Gervasio: Christianisierung der Welt

 

Es gibt Institutionen, in denen das Institutionelle einen Primat über das Persönliche ausübt – wenn wir die Dichotomie von Ruiz Retegui hier anwenden wollen. Eines der treffendsten Beispiele hierfür ist das Heer. Ein Heer hat die Aufgabe, Schlachten, zu guter Letzt jedenfalls den Krieg zu gewinnen. Dabei spielt es keine Rolle – oder halt, es spielt doch eine Rolle, aber man muss davon absehen – dass viele Soldaten und Chargen den Tod finden werden. Ebensowenig darf es eine Rolle spielen, ob Zivilpersonen ums Leben oder Gebäude zu Schaden kommen, Kunstwerke zerstört werden können, Hunger ausbricht oder Familien auseinandergerissen werden. Das einzig Wichtige ist das Endergebnis: den Krieg zu gewinnen.

In anderen Institutionen wiederum steht das Wohl der Person im Mittelpunkt. Man könnte hier ein Spital als typisches Beispiel anführen. Sein Auftrag ist es, den Gesundheitszustand jedes einzelnen seiner Patienten zu bessern. Deshalb werden auch alle ökonomischen Mittel eingesetzt: Man sorgt für Chirurgen, Medikamente, intensivmedizinische Maßnahmen etc., und das alles ist von der Sozialversicherung gedeckt. Und das das macht man auch für Betagte oder Behinderte, die der Gesellschaft keinen Nutzen mehr bringen. Ein Spital ohne Patienten wäre unvorstellbar. Es würde zu nichts dienen. Man müsste es schließen. Das Gleiche gilt auch für eine Bildungsanstalt – sie dient den Schülern. Orden, die solche Unternehmungen leiten, dienen einem bestimmten Zweck.

Die Mitglieder des Opus Dei dienen einer Angelegenheit, um derentwillen sie auf vieles verzichtem müssen. Von den Mitgliedern ders Opus Dei erwartet man Hingabe. Aber diese Hingabe gilt nicht einem bestimmten Personenkreis – den Patienten, den Schülern, den Alten und Hilflosen. Wem kommt dieser Aufwand zugute, den ich durch mein Geld, mein Leben, meine Hingabe im Opus Dei ermögliche? Ich finde keine befriedigende Antwort darauf.

Meine persönliche Auffassung seit meinem Beitritt zum Opus Dei war, dass das einzige, worauf es bei meiner Mitgliedchaft ankam, war, neue Mitglieder für die Institution anzuwerben. Und das kam nicht nur mir so vor, sondern allen. Bei allen Unternehmungen, die von Personen des Opus Dei begonnen werden, ist der Zweck derselbe: der Proselytismus. Aber gibt es denn keine Rettung, keine Heiligkeit außerhalb des Opus Dei? Müssen wir die gesamte Menschheit zum Pfeifen bringen?

In diesem Zusammenhang erinnere ich mich an ein Gespräch zwischen dem Gründer und einem französischen Numerarier. Der Vater richtete sich mit Vehemenz an ihn, lebhaft, energisch, und sagte in Bezug auf Frankreich:

            — Ihr müsst wachsen! Ihr müsst Tausende sein!

            daraufhin antwortete der Franzose, ein wenig sarkastisch vielleicht:

            — Tausende? Vielleicht besser Millionen.

            Und der Gründer erwiderte ihm:

            — Nein, keine Millionen. Die Millionen interessieren uns nicht. Tausend!

Gilt das nur für Frankreich oder für jedes andere Land? Nur eine bestimmte Zahl – nicht Millionen, Tausende – vom Opus Dei. Und wofür? Um das Land zu leiten. Und wozu das alles? Um Christus an die Spitze aller menschlichen Tätigkeiten zu stellen. Stellt euch ein solches Frankreich vor, dessen Fäden der Prälat von Dienst durch Tausende Mitglieder des Opus Dei zieht. Quel panorama etonnant!

Ich erinnere mich an einen bereits verstorbenen Numerarier, der sich in den fünfziger Jahren dem sogenannten Apostolat der öffentlichen Meinung widmete. Er malte sich eine Zukunft aus, in der der Gründer bereits sein Ziel erreicht haben würde, nämlich die Welt in gedrucktes Papier einzuwickeln, und so der ganzen Welt Kampagnen diktierte, zum Beispiel für die Tugend der Nüchternheit beim Essen und Trinken. Die ganze Welt wäre in den Händen einiger tausend Leute vom Opus Dei, und die geleitet, belehrt und beraten von Escrivá. Ein Panorama, wie es erschütternder nicht sein könnte. Träumt, und die Wirklichkeit wird eure Träume weit übertreffen. Was für eine niederschmetternde Endzeitvision!

Aber das sage ich heute. Als ich erst dem Opus Dei beigetreten war, kam mir dieses Panorama attraktiv vor. Es war eine vielversprechende Vision, die Escrivá und seine Jungen mir boten. Eine Welt, regiert von heiligen, gerechten Menschen voller Nächstenliebe. Eine Welt ohne Pornografie, in der im Fernsehen das Evangelium gepredigt und der Angelus gebetet wurde. Eine Welt, in der sich niemand über Religion lustig machte. Und so weiter. Wie schön! Ist dieses Tausendjährige Reich nunmehr angebrochen? Als ich das meiner Mutter erzählte, die das Opus Dei nicht kannte und die sich wegen der Entchristlichung der Welt sehr beunruhigte, antwortete sie mir:

— Aber es ist nicht so, Gervasio, denn wenn das Opus Dei so funktionieren würde wie du behauptest, dass es funktioniert, würde die Welt schon besser aussehen.

Man muss uns Zeit geben, dachte ich. Wir haben ja gerade erst angefangen. Aber heute muss ich meiner Mutter Recht geben. Und ich hatte mir ausgemalt, dass das Opus Dei, wenn es erst aufgehört haben würde anzufangen, unaufhaltsam wachsen werde. Wenn ich Crónica las, erschien mir das Wachstum des Werks in der ganzen Welt wie eine unaufhaltsame Tatsache. Aber die Zeit ist vorbeigegangen, und es gibt keinerlei Hinweise, dass diese Endzeit nunmehr angebrochen sei oder dass das Opus Dei unaufhaltsam wachse. In Frankreich ist es wie vor dreißig Jahren oder schlimmer; es sind drei Hanseln. In Spanien und in anderen Ländern, in denen es eine große Expansion gab, schließt man die Studienzentren. Etc.

Heute sehe ich die Dinge mit anderen Augen. Zunächst einmal macht mir der Gedanke Angst, dass das Christus an die Spitze aller menschlichen Tätigkeiten zu stellen darin bestehen sollte, dass Escrivá oder einer seiner Nachfolger in seinem Zentralhaus in Rom eines schönen Tages verfügen könnte, dass die Welt – die er mittlerweile mit bedrucktem Papier umwickelt haben würde – ab sofort am Gründonnerstag als Zeichen der Nüchternheit, der Armut und der Brüderlichkeit Crespillos essen sollte, um so ihre Seele zu retten. Nun, abgesehen von der Endzeit; heute sehe ich in dem, war wir uns damals im Opus Dei ersehnten, vielmehr als Peinlichkeit. Was wir erreicht haben, ist eine consecratio mundi à la Lieschen Müller. Beispiele gefällig?

Kurz nachdem ich gepfiffen hatte – vielleicht sogar schon vorher – erhielt ich den Auftrag, eine Kartei der Bibliothek des Zentrums entsprechend einigen ebenso klaren wie komplexen Leitlinien anzulegen. Der Hintergrund war, dass sich die obersten Autoritäten des Opus Dei die Möglichkeit offenhalten wollten, in jedem Augenblick über jedes Buch zu verfügen, das es irgendwo auf der Welt in einem Zentrum des Opus Dei gab. Welche Einstellung spricht daraus – was ist nach der Vorstellung dieser Menschen ein Zentrum des Opus Dei! Diese Katalogisierung, die im Übrigen niemals abgeschlossen werden konnte, zeigte übrigens ein armseliges Ergebnis: Unendlich viele Bücher waren aufgeführt, aber praktisch immer nur dieselben. Die Anekdote mag wenig signifikant sein, wenn sie nicht den Zuschnitt und den Stil der obersten Leitungsebene enthüllte.

Die Frauen des Opus Dei wiederum haben die Mode so sehr beeinflusst, dass man sie zu guter Letzt Hosen tragen lassen musste, wenn auch widerstrebend. Das Gleiche passierte mit dem Minirock. Ich habe den Gründer selber sagen hören, dass er ihn nicht ernst nahm.

—           Denn heute tragt ihr den Rock über dem Knie, und es passiert auch nichts.

Noch ein Beispiel: das Fernsehen. Die consecratio mundi bestand offenbar darin, die Fernseher in den Zentren des Werkes wegzusperren – manchmal mit Vorhängeschloss – und zu raten, zu fordern und zu predigen, dass nicht ferngesehen werden sollte. Einige wenige arbeiteten dann bei Fernsehsendern, für das Kino oder die Presse. Der Höhepunkt der consecratio mundi auf diesem Gebiet war, als Don Jesús Urteaga im Fernsehen predigte und Mundo Cristiano herausgab. Und also sprach Don Jesús Arteaga Loidi:

—           Man darf darf Fernsehen nicht irgendwem überlassen. Es muss staatlich sein.

Es ist zu einflussreich.

Auf derselben Linie – das Christentum von oben her auszubreiten – waren Gedanken Escrivás, die ich ihn selber  äußern hörte. Es ging um das Scheitern der unbesiegbaren Armada, die Philipp II. ausgeschickt hatte, um England mit Waffengewalt zu unterwerfen. Er sagte, dass er die Pläne Gottes nicht verstehe. Für ihn wäre es aus übernatürlicher Sicht am wünschenswertesten gewesen, wenn Philipp II. den Katholizismus mit militärischen Mitteln in England eingepflanzt hätte.

Die Numerarier und Assoziierten gehen nicht zu öfentlichen Theaterveranstaltungen. Den Super­nu­merariern und Mitarbeitern wird ebenfalls davon abgeraten. Man könnte jetzt mit vollem Recht einwenden: Wie sollen wir uns für ein gutes Kino oder Fernsehen engagieren, wenn wir uns um beides nicht kümmern dürfen? Wir sehen keinen Kino- und keinen Fernsehfilm, gehen in kein  Konzert und in keinen Stierkampf, wir machen ausschließlich Frömmigkeitsübungen und Proselytismus und gehen nur zu den Bildungsmitteln.

Das Kino und das Fernsehen bergen große Gefahren in sich; deshalb muss man vor ihnen fliehen. Diese Haltung ist nichts Neues; man nennt sie contemptus mundi. Sie gehört vor allem zur Lebensform der Ordensleute. Das Gleiche gilt für Strände; sie verführen zur Sünde. Die Entblößung fördert die sexuelle Anziehung und endet damit, dass man in Versuchung fällt. Man muss die Strände meiden.

Es gab einen Priester, der es für den Gipfel der Unmoral und Gelegenheit zur Sünde hielt, wenn man in der Auslage eines Wäschegeschäft ein Frauenbein in Nylons sehen konnte. Ich möchte nicht abstreiten, dass dies für einen konkreten Pönitenten Anlass zum Ärgernis war. Aber es handelt sich hier eher um einen Fall oder um Fälle, die recht wenige betreffen dürften. Wenn man alles unterdrücken wollte, was auf irgendjemanden sexuell attraktiv wirkt, dürfte nicht viel übrigbleiben. Aber man kann nicht alles abschaffen. Für den einen bedeutet der Strand eine Versuchung, für den anderen ein Frauenbein mit Nylons, für einen dritten der Aufenthalt in Madrid oder  einer anderen Großstadt, wo es die Anonymität erleichtert Animierlokale aufzusuchen etc. Soll man es daher verbieten nach Madrid zu fahren, Frauenbeine in die Auslage zu stellen, an den Strand zu gehen? Der eine wird lustig, wenn er Alkohol trinkt, der andere nicht. Einer ist vielleicht schwul, und deshalb macht es ihm gar nichts aus, mit einer Frau allein im Zimmer oder im Aufzug zu sein, während er es eher vermeiden sollte, mit Männern allein zu sein.

Was hier am Beispiel des Sex ausgeführt wurde, gilt in vielen Bereichen. Der eine braucht mehr als acht Stunden Schlaf, der andere weniger. Es kann sein, dass jemand aus selbstlosen, sogar apostolischen Gründen auswärts isst; und ein anderer macht es aus Übermut. Ich erinnere mich an einen Numerarier – er ist noch immer vom Werk – der mich einsam und verloren antraf, in einer schwierigen beruflichen Situation. Er nahm mich in ein Restaurant mit, um mit mir zu essen und mich aufzubauen. Das Ergebnis  war Zoff beim Heimkommen, weil durch einen Hinweis der Direktoren geregelt war, dass die Heimbewohner nur ganz, ganz ausnahmsweise auswärts essen gehen durften. Es darf aber keinen Zweifel daran geben, was notfalls wichtiger ist, ein Zettel von oben oder eine persönliche Notlage.

Es stimmt, dass das die Institution Ausnahmeregelungen gewährt, allerdings nur bei gerechtfertigten Gründen. Und um sie zu bekommen, muss man ein Theater machen und die eigene Situation gewaltig übertreiben; dann kann man beispielsweise eine besondere Diät bekommen. Ich verstehe die gut, die lieber das Opus Dei verlassen als ständig um eine Diät bitten zu müssen.

Das Problem besteht darin, dass wir, die wir im Opus Dei lebten, nicht nur geleitet waren, sondern eine bloße statistische Größe.

- Meine Söhne! sagte der Gründer oft.

Ich bin aber keine Söhne, dachte ich, ich bin ein Sohn. Oder anders gesagt, mein leiblicher Vater sagte niemals „meine Söhne“; ich habe aber auch nie „mein Vater“ oder „unser Vater“ oder „Vaterunser“ zu ihm gesagt.

- Du und ich, sagte der Priester in der Betrachtung.

Es waren aber viele Ichs, die da zuhörten.

- Jeder einzelne von euch weiß.

Aber es gab viele Jedereinzelne und Jedeeinzelne.

- Was wünscht ihr euch morgen von euren Schwestern zum Feiertag?

Was soll man darauf sagen? Der eine bevorzugt Kalamari in der eigenen Tinte, der andere Kohl mit Zwiebel, der dritte Pfannkuchen. Man kann hier höchstens einen statistischen Näherungswert angeben. Und siehe da, an deinem vierzigsten Geburtstag servieren sie dir doch glatt Pfannkuchen, von jenseits des Meeres eingeflogen – das gibt dem Ganzen eine gewisse Theatralik – und man sieht, dass es ein sehr persönliches Detail ist, aber wir sind alle einzigartig – und  vielleicht hätte sich da jemand einen Film mit Brigitte Bardot gewünscht, noch lieber als Pfannkuchen jedenfalls.

Ich schweife ziemlich ab. Als ein Student des Collegium Romanum einige Scherzchen aus eigener Produktion vorlas und irgendwann der Begriff „die Masse brüllte auf“ vorkam, unterbrach ihn der Gründer und meinte, in Bezug auf die Leute vom Opus Dei:

- Ihr seid keine Masse!, replizierte er messerscharf. Jeden einzelnen von euch behandelt man persönlich.

Wir waren keine Masse – und die Masse brüllte Beifall zu seinen Worten. Angesichts des Protests des Gründers waren wir sehr bewegt, völlig überzeugt, dass wir keine Masse waren, wir waren ich.

Aber es gibt keine Zuwendung der Institution zum Einzelnen wie in den Spitälern, sondern eine Anpassung der Personen an die Institution, wie in einer Armee. Man muss den braven Zivilisten spielen und Kriegsdienst versehen. Sicherlich gibt es – wie der Gründer sagte – im Opus Dei die Aufmerksamkeit gegenüber der Person. Jeder einzelne wird persönlich behandelt; aber in Hinblick auf die Notwendigkeiten der Institution. Die Direktoren und Priester haben den Auftrag, aus den ihnen anvertrauten Personen einen perfekten Numerarier, einen perfekten Supernumerarier, eine perfekte Auxiliarin zu formen. Darin muss die Heiligkeit bestehen. Und dieser sogenannte personalisierte Umgang besteht darin, dass die Person sich selbst verleugnet, um zu einem Ziegelstein der Institution zu werden.

Ich habe es bisher nicht geschafft, im Evangelium jene Passage zu finden, in denen uns geraten wird, alles zu tun, was uns Don José María Escrivá de Balaguer befiehlt. Ich finde sie weder im Alter noch im Neuen Testament. Im Evangelium gibt es Passagen zur Armut, wir sehen uns aufgefordert, mit dem eigenen Geld großzügig zu sein, ebenso eine Anspielung auf den Zölibat um des Himmelreiches willen: aber ich finde kein einziges Verslein, das den Gehorsam gegenüber Escrivá fordert. Escrivá zu gehorchen scheint mir kein evangelischer Rat zu sein. Wenn der Gehorsam gegenüber einem erleuchteten Manne das Heil der Seele fördert, werde ich, der ich voller Licht bin, eine Verkaufsbude aufstellen – und wenn es geht, ein kleines Palais – mit einem Schild und der Inschrift: „Dem, der mit sein ganzes Geld gibt und mir in allem gehorsam ist, dem verspreche ich den Himmel“. Wir wollen mal sehen, wie viele anbeißen. Wenn ein paar anbeißen, lass ich mich nach meinem Tod auch noch heiligsprechen. Man soll nicht sagen können, ich hätte den Gründer des Opus Dei nicht nachgeahmt, denn er ist der reguläre Weg, um in den Himmel zu kommen.

In den neuen Statuten des Opus Dei von 1982 wird ein Numerarier durch seine Verfügbarkeit definiert. Numerarier ist jemand, den die Direktoren überall hinschicken können. Derjenigen der also die consecratio mundi durchführt, ist nicht der Numerarier durch seinen Beruf und seine gewöhnliche Arbeit, sondern die Direktoren, die, da sie ja über die Numerarier verfügen, entscheiden, das sie jetzt Privatgymnasien aufmachenm Einkehrhäuser, die Große Enzyklopädie von Rialp [Verlag des OD], eine Klingelbeutelinitiative für Ichweißnichtwas etc. Es ist genau wie in einem Heer: Die Schlachten gewinnen nicht die Soldaten, sondern ein General: Napoleon, Wellington, Hamilkar Barkas, Themistokles, Hernán Cortés… Letztlich sind sie es, die Chefs, sie die apostolischen Arbeiten erfinden und leiten. Die Laien des Opus Dei beschränken sich darauf, an den apostolischen Werken der Prälatur mitzuwirken. Ihre berufliche Widmung – als Arzt, Beamter etc, - ist nur ein lästiges Hindernis, wenn sie sich nicht nach den Bedürfnissen des Werks ausrichtet: Psychiater oder Arzt des Werkes, Hausangestellte des Werks, Banker des Werks, Architekt des Werks. Die Laien arbeiten mit. Das ist das Besondere an den Personalprälaturen.

Wie fängt die Arbeit des Werkes in einem Land an? Auf jeden Fall nicht dadurch, dass einige Berufstätige dorthin übersiedeln, sondern wenn der Prälat sich dazu entscheidet dort die Arbeit anzufangen. Und dann schickt er ein kleines Troupeau in dieses Land. Solange es noch keinen hierarchischen Auftrag gibt, kann man nicht sagen, dass die Arbeit in einem Land begonnen hat. Der Fall von José María González Barredo in den USA ist beispielhaft.

- Unsere Sache ist nicht eine neue Form von Klerikalismus, hörte ich den Gründer sagen.

Ist es nicht, sieht aber so aus. Dasselbe in Grün.

Der Gründer las den Studenten des Collegium Romanum den Brief eines Numerariers vor, dessen Inhalt im Wesentlichen war, dass er Priester werden möchte, da er in seinem Beruf wenig apostolische Wirksamkeit entfalten kann. Der Gründer unterbrach die Lektüre für einen Augenblick und kommentierte:

- Alle Berufe sind wunderbar. In allen kann man Seelen gewinnen.

Er sagte so etwas oder etwas Ähnliches. Das Bemerkenswerte war, dass seine Zuhörer – die Studenten des Collegium Romanum – gerade darauf verzichtet hatten, ihren Beruf auszuüben, um Priester zu werden. Der Brief ist übrigens später in Crónica erschienen.

Man sieht einen großen Unterschied in den Constitutiones von 1950 und dem Ius Particulare von 1982. Vorher war die Berufsausübung das Wesentliche, und sogar die Priester übten einen Beruf aus. Andererseits lehnte man korporative Werke ab. Ich will es anders formulieren. Vorher war der Priester Helfer des

persönlichen Apostolats – der Freundschaft und des Vertrauens – jedes Mitglieds. Heute ist das scheinbar umgekehrt. Die vom Opus Dei sind für die Delegationen, Kommissionen, Vikare da.

Da kommt das geleitete persönliche Apostolat ins Spiel. Der Ausdruck ist vollkommen hybrid. Denn die Tätigkeiten, die jemand entfaltet, im apostolischen Bereich oder in einem anderen, kommen entweder von einem selbst oder von außen. Das geleitete persönliche Apostolat ist ein Widerspruch in sich. Aber im Opus Dei mussten wir uns daran gewöhnen das spontan zu wollen was man uns auftrug.

- Wenn ich um einen Freiwilligen ersuche – sagte der Hauptmann meiner Kompanie während meines Militärdienstes – macht die ganze Kompanie einen Schritt nach vorn.

Wir dürfen aber nur Lust auf das haben, was sie uns auftragen. Deshalb wirkt das Opus Dei so künstlich: die Beisammenseins und ihre Themen, die Briefe an den Vater, die Brüderlichen Zurechtweisungen, der apostolische Eifer, das Monatsanliegen, die Emendatio, das Partikularexamen, der Evangelienkommentar etc. Alles ist aus Papiermaché.

Zum Thema des geleiteten  persönlichen Apostolats möchte ich ein wenig abschweifen.  

Das erste, wozu ich mich innerlich zwingen musste, war der spontane Drang zum Proselytismus. Deshalb schleppte ich einen Jungen zum Zentrum (der dann auch beitrat). Aber sie sagten mir, dass er nicht pfeifen könne. Er hätte nicht das Format. Aber als ich die Stadt verließ, hat er gepfiffen. Ich denke, der Wandel der Kriterien verdankt sich der Tatsache, dass der Direktor der sein wollte, der ihn (statt mir) zum Pfeifen gebracht haben würde. Ich war weg und er war der Chef. Ich habe zu spät begriffen, dass es im Werk eine Art Jagdtrophäe ist, um die die Leute sich reißen, wenn man jemanden bringt. Ich denke, dass einige Schlauberger, die im Werk als große Apostel gelten, immer nur, wie die Fregattvögel, anderen ihren Raub abjagen.

Dieser Junge, der damals als ungeeignet für das Opus Dei galt, ist heute noch immer im Werk. Mir dagten sie damals, ich solle mich statt um ihn um den Sohn eines begüterten Bankers kümmern, eines Bekannten. Jetzt schien es mir, dass der keine Berufung habe.

- Egal. Kümmer dich um ihn.

- Hast du nicht gesagt, dass das hier persönliches Apostolat ist?

- Ja, aber geleitetes persönliches Apostolat.

De Umgang mit dem Bankierssohn führte übrigens zu nichts.

In einem Sprachkurs eines Zentrums des Werkes außerhalb Spaniens gab es zwei Jungen aus meinem Dorf: der eine intelligent, ein ordentlicher Kerl aus gutem Haus, der andere ein sehr mittelmäßiger Tollpatsch. Ich, damals bereits ein Experte in der Selektion, sagte in aller Einfachheit zum Priester:

- Wenn wir wieder in Spanien sind, werde ich mich um X. kümmern – es betraf den Intelligenten – nicht um den, der wenig taugt.

- Von wegen! Der Junge, den du so hoch einschätzt, taugt nicht.Man muss selektionieren. Kümmer dich um den anderen.

Und da das persönliche Apostolat „geleitet“ ist und ich die Standesgnade hatte, kümmerte ich mich um den Pfosten.

Und wenn da jemand mit einem Adelstitel ist, wird der „Hinweis“ für das persönliche Apostolat nicht auf sich warten lassen.

In einem Gespräch mit dem Gründer kam die Rede einmal auf einen Adeligen, den der Gründer nur flüchtig kannte, und er sagte:

- Du wirst wirst dich um ihn kümmern, klar?

Und der Direktor meines Zentrums fuhr mich, in Zusammenhang mit einem anderen Blaublütigen, an:

—           Du  musst dich um seine Kinder kümmern.

Und da er nur Töchter hatte, war ich von diesem „apostolischen Auftrag“ dispensiert. Was ich nicht verstehe ist das Faktum, dass es ausreicht, dass es sich um Kinder eines Adeligen handelt, dass man sich „um sie kümmert“.

Das geleitete persönliche Apostolat ist tatsächlich lediglich ein geleitetes Apostolat. Persönlich ist es lediglich in dem Sinn, dass es nicht von Maschinen oder Katzen durchgeführt wird; aber es ist ein Apostolat der Institution.

Außerdem richtet es sich nicht eigentlich an die Person. Die Institution interessiert sich für Adelige, Banker, Entscheidungsträger. Darin besteht die Selektion. Von hundert Seelen interessieren uns hundert bedeutet nicht, dass uns von hundert menschlichen Wesen hundert interessieren, sondern dass uns von hundert Euro hundert Euro interessieren und kein Euro weniger. Von hundert Bankern interessieren uns hundert. Von hundert einflussreichen Männern interessieren uns hundert. Wie sagte doch gleich der Gründer:

Die Millionen interessieren uns nicht. Tausend!

 

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