Der Generalkongress und die heilige Reinheit

 

Hormiguita hat in ihrem Beitrag vom 20. Januar 2012 darauf aufmerksam gemacht, dass die Statuten der Prälatur und das Amtsblatt Romana vom Juni 2012 unterschiedliche  Versionen bieten, was die Aufgabe des General­kongresses betrifft:

Statuten Nr. 133
. § 1. Außer dem Wahlkongress soll alle acht Jahre ein Ordentlicher Generalkongress stattfinden, der vom Prälaten einberufen wird, damit er die Lage der Prälatur beurteilen und Ratschläge für die künftige Leitungsarbeit erbringen kann.
Romana, Juni 2010
: Der Prälat beruft die ordentlichen Kongresse, die alle acht Jahre stattfinden, ein, um eine Bilanz des Apostolates und des Dienstes an der Kirche zu ziehen und Orientierungen für das  evangelisierende Wirken der Gläubigen der Prälatur zu geben.


Der Unterschied ist offenkundig. Während „Romana“ die Erweiterung vornimmt, dass die Arbeit des Generalkongresses die Bilanz des Apostolats „im Dienst der Kirche“ zieht (wozu, wenn nicht dazu?), und es das Thema des Kongresses mit der das  evangelisie­rende Wirken der Gläubigen umschreibt, definieren die Statuten selbst die Aufgabe des Generalkongresses anders. Laut den Statuten soll der Kongress die Lage der Prälatur beurteilen, und damit ist die interne Information gemeint, die zu diesem Zweck aufbereitet wurde. Und es ist nur folgerichtig, dass der Kongress dann auch Richtlinien für die Leitung erstellt. Hätten wir eine Liste der Laien, die an diesem Generalkongress teilnehmen, wäre klar, dass diese Laien  Leitungsaufgaben wahrnehmen; sie haben die Vollmacht, Normen für die Leitungsarbeit zu erstellen.

Romana spricht von Handlungen, die nach außen orientiert sind: Apostolat, das evangelisierende Wirken der Gläubigen, der Dienst an der Kirche. Die Statuten sprechen von Handlungen, die rein intern bleiben; er soll die Lage der Prälatur beurteilen und Ratschläge für die künftige Leitungsarbeit erstellen.

Es überrascht mich, dass der Generalkongress einen Aufruf gemacht hat, die heilige Reinheit der Mitglieder zu intensivieren. Allerdings… wie können die Kongressteilnehmer wissen, dass die Mitglieder einer Intensivierung der Reinheit bedürfen? Auf welche internen Daten stützen sie sich? Inwiefern verfügen sie über interne Daten, Statistiken etc. über die heilige Reinheit? Wenn der Kongress es schon wagt, in dieser Hinsicht eine Empfehlung auszusprechen, dann  muss er über gesicherte Daten darüber verfügen, wie die Tugend er heiligen Reinheit unter den Mitgliedern gelebt wird. Bei der geistlichen Leitung ist die Reinheit ja ein verpflichtender Punkt bei der „wöchentlichen Aussprache“. Und da überrascht mich die Tatsache, dass dieser Punkt dann auch noch auf der Tagesordnung des Kongresses auftaucht. Die heilige Reinheit ist ein intimes Thema der geistlichen Leitung und der Beichte, es ist kein Gegenstand des Regiments. Es könnte nur dann Thema einer „Erhebung“, einer „Beschlussfassung“ sein, wenn gesicherte Daten darüber vorliegen. Ich werde es niemals erfahren, außer ein Kongressteilnehmer meldet sich bei mir.

Übrigens, die Kartäuser haben ihre Statuten auf ihre Homepage gestellt. Warum gibt das Werk seinen Gläubigen auf seiner eigenen, offiziellen Homepage keinen Zugang zu seinen Statuten?  Der Gründer selbst hat in einer seiner Briefe von völliger Transparenz geschrieben. Ich werde das niemals verstehen.

Das Gründer selbst hat doch von Transparenz gesprochen. Ich verstehe es nicht.

 

(Nachtrag: Manchmal funktioniert der sklerotischeVerein ja doch noch. Am 20. Januar 2012 hat Hormiguita ihre Kritik angebracht; am 4. Februar 2012, also etwas über zwei Wochen später, hat die Prälatur, wenn auch rückdatiert auf 5. März 2006 - das ist ihre Spezialität - ihr Hausgesetz online gestellt: http://opusdei.de/de-de/article/statuten-2/. Brav. Jetzt lernt bitte noch, dass diese Statuten geistiges Eigentum der katholischen Kirche sind und dass ihr nicht daran herummanipulieren dürft.)

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Und noch eine Anmerkung: Die Information verrät zweierlei. Zum einen, dass innerhalb des Opus Dei die Gewissen durch die Vermischung von Forum externum und internum, durch das aufgezwungene "brüderliche Gespräch" und den wöchentlichen "Hausrat" im Beisein des Beichtvaters auf eine unerhörte, in der Kirche einzigartige Weise vergewaltigt und die Mitglieder bloßgestellt werden, und zwar völlig systematisch. Wenn eine in der Gruppe gemachte dumme Bemerkung taktvoll vor demselben Publikum zurechtgerückt wird, mag das noch hingehen. Aber hier geschehen die ungeheuerlichsten Dinge. Don Gil, ein unreifer, schüchterner Junge, wird noch als Minderjähriger bedrängt, sich zu einem zölibatären Weg zu verpflichten; als er mittels der abscheulichen Gewohnheit der „Aussprache“ im Wochenrhythmus genötigt wird, seine Intimität preiszugeben und er sich in seiner Verzweiflung darüber, dass er wieder und wieder von seinem Leiter auf seine gewohnheitsmäßige Masturbation angesprochen wird, in die Bemerkung flüchtet, es helfe ihm sich zu entspannen, wird dieser Gedankengang bei der wöchentlichen Betrachtung vom Priester (der nebenbei der ordentliche Beichtvater aller Anwesenden) ist ausgebreitet und zerpflückt; und nicht genug damit, da die Seelenbürokratie im Opus ja ihre Existenz rechtfertigen muss, erscheint im nachfolgenden Quartal ein Artikel in Cronica, der „Unserer Entspannung“ gewidmet ist. —

Zum anderen ergibt die systemimmanente Nabelschau offenbar tatsächlich Defekte im System. Liebschaften bei Priestern, frivole Bemerkungen eines Numerariers zu einer Mitarbeiterin, ja, die handfeste sexuelle Belästigung einer Frau in einer Kirche durch einen prominenten Numerarier – hier muss dann das oberste Orakel der Werkes eine Wortspende leisten. Die Bekämpfung der Symptome soll das Fußvolk in Atem halten und verhindern, dass man darüber nachdenkt, dass die Headhunterei und Cash-Akquise ad maiorem Dei gloriam längst zu einem sinn- und freudlosen Geschäft weit jenseits echter Seelsorge verkommen ist.

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