Mangeles: Fragen an meine Eltern, die Supernumerarier

2. April 2012

 

Hallo an alle!

Ich habe einige sehr persönliche Fragen an meine Eltern; sie sind Supernumerarier:

Warum hat meine Mutter keine Freundinnen??? Warum geht sie nicht z.B. mit einer aus ihrem Kreis ins Kino? Ist das ein normales gesellschaftliches Leben, das ihr da führt?

Warum habe ich meine Mutter niemals einen Roman lesen gesehen oder etwas, was jemand geschrieben hat, der nicht vom Werk ist?

Warum hat sich meine Mutter immer wie eine alte Frau hergerichtet, obwohl sie sehr, sehr attraktiv ist? Warum sagte sie, dass sie Aufmerksamkeit auf sich ziehen würde, wenn sie sich ein wenig netter herrichtet?

Warum sagt mein Vater, die Familie kommt zuerst, und wenn  die Ferien kommen, fährt er entweder auf Einkehrtage oder auf Konvivenz? (nachdem er wie ein Pferd für seine zahlreichen Kinder gearbeitet hat, und für seine Frau, die er kaum noch sieht)…

 

Warum haben mir meine Eltern immer gesagt, dass sie mich von allen Menschen am besten kennen, dass ich niemanden sonst um Rat fragen solle, und dann haben sie nicht aufgehört Bücher über Kindererziehung zu lesen, die ausschließlich von Leuten vom Werk geschrieben waren etc., und immer haben sie eilfertig das getan, was ihnen die Professoren ihrer Kinder, Numerarier und Numerarierinnen, angeschafft haben, statt dass sie selber nachdenken?

Warum haben sie immer statt mit mir über mich gesprochen (mit NumerarierInnen)? Warum so oft nicht einmal mit mir?

Warum sagen sie  mir, dass sie mich lieben,, komme was da wolle, aber niemals ließen sie mich ihnen erzählen, was ich mache, weil es ihnen widerstrebte – wenn ich etwa am Samstag bis sechs Uhr früh weg war oder mit einem Jungen unterwegs war, der nicht von einem Gymnasium war, wo praktische alle Lehrer vom Werk sind, der am Sonntag nicht in die Messe ging?

Warum haben sie uns Angst gemacht vor allem, was nicht das Werk war?

Warum war das einzige, das sie interessierte, wenn ich mit einem Jungen  ausging:

- Ist er praktizierender Katholik?

- Wenn nicht, wird das nicht funktionieren.

- Studiert er?

Warum schickten sie mich immer in den Club, auch wenn ich nicht gehen wollte?

Warum warum sie nie wieder so zufrieden mit mir als an dem Tag, als ich um die Aufnahme bat?

Warum machte ihnen dieser unselige Schritt, den ich gezwungenermaßen setzte, mehr Freude als die Auszeichnungen, die ich an der Universität bekam?  Sie meinten, sie wollten vermeiden… ich erinnere mich nicht an das Wort, aber es ging in die Richtung: Bescheidenheit, Tochter, Bescheidenheit. Ich habe alles getan, damit sie auf mich stolz sein können  … aber niemals waren sie es so wie damals, als ich um die Aufnahme ins Werk bat. Es ist einfach absurd! Den „Breif zu schreiben“ kostete mich bloß zeh  Minuten und meine Dummheit; ich dachte, ich könnte wieder eghen. wenn es mir nicht passt – so dachte ich.. :P

Warum störte es sie, als ich ihnen sagte: weniger beten, aber mehr miteinander reden?

Warum haben sie immer jene Kinder als die besseren betrachtet, die vom Werk waren? Und das, obwohl gerade die nur sehr selten Lebenszeichen gegeben haben? Auch wenn gerade die nur einen Bruchteil von dem mitbekommen haben, was in ihrem Elternhaus vor sich geht, unsere Probleme, unsere Sorgen…

Warum haben meine Eltern das Studienzentrum für meine Geschwister bezahlt, und die Kleinen zuhause bekamen jeden Tag Makkaroni, während die dort ein kostspieliges Service genossen…

Warum hat niemals einer meiner Brüder das Bad geputzt, während ich das immer schon machen musste?

Warum gibt es im Zuhause von Supernumerariern so viele Tabus?

Warum wurden die Herrschaften in den Himmel gelobt, wenn sie einmal im Jahr das Esszimmer ausfegten, während die Töchter staubwischen, bügeln, kochen, einkaufen, nähen… bkis sie physisch nicht mehr können?

Warum sind die Männer toll, wenn sie für ihre Universitätskarriere arbeiten (manchmal haben andere die Studienrichtung für sie ausgesucht), und mir sagte man, ich solle das Lehramt machen, weil mich Betriebswirtschaft oder Architektur zu viel Zeit kosten und mich von der Hausarbeit abhalten könnten…?

Warum konnte ich mit 14 nicht auf Geburtstagsfeiern gehen, bei denen Jungen waren und es Coca-Cola zu trinken gab (meine Mutter wies die Einladungen zurück, wenn sie von anderen Mamas angerufen worden war), auf Workcamps und Besinnungstage musste ich aber schon fahren?

Mama: Warum hast du mir, als ich 13 Jahre alt war, Badeanzüge für Damen gekauft? Warum sagtest du mir, es gäbe für mich keine passende Wäsche in den Geschäften, und hast mir so viele Röcke genäht, die übers Knie gehen? Ich wollte gar nichts Besonderes, Mami, nur ein paar Jeans!

Warum habt ihr euch über alles aufgeregt?

Warum habt ihr mich zu einem komischen Vogel erzogen? Die Antwort auf diese Frage beantwortet zugleich die vorangegangenen. Oder bin ich gar nicht eigenartig in euren Augen…?

Warum lieben die Supernumerarier das Werk mehr als ihre eigenen Kinder?

Ergebnis:

·Ihr wisst alle schon, welche Antworten man auf solche Fragen bekommt.

· Ich erzähle ihnen gar nicht, um Streit zu vermeiden oder damit meine Mutter sich nicht aufregt (über irgendeine Dummheit, die ich ihr erzählt habe,. hat sie sich glatt hingesetzt)

·Zuhause herrscht Distanz

Realität ist:

·Ich habe meine Eltern immer gebraucht, aber sie haben  so getan als sähen sie es nicht.

·Eltern vom Mars, distanziert, den Problemen ihrer eigenen Kindern gegenüber völlig verständnislos.

·Eltern mit Angst vor dem wirklichen Leben.

·Eltern, die sich davor fürchten, dass ihre Kinder glücklich sein könnten – in einem Leben, das nicht vorprogrammiert ist.

·Eltern mit Angst vor allem neuen, das nicht in den Büchern steht, die sie lesen.

An alle Supernumerarier:

Liebt zuallererst eure Kinder, und dann wenn ihr Zeit habt, könnt ihr euch einem stumpfsinnigen Buch irgendeines Autors vom Werk widmen. Ihr seid frei, aber bitte: Lest Romane, die jetzt aktuell sind, verwurzelt euch in der wirklichen Welt, bereitet euch auf sie vor, aber nicht, um ihr auszuweichen, und schickt sie nicht aktiv und passiv in die Sekte. Lasst sie entscheiden, was sie werden wollen, bringt sie ins Bett, wenn sie einmal mit einem Schwips nach hause kommen… Es ist übrigens keine Sünde, die eigenen Kinder zu umarmen! Der körperliche Kontakt ist etwas Gutes! Wir brauchen ihn!

LIEBE ELTERN!!! WIE BRAUCHEN EUCH, NICHT DAS WERK!!!

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