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Geheim-Akte Formel 1

Team-Umzug kostet 120 deutsche Arbeitsplätze

Von OLIVER REUTER

 

Berliner Kurier, 28. Januar 2012

Die Formel 1 läuft schon sieben Wochen vor dem WM-Auftakt in Melbourne (18. März) richtig heiß. Allerdings findet das spannendste Rennen hinter den Kulissen statt.

Es ist ein echter Wirtschaftskrimi – und die Zutaten sind teuflisch: Es geht um einen dubiosen Team-Umzug, einen deutschen Teamchef, 120 vernichtete deutsche Arbeitsplätze, spanische Geschäftemacher, EU-Subventionen und auch der Orden Opus Dei (bekannt aus dem Film „Sakrileg“) spielt eine Rolle.

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Das Team

Das Hispania Racing Team ist im Konzert der Großen (Red Bull, Ferrari, Mercedes ) nur ein Hinterbänkler, wurde 2011 mit den Fahrern Narain Karthikeyan, Vitantonio Liuzzi und Daniel Ricciardo Vorletzter. Aber als Mitglied im exklusiven Club von Bernie Ecclestone (81) ist es für einige Mächtige sehr wertvoll. Der Brite hatte 2010 den deutschen Teamchef Colin Kolles bekniet, HRT zu retten. Das früher als Campos in der 2. Liga GP2 startende Team von José Ramon Carabante kam in die Formel 1, weil FIA-Präsident Max Mosley mit Billig-Teams ein politisches Gegengewicht zu den Herstellern wollte. Doch die HRT-Autos waren ein Desaster. Kolles half.

Der Deutsche

Colin Kolles (44), Macher aus München und seit Jahren eine feste Motorsport-Größe. Mit seiner Firma Kodewa (Greding) betreibt er ein Audi-DTM-Team, war Formel-1-Teamchef bei drei Teams (MidlandF1, Spyker, Force India) und machte HRT mit seinem Know-how und seinen Kontakten zu den deutschen Zulieferern Holzer, Performance, Kalex und FCE Solutions professioneller. Doch im Dezember schmiss er hin, weil der spanische Investor Thesan Capital HRT von Carabante kaufte und ankündigte, den Sitz nach Valencia zu verlegen. Kolles: „Die neuen Eigentümer ignorieren die Realität. Sie sagen, sie müssen nach Spanien, doch da gibt es nichts: keine Infrastruktur, keine Technologie, die einem Formel-Team gerecht wird, keine Fachkräfte, keine Zulieferer.“ Zwar entstand bei „Holzer“ in München ein Modell für das 2012er-Auto, doch ob es jemals an den Start geht, ist fraglich.

Die Arbeitsplätze

Die Firma Kodewa ist raus – 120 Arbeitsplätze futsch! Darunter viele Ingenieure und Mechaniker, die früher bei Toyota in Köln arbeiteten. Einige wie Randolph Link und Thomas Peter kamen in der DTM unter. Die HRT-Zulieferer bangen um die Zahlungsmoral der neuen Bosse. Man fragt sich: Warum das Ganze? Es heißt, HRT habe mehrere Millionen erhalten, um Arbeitsplätze im von der Wirtschaftskrise gebeutelten Spanien zu schaffen. Fakt ist: Allein für die Entwicklung der Region Valencia fließen 1,3 Milliarden Euro EU-Subventionen. Und Deutschland ist der größte Nettozahler. Auf Anfrage konnte der deutsche EU-Kommissar Johannes Hahn die Zahlungen an HRT nicht in dem Förder-Wirrwarr finden.

Die Geschäftemacher

Investor Thesan Capital finanzierte den HRT-Kauf über die spanische Banco Polpular. Thesan-Boss Saul Ruiz installierte Luis Perez-Sala (ein Ex-Pilot) als Teamchef. Auch der Finanz-Jongleur und GP2-Manager Alejandro Agag ist ein großer Strippenzieher. Er ist nicht nur der Schwiegersohn von Spaniens Ex-Ministerpräsident José Maria Aznar, sondern auch ein Geschäftspartner von Flavio Briatore. Er verdiente am Telefonica-Deal mit Renault (als dort Fernando Alonso fuhr) und am Verkauf des englischen Fußball-Klubs Queens Park Rangers an Briatore und Ecclestone. Sie alle gehören dem in Spanien gegründeten und sehr mächtigen Orden Opus Dei an. Perez-Salas Opa, Luis Valls-Taberner, war ein Opus-Dei-Führer und der Gründer der Banco Popular. Alle dienen einem Ziel. Sie verlegten den HRT-Sitz von Greding nach Valencia. Aber statt wie angekündigt im mondänen, aber leer stehenden America’s-Cup-Hafen eine Hightech-Fabrik aufzubauen, bezog HRT eine Hinterhof-Klitsche in einem Vorort. Ein Hohn im Hinblick auf Kolles’ moderne Fabrik. Sie stellten den spanischen Erfolglos-Fahrer Pedro de la Rosa (40) ein

Der Milliardär

Die spanischen Investoren wollen das Team an Carlos Slim verkaufen und richtig Kasse machen“, weiß ein Insider. Der Mexikaner ist mit 55 Milliarden Euro Vermögen der reichste Mann der Welt. Mit seinen Firmen und Beteiligungen investieren er und sein Sohn Carlos Slim Domit schon in die Formel 1: Telekommunikations-Riese Telmex ist Sauber-Sponsor und verschaffte dem Mexikaner Sergio Perez ein Cockpit. Philip Morris (Marlboro) ist Ferrari-Hauptsponsor. Aber die Slims träumen von einem eigenen, hispanischen Team. Das wollen ihm offenbar die HRT-Bosse bieten – auf deutsche Kosten.