Wie der katholische Orden Opus Dei seine Kritiker mundtot macht


Aus: MIZ 1/86 (http://www.ibka.org/artikel/miz86/opusdei.html)

 

Am Nikolaustag, dem 6. Dezember 1985, bescherte das Börsenblatt des Deutschen Buchhandels (Nr. 79) - Verbandsorgan der westdeutschen Verleger und Sortimenter - seinen Lesern auf Seite 3185 eine 34zeilige einspaltige Meldung unter der Rubrik "Vermischtes/Ticker": "Opus Dei: EV gegen Rororo?", zu Deutsch: Einstweilige Verfügung des Opus Dei gegen den Rowohlt-Verlag? Diese Meldung, die sinnigerweise neben einem anderen Einspalter: "Konfessioneller Medien-Rückzug" erschien, hatte folgenden Wortlaut:

"Reinbek: Die katholische Geheimorganisation Opus Dei versucht, beim Landgericht München das Jahrbuch 'Welt aktuell '86' des Rowohlt Verlags durch eine Einstweilige Verfügung zu verbieten. Das Jahrbuch erinnert in einem Beitrag über diese katholische Rechtsaußen-Gruppe an die Unterstützung des Pinochet-Putsches 1973 und an die Todesschwadronen, denen seinerzeit Tausende von Menschen zum Opfer fielen. Hierzu erklärt der Herausgeber der 'Rororo aktuell Reihe', Freimut Duve: 'Wir weisen die Kritik und die juristischen Schritte gegen unser Jahrbuch zurück. Es ist heute unbestritten, daß Opus Dei maßgeblichen Anteil am Widerstand gegen Allende hatte, und es ist in Chile bekannt, daß unter den Förderern der Todesschwadronen auch Personen waren, die zugleich für Opus Dei arbeiteten. Hier wird versucht, ein kritisches Jahrbuch mit Hilfe von Gerichten mundtot zu machen.'"

Selbst die Branchenkundigen konnten nicht wissen, daß sich hinter ihrem Rücken ein für das Verlags- und Buchhandelsgewerbe der BRD einmaliger Vorgang von Publikationsverbot und Bücherzensur abgespielt hatte. In Nr.99 vom 13. Dezember 1985 gab das Börsenblatt weitere Einzelheiten preis: "Opus Dei stoppt Rowohlt. - Köln. Das Rororo-Taschenbuch 'Welt aktuell '86 - das andere Jahrbuch' darf aufgrund einer Intervention von Opus Dei nicht mehr verbreitet werden. Wie das deutsche Informationsbüro der internationalen katholischen Organisation Opus Dei am 6. Dezember (1985) mitteilte, hat das Landgericht München 1 am gleichen Tag eine Einstweilige Verfügung gegen den Rowohlt Taschenbuch Verlag erlassen. Sie untersagt die Behauptung, zwischen den Todesschwadronen in Chile und dem Opus Dei habe es enge Zusammenarbeit gegeben. Die Wiederholung dieser Behauptung aus Jürgen Roths Beitrag 'Opus Dei - eine heilige Mafia auf dem Vormarsch' ist bei Meidung eines Ordnungsgeldes von 500000 Mark untersagt. In der Pressemitteilung von Opus Dei heißt es, die Behauptung sei falsch und ehrenrührig. Wegen ähnlicher Behauptungen über angebliche politische Verwicklungen des Opus Dei in Lateinamerika hätten kürzlich der Benziger Verlag das Buch 'Konflikt um die Theologie der Befreiung' des Tübinger Theologen Prof. Greinacher und der Lamuv Verlag das Buch 'Dunkelmänner der Macht' von Jürgen Roth und Bernd Ender zurückgezogen. (Kursivdruck durch MIZ.) Der Rowohlt Verlag sieht momentan keine Möglichkeit, gegen diese Einstweilige Verfügung vorzugehen ... "

Wir rekonstruieren: Gleichermaßen "in aller Stille" war Monate vor dem Verlagsriesen Rowohlt einem Branchenwinzling (Lamuv) von Opus Dei ein Prozeß angedroht worden, und angesichts der für Lamuv riesigen Summe von DM 500000 "Ordnungsgeld" hatte der Verlag seine "Dunkelmänner" vom Markt zurückgezogen. Hätte sich Opus Dei nicht kurz vor Heiligabend mit Rowohlt angelegt, wäre die Vorgeschichte wahrscheinlich nie ans Tageslicht gekommen.

Auslieferungsverbot für "Welt aktuell '86"

Verweilen wir zunächst noch bei Rowohlt. Das Börsenblatt fährt in der schon erwähnten Meldung vom 13. Dezember 1985 fort: "Geschäftsführer Dr. Michael Naumann hat für Rowohlt am 10. Dezember (1985) eine Presseerklärung abgegeben, in der er das Vorgehen von Opus Dei mit dem von 'Sittenwächtern' gleichstellt. In seiner Erklärung heißt es: 'In das Bild gezielter Einflußnahmen paßt auch der Versuch der in Köln ansässigen Organisation »Opus Dei«, eine Entscheidung über die Richtigkeit der in »Welt aktuell '86« aufgestellten Behauptungen nicht etwa in Köln vor Gericht zu suchen und auch nicht in Hamburg, sondern in München. Gibt es ein pressefreiheitliches Nord-Süd-Gefälle?' Und: 'Der Rowohlt Verlag wird die vom Gericht inkriminierte Passage - es handelt sich um einen Satz - einschwärzen und das Buch »Welt aktuell '86« weiterhin vertreiben. Der Versuch von»Opus Dei«, in den Geschäftsverkehr mit unseren Kunden einzugreifen, wird anwaltlich überprüft werden müssen: Am Freitag, dem 6. Dezember (1985) hatten sich Anwälte von Opus Dei bei Grossisten von Rowohlt gemeldet, noch bevor dem Verlag selbst die Verfügung schriftlich vorlag, um die weitere Auslieferung zu verhindern ... Der Rowohlt Verlag ist zuversichtlich, in der gerichtlichen Hauptverhandlung zu obsiegen.'"

Am 20. Dezember 1985 berichtete das Börsenblatt: "'Abmahnen ist sittenwidrig'. - Reinbek. Der Rowohlt Verlag hat sich gegen eine Abmahn-Aktion des katholischen Ordens Opus Dei zur Wehr gesetzt. Seine Anwälte haben am Vormittag des 17. Dezember (1985) von den Anwälten des Opus Dei die Verpflichtung erwirkt, daß keine weiteren Abmahn-Briefe verschickt werden. Wie der Verlag mitteilt, hat er durch zahlreiche Anrufe von Buchhändlern aus dem ganzen Bundesgebiet erfahren, daß Opus Dei über seine Anwälte den Buchhandel abmahnen hasse, das Taschenbuch 'Welt aktuell '86' nicht zu vertreiben. Juristische Grundlage dafür sollte die gegen den Rowohlt Verlag erwirkte Einstweilige Verfügung sein. Der Verlag habe ihr durch Einschwärzung der entsprechenden Textstellen Rechnung getragen und das Jahrbuch seitdem nur noch in dieser Form ausgeliefert. Rowohlt nennt die Abmahnaktion 'sittenwidrig' und bezeichnet sie als 'nachhaltige Störung und rechtswidrigen Eingriff in die Geschäftsbeziehungen zwischen Verlag und Sortimentsbuchhandel'. Abmahnvereine bewegten sich seit Jahren in einer juristischen Grauzone ... Die Abmahnungen bezogen die beiden Lamuv- und Benziger-Titel mit ein, gegen die Opus Dei bereits früher vorgegangen ist."

Auf diese Meldung hin trat das "Informationsbüro des Opus Dei in Deutschland" (Stadtwaldgürtel 71, 5000 Köln 41) im Börsenblatt zum erstenmal selbst in Aktion: Die Stellungnahme von Rowohlt sei "sachlich unzutreffend", die "Anwälte der Prälatur Opus Dei haben vielmehr auf die rechtliche Unanfechtbarkeit ihrer Schritte hingewiesen«, "juristische Grundlage der an den Buchhandel gerichteten Aufforderung des Opus Dei" sei "der Anspruch des Opus Dei gegen jedermann, die Verbreitung ehrenrühriger unwahrer Tatsachenbehauptungen zu unterlassen" - so der Chef des Opus-Dei-Informationsbüros, Dr. med. Ruthard von Frankenberg (in: Börsenblatt Nr. 2 vom 7. Januar 1986, S.104). Das Börsenblatt veröffentlichte diesen Text bezeichnenderweise unter der Rubrik "Dialog/Mitmenschen" nebst einem Schreiben Frankenbergs an die "sehr geehrten Damen und Herren" Buchhändler. "Würde Sie jemand des Mordes beschuldigen, so würden Sie sich zur Wehr setzen. Wir auch ... Deshalb sind wir überzeugt, daß auf lange Sicht unsere ungewöhnliche Maßnahme dem Ansehen des Buchhandels eher dienlich als abträglich ist ... Seit einer 'Monitor'-Sendung im WDR im November 1984, in der dem Opus Dei Waffenhandel vorgeworfen wurde, haben wir Gerichte bemüht. Nachdem drei Verlage nun je ein Buch zurückgezogen hatten, werden Sie verstehen, daß es uns schwer hinnehmbar schien, wenn jedermann sie im Buchhandel noch unverändert kaufen konnte ... Mit den besten Wünschen für ein segens- und erfolgreiches Neues Jahr 1986 und freundlichen Grüßen. Dr. med. Ruthard von Frankenberg."

Auf eine Anfrage der MIZ-Redaktion antwortete der Rowohlt Taschenbuch Verlag am 11. Februar 1986, daß "außer dem veröffentlichten Material hier keine weiteren Informationen vorliegen" und "eine gerichtsverwertbare Verifizierung der Vorwürfe gegen OPUS DEI ebenfalls nicht möglich war" - im Klartext: Rowohlt legt sich wegen sechs umstrittener Seiten seines 540 Seiten umfassenden Almanachs "Welt aktuell '86" nicht weiter mit Opus Dei und der katholischen Kirche an.

"Opus Dei - Irrenhaus Gottes?"

Mitte 1983 tauchten die ersten kritischen Berichte über Opus Dei in westdeutschen Medien auf. Das OD-Informationsbüro sah sich am 18. April 1983 zu einer "Erklärung" veranlaßt: "Über das Opus Dei haben seit Juni 1983 verschiedene Medien in der Bundesrepublik Berichte veröffentlicht. Sie stützen sich auf einige wenige ehemalige Mitglieder des Werkes als Informanten, insbesondere auf Klaus Steigleder, der im September 1983 mit der Schrift 'Das Opus Dei - eine Innenansicht' an die Öffentlichkeit getreten ist. Das Buch entwirft ein zweckdienlich entstelltes Sachverhaltsbild ... Die Darstellungen wurden entsprechend medienwirksam aufbereitet (vgl.: Kölner Stadtanzeiger 4.6.83; Der Spiegel Nr.3/17.9.83;WDF 10.9.83). Die Anschuldigungen werden fortgesetzt. Die Veröffentlichungen haben Verwirrung oder gar Empörung ausgelöst, weil sie 'Zeugenberichte' über persönliche Erfahrungen mit dem Opus Dei anführen. Diese entstammen dem Intimbereich ihrer Urheber und geben deren subjektive Sicht wider. Ihr Wahrheitsgehalt entzieht sich daher der Überprüfung durch Außenstehende ..." Am 5. Mai 1984 beschwerte sich das OD-Informationsbüro erneut wegen einer ARD-Fernsehsendung vom Vortag mit dem Titel: "Opus Dei - Irrenhaus Gottes?"

"Waffenhändler im Dienste Gottes"

Am 13. November 1984 sendete das ARD-Magazin "Monitor" Auszüge aus dem Interview von Jürgen Roth mit einem als Opus-Dei-Mitglied vorgestellten Prinzen Miguel de Bourbon, laut Tageszeitung vom 14. November 1984 "einer der größten Waffenhändler Europas": "Heute gehören Waffen, ob in Afrika oder anderswo, zum Tagesgeschehen. Waffen gibt es, seit es Menschen gibt ... Warum sollen wir ihnen die Waffen nicht verkaufen? Nicht die Waffen, nur der Mensch ist gut oder schlecht ... Ich finde, daß die Waffen, die Opus Dei zuläßt oder auch andere Regierungen - denn für mich ist Opus Dei eine Regierung für sich -dem Menschen dienen ... Wenn wir bestimmte Dinge brauchen, dann bekommen wir sie nicht durch eine Predigt, sondern auf andere Weise ... Wenn die Menschen nicht hören wollen, dann ist es wie in der Schule, dann muß man mit anderen Mitteln dafür sorgen, daß sie hören ... Ich bin der Auffassung, Opus Dei muß über ganz Europa herrschen, und Menschen, die meine Vorstellungen von Hierarchie und Disziplin teilen, sollten Opus Dei beitreten. Ich bin überzeugt, das ist das einzige, was Europa retten kann. Opus Dei wird Präsident Reagan folgen ..." (In: Tageszeitung vom 14. November 1984.)

Am 27. November 1984 erhob das Münchner Rechtsanwalts- und Steuerbüro Gritschneder/Ehrensperger/Widl - dieses Büro hatte zehn Jahre zuvor die westdeutschen Bischöfe in ihren Klagen gegen Hubertus Mynarek und sein Buch "Herren und Knechte der Kirche" vertreten, das vom Verlag Kiepenheuer & Witsch dann vom Markt zurückgezogen wurde! - Klage bei der Zivilkammer des Landgerichts München I: "Wir erheben Klage für 1. Opus Dei e. V., gesetzlich gemeinschaftlich vertreten durch den 1. Vorsitzenden Dr. Cesar Ortiz und Kurt Jungmann, Köln, 2. Dr. Cesar Ortiz, Regionalvikar der Personalprälatur Opus Dei für die Region Deutschland, Köln, gegen 1. den WDR, gesetzlich vertreten durch den Intendanten Dietrich-Wilhelm von Seil, 2. Klaus Bednarz, verantwortlicher Redakteur der Sendung 'Monitor' des Erstbeklagten, 3. Jürgen Roth, 4. Volker Happe... wegen Widerrufs und Unterlassung. Vorläufiger Streitwert: 300000 DM."

Anschließend beantragt das Münchner Büro Gritschneder, "folgendes Urteil zu fällen: I. Die Beklagten werden verurteilt, folgenden Widerruf zu erklären: 'Der WDR und der verantwortliche Redakteur Bednarz widerrufen hiermit folgende in der Fernsehsendung »Monitor« vom 13. November 1984 aufgestellten Behauptungen: 1. Es erscheint eindeutig, daß Mitglieder von Opus Dei sogar in Waffengeschäfte verstrickt sind, - 2. die als Prinz Miguel von Bourbon vorgestellte und interviewte Person ist Mitglied von Opus Dei, - 3. Opus Dei ist nicht nur eine religiöse, sondern auch eine weltliche Macht, wozu auch der Waffenhandel gehört, - 4. die als Prinz Miguel de Bourbon vorgestellte Person hat ihre Waffengeschäfte für Opus Dei zur Verfügung gestellt, - 5. es ist sicher, daß Opus Dei Interesse daran hat, um den Kommunismus zu bekämpfen, gewisse Befreiungsbewegungen selbst mit Waffen zu unterstützen. - Die Autoren Jürgen Roth und Volker Happe schließen sich diesem Widerruf an.' - II. Der Erstbeklagte wird verurteilt, den Widerruf gem. Ziff. I des Klageantrages in der nächsten noch nicht fertiggestellten Sendung des Magazins 'Monitor' von einem von ihm zu stellenden Sprecher vor neutralem Hintergrund und mit neutraler Mimik zu verlesen." Sogar das Szenarium für den Fernsehwiderruf beliebt sich das Büro Gritschneder dem WDR-Intendanten von Seil vorzuschlagen!