Neuer Erzbischof Woelki: Zur Freude von Opus Dei

 August 2011 - Kirche In

Quelle: http://www.wir-sind-kirche.de/?id=393&id_entry=3520


Von Peter Hertel

Drei Jahre, nachdem der Kölner Kirchenfürst, Joachim Kardinal Meisner, in der Priesterschmiede des Opus Dei einen Vortrag halten durfte, kam dort auch sein geistlicher „Ziehsohn“ zu Ehren: Rainer Maria Woelki erlangte in der Pontificia Universitá della Santa Croce, der Universität des „Gotteswerkes“ in Rom, den Doktortitel. Als neu ernannter Erzbischof von Berlin konnte Woelki (54) bei seinem ersten Auftritt in der deutschen Hauptstadt nur „Gutes„ über das Opus Dei berichten. Ja, es habe ihm „schon ein bisschen wehgetan“, wie das „Werk Gottes“ von seinen Kritikern diffamiert werde. Die katholische Kirche sei „ein lebendiger, verzweigter Verein“, in den sich das Opus Dei gut eingefunden habe.


Kritiker dagegen sehen in der erzkonservativen Prälatur die mächtigste katholische Organisation, die nicht zuletzt wegen ihres Kapitals starken Einfluß auf die katholische Kirchenpolitik ausübe. In der Tat hat sie unter den Päpsten Johannes Paul II. und Benedikt XVI. wie kein anderer Trupp in der vatikanischen Zentrale Schlüsselposten besetzen können. Selbst ansonsten brave katholische Gläubige meinen außerdem, sie schade ihrer Kirche wegen eines skandalösen Sündenregisters: Geheimniskrämerei; rigides Innenleben, dubiose Werbemethoden, Indoktrination Minderjähriger; Nähe zum Faschismus, Freundschaft des spanischen Gründers, des heiligen Josemaría Escrivá, mit dem Diktator Franco; Verwicklung finanziell versierter Mitglieder des Gotteswerkes, das im spanischen Ursprungsland auch „Santa Mafia“ genannt wird, in kriminelle Geschäfte.


Für den neuen Berliner Oberhirten, einen über seine Erzdiözese Köln hinaus kaum bekannten Weihbischof, basiert solche Kritik auf „Romaninhalten“. Den wohl bekanntesten dieser Krimis hat der amerikanische Thrillerkönig Dan Brown millionenfach auf den Markt geworfen. Das Opus Dei, das im Mittelpunkt seines Da Vinci-Code stand, schreckte darin selbst vor Mord nicht zurück. In Browns Romantopf wirft der Opus-Apologet Woelki, der bald ins kardinale Oberhaus aufrücken dürfte, offenbar auch diejenigen, die akribisch eherne Gesetze und goldene Netze enthüllen – manchmal sogar mit kriminalistischem Spürsinn.


Der war beispielsweise notwendig, um Woelkis „Dissertation“ nachzujagen. Der Titel war in Deutschland weder in der Nationalbibliothek noch in Universitätsbibliotheken, sondern nur in der Kölner Diözesanbibliothek zu entdecken: „Die Pfarrei: Ein Beitrag zu ihrer ekklesiologischen Ortsbestimmung“. In dem schmalen Bändchen schildert Woelki die Pfarrei als Teil einer autoritär gelenkten männlichen Priesterkirche, in der die Frauen in den Kniebänken verbleiben sollten – ein Klerikalismus, den er auch als Regionalbischof beibehielt: als eine Pfarrei in Wuppertal, das zu seinem Pastoralbezirk gehört, zu einem Gottesdienst mit ihm auch Messdienerinnen eingeteilt hatte, wurden sie gebeten, ihre langen Haare nach hinten zu kämmen. „Wir sollten wie Jungen aussehen“, klagte hinterher eine 16jährige Gymnasiastin.


Woelki war an einem Wochenende zum Erzbischof ernannt worden, und nach der Öffnung am folgenden Montag teilte die Bibliothek mit, seine „Dissertation“ sei ausleihbar. Aber drei Stunden später war sie „irgendwo im Haus“ verschwunden. „Zwei bis drei Wochen“ müsse der Kunde gewiß warten, orakelte ein Bibliothekar. Nachdem tags darauf „Spiegel“-Detektive in der römischen Opus-Universität ein weiteres Exemplar aufgespürt hatten, war nach einigen Stunden auch das Kölner Büchlein wieder da. Es wird aber nicht mehr ausgeliehen, sondern ist nur an Ort und Stelle im Lesesaal einsehbar – angeblich weil die Nachfrage so stark sei.


Gewiß ließen sich weitere Exemplare für die Ausleihe anschaffen, aber dann würde man es argwöhnischen Ermittlern wohl zu leicht machen. Denn in Deutschland ist es ja eine Art Volkssport geworden, Doktorarbeiten zu durchforsten, seitdem Plagiatoren wie der Bundesminister von und zu Guttenberg enttarnt werden. Allerdings: Doktortitel, die beim Opus Dei erworben wurden, verblassen vor deutschen wissenschaftlichen Normen. Der englische Priester Vladimir Felzmann, ein Vertrauter Escrivás, der selber einen solchen Titel vor seinem Namen trägt, gestand nach seinem Austritt aus dem Opus Dei: „Es ist heute also im Opus Dei möglich, einen Doktortitel zu bekommen, der so etwas wie Kosmetik ist.“ Das Werk habe nämlich einen strikten „Index verbotener Autoren“, der auch an seinen Universitäten gelte. So sei es möglich, „Doktor zu werden in Philosophie und Theologie, ohne daß man die sozusagen bösen, schlechten Autoren gelesen hat“, die man an den üblichen Universitäten nicht „umgehen“ könne.


Wer darüber Bescheid weiß und den Doktortitel des neuen Erzbischofs unter die Lupe nehmen möchte, würde vergebens nach Köln reisen. Das im Schatten Meisners einsehbare Exemplar ist nämlich gar nicht Woelkis „Dissertation“ – auch wenn der Einbandtitel es so etikettiert. Sondern es ist lediglich ein „Exzerpt“. Kürzungen verändern das Original, und es ist nicht festzustellen, inwieweit der Auszug auch inhaltlich vom Original abweicht. Statt der tatsächlichen ca.450 hat die angebliche „Dissertation“, die mit der kirchlichen Druckerlaubnis, dem Imprimatur, des Kölner Weihbischofs Klaus Dick erschienen ist, nur 304 Seiten. Kosmetik oder Zensur? Was darf der Leser nicht erfahren? Auf welchem wissenschaftlichen Fundament stehen Woelkis Doktorarbeit und sein Titel überhaupt?


An das krude Opus-Regelwerk sind ja auch Universitätslehrer gehalten, zu denen u.a. Georg Gänswein, Papst Benedikts Sekretär, gehörte. Als Dozent unterrichtete er klerikale Opus-Novizen - nicht nur künftige Opus-Priester, sondern auch Diözesankleriker, die nicht mehr Mitglieder des Werkes werden, aber seiner Priestergesellschaft beitreten können und dann insgeheim für das Opus Dei wirken.


Der Vorläufer der römischen Universität befand sich an der Opus-Universität im spanischen Pamplona. Dort hat Joseph Ratzinger, heute Papst Benedikt, die theologische Ehrendoktorwürde erhalten. Vater Escrivá, so die ehemalige spanische Opus-Leiterin Maria Angustias Moreno, habe einst programmiert, dass seine Werkskinder möglichst viele „Universitätslehrstühle“ errichten oder erwerben sollten: „So sind wir imstande, unseren Leuten, ohne daß sie Prüfungen abgelegt haben, Karrieren, Titel, Doktorgrade und viele Orden zu verschaffen, die viele Menschen zu unserem Apostolat locken werden.“


Bei seinem Besuch in der deutschen Hauptstadt wird Dr.h.c. Ratzinger, heute Papst Benedikt, mit Dr. Woelki, assistiert vom Dozenten a.D. Gänswein, den Katholizismus repräsentieren. Ob die drei Geistlichen der Opus-Priestergesellschaft angehören oder anderweitig im Sinne des heiligen Escrivá seinem Apostolat dienen, wird im Dunkeln bleiben. Denn während die Opus-Priester als solche öffentlich geweiht werden und schon deshalb bekannt sind, bleiben die Namen der Diözesanpriester, die sich der Priestergesellschaft anschließen, in der Regel geheim.


(korrigierte Manuskriptfassung des Autors vom 15.8.2011)

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8.1.2012 - www.glaubeaktuell.net
Wir sind Kirche zur Kardinalsernennung von Erzbischof Dr. Rainer Maria Woelki



(München/Berlin/Rom/wsk) - Die deutsche KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche gratuliert Erzbischof Dr. Rainer Maria Woelki zu der heute bekannt gegebenen Aufnahme in das Kardinalskollegium am 18. Februar 2012 und wünscht ihm für sein Wirken Gottes Segen, Kraft und Gesundheit.

Nach Ansicht der katholischen Reformbewegung kommt die Kardinalsernennung Woelkis außergewöhnlich schnell, aber nicht unerwartet, gehört die deutsche Hauptstadt Berlin doch seit 1994 zu den traditionellen deutschen Kardinalssitzen. In Rom ist man offenbar sehr froh und zufrieden, dass der Papst-Besuch im letzten Jahr in Berlin so glimpflich verlaufen ist.

In der augenblicklichen kirchlichen Situation kommt auf Woelki als Mitglied im Kardinalskollegium eine besonders große Verantwortung für das evangeliumsgemäße Handeln der Kirche auf der ganzen Welt zu, zumal die Aufgaben im Vatikan immer schwieriger werden angesichts der Tatsache, dass Benedikt XVI. sich vornehmlich als Lehrpapst versteht – wie der Vatikanexperte Marco Politi in seinem neuesten Buch "Crisi di un papato" richtig analysiert.

Mit Berlin sind jetzt allerdings alle drei deutschen Kardinalssitze mit Erzbischöfen besetzt, die dem ultrakonservativen Netzwerk Opus Dei zumindest nahe stehen: Kardinal Meisner in Köln, Kardinal Marx seit 2008 in München (beide haben die Heiligsprechung des Opus Dei-Gründers befürwortet) und Kardinal Woelki in Berlin, der an der Opus Dei-Universität in Rom promoviert hat. (Siehe dazu: Peter Hertel: Neuer Erzbischof Woelki: Zur Freude von Opus Dei, in „Kirche In“, August 2011)

http://www.glaubeaktuell.net/portal/nachrichten/nachricht.php?useSpr=&IDD=1325930431&IDDParent=1304675732&IDDTyp=&IDDPExtra=&IDDTExtra=&IDB=1&Aktuell=0
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Rainer M. Woelki und der Theologe Karl Rahner

6. Januar 2012 | Von | Kategorie: Religionskritik

Rainer M. Woelki ignoriert die Theologie Karl Rahners

Die Auseinandersetzung über die theologische Doktorarbeit von Rainer M. Woelki, Erzbischof von Berlin,  an der Opus Dei Universität Santa Croce in Rom, hat sehr viele Leser dieser website interessiert, auch die Tatsache, dass der erste Betreuer der Arbeit kein Deutsch spricht; auch der zweite Betreuer ist Mitglied des Opus Dei.

Nun haben sich einige unserer Leser in die Doktorarbeit vertieft, die ja äußerst schwer einzusehen ist.

Vor allem die Rezeption des Denkens des weltweiten bekannten Konzilstheologen und Jesuiten Karl Rahner hat einige unserer Leser zu tieferen Nachforschungen ermuntert. Es fällt nämlich auf, dass die wirklich wichtigen Arbeiten Rahners zum Promotionsthema „Pfarrei“ von Woelki nicht beachtet wurden. Gerade diese Arbeiten aber sind das, was man Ausdruck einer modernen Theologie nennt. Sie wurden nicht herangezogen.

Für den religionsphilosophischen salon: Christian Modehn. Ich habe Ende der neunzehnhundertsiebziger Jahre mit Karl Rahner in München zusammengearbeitet und mit ihm die Bücher “Theologie der Befreiung” und “Volksreligion”, beide bei Kohlhammer, herausgegeben. Außerdem ist in der Gesamtausgabe der Werke Rahners in Band 31, Seite 194 – 200, ein Interview von mir mit Rahner abgedruckt. Der Titel, an dem uns beiden lag: “Zu einer offenen Kirche”.

Wir bieten im folgenden einige Zitate von Lesern der Websitezur mangehalften Rahner Rezeption durch Rainer M. Woelki, mitgeteilt Ende 2011:

Rainer M. Woelki ist nicht entfernt imstande, das komplexe Denken Karl Rahners auch nur darzustellen. Er hätte sicher die zwei Aufsätze “Friedliche Erwägungen…” und “Zur Theologie der Pfarrei”, die er ja beide zitiert,  genauer vergleichen müssen, dann hätte er es vermieden, eine so theologisch äußerst schlichte und exklusive Festlegung auf das „Ortsprinzip“ der Pfarrei zu betreiben. Karl Rahner hat sich ja bekanntlich auch nach 1966 sehr viel zum Thema Pfarrei und Gemeinde geäußert und auch publiziert…

Offensichtlich benutzt Rainer M. Woelki in seiner Darstellung nicht die wichtigen Texte Karl Rahner insgesamt. Schließlich fehlen völlig die späteren wichtigen Texte Rahners zu den Basisgemeinden, zum „Strukturwandel der Kirche“ usw. Woelki schließt seine Auseinandersetzung mit den Rahner-Texten Mitte der sechziger Jahre ab. Autoren, wie Joseph Ratzinger, zitiert er hingegen bis zum Jahr 2000, also dem Jahr seiner Promotion. Ist das bezeichnend?  All die wichtigen späten Texte Rahners zur Gemeinde und Basisgemeinde hätte der Doktorand Woelki leicht finden können, aber offenbar interessierten ihn die Texte über den „Strukturwandel der Kirche“ nicht. Dabei wären gerade diese Vorschläge Rahners angesichts der tiefen Krise der römischen Kirchen (Priestermangel, Zusammenlegung von Pfarrgemeinden, einfach deswegen, weil es so wenige zölibatäre Priester gibt usw.) sehr inspirierend. Aber eine Opus Dei Universität (und ein dort offenbar freiwillig promovierender Theologe)  können es sich vielleicht nicht leisten, den von Rahner und anderen vernünftigen Theologen vorgeschlagenen Strukturwandel der Kirche (Überwindung der Zölibatsverpflichtung, Basisgemeinden, die von qualifitierten Laien geleitet werden usw). auch nur leise zu denken. Ein Leser schreibt: Diese Arbeit ist völlig überflüssig, sie ist veraltet, und wurde wohl nur geschrieben, um einen Doktortitel zu erhalten.

copyright: religionsphilosophischer salon berlin.