Gervasio: Escrivá und die Bischofswürde

 

1. Oktober 2012

 

Der Artikel Guilleaume: Seit 1942 wollte Escrivá Bischof werden (28. 9. 2012) von Guilleaume ist umfangreich und gut! Er liefert Fakten, die wir vorher nicht gekannt hatten oder nicht so gekannt hatten; all das gehört publiziert. Und dieser Artikel äußert sich sehr zurückhaltend. Er reibt sich nicht an der Gestalt Escrivás, der in seinem armseligen Größenwahn ohnehin schon fast wieder drollig wirkt, sondern beschränkt sich darauf, Daten beizusteuern und Hypothesen zu äußern, und zwar trennt er das eine strikt von dem andern.

 

Die Absicht wurde, so wie das Opfer Isaaks, niemals eingelöst, nämlich das Gelübde, „niemals die Aufgabe oder die Würde eines Bischofs anzunehmen“. Ich hatte immer den Eifer, einen gewissen Zusammenhang in seinen Ideen zu suchen. Im Lauf der Zeit bin ich draufgekommen, dass alles eine Schimäre ist und man nicht weiterzusuchen braucht. Vielleicht hatte sich Escriá einen Bischofssitz erhofft, um dann von der so erlangten Diözese ein winziges Stückchen als Prälatur nullius dioecesis abzutrennen, in der das Opus Dei seinen Sitz bekommen konnte, eine „Lösung“, vergleichbar der, die für die Mission de France oder für die Prälatur des Spanischen Hofes gefunden worden war, zu der das Patronat von Santa Isabel gehörte, in deren Kirche Antonino Sentmenat Cartellá (1784-1806) und  Jaime Cardona Tur (1892-1923) begraben waren. Beide waren hervorragende Prälaten, zudem Bischöfe, Patriarchen von Westindien, Militärordinarien und hatten noch weitere Würden inne – so war die Prälatur palatina wie eine Prälatur nullius  organisiert, mit einem eigenen Territorium, wenn auch einem winzigen und eine Exklave der Diözese Toledo bzw. später Madrid-Alcalá. Escrivá hat die Gräber der beiden Kirchenmänner als eine Quelle der Inspiration für die „juristische Lösung“ des Werkes bezeichnet, wie Pedro Casciaro (R. I. P. ) berichtet. Escrivá hatte Johannes XXIII.  im Jahr 1962 um nichts weniger gebeten als aus der Diözese Rom eine Prälatur nullius dioecesis auszugliedern. Wenn Escrivá den Wunsch gehabt hätte, Prälat einer Prälatur nullius dioecesis zu werden, hätte es mehr Sinn  gemacht, zuvor Bischof zu werden, um dieses Ziel zu erreichen, und nicht auszustreuen, er werde „es niemals hinnehmen Bischof zu werden“.  warum einfach, wenn es kompliziert geht. Es scheint dennoch, dass seine Sehnsucht, Bischof zu werden, wenig mit seiner Funktion eines Gründers des Opus Dei zu tun hatte, ebenso wenig wie seine Ernennung zum Markgraf dem Opus Dei oder seinen Interessen genützt hat. Und schließlich hat der Gründer seit 1950 mit einer gewissen Feierlichkeit verkündet, dass er das Opus Dei verlassen würde wegen einer neuen Gründung, aber auch, dass er kein Gründer von irgendetwas sein wollte – ein Vorsatz, der sich, genau wie die Opferung Isaaks, ebenso wenig in Erfüllung gehen sollte.

Dass er um die Erlaubnis gebeten habe, auf die Bischofswürde verzichten zu dürfen, lässt die Dinge so erscheinen, als hätte er diese Würde in hohem Maße verdient und als wäre sie in Reichweite gewesen. Denn wenn man darauf verzichten, den Nobelpreis anzunehmen oder Kaiser von Japan oder Patriarch von Konstantinopel zu werden, setzt voraus, dass man dafür vorgeschlagen wurde. Man kann nur auf eine Würde verzichten, auf die man ein Anrecht hat, wie etwa Jean Paul Sartre 1964 den  Nobelpreis für Literatur zurückgewiesen hat. Das hatte dieser allerdings getan, ohne sich vorher durch ein Gelübde dazu zu verpflichten. Ers hatte es einfach getan, als die Wahl auf ihn gefallen war. Ein Gelübde abzulegen, die Bischofswürde nicht anzunehmen, ist lächerlich, vor allem bei jemandem, der keine Gelübde mag, denn man kann jederzeit mit Leichtigkeit davon entbunden werden. Es war ein rhetorischer Kniff, der jeder Grundlage entbehrt, Zeichen einer geheuchelten Demut fürs Protokoll. So, wie wenn jemand sagt:

- Legt mir keine Blumen aufs Grab. Schickt stattdessen ein Gebet für meine arme Seele zum Himmel.

Die „Lösung“ einer Prälatur nullius, sei sie nun territorial oder personal definiert, passt nicht wirklich zum Phänomen Opus Dei. Die Prälatur nullius palatina, die nunmehr in Personalunion in der Militärdiözese aufgegangen ist, besitzt verschiedene Patronate, unter anderem das über Santa Isabel, sowie drei Pfarren, die der Königlichen familie und den Bediensteten des Palastes zur Verfügung stehen. Ihre Funktion entspricht der jeder anderen Pfarre: Sie bietet Taufen, Firmungen, Erstkommunionen etc. Konsequenterweise sind auch die Prälaturen nullius dioecesis territorialen Diözesen gleichgestellt. (Vgl. Can. 368). Aber im Opus Dei gibt es keine Erstkommunionen, keine Taufen, keine Pfarren. Nichts davon.  Stattdessen gibt es die Bitte um die Aufnahme, Oblation, Fidelitas, Entlassung, alles was für Mönche und Nonnen typisch und für gewöhnliche Christen untypisch ist. Gewöhnliche Christen machen weder Oblation, Fidelitas sonst  etwas in  dieser Richtung. Die Jurisdiktion des Prälaten des Opus Dei basiert auf einem Vertragsband, das von den Oblationen und der Fidelitas abgeleitet ist, von dem dispensiert werden kann und häufig wird, den im Opus Dei herrscht ein ständiges Kommen und Gehen wie in einer U-Bahn-Station. Ich denke nicht, dass Escrivá das alles angesichts der Gräber der Kardinäle Sentmenat und Cardona genau so bedacht und  vorausgeplant haben soll. Aber wenn auch so vieles nicht stimmig ist, er scheint wenigstens guten Willen gehabt zu haben, wenn er auch nicht ganz richtig im Kopf gewesen sein dürfte.

Gervasio