José María Escrivá Albás: Einige historische Probleme

 

Jaume García Moles

15/04/2013

 

4. Die Vorzeichen Escrivás

 

Die Furcht vor der Freiheit und die Furcht vor der Zukunft begleiten den Menschen  aller Kulturen. Deshalben suchten die Menschen von alters her die Hilfe von Wahrsagerinnen, Orakeln, Sibyllen oder Auguren. Wir wissen auch von Magiern und Hexern primitiver Kulturen; und letztendlich sehen wir, dass sich viele unserer zivilisierten Zeitgenossen von Horoskopen und Tarotkarten angezogen fühlen.

Für Menschen, die an Gott glauben, sind derlei Dinge nicht mehr als purer Aberglaube. Aber der Glaube allein reicht nicht aus; es braucht andere Tugenden, um die Angst vor der Zukunft, vor der Freiheit oder vor den Folgen der Vergangenheit abzulegen. Es handelt sich um eben jene Hoffnung, die die Engel in Bethlehem den Menschen guten Willens versprochen haben. Und diese Hoffnung erwächst aus dem Vertrauen in die Liebe Gottes zu uns, der umgekehrt unsere Liebe zu Ihm entsprechen muss. Wenn eine dieser Tugenden scheitert, fühlen wir uns dazu geneigt „Abkürzungen“ einzuschlagen, um  die Probleme zu lösen, die die Freiheit uns aufgibt.

Die alten „Abkürzungen“, wie Orakel, Magier oder Wahrsager haben etwas gemeinsam. Sie nützen die Beobachtung willkürlich ausgewählter Ereignisse, um daraus Schlussfolgerungen für die Zukunft zu ziehen, sei es der Vogelflug, Linien auf der Handfläche, das Geburtsdatum oder die Aufeinanderfolge bestimmter Tarotkarten. Der Wahrsager „befragte“ solche Ereignis und schloss Bedeutsames daraus, ein Omen, ein Vorzeichen, und teilte es dem unentschlossenen Klienten mit, um ihm die Zukunft zu erschließen oder ihm hinsichtlich eines Projekts zu- oder abzuraten.  

Aus mehr oder weniger verborgenen Gründen glaubte der Klient – und vielleicht sogar der Wahrsager – an höhere Mächte, die Sterne oder an Götter, die sie bestimmten Personen, eben Medien, mitteilten, die mit diesem Privileg ausgestattet waren. Gut also, ähnliches geschieht bestimmten religiösen Menschen. Sie glauben an die Vorsehung Gottes. Dieser Glaube ist in sich gut, aber die Betreffenden glauben auf eine verkehrte Weise, da sie sich imstande fühlen, die Motive Gott zu erkennen,  seinen Willen auf die eine oder andere Weise vorauszusehen. Auf eine mehr oder weniger klare Weise halten sie sich für Propheten.

Ich nenne ein Beispiel. Über Jahre hinweg beobachtete ich, dass Mitglieder des Werkes, die ich näher kannte, kurze Zeit nach ihrem Austritt, Wochen oder Monate, starben.  Diese Koinzidenz schien mir über statistisch wahrscheinliche Zufälle weit hinauszugehen; ich suchte eine Erklärung und fand viele Möglichkeiten; viele davon lagen in der betreffenden Person begründet.

Wenn ich mich von der Lehre Escrivá darüber leiten ließe, hätte ich all das als Strafe Gottes betrachtet. Aber das überzeugte mich nicht. In einem Fall schien es mir gerechtfertigter zu denken, Gott habe diesen Jungen zu sich genommen, um ihm den Frieden nach diesem Fegefeuer zu verschaffen, das die „Berufung“ für ihn bedeutet haben muss: die ständige Be­klemmung, sich für den Proselytismus nutzlos zu fühlen. Viele von uns haben das am eigenen Leib erfahren, vor allem aus Scham, nicht offen zu dem stehen zu können, was man ist, im speziellen Fall aber litt der Betroffene vor allem aufgrund seines Temperaments. Es handelte sich um einen schweigsamen und schüchternen Assoziierten, der nicht in die Partie von Draufgängern passte, die ihn umgab: Assoziierte, zum Proselytismus genötigt. In anderen Fällen wurden eher merkwürdige Erklärungen gegeben; eine Person  soll etwa das Werk verlassen haben, weil sie sich zu schwach fühlte und viele Normen nicht erfüllen konnte. Sie starb an einer Krankheit, die sie vielleicht schon im Werk in sich trug, die mentale Ursachen hatte. Oder es gab zwei Fälle von schweren Depressionen, von denen der eine zum Selbstmord führte: Wie konnte ich urteilen, dass dies eine Strafe Gottes gewesen sei, während ich selbst ein Jahr lang unter Depressionen litt, auch wenn es nicht aufgefallen war.

Ich kehre zum, Thema zurück. Wie ich bereits sagte, gibt es Menschen, die immer auf der Suche nach Vorzeichen, an denen sie „erkennen“, wie sie handeln sollen. Da sie denken, dass diese Zeichen Signale von Seiten der göttlichen  Vorsehung sind, die ihnen den Weg weisen, können sie sie deuten. Sie passen Auffälligkeiten auf wie die Teilnehmer einer Treibjagd den Hasen. Das Problem ist aber, dass die Zeichen, wenn es denn welche gibt, viele unterschiedliche Deutungen zulassen, Manche aber finden mit erstaunlicher Leichtigkeit Vorzeichen, die sie in ihrem gewünschten Sinn auslegen können. So könnte beispielsweise jemand ein „Zeichen“ bekommen haben,  eine bestimmte Unternehmung zu beginnen, aber ein Hindernis tritt ein – ein Besuch meldet sich, der Computer hängt sich auf etc., sodass der Betreffende denkt, sein Schutzengel habe ihn  daran gehindert.  Und merkwürdigerweise entspricht diese Umdeutung ziemlich genau dem Wunsch des Betroffenen.

Die Klugheit lehrt uns, eine anstehende Entscheidung gelassen anzugehen, indem wir seine moralischen Aspekte studieren, dann die taktischen, indem wir um Rat bitten, wenn es notwendig ist, du sobald wir einer der möglichen Lösungen zuneigen, prüfen wir unser Gewissen, ob wie sie mit rechter Absicht gewählt haben. Und wenn dann alle Kontrolllämpchen grün sind, können wir uns guten Willens an die Arbeit machen, ohne Angst vor dem zu haben, was daraus entstehen könnte, denn Gott wird die Folgen zu unserem besten ausschlagen lassen, auch wenn wir anscheinende oder tatsächlich scheitern sollten.

Bis jetzt habe ich von Vorzeichen gesprochen, die sich auf die Zukunft beziehen, aber nicht alle Vorzeichen gehören dazu. Es gibt auch solche, mit deren Hilfe man sich hinsichtlich der Vergangenheit Gewissheit verschafft, wenn das Gewissen wegen einer getroffenen Entscheidung unruhig ist. Ein Irrtum könnte nun darin bestehen, dass jemand eine irrtümliche oder  schuldhafte Entscheidung getroffen hat, in deren Folge ihm etwas Gutes zuteil wurde, das er dann als Vorzeichen dafür verstand, dass diese falsche oder sündhafte Entscheidung von der Vorsehung tatsächlich so gewünscht worden war und dass er sein Gewissen nicht länger zu belasten brauchte.

Letztlich ist es die Angst vor der Freiheit, vor dem Scheitern, vor einer möglichen Erniedrigung, vor einem Tadel des Himmels oder der Menschen. Diese Zuflucht zu Vorzeichen, um zu einer persönlichen Sicherheit zu gelangen, kann zu erschütternden historischen Konsequenzen führen.  Das berühmteste Beispiel bietet Martin Luther. Wie man weiß, traf er die Ent­schei­dung Priester zu werden unter prekären Umständen, unterwegs mit einem Gefährten, begegnete ihnen ein Gewitter, und der Blitz traf seinen Begleiter. In Panik traf Luther die Entscheidung Priester zu werden, weil er den Unfall als Warnung Gottes verstand. Diese Entscheidung war in seinem Gewissen bereits durch eine falsche Auffassung von Gott vorbereitet, da er nominalistische Philosophen gelesen hatte, die Gott als willkürlich darstellten. So stand er unter der beklemmenden Vorstellung, er könnte auf ewig verdammt werden; das Vorzeichen ließ ihn annehmen, er könne sich Gott zuwenden, indem er Priester wurde.  

Durch diese falsche Auffassung und das deshalb erwählte Priestertum kam der Protestantismus über die  Kirche. 1. Ich zitiere aus dem Werk von García-Villoslada: Eine schreckliche, schmerzliche Fügung war es, die diesen so reich begabten jungen Mann nicht zu Gott führte, sondern er hatte von Christus lediglich die Vorstellung, eines erschreckenden, fordernden, tyrannischen Richters, den man mit guten Werken, Fasten und Bußgürtel, mit Barbarismen und Gebeten besänftigen müsse.

Der Leser möge verzeihen, wenn ich mich nicht klarer ausdrücke. Es ist ein subtiles Thema, das eine subtile Versuchung behandelt, und wir müssen es zu beschreiben trachten, indem wir immer nur von Indizien ausgehen. Um die Bedeutung der Vorzeichen im  Leben Escrivás zu verstehen, lohnt es sich seine Jugend zu betrachten; das erste kam von seiner Mutter. Wie man weiß, litt Escrivá im Alter von zwei Jahren an einer Krankheit, die ihn nach Auffassung der Ärzte an den Rand des Todes gebracht habe. Nach dem Gebet seiner Eltern war der Knabe innerhalb einer Nacht geheilt. Sie deuteten das als große Wohltat Gottes, und seine Mutter noch als mehr, als ein Wunder. Im Lauf der Zeit sagte Frau Dolores mehr als einmal zu ihrem Sohn:  — „Mein Sohn, die heilige Jungfrau hat dich in der Welt gelassen, um etwas Großes zu vollbringen, denn du warst schon mehr tot als lebendig“ 2.

Wie wir sehen, beschränkte sich Doña Dolores nicht darauf, Gott für die Heilung ihres Sohnes zu danken, sie deutete diese Heilung gleich auch als Zeichen Gottes für ihren Sohn. Indem, sie diese Geschichte immer wieder erzählte, konnte sich in Escrivá die Idee festsetzen, er sei zu großen Dingen in dieser Welt berufen, und deshalb forschte er nach weiteren Vorzeichen.

Die zweite Geschichte geschah aus Anlass seiner Erstkommunion. 3.

Am Vorabend des bezeichneten Tages wurde er zum Friseur gerufen, um sich die Frisur richten zu lassen; aber als ihm der ein Haarbüschelmit einer heißen Zange ondulieren  wollte, verbrannte er ihn am Kopf.  Der Junge hielt es aus, ohne zu klagen, um dem Friseur keine Unannehmlichkeiten zu machen. Aber später entdeckte die Mutter die Narbe der Verbrennung. Und von da an offenbarte sich der Herr Josemaría an jedem Festtag mit dem süßen Zeichen des Schmerzes oder des Widerspruch, wie eine Liebkosung.

Wir haben hier ein hagiographisches Detail, das wie ein Erbe Escrivás anmutet, wenn er, sich selbst in Szene setzend, sein Leben schilderte. Das, was allen Kindern irgendwann einmal widerfährt – ein Knochenbruch, eine Verrenkung, sie haben sich an einem Glas geschnitten, gestochen, an einem Bügeleisen verbrannt, mit einem Finger in der Tür eingezwickt etc.  - Escrivá und Vázquez gaben ihm eine Bedeutung für ein ganzes Leben. Wir übrigen waren als Kinder wohl weder so sensibel noch so heilig wie Escrivá, denn wir haben das Missgeschick bald vergessen, oder besser gesagt, wir maßen ihm keine Bedeutung bei so wie er; nach einigen Augenblicken, Tagen oder Monaten war alles vergessen. Worin liegt der Unterscheid? Escrivá und Vázquez machten aus dem Unglück ein Vorzeichen, einen besonderen Eingriff Gottes, ein Zeichen, dass Gott dem erfreulichen Ereignis eines Familienfestes aufprägen wollte. Und das zeichnete sein Leben so weit, dass er nicht mehr zufrieden sein sollte, wenn bei einem Fest nicht auch noch etwas Unangenehmes geschah, wie uns Personen aus seiner nächsten Umgebung schilderten. Dieses Beispiel lehrt und etwas anderes, nämlich dass Escrivá von da ab die Neigung hatte, in gewöhnlichen Dingen ein Vorzeichen zu sehen.  

Sehen wir uns einen anderen Fall an, der sich ereignete, als Escrivá zehn oder elf Jahre alt waren. Seine Schwestern spielten, wie andere Kinder auch ,4

4 Andrés Vázquez de Prada, a. a. O., S. 56.

Sie bauten ein Haus mit Spielkarten. „Wir waren gerade fertig“, erzählt die Baroness Valdeolivos — „da stieß uns  Josemaría mit der Hand alles um. Wir weinten:

—Warum machst du das, Josemaría?

Und er versicherte ganz ernst; - Genau dasselbe macht Gott mit den Menschen; Du baust dir ein Schloss, und wenn es fast fertig ist, stürzt  Gott es um“.

Es ist ziemlich schwer sich vorzustellen, auf welche eigenen Pläne – Schlösser – sich  Escrivá bezogen haben mag. Vielleicht waren es nicht direkt Pläne, sondern gewohnte Lebenssituationen, etwa die Freude der Eltern über die drei kleinen Schwestern, die in den vorangegangenen Jahren gestorben waren. Es könnte sich auch um  etwas Großes gehandelt haben, was es sich vorstellte, weil es ihm seine Mutter im Hinblick auf seine Heilung als Möglichkeit in Aussicht gestellt hatte. Vázquez  lässt in seiner weiteren Darstellung durchblicken: Gott ist der Herr der Seelen und verfügt über sie, ungeachtet unserer persönlichen Pläne.  Vielleicht irre ich mich, aber ich sehe in dieser Behauptung, die Vázquez gemacht hat, eine Deformation des Gottesbildes, in der er möglicherweise Escrivá folgt, wenn er einen willkürlichen Gott darstellt, der den Menschen nicht mit Freiheit handeln lässt,  sondern auf widernatürliche Weise in sein Leben eingreift und die Seelen zu dem zwingt, was er will.

Jedenfalls, denke ich, zeigt dieser Vorfall, dass Escrivá bereit war zu glauben, dass Gott auf diese Weise handelte, aber er war nicht bereit es im Guten anzunehmen; er rebellierte mit düster Miene gegen die Vorsehung. Und was hat das mit den Vorzeichen zu tun? Die Frage ist berechtigt, denn es scheint ein Widerspruch in sich zu sein, an einen willkürlich handelnden Gott zu glauben und gleichzeitig Vorzeichen zu suchen, in denen wir uns seiner Entscheidungen vergewissern können. Aber die Annahme, dass Gott willkürlich handeln könnte, kann man nicht  generalisieren, weil man sonst in den Abgrund der Verzweiflung stürzen müsste. Ein Mensch, der diese Versuchung erleidet, sucht sich eine Erleichterung in irgendeiner Überlegung, aufgrund derer er seiner Rettung oder des guten Ausgangs seiner Unternehmungen gewiss sein kann. Im Fall Luther klammerte sich der Betroffene an seinen Glauben; der starke Glaube vermochte jedwede Sünde zu überwinden, er garantiert die Erlösung. Im  Fall Calvins zeigte sich die Auserwähltet im Reichtum, im materiellen Triumph, der als Vorzeichen der Gnade Gottes interpretiert wurde, ein Augenzwinkern an sein Geschöpf, dass er es gut mit ihm meint.

Im Falle Escrivás ließ ihn die beständige Zuflucht zu Vorzeichen glauben, dass die Zunahme an Berufungen, Zentren, Aktivitäten und die wachsende Einflussnahme an neuralgischen Punkten der Gesellschaft ein Zeichen der Vorliebe Gottes sei. Eben um diese Vorzeichen nicht zu verlieren, verstärkte er seine Bemühungen Frucht zu bringen, forcierte er Gebet und Apostolat. Von daher rührt die Anhäufung frommer Übungen, die Kontrollen und Statistiken und der Bildungsmittel. Das war der Preis, den er Gott zahlen musste, um den versprochenen Lohn zu erhalten, die Berufungen, das Zeichen der Bestätigung durch Gott. Hier wie in anderen Dinge teilte er seine Psychose dem Werk mit.

Das letzte Beispiel ereignete sich kurz nach dem Tod seiner kleinen Schwester Chon im Oktober

1913. Vázquez5 berichtet:

Er dachte viel über all das nach: die kindliche Unschuld der Mädchen, ihr Sterben, angefangen bei der jüngsten Schwester, die beunruhigende Nähe des dreifachen Todes. Wenn sich der Rhythmus so fortsetzen würde, wäre nach dem jüngsten Heimgang von Chon nun er selbst als nächster an der Reihe. Und er scheute sich nicht, es offen auszusprechen: „Nächstes Jahr bin ich dran!“, sagte er.

Das ist jetzt ein beispielhaftes Vorzeichen, ein echtes Orakel.

Ich möchte nun zwei Vorzeichen einander gegenüberstellen. Das eine  betrifft Luther, und es wird von García-Villoslada 6 berichtet, der Luther  wörtlich zitiert:  Einmal hatte ich das Stundengebetvernachlässigt. In der Nacht entstand ein heftiges Gewitter. Ich stand auf und betete mein Stundengebet, denn ich dachte, dass das Gewitter deswegen ausgebrochen war.

Das Pendant dazu ist jenes Vorzeichen Escrivás, das er in seinen Bemerkungen zur Überfuhr mit dem Schiff J. J. Sister erwähnte, als er nach Genua fuhr: Der Teufel habe seinen Schwanz in den Golf von León gesteckt und umgerührt, weil er erkannt habe, wie gefährlich die Ankunft Escrivás in Rom für ihn sein sollte. Die Ähnlichkeit besteht nicht nur in dem Sturm, der sich in beiden Fällen erhoben  hatte, sondern sowohl Luther wie Escrivá nahmen an, der Sturm habe sich ihretwillen erhoben. Freilich war die Reaktion der beiden entgegengesetzt: Luther  interpretierte den Sturm als Drohung Gottes, Escrivá als Zustimmung.

Wie ich bereits oben erwähnte, erweist sich das Thema der Vorzeichen bei Escrivá als durchaus ergiebig, denn die Beispiele sind geläufige Ereignisse aus seinem Leben. Darüber wird man sich rasch klar, wenn man seine Catalinas liest. Deswegen möchte ich mich auch nicht mit weiteren Beispielen aufhalten; es wird im Verlauf dieser Arbeit noch öfter Gelegenheit geben solche Dinge aufzuzeigen. Für die Leser, die das Werk schon besser können, möchte ich nur an die Rose von Rialp erinnern sowie an einige Zweifel am göttlichen Urspung des Werkes. Im ersten Fall bat er Gott, eine Rose unter den Ruinen der Wallfahrtskirche zu finden; in den anderen bat er Gott, er möge das Werk augenblicklich zerstören. Er stellte Gott Bedingungen, gab Anweisungen: Letztendlich versuchte er Gott, um seinen eigenen Frieden gegenüber Gewissensbissen oder Zweifeln zu erlangen, damit er ihm ein Vorzeichen gebe, ein unabweisbares Zeichen vom Himmel.  

 

DIE GEFAHR DER VORZEICHEN

Ich möchte dieses kurze Kapitel mit einem wenigen Kommentaren abschließen. Es ist gefährlich, seine Zuflucht zu Vorzeichen zu nehmen. Entweder sind sie Anzeichen einer Deformation, oder sie führen dazu. Sie können zur Sucht werden, denn es ist sehr leicht, etwas in der einen oder anderen Richtung zu interpretieren, was in unserer Umgebung geschieht. Es kann einem schon gefallen, wenn man sich selber schmeichelt, indem man feststellt dass der Teufel seinen Schwanz in den Golf von Genua gesteckt habe, weil die Reise nach Rom vielleicht etwas beschwerlich war, statt dass man diese Mühen einfach und geduldig annimmt, denn schließlich erfuhren die anderen Passagiere sowie die Besatzung dasselbe. Er hätte auch einfach den Mund halten und das Erlebte als Sühne für seine Sünden ansehen können.

 Die Bindung an Vorzeichen schafft eine Abhängigkeit, die die Freiheit einschränkt bzw. zu einem falschen Verständnis von Freiheit führt. Der Betroffene nimmt zu Vorzeichen Zuflucht, weil er Angst hat sich zu irren, weil er nicht, weiß, ob das was er vorhat, in sich gut oder schlecht ist bzw. wie es ausgehen wird. Der richtige Weg wäre allerdings, die eigenen Absichten zu prüfen und um Rat zu bitten, nicht auf Vorzeichen zu hoffen, ― wie ein Zeichen vom Himmel. Die gespannte Aufmerksamkeit gegenüber Zeichen steht dem Bemühen, Gott zu versuchen, gefährlich nahe. Man könnte aber auch ein Zeichen vom Himmel suchen, um eine Handlungsweise zu rechtfertigen, die in sich nicht ganz in Ordnung ist. Diese Zuflucht zu Vorzeichen rührt vielleicht aus einem Mangel in der Erziehung oder einem Charakterfehler, weil jemand auch für gute Handlungen Strafe befürchtet.

Die Neigung zu Vorzeichen belastet die Selbsterkenntnis, sie kann auch zu einem gewissen Desinteresse gegenüber den Bedürfnissen anderer Menschen führen. Aber das ist nicht die einzige Gefahr, denn man beginnt einer „inneren Stimme“ zu vertrauen, einem „sechsten Sinn“, Zufälligkeiten zu beobachten und in ihnen zu deuten, dass „der Herr es so will“. Diese krankhafte Aufmerksamkeit kann zu Verwechslungen führen, man kann seine Phantasie überanstrengen und auf diese Weise Dine „hören“ oder „sehen“ und an Erscheinungen zu glauben beginnen. Oder man hält sich für etwas Besonderes, berufen, großartige Dinge zu vollführen, ein Unternehmen auf die Beine zu stellen, das die Familie belastet, zum Scheitern führt, oder man verliert den Sinn für die Wirklichkeit und unterlässt, befangen in seiner Traumwelt,  angebrachte oder notwendige Arbeiten. Ich glaube, dass viele meiner Leser solche Beispiele kennen oder kannten.

Ich fahre nicht fort, da es langweilig ist, Theorien ohne Beispiele zu entwickeln, und weil ich denke, dass die folgenden Kapitel Gelegenheit genug geben, die Vorzeichen Escrivás zu betrachten. Es möge genügen, den Leser auf das Phänomen hingewiesen zu haben, vor allem durch die Lektüre der Catalinas.

Jaume García Moles.

(Wird fortgesetzt)

 

1 Eine geniale Übersicht zur Psychologie Luthers siehe bei Ricardo García-Villoslada, Martín Luther, Madrid, 2. Aufl. 1976., Kap. 10, S. 203

2 Andrés Vázquez de Prada, El Fundador del Opus Dei, Bd I, 6. Aufl. Rialp, Madrid 2001, S. 30.

3 Andrés Vázquez de Prada, a. a. O., S. 50.

5 Vázquez de Prada, a. a. O., S. 57.

6 A. a. O., S. 303.