Josef Knecht: Die historisch-kritische Ausgabe des Wegs von Professor Pedro Rodríguez

 

(16. 01. 2013)


Homère  hat in seinem Beitrag vom 14.01.2013 Professor Josep Maria Martí Bonet (Theologische Fakultät von Katalonien) mit seiner Stellungnahme über die historisch-kritische Ausgabe des Wegs  von Professor Pedro Rodríguez (Universität von Navarra) zitiert; ich schätze seine Beobachtungen und möchte sie gelegentlich und nach sorgfältiger Überlegung weiterführen.

Die erste Beobachtung Homère bezieht sich auf die Bemerkung Martí Bonets, dass die erste offizielle Biografie des hl. Franz von Assisi (Legenda Maior), die der hl. Buenaventura in der Mitte des 13. Jahrhunderts verfasst hat, sich doch deutlich von der historischen Wahrheit über diesen heiligen Gründer entfernt hat. Martí Bonet meint nun, dass Prof. Pedro Rodríguez und das Opus Dei ganz im Gegenteil im Hinblick auf den Weg eine den konkreten Entstehungsumständen treu entsprechende historisch-kritische Ausgabe vorlegen. Freilich vergisst der katalanische Historiker dabei, dass sie die Aufgabe, der sich Pedro Rodríguez gestellt hat, nicht an der historischen Wahrheit orientiert, sondern an den korporativen Interessen des Opus Dei, da mehr als einmal, besonders in Hinblick auf das Leben des Gründers und mit dessen Einverständnis seine eigene Geschichte immer wieder, den augenblicklichen Bedürfnissen folgend, umgeschrieben hat. Professor  Martí Bonet sollte nicht nur die Studien von Giancarlo Rocca und Joan Estruch lesen, er müsste sich auch hier einlesen, was Autoren wie Oráculo, Marcus Tank, Gervasio, Lucas, Guillaume, E.B.E., unter anderen zu sagen haben ; besonders zu erwähnen ist das jüngst erschienene Buch von E.B.E., El Opus Dei como revelación divina (Das OD als göttliche Offenbarung). Im Licht dieser Erkenntnisse würde er sehr rasch merken, dass und wie das Opus Dei seine Geschichte im Lauf der Zeit seinen Bedürfnissen angepasst hat. Tatsächlich ist die historisch-kritische Ausgabe von Pedro Rodríguez weder so kritisch noch so historisch, wie man auf den ersten Blick annehmen könnte, sondern tendenziös, auch wenn man sie natürlich nicht mit dem legendenhaften Charakter einer Hagiografie des dreizehnten Jahrhunderts vergleichen kann, denn die literarischen genera und die Methodik der Legenda Maior und des hl. Bonaventura und die Studie von Pedro Rodríguez sind vollkommen verschieden.

Die zweite Beobachtung Homères bezieht sich auf  den überschwänglichen Vergleich, den der katalanische Historiker Martí Bonet zwischen der Spiritualität des Architekten Antoni Gaudí und dem Weg hinsichtlich der Heiligung der beruflichen Arbeit anstellt. Hier schlägt das Urteil Martí Bonets Kapriolen, denn wie schon der Soziologe Joan Estruch in seiner Studie Santos y pillos gezeigt hat, zeigt Josemaría Escrivá in der ersten Auflage des Weges von 1939 noch gar kein Interesse an der Heiligung der Arbeit; das beginnt erst in den sechziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts, als Escrivá sich entschlossen hatte, die Rechtsfigur eines Säkularinstituts und die Spiritualität des „Standes der Vollkommenheit“ aufzugeben und er sich für den Status einer Praelatura nullius und eine neue „Theologie der Laien“ zu interessieren begann, die allerdings erst in den fünfziger Jahren in Mitteleuropa aufgekommen war. Ganz entgegen dem, was Pedro Rodríguez vorgeblich in seiner pseudo-kritisch-historischen Edition zeigen möchte, war Msgr. Escrivá kein origineller Kopf der Spiritualität, denn buchstäblich alles, was im Opus Dei gelebt wird und was der Gründer vor und nach dem Paradigmenwechsel der sechziger Jahre festgelegt hatte, stammt aus anderen kirchlichen Quellen. Tatsächlich ist Antoni Gaudí durch sein Leben und seine Arbeit (1852-1926) in weit höherem Maß ein Vorläufer der Theologie des Laienstandes, als dies Josemaría Escrivá (1902-1975) beanspruchen könnte, der eben noch rechtzeitig auf diesen Zug aufgesprungen ist.

Pedro Rodríguez  erhebt ebenso den Anspruch, eine historisch-kritische Ausgabe vorzulegen, wie die Autoren des Buchs El itinerario jurídico del Opus Dei. Historia y defensa de un carisma (in deutscher Sprache: A. de Fuenmayor, V. Gómez-Iglesias, J.-L. Illanes, Die Prälatur Opus Dei. Zur Rechtsgeschichte eines Charismas. Darstellung, Dokumente, Statuten, Essen 1994). Dort wir vorgegeben, dass der Gründer am 2. Oktober 1928 bereits vorausgesehen habe, was das Opus Dei in der Zukunft sein würde,. und in seiner Treue zu diesem Gründungscharisma habe er eben bereits gewisse Neuerungen des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965), vorweggenommen, wie die Theologie der Laien, die Heiligung der Arbeit inmitten der Welt, die Autonomie der zeitlichen Dinge und ihre Erhebung zu Gott – und mit dieser Sorte von Geschichtsklitterung sind wir nicht mehr weit weg von den Übertreibungen mittelalterlicher Legenden. Historiker wie Martí Bonet  dürften solche Beobachtungen, wie sie seit längerer Zeit publiziert vorliegen, nicht einfach so übergehen; es wäre wünschenswert, er hätte sich als Wissenschaftler geäußert und nicht als Sprachrohr der offiziellen Publikationen des Opus Dei.

Josef Knecht