben ungeheuerliche Verzeichnungen dessen, was tatsächlich geschehen sein muss. Man muss also zu dem Urteil kommen, dass die bisher erschienen Biografien über St. Josefmaría (1902-1975) nicht vertrauenswürdig sind. Ich wage sogar zu behaupten, dass sogar Juan Jiménez Vargas (1923-1997), ein „treuer Numerarier“, sich an die Erfordernisse der „Geschichtsschreibung“ angepasst und manche Fehlinformationen  über die Anfangszeit gedeckt hat. Deshalb scheint es mir problematisch zu sein, die Biografie von Josemaría Escrivá (oder Escriba: nicht einmal der Familienname ist unproblematisch) und die Gründungszeit des Opus schon als hinreichend erforscht anzusehen. In dem oben zitierten Buch versichert Isabel de Armas nicht ohne Grund, dass eine authentische Biografie, die den biografischen, historischen, psychologischen und wissenschaftlichen Aspekten dieser komplexen Persönlichkeit gerecht werden kann, noch aussteht.

 

Josef Knecht