Dietmar Scharmitzer: Wozu Assoziierte?
(13. August 2012)
Wer den Bericht von Gervasio aufmerksam studiert hat, wird merken, dass die Figur des Assoziierten, noch viel mehr als das Werk insgesamt, vom Konzept her und in der Praxis in der Luft hängt. Als Überbleibsel und Wurmfortsatz aus einer Zeit, als in der Ferraz-Straße ein Koch wirtschaftete und der Sohn des Bankrotteurs Escriba noch nicht von Dienstmädchen träumte, blieb ein Lebenskonzept für Tausende übrig, denen man die Ehe ausredete und das Geld abknöpfte; und das war umso lukrativer, als die Assoziierten in aller Regel keine teuren Studentenheime bewohnen, sondern in ihrer bescheidenen Bude hausen, mögen sie auch Univ. Prof.s sein.
Das Konzept wurde deshalb beibehalten, weil Geld nicht stinkt und weil die feinen Pinkel und jungen Dämchen des weltweit ersten Säkularinstituts ein soziales Feigenblatt brauchten, wenn jemand über die Marmor- und Blattgoldorgien der armen, aber kinderreichen Familie die Nase rümpfte. Dann konnte man zur Not auch dem ungeliebten Papst Paul VI. eine Komödie im Centro ELIS vorspielen, wo Sanktjosefmaria heuchlerisch auf der Straße kniete und junge Arbeiter Seiner Heiligkeit die Hände küssten.
Ich kenne einen einzigen echten Assoziierten, den ersten und letzten, den wir in unserem Land hatten, und der seine Berufung vermutlich deshalb leben konnte, weil er unterm Radar lebte und von niemandem gequält wurde, weil seine Existenz innerhalb der Region unterhalb der Wahrnehmungsschwelle blieb. Robert Theodore Biddle ist etwas jünger als das Werk; er wurde am 27. Oktober 1928 in Brownsville bei Pittsburgh geboren. Als Gymnasiast konvertierte er, meldete sich nach Beginn der Berlinblockade freiwillig zur US-Luftwaffe. Als seine Ausbildung beendet war, war auch die Luftbrücke vorbei, und er ließ sich nach Langenlebarn bei Wien versetzen, wo die U. S. Army ihren Flughafen hatte. Bob blieb auch nach Abschluss der Staatsvertrags und Abzug der Besatzungstruppen da, als einer der ganz wenigen; und so sind seine Spuren, als die eines Zeitzeugen, festgehalten und verewigt:
http://www.vienna.at/amerikanische-besatzungssoldaten-in-wien/vienna-news-mscheiber-20050220-083738. Er studierte Welthandel, trat in die Teppichfirma „Forbo“ ein und brachte es dort zum Prokuristen.
Durch Zufall lernte er das Werk kennen; er sprach im Stephansdom nach der Messe einen Prälaten an, welche kirchliche Institution für einen Laien empfehlenswert sei, der seinen Glauben ernst nähme; und eben jener Monsignore hatte kurz davor die erste Wohnung und den ersten Tabernakel des Werkes im Auftrag des Bischofs in Augenschein genommen. In den Tiefen seiner Soutane fand der Kirchenmann einen Bleistiftstummel, Bob hatte eine Zündholzschachtel dabei, und so notierte er sich die konspirative Telefonnummer aus dem Notizblock des Priesters. Die kleine Herde staunte nicht schlecht, als ein Herr mit amerikanischem Akzent in der Wohnung in der Barnabitengasse anrief, von der ja noch kaum jemand etwas wusste, und meinte: „Guten Tag. Ich möchte von Opus Dei sein“.
Bob verstand es, das Dasein eines Assoziierten des Opus Dei kultiviert und mit großer Selbstverständlichkeit zu leben, er führte seinen Haushalt, kochte und bügelte selbst und hatte eine sehr gemütliche Wohnung in einem kleinen Altwiener Biedermeierhaus; er hatte es sich nicht nur selbst tapeziert und Stuckverzierungen an der Decke angebracht, sondern etwa auch mit dem Fön Küchenfolie an die Fensterscheiben geschweißt, eine Maßnahme, die kaum auffiel, die aber den Pflanzen am Fenstergarten strenge Fröste überleben half. Ab seinem sechzigsten Jahr trug Bob nicht nur einen sehr gepflegten Vollbart mit hinauffrisiertem Schnauzer, sondern er war, dank seinem Lodenmantel und seinem Steirerhut mit prächtigem Gamsbart, längst nicht mehr als Amerikaner zu erkennen. Die Konzentration bei der Arbeit, die Gegenwart Gottes dabei waren ihm ein großes Anliegen. Er kochte sehr gut und aß auch bei Anlässen gerne Feines; die Zigaretten, denen er sehr gerne zusprach, schadeten ihm jedoch zuletzt sehr, und er starb, wenige Tage vor seinem achtzigsten Geburtstag, an Lungenkrebs.
Die Anwesenheit und das Vorbild eines solchen Christen, der seinen Glauben hingebungsvoll ernst nahm, trug jedoch gar nichts dazu bei, dass die Leiter des Werkes die Lebensform der Assoziierten überhaupt wahrnahmen. „Habt ihr ihn wenigstens als Numerarier angesprochen?“, fragte ein mageres Brechmittel aus der Kommission, als wir uns über ein neues Brüderchen freuten; dass sich die Assoziierten in Wien ein eigenes Bildungszentrum geschaffen hatten, in dem sie Arbeit von St. Raphael leisteten, nahm niemand wahr, es wurde schlichtweg totgeschwiegen, und nur weil es über Jahre hinweg kaum apostolische Arbeit in diesem Land gegeben hatte, fand ein Bericht über unsere Aktivitäten den Weg in die „Crónica“ (Una nueva andadura en Augarten, Februar 1991). Sollte in irgendeinem Zentrum der Band noch verfügbar sein, ist der Artikel vermutlich auf Anweisung von oben herausgenommen worden; denn Bob ist am 15. 10. 2008 gestorben, und zu diesem Zeitpunkt war keiner der anderen fünf Assoziierten, die es in Österreich gegeben hatte, mehr vom Werk. Die apostolische Arbeit in einem Randbezirk war etwas Geduldetes, keinesfalls Erwünschtes; als ich die Möglichkeit hatte, einen Job als Sekretär eines Lehrlingsheims in der Nähe unseres Zentrums anzunehmen, der es mir vermutlich ermöglich hätte, ernsthaft in diesem Milieu zu arbeiten, wurde mir dies nicht gestattet.
Stattdessen musste sich Bob mit seinem Leiter herumplagen, der es im Kreis als beispielhaft gelebte apostolische Armut bezeichnete, wenn man fremde Ressourcen nützte und etwa Kopien an seiner Arbeitsstelle, auf Kosten des Arbeitgebers, herstellte, sodass er ihm die Zurechtweisung erteilte und eine Korrektur dieser Darstellung verlangte; ein anderes Mal musste er sich von dem Schnösel, der heute eine Soutane trägt, anhören, dass „ein Direktor vielleicht noch etwas anderes zu tun hat als zu bügeln“ (so sieht sie aus, die Heiligung der Arbeit).
Wenn wir heute aus der iberischen und iberoamerikanischen Ländern erfahren, dass dort die Arbeit der Assoziierten in noch stärkeren Maß stagniert als die der Numerarier, dann liegt das auch daran, dass es nicht einmal ein Konzept dafür gibt, wie die Lebensform eines Assoziierten aussehen sollte oder könnte. Haben wir von Bob noch die Liebe zur Hausarbeit mitbekommen, so erntete ich bei meinen Brüdern in Spanien absolute Verständnislosigkeit, dass etwa ein Mann kochen sollte, aber auch, dass wir fast alle allein lebten; „mit den Eltern oder mit den Kindern“ lautete die Lebensform, die mir Jesús aus Asturien kopfschüttelnd als selbstverständlich für brave Spanier vorstellte. Vom Beichtvater hatte ich den Auftrag erhalten zu erkunden, wie die Assoziierten in Spanien, wo es ja schon Tausende gab, ihr Leben organisierten; als ich dann auftragsgemäß in der Kommission Bericht erstattete, dass es dort auch Wohnheime für Assoziierte gäbe, meist mit einer Art Hausmeister-Ehepaar, die alles in Schuss halten, fuhr mir einer der Oberen – nennen wir ihn Dr. Grusel – in die Parade: „So etwas wird es in Österreich niemals geben“. Er dürfte recht behalten haben.
Dietmar Scharmitzer