DIE KRISE DES WERKS UND DER KIRCHE : VERSUCH EINER ANNÄHERUNG
Ibra, 1/04/2013
Derzeit erleben wir eine fundamentale Krise im Werk, die sich meines Erachtens aus folgenden Fakten zusammensetzt, die wir getrennt betrachten können, um uns so der wohlbekannten Wirklichkeit anzunähern:
DER URSPRUNG DER KRISE IM OPUS DEI UND IN DER KIRCHE
In den letzten 50 Jahren haben Gruppen an Macht, Geld und Einfluss gewonnen, die die Gemeinsamkeit aufweisen, die Gesellschaft über die Oberschicht beeinflussen zu wollen, und mittlerweile kommen sie sich wie unfehlbare Götter vor; sogar sie selbst glauben manchmal daran, was sie ihre Jünger glauben lassen. Innerhalb der Kirche erwecken solche Gruppen den Eindruck, sie seien mehr an Macht als am Dienst interessiert.
Während die Jesuiten sich auf die Befreiung von der Armut warfen und die Missbräuche durch die Reichen anklagten (und somit Kirche und Klassenkampf verwechselten), suchten andere Gruppierungen wie Opus Dei, die Legionäre, Comunione e Liberazione, Sodalicio und andere wählten die Strategie, über Reichtum und Macht Terrain zu gewinnen…
Der Irrtum dieser Gruppen besteht nicht darin, sich bevorzugt den Reichen oder den Armen zuzuwenden; die Macht und die Bequemlichkeit, die sie suchen, schotten sie von der Realität ab, machen sie blind und erzeugen ein Paralleluniversum, das sie nicht mehr als solches wahrzunehmen vermögen.
Unter diesen Umständen wird auf die Erbsünde vergessen, die jeden Menschen verführbar macht: Die Macht führt sie eher noch auf die schiefe Bahn.
So haben beispielsweise die kommunistischen Diktaturen einmal gegen Missbräuche gekämpft, aber sobald sie an der Macht waren, wurden sie selbst rasch korrumpiert. Sie sehen sich der Kritik ausgesetzt und meinen aber, dass sei selbst den einzig gangbaren Weg anbieten. Die Kritiker werden abqualifiziert; die einzigen, die in der Lage sind, die Wirklichkeit zu erkennen, sind sie selbst. So ist auch der letzte Hinweis der zentralen Leitung des Opus Dei zu verstehen, in dem darauf hingewiesen wird, dass die Kritiker des Opus im Internet Personen sind, auf die es sich nicht zu hören lohnt.
Diese Gruppen geben im Allgemeinen keine Fehler zu, und ebenso wenig bitten sie um Verzeihung- Und da alles gut läuft, müssen sie auch nichts ändern ( „tausendmal verflucht sei, wer etwas am Geist des Werkes ändert…“ Etwas in der Richtung hat Alvaro gesagt). In einem solchen Umfeld ist es sehr leicht, von einer vollkommenen Realität zu einem erleuchteten und von der Vorsehung gesandten Gründer zu kommen.
So hören sie auf, menschliche Wesen zu sein, und jeder Fehler, jeder Irrtum und jede Sünde muss, vertuscht, ausradiert, ausgemerzt werden, so als wäre sie niemals vorgekommen (wie die Mitglieder im Werk, oder auch: „…wie uns unser Gründer immer gelehrt hat”).
Man entscheidet nach wie vor von oben herab, was gelesen werden darf und was nicht. Vor einigen Tagen wurde von einigen Buchhandlungen des Opus Dei eine Bestellung über 3000 Exemplaren eines Buches über den neuen Papst aufgelegt – und nach kurzer Zeit storniert mit der Bemerkung, es gefiele ihren Lesern nicht.
Da sie die Macht hatten, prallten die Klagen über Missbräuche innerhalb der Kirche jahrelang ab und wurden im Vatikan nicht gehört, weil dort bereits diese Gruppen, die Macht und „Erfolge“ gewonnen hatten, das Sagen hatten. Trotzdem, als das Ansehen der Kirche einen Tiefpunkt erreichte, musste man handeln, vor allem da man einen intellektuellen Papst Ratzinger hatte, der einsah, dass die Krise der Kirche hetzt jene strukturellen Reformen verlangte, die er in den Jahren zuvor vorbereitet hatte. Der technische Fortschritt hat hier Unglaubliches geleistet; so können sich beispielsweise auf dieser Homepage Ex-Mitglieder Gehör verschaffen, wo interessante Beiträge von hochgebildeten Persönlichkeiten der verschiedensten Berufe gesammelt sind (so haben alle Philosophie und Theologie studiert), und schließlich rekrutiert das Opus Dei seine Mitglieder im intellektuellen Milieu. Aber im Unterschied zu denen drinnen sind die Ehemaligen nicht blind aufgrund ihrer Denk-. und Wahrnehmungsgewohnheiten. So denke ich, dass diese Seite innerhalb der Kirche und des Opus Dei ihren Platz gefunden hat.
Deshalb möchte ich aus den bekannten Fakten (über die finanziellen Verwicklungen und die Verbindung mit der Mafia weiß man ja weniger), wie sich die Sünde in diesen Institutionen ausgebreitet hat und wie Ratzinger, der intellektuelle Papst, ihr entgegengetreten ist.
DAS PROBLEM MACIEL UND KONSORTEN
Zwei besonders schwere Fälle von sexuellen Missbräuchen geschahen in Institutionen, die dem Opus Dei ähnlich sind – die strikten dogmatischen Systeme erleichterten sie. Erst wenige Tage vor dem Konklave trat der schottische Kardinal O’Brien zurück und gab zu, Seminaristen belästigt zu haben.
Der Fall Maciel
Beim Fall Maciel können wir folgende Fakten subsumieren:
1. Im Jahr 2004 erwies eine kanonische Untersuchung der Glaubenskongregation (unter dem Vorsitz Ratzingers), dass mit ausreichender moralischer Gewissheit Beweise vorliegen, um kanonisch gegen P. Maciel, den Gründer der Legionäre Christi, entsprechend den gegen ihn erhobenen Vorwürfen vorzugehen. Er hatte etwa 50 Seminaristen sowie andere Personen sexuell missbraucht, die Mehrzahl von ihnen minderjährig, er war drogensüchtig (Mophium), hatte verschiedene Frauen sowie erwiesenermaßen eine Tochter und zwei Söhne, die er über einen Zeitraum von acht Jahren missbrauchte.
2. Vor 1997 noch hatten acht Mitglieder der Legion Christi den Mut und klagten den Priester Marcial Maciel an, sie sexuell missbraucht zu haben; kein Mitglied einer Kongregation oder der katholischen Hierarchie unterstützte sie.
3. Marcial Maciel wurde innerhalb des Ordens der Legionäre Christi, den er selbst 1941 gegründet hatte, angebetet. Er genoss aufgrund seines extremen Konservativismus die Unterstützung von Johannes Paul II. Er war ein vehementer, unbeugsamer Verteidiger der Enthaltsamkeit und einer rigiden Sexualmoral; im Sinne der Kirche verurteilte er die isolierte Suche nach sexueller Lust, Abtreibung, Verhütungsmittel, Masturbation, Homosexualität etc. Währenddessen führte er Doppelleben, missbrauchte seine Seminaristen sowie seine leiblichen Kinder und nahm Drogen.
Francisco González Parga, ehemaliger Legionär und Priester dieser religiösen Vereinigung, erzählt in seinem Buch „Ich klage Pater Maciel und die Legion Christi an“, wie er in San Sebastián/Spanien mit dreien seiner Jünger verhaftet wurde (er ließ sich immer von sehr sympathischen jungen Leuten begleiten, die er sexuell missbrauchte und denen er zu Drogen verhalf), weil sie Drogen für den üblichen Bedarf Maciel kauften. Er wollte die Guardia Civil bestechen, jund sie zeigten ihn an. Der apostolische Nuntius in Spanien, ein großer Freund Maciels, musste einschreiten, dass Maciel nicht ins Gefängnis musste, aber der spanische Staat schickte einen Bericht über diese Vorgänge an die Römische Kurie – dort verschwand er in einer Schublade.“ Er berichtet, dass sich bei seiner Eingabe in Rom Msgr. Mario Pimpo, ein Funktionär der Kongregation für den Klerus, verständnisvoll für seine Anzeige interessierte. Es stellte sich dann aber heraus, dass auch Pimpo ihn zu missbrauchen versuchte: „In meiner Unerfahrenheit dachte ich, dass der Monsignore die näheren Umstände genauer wissen wollte, um mehr Information zur Verfügung zu haben und um Abhilfe dagegen zu schaffen, aber er tat dies aus krankhafter, und ohne es zu wissen befand ich mich einem Homosexuellen gegenüber, der mich missbrauchen wollte. Mit dem Hinweis, dass es ja schon zu spät geworden sei, um auf die Straße hinauszugehen, lud er mich ein, die Nacht in seinem Haus zu verbringen. Ich war einverstanden und blieb; aber als er mir mein Zimmer zeigte, warf er sich mir an den Hals, versuchte mich zu küssen und fragte, ob ich mit ihm schlafen wolle. Das lehnte ich natürlich ab und ging in ein Hotel, voller Bestürzung, Ärger und Ekel.
Maciel wandte einflussreichen Personen der Kirche Geschenke, Aufmerksamkeiten und Geld zu, um sich eine Rutsche in den Vatikan zu legen. Die Beziheung Maciels zu Angelo Sodano war durch diese wechselseitigen Gefälligkeiten bereits seit der Zeit verseucht, als dieser Apostolischer Nuntius in Chile zur Zeit der Diktatur Augusto Pinochets war, den er unterstützte. Mit dem Ziel, die Verteidiger de Befreiungstheologie zu neutralisieren, die auf Seiten der Linken kämpften, regte Sodano in Chile Aktivitäten an, die die Legionäre Christi durchführten und die den katholischen Geruch einer Theologie der Berreicherung, der Treue zum Papst und die Unterstützung einer Freien Marktwirtschaft an sich trugen.
Von hier aus spannte Maciel seine Netze: „Er stelle P. Raymond Cosgrave, einen irischen Legionär, zur Unterstützung Sodanos in der Nuntiatur in Santiago ab. 1989, knapp vor seiner Berufung zum Staatssekretär, nahm Sodano in Irland Englischstunden in einem Gymnasium der Legio, Seine Ferien verbrachte er in einem Erholungslager der Legion in Sorrent“.
Deshalb, „aus Liebe zur Wahrheit“ ging nun andererseits Kardinal Ratzinger gegen den Gründer der Legionäre Christi, Marcial Maciel vor und leitete den Prozess gegen den mexikanischen Priester sowie gegen pädophile Priester ein.
2004 feierte Maciel in der Basilika San Paolo fuori le muore seine 60-jähriges Priesterjubiläum. Die ganze römische Kurie war zugegen, Bischöfe und Kardinäle eingeschlossen. Der einzige, der zuhause bleib, war Ratzinger, damals Präfekt der Glaubenskongregation“.
Ratzinger, seit 2005 Papst, traf Entscheidungen die den Konservativen nicht schmeckten: Er bestrafte Maciel, der unter Johannes Paul II. völlige Narrenfreiheit genossen hatte. Ratzinger überlegte sogar aus diesem Grund, eine allzu schnelle Seligsprechung seines beliebten und charismatischen Vorgängers aus diesem Grund zu stoppen.
Erst 2006, als die Legion ein vermutetes Jahreseinkommen von 650 Millionen Dollar und ein Aktivvermögen von mehreren Millionen aufwies, verdonnerte Ratzinger, nunmehr Benedikt XVI., Maciel zu einem „Leben des Gebetes und der Buße“.
Der Fall Sodalicio
Im Februar 2011 expandierte Sodalicio, eine Institution, die sich mit Opus Dei und den Legionären vergleichen lässt, nach mehreren Ländern in Südamerika. Da überraschte die Mitteilung, dass es „Noch einen Maciel“ gab: Germán Doig, der verschiedene Mitglieder der Institution missbraucht hatte. Mehrere Jahre hindurch war er Generalvikar der peruanischen Bewegung Sodalicio de Vida Cristiana. gewesen Es wurde öffentlich bekannt, dass er über Jahre hinweg ein unmoralisches Doppelleben geführt hatte.
Die Nachricht bedeutete einen echten Schock, nicht nur in Peru, wo die Bewegung ihren Sitz hat und ihre stärkste Entwicklung aufweist, sondern auf der ganzen Welt. Doig, die Nummer 2 der Institution, war während vieler Jahre ein Säulenheiliger des rechtgläubigen Katholizismus in Lateinamerika. Lange Jahre war er der Begleiter des Gründers von Sodalicio, Fernando Figari, gewesen, der von einer Initiative der Evangelisierung Geträumt hatte und der einige Monate vor Bekanntwerden dieser Information von seinem Amt zurückgetreten war. Nunmehr wurde auch Figari von einem anderen Ex-Mitglied wegen Missbräuchen angezeigt. Selbstverständlich wurde auch der bereits eingeleitete Seligsprechungsprozess umgehend eingestellt. Viele Zeugen hatten sich bereits angeboten, um sein beispielhaftes Leben zu bezeugen; aber eine Reihe von Gegendarstellungen bewirkten, dass dieser Prozess gestoppt wurde.
Wenn die Verirrungen hier auch nicht so weit gegangen waren wie im Fall Maciels, so zeigt sich doch in diesen religiösen Gruppen, die nach der Macht streben, die Tendenz zu einem Doppelleben.
DAS PROBLEM DER MACHTBLÖCKE INNERHALB DER KIRCHE
Die Spaltungen in der Kirche gehen so tief, dass Benedikt in seiner letzten Predigt zur Fastenzeit sagte: „Manchmal erkennt man die Kirche aufgrund der Spaltzungen in ihrem äußeren Leib gar nicht mehr“, Der deutsche Papst beklagte auch die „religiöse Heuchelei“ sowie das Verhalten derer, die „sich zur Schau stellen“ und mit ihren Handlungen vor allem auf „Applaus und Zustimmung“ aus sind; er bat, „den Individualismus und die Rivalitäten“ einzustellen.
Wir als Ex-Mitglieder wissen um die traditionelle Feindschaft mit den Jesuiten, die sogar zu der internen Regelung geführt hat, dass kein Jesuit ein Zentrum den Opus Dei betreten darf, und dass den Frischgepfiffenen im Alter von 14 bis 18 Jahren eingeschärft wird, ihnen zu misstrauen (es hat mich überrascht, dass unter den vier oder fünf Fragen von einem Direktor aus der Zentrale, die ausreichen, um einen Postulanten Mitglied werden zu lassen, die ist, ob er den Jesuiten misstraut. Der Prälat des Opus Dei versicherte denn auch eilfertig in einem Interview mit einer spanischen Tageszeitung, dass der derzeitige Papst Franziskus vor vielen Jahren 45 Minuten lang am Grab Escrivas gebetet habe (ich möchte mir nicht ausmalen, dass sie einen Kardinal am Betreten der Krypta gehindert hätten – und wer nicht glaubt, dass die Leute vom Opus planmäßig die kirchliche Hierarchie ausspionieren, der weiß es jetzt), und der Kardinal von Lima erwähnte, dass er die Gedächtnismesse für Escrivá in Buenos Aires gefeiert habe (im Werk ist es ein fixer Bestandteil des Apostolats und der Propaganda, die Bischöfe zu solchen Dingen einzuladen).
Wenn wir die Meinung des Opus Dei in dem Artikel sehen wollen, den Yago de la Cierva über den Ex-Papst in einer spanischen Zeitung geschrieben hat, so erfahren wird: „ „Benedikt XVI. hat sich immer mehr in seine Welt eingesponnen, die Welt eines Professors, der vor allem an intellektuellen Herausforderungen bei der Darstellung des Glaubens interessiert ist und der Gott mit rationalen mitteln denen zeigen will, die ihn nicht kennen. Und in fortschreitendem Maß übernahm dann das Staatssekretariat die Leitung der Kirche. In der letzten Zeit wurden sogar entscheiden Fragen ohne sein unmittelbares Einwirken entschieden, wie etwa Fragen der Liturgie, die Hinwendung zu den Traditionalisten, Entscheidungen zur katholischen Rechtgläubigkeit“.
Als Benedikt XVI. sein Pontifikat übernahm, brach er eine Tradition, als er Sodano von seiner Funktion als Staatssekretär entband und 2006 Bertone zu seinem Nachfolger ernannte, einen Salesianer, dem der Diplomatische Dienst des Vatikans fremd war. Bertone, der auch zum Camarlengo ernannt wurde, ersetzte viele Diplomaten durch Männer, die Ratzingers Vertrauen besaßen, und begann eine Säuberung am Heiliger Stuhl, die nach Ansicht von Vatikanologen vielen „Sodanisten“ nicht passte, von der Aufklärung pädophiler Skandale bis zur Sanierung der vatikanischen Finanzen.
Progressive Kreise der katholischen Kirche haben die Arbeit Sodanos im Staatssekretariat unter Johannes Paul II. kritisiert. Man warf ihm vor, die Arbeit jener Mitglieder der Kirche, die in der Verteidigung der Menschenrechte engagiert sind, zu desavouieren und seine Bevorzugung von Bewegungen wie dem Opus Dei, den Legionären Christi und seine Ablehnung der Theologie der Befreiung offen zu zeigen.
Sodano ist ein Diplomat und Anführer der Kardinäle nach Art des Opus Dei, die von Johannes Paul II. ernannt worden waren, bei dem er Staatssekretär war. Sodano garantierte die Tradition, eine diplomatische Vorgangsweise und eine Aufrechterhaltung des Status quo in der römischen Kurie. Bertone, der ihn ersetzte, war ein gelehrter Universitätsprofessor vom Zuschnitt Ratzingers. Die Versuche Benedikts XVI., das Establishment des Vatikans mit der Hilfe Bertones zu erneuern und zu reformieren, scheiterte an der Allianz seiner Gegner, die ihm den Krieg erklärte.
Im Lauf der Zeit entdeckte Benedikt XVI., dass ihm die Maschinerie des Vatikans entglitten war, dass er herrschen, aber nicht regieren konnte. Er ist ein guter Mönch, aber kein guter Papst. Bevor er Papst wurde, war es das Markenzeichen Ratzingers, Indiskretionen zu verbreiten und mehr zu sagen, als er sollte. Man erzählt sich, dass er seinen Anhängern nach seiner ersten Begegnung mit Johannes Paul II. zugeraunt habe: „Dieser Papst versteht absolut nichts von Theologie“ Und heute würde Karol Wojtyla, wenn er noch lebte, sagen: : „Dieser Papst versteht absolut nichts von Politik“.
In einem Artikel mit der Überschrift „Wie viele Divisionen hat der Papst“ stellte das Wochenmagazin „Panorama“ fest, dass Benedikt XVI. trotz seiner dreißigjährigen Tätigkeit in der Kurie und der sieben Jahre als Papst ein Fremder geblieben sei, teils aufgrund seiner Persönlichkeit, teils durch konzertierte Zusammenschlüsse der Kardinäle, die um ihre zeitliche Macht bangten. Der Artikel identifizierte die „Bertonianer“ und die „Sodanianer“ in der Kurie (unter ihnen befindet sich der argentinische Kardinal Leonardo Sandri, der Präfekt für die Ostkirchen, der auch als „Papabile“ genannt worden war), und die „Genueser“, die Kardinal Piacenza folgen, die Gruppe um Bagnasco, die Freunde des Opus Dei, der „Jesuiten“ u. a.
Wenn man in früheren Konklaven einzelne Kardinäle als „konservativ“ oder „Progressiv“ etikettieren konnte, so hat man es hier mit einer Spaltung in „Diplomaten“ und „Bertonianer“ zu tun. In der Kirche gibt es keine Liberalen. Sie sind alle konservativ, und auf der doktrinellen Ebene gibt es keine Konflikte. Die Politik des Vatikans lässt sich nicht mit den Kriterien demokratischer Länder vergleichen. Die Linie ist vorgegeben und gilt für alle Kardinäle und Bischöfe, die von Johannes Paul II. und Benedikt XVI. ernannt worden waren.
Die Machtkämpfe zwischen „Diplomaten“ und „Bertonianern“ waren einer der Hauptaspekte, die durch die auf skandalöse Weise durchgesickerten Dokumente von „Vatileaks“ aufgedeckt wurden. Der spanische Enthüllungsjournalist Eric Frattini, Autor des Buchs „Die Raben des Vatikans“, in dem sich auch unveröffentlichte Dokumente zu diesem Thema finden, spricht offen von einem „Krieg“ zwischen Sodano und Bertone, der Benedikt XVI. bei seinen vorgehabten Reformen behindert und ihn letztlich dazu gebracht habe, das Handtuch zu werfen.
„Der Papst muss feststellen, dass er zwar herrscht, aber nicht regiert. Er hat Probleme, wenn er das Netz der katholischen Spitäler Italiens reformieren will, die Vatikanbank oder die katholische Presse. Alles wird zum Kriegsgrund für Sodano und Bertone, und das hat ihn erschöpft“, versichert Frattini, der die Meinung vertritt, dass die Wahl eines neuen Papstes nicht das zentrale Thema des Konklaves gewesen sein dürfte.
Es gab verschiedene „Leaks“. Das letzte zeigte sich, als die linksgerichtete Zeitung „Il Fatto Quotidiano“ zwei weitere vertrauliche Briefe veröffentlichte. Den ersten hatte Bertone im März 2011 an Kardinal DionigiTettamanzi geschickt, den ehemaligen Erzbischof von Mailand und Papabile im Konklave von 2005, in dem er ihn im Namen des Papstes aufforderte, seine Stellung als Präsident des „Istituto Giuseppe Toniolo“ aufzugeben. Das „IstitutoToniolo“ ist eines der größten Machtzentren des Vatikans, das die berühmte Gemelli-Klinik kontrolliert, Katholische Universität, den Verlag Vita und mehr. Der zweite Brief ist der, den der wütende Tettamanzi dem Papst geschickt hat, um ihn zu fragen, ob der Hinweis Bertone tatsächlich in seinem Sinn gewesen sei. Später konnte sich Tettamanzi mit dem Papst verständigen, der die Anweisung seines „Premierministers“ zurücknahm.
„Diese Briefe spiegeln eine ungeklärte Situation an der Spitze der Kirche wider. Das Staatssekretariat usurpiert mehr und mehr Machtbefugnisse des Heiligen Vaters und geriert sich als Pressesprecher. Andererseits rebellieren gerade die kompetentesten Kardinäle, wie Tettamanzi, und die stolzesten Monsignori wie Carlo MariaViganó gegen die Diktate Bertones“, schrieb Marco Lillo, Journalist bei „Il Fatto Quotidiano“. „Das Ergebnis ist eine schizophrene Leitung, die zwischen Autarkie und Anarchie schwankt“. Während sich Benedikt XVI. auf seine Studien und das Schreiben von Büchern zurückzieht, erhebt sich hinter seinem Rücken ein hemmungsloser Machtkampf, der der moralischen Autorität der Kirche innerhalb wie außerhalb der Mauern des Vatikans schadet“, fügt er hinzu.
Im Vatikan, in dem Stickluft herrscht, ging es nun darum, die Auswirkungen von „Vatileaks“ so gering wie möglich zu halten und die Presse zu beschuldigen, „Spannungen, die in einem großen Unternehmen normal sind“, auf unzulässige Weise aufzubauschen“. Aber es gibt auch diejenigen, die solche Veröffentlichungen fördern und die am Sessel Bertones sägen, weil sie zur Alten Garde Angelo Sodanos gehören.
Ratzinger hat eine Kommission eingesetzt, um diese Probleme und die undichten Stellen zu untersuchen, und hat zu ihrer Leitung einen Kardinal des Opus Dei zusammen mit zwei weiteren Kardinälen ernennt (da zeigt sich, dass Papst Benedikt dem Werk vertraut, wenn es um Detektivarbeit geht, ebenso wie er Tedeshi vertraute, der Licht in das Halbdunkel der Vatikanbank bringen sollte). Der Endbericht gelangte ohne jede Beschönigung am 9. Oktober zur Kenntnis Ratzingers. Die Kardinäle, die Detektiv spielen durften, sprachen zum ersten Mal Klartext über ausgelebte Homosexualität hinter den Mauern des Vatikans und „impropriam influentiam“, das heißt so viel wie Erpressung. Zwei Tage später sagte der Papst am Jahrestag des Zweiten Vatikanischen Konzils: “IN diesen Jahren haben wir gelernt, dass die Erbsünde existiert und dass sie zu persönlichen Sünden führt, die sich in sündhafte Strukturen verwandeln können. Wir haben gesehen, dass aus dem Feld des Herrn immer auch Unkraut wächst, dass im Netz des Petrus auch schlechte Fische sind”. Das war einmal mehr eine seiner harten Kritikenin diesen Jahren, als er sich manchmal etwas rätselhaft, über die Übel in der Kirche aussprach. Das Dossier befindet sich hoffentlich im päpstlichen Tresot und wird in die Hände des Nachfolgers gelangen, dem hoffentlich jenes Großreinemachen gelingen wird, an dem Benedikt XVI. scheiterte.
DAS PROBLEM DER MAFIA IM VATIKAN UND IN DER VATIKANBANK
Das Gerücht, es gäbe schmutzige Geschäfte und Manipulationen mit Schwarzgeld in der Vatikanbank begannen in den achtziger Jahren mit dem Skandal um den Banco Ambrosiano. Von dem Tag an, als Papst Benedikt völlige Transparenz bei den Finanzen des Heiligen Stuhls verlangte, begannen mächtige Kardinäle der Kurie eine Krisenstimmung zu verbreiten.
Benedikt wollte, wie bei den anderen erwähnten Skandalen, der erste Papst sein, der den Augiasstall der Vatikanbank, aber auch hier wurde er ausgetrickst.
1. 2009 ernannte er Ettore Gotti Tedeschi, ein Mitglied des Opus Dei, der sich Durchblick bei der Bank verschaffen sollte, aber sogar er wurde ausgetrickst.
Im Dezember 2010 trat das Gesetz 127 in Kraft, das besagte, dass der Vatikan seine finanziellen Unterlagen den Fahnders des Europarats (Moneyval) zugängig machen müsse, eine Forderung, die den internationalen Normen im Kampf gegen Geldwäscherei entsprach. Man dachte, dass sich auf diese Weise die Nummernkonten auflösen ließen und dass durch die Nennung von Namen endlich Transparenz hergestellt werden könne. Die Wurzel des Problems liegt im Management der Vatikanbank, die den Zustrom von Schwarzgeld gestattet. Es dürfen zwar nur Ordensangehörige bzw. –institute und Bürger des Vatikanstaats Konten eröffnen, aber jeder Inhaber eines Kontos (es gibt 25.000 davon) kann für eine andere Person als Strohmann dienen.
So könnte auch ein Mafioso hier ein Konto eröffnen, denn die Zuweisungen sind ein Geheimnis. Einzig der Generaldirektor der IOR, Paolo Cipriani, der Bertone sehr nahe steht, weiß um die Identität der Kontoinhaber bei der Vatikanbank Bescheid. Nicht einmal Ettore Gotti Tedeschi, der Präsident der Bank, kannte die Liste der Konteninhaber der IOR. Und nur Cipriani krennt die Liste der Personen, die Zugriff auf die Konten der IOR haben, ohne als Inhaber aufzuscheinen.
Ettore GottiTedeschi, Präsident der Vatikanbank, entdeckte, dass sechs Konten der Vatikanbank der Spitze der Cosa Nostra zuzuordnen waren, andere gehörten Russen, die von Interpol wegen organisierten Verbrechens gesucht wurden.
2. Trotzdem verabschiedete Monsignore Angelo Becciu, der Präsident der Statthalterschaft, im April 2012 einen Erlass, der das päpstliche Gesetz korrigierte und der festsetzte, dass unter Umständen verdächtige Konten geöffnet und untersucht werden könnten (das heißt, die Gesetze vom Dezember 2010 wurden modifiziert).
3. Noch vor dem Juli 2011 entschied sich Bertone das Geld aus dem Safe des Vatikans zu verwenden, um ein Spitalszentrum in Mailand zu kaufen, das in Schulden geraten war (eine Milliarde €). Weder der Papst noch der damalige Präsident der Bank, Ettore Gotti Tedeschi, waren damit einverstanden. Spannungen bleiben nicht aus, und Bertone kaufte das Spital.
Der Papst ernannte Tedeschi, um die Vatikanbank auszumisten, aber die Bertonianer legten ihm tausend Fallstricke, um dann in einem Brief an Bertone seine Ablösung wegen seiner angeblichen, niemals bewiesenen Unfähigkeit zu verlangen.
Nach der Ablöse von Gotti Tedeschi trafen zwei Ereignisse zusammen: Die Geschichte mit dem Mailänder Spital „ San Raffaele“, die im Konflikt mit Staatssekretär Bertone geregelt wurde, und Änderungen im Gesetz zur Transparenz, die von einer Arbeitsgruppe unter dem Vorsitz des nordamerikanischen Anwalt Jeffrey Lena empfohlen worden waren. Als Tedeshi die Bank verließ, meinte er: „Ich kämpfe mit der Absicht, die Wahrheit zu erzählen, und der Rücksicht, den Heiligen Vater mit solchen Erklärungen nicht zu beunruhigen“.
Die Leitung der Bank blieb neun Monate lang unbesetzt. Dabei ist es überaus kennzeichnend, dass die letzte Entscheidung Benedikts XVI. als Papst diejenige war, an die Spitze der Bank einen Deutschen zu setzen, Baron Ernst von Freyberg. Einige Stunden später erfuhr man dann auch die Ablöse von Marco Simeon, einem Bertone-Schützling. Auch im Vatikan fallen beim Schachspiel zuerst die Bauern.
Die Ernennung von Ettore Balestero zum Nuntius in Kolumbien kurz vor dem Rücktritt des Papstes war kein routinemäßiger Austausch von Diplomaten. Denn Monsignore Balestero ist nicht irgendein Prälat und nicht irgendein Diplomat; bis jetzt war er die rechte Hand des Staatssekretärs des Vatikans, Tarcisio Bertone. Und es ist auffällig, dass angesichts der Fülle von Aufgaben, die der Pontifex in den letzten 17 Tagen seiner Amtszeit zu erfüllen hatte, er sich noch darum kümmern konnte, einen Amtsträger aus dem Vatikan nach Bogotá zu senden. In anderen Worten, um Monsignore Balestero so weit wie möglich von der römischen Kurie fernzuhalten.
Im Umfeld von Comunione e Liberazione hatte bis vor kurzem Kardinal Balestero die Verantwortung für die Geschäftsbeziehungen zu Moneyval, einer Unternehmung, die teilweise für die Transparenz der Vatikanbank bürgte. Was unternahm Balestero, während er den Auftrag hatte, die Vatikanbank vom Vorwurf der Geldwäscherei reinzuwaschen? Seltsam, und nicht sehr vertrauenerweckend. Warum nahm der Papst die Mühe auf sich ihn nach Bogotá zu senden, ausgerechnet während er selbst gerade als Papst zurücktrat?
RATZINGER LÖSUNGSVERSUCHE
Zuerst widmete er sich der Klärung der Sex-Skandale in dieses Institutionen, denen gemeinsam ist, dass sie vor allem Macht suche. Ratzinger bot Maciel die Stirn, indem er zuerst ihn und dann den Gründer von Sodalicio wegen ihrer sexuellen Übergriffe verurteilte. Diesen beiden Institutionen sagt man nach, dass die Praktiken und Gewohnheiten des Opus Dei nachahmten.
Im Fall des Opus Dei wurden die Abweichungen von diesem intellektuellen Papst ebenfalls beim Namen genannt, und das Werk Gottes erhielt seine Lektion in Demut. Er rief das Opus Dei wegen verschiedener an seinen Mitgliedern verübten Missbräuchen zur Ordnung (die zur Genüge auf dieser Website dokumentiert sind), im Wissen, dass Institutionen nicht in sich schlecht sind, sondern dass Gott sich tönerner Gefäße bedient, um den Menschen Seine Botschaft und Seine Liebe zu bringen. Freilich kostete ihn die Konfrontation mit dem Opus Dei und vor allem mit anderen mächtigen Gruppen im Vatikan den Job. Sein Rücktritt war möglicherweise ein geschickter Zug, damit ein mächtiger Feind des Opus Dei (und jeder anderen Gruppierung) zum Zug kommt, die für Hochmut, Korruption und die Verdorbenheit in den diversen Ebenen der kirchlichen Struktur stehen, um die Kirche der Diplomaten, die sich durch ihr viel zu langes Stillschweigen kompromittiert hat, die sich in Palastintrigen erschöpft und angesichts der Geldwäsche und der pädophilen Priester beide Augen zugedrückt hat, zu erneuern.
Man kann schlussfolgern, dass Bergoglio der heimliche Kandidat des Reformflügels war, der in den Scharen der Papabili untertauchen konnte, und das kurze Konklave mit seinen nur fünf Wahlgängen zeigt an, dass er von Anfang an vorgesehen gewesen war. Im Konklave von 2005 hatte er die zweitmeisten Stimmen und hätte die Wahl Ratzingers blockieren können, aber in einem bestimmten Moment sagte er unter Tränen im Speisesaal den anderen, dass sie ihn nicht wählen sollten, weil er sich nicht vorbereitet fühle. Das machte dem deutschen Kardinal den Weg frei. Kardinal Martini, ebenfalls Jesuit, der Proponent des progressiven Flügels und ewiger Gegenspieler Ratzingers, auch wenn sie einander schätzten, unterstützte Bergoglio. Martini starb im Vorjahr, sein Wort, dass die Kirche „200 Jahre zurück” ist, bleibt sein Vermächtnis. Für Martini war der Kardinal von Buenos Aires der beispielhafte Zeuge, einfach und mit Spiritualität, den die Kirche braucht. Und Ratzinger setzte auf ihn, und mit dem Knalleffekt seines Rücktritts zeigte er, dass Wichtiges auf dem Spiel stand; die Einheit der Kirche.
Die Wahl des Namens, wenn sie auch plakativ scheinen mag, ist doch tief und sinnvoll; der Name des Heiligen von Assisi ist fast eine Regierungserklärung. Der Verfechter der Armut, der Kirche und Papsttum in einem Augenblick rettete, in dem sie aufgrund ihres materiellen Reichtums vor dem moralischen Zusammenbruch standen, stand für ein radikales Konzept, sodass es seit dem 13. Jahrhundert niemals ein Papst gewagt hat, den Namen dieses Heiligen anzunehmen. Er steht für eine Rückkehr zu den Ursprüngen, zur Essenz des Glaubens und der Nächstenliebe.
Er lebt in einer kleinen Wohnung, wo er sich sein Essen selbst kocht, er hat keinen Chauffeur, sondern fährt mit der U-Bahn zur Arbeit, das heißt, mit den pompösen Zeremonien des Heiliger Stuhls wird es dank ihm sofort vorbei sein. Er predigt gegen Verschwendung und Konsumsucht; er ist konservativ und hat mit der Befreiungstheologie nichts am Hut, aber er hatte keine Anzeichen gegeben, dass er eine besonders rigide Sexualmoral vertreten würde.
In der Kurie, bei der er Mitglied in drei Kongregationen ist, hält er sich nur ganz selten auf, und nun residiert er im Apostolischen Palast wie ein Außerirdischer im Stile Wojtylas von 1978. Dass er Jesuit ist, wirft ein gewissen Licht auf seinen Charakter, verrät eine gewisse Denkart und macht einen Teil seines Stils aus. Eine der ersten Aufgaben, die ihn erwarten, ist ein 300 Seiten starkes Dossier über die Intrigen im Vatikan (verfasst von einem Kardinal des Opus Dei), das ihm sein Vorgänger hinterlassen hat. Wie er mit diesen Problemen umgehen wird, wird sehr viel über das Profil seines künftigen Pontifikats aussagen.
Die Gruppe der 11 Kardinäle aus den Vereinigten Staaten stand den 28 Italienern gegenüber; beide prägten das Vorkonklave, zur Verzweiflung der “Römischen Partei”, die zum Ausdruck bringen wollte, das ohnehin alles blendend lief. Deshalb verbot die Kurie am Mittwoch, nachdem drei Tage lang Generalversammlungen der Kardinäle abgehalten worden waren, weitere Pressemitteilungen. In diesem sklerotischen Umfeld hatten sie wie eine Sauerstoffdusche gewirkt; sie forderten Transparenz, Informationen über die Skandale im Vatikan, von „Vatileaks” bis hin zur Vatikanbank, die Entfernung der untragbaren Personen, eine harte Hand gegenüber der Pädophilie und eine Reform der kafkaesken Kirchenleitung. An ihrer Spitz stand der Kardinal von Boston, Sean O’Malley, ein Kapuziner, der Sandalen trägt. Bei diesen Vorbereitungstreffen für das Konklave monierte der brasilianische Kardinal Braz de Avizhabría die Handlungsweise der Mitarbeiter des Papstes, die exzessive Machtanhäufung im Staatssekretariat, die Einmischung italienischer Interessen, den Aufschub von Entscheidungen, den römischen Zentralismus und die Nichtbeachtung der Ortskirchen. Der Vorwurf saß. Bertone verteidigte sich wie er konnte, aber am Ende musste er den Applaus für den brasilianischen Kardinal hinunterschlucken. In dieser Stimmung ging man ins Konklave.
Auf der anderen Seite wurde von der römischen Partei innerhalb der Kurie im Stil des “Leoparden” gearbeitet, man tat so, als wollte man alles ändern, um letztlich nichts zu ändern, und schob den Brasilianer Pedro Odilo Scherer als Kandidaten vor. Sie setzten auf einen Nichteuropäer, um ein Signal der Erneuerung zu setzen, aber sie hofften, dass sie ihn gängeln könnten. Scherer ist in Wahrheit altgedient in de Sielen der Kurie, und die Idee war, ihm einen italienischen Sekretär beizugeben, der die Fäden zieht. Laut Expertenmeinung verlief die erste Frontstellung im Konklave zwischen Scola und Scherer.
Das letzte Interview eines US-amerikanischen Kardinals nach der Verhängung des Schweigegebots spricht eine klare Sprache. Der Kardinal von Chicago, Francis George, sagte Folgendes: „Alle kennen den schrecklichen Fall von Pater Maciel. Wir müssen mit Sicherheit wissen, wer darin verwickelt war. Auch wenn sie damals guten Glaubens gewesen sein mögen, dass Maciel ein Mann Gottes gewesen sein mag, so weiß die Öffentlichkeit nunmehr Bescheid. Die Menschen wissen, wer mit ihm zusammengearbeitet hat. Und es könnte der Eindruck entstehen, dass die Ermittlungen in die falsche Richtung gegangen seien”. Das ist ein Volltreffer gegen die Heuchelei, die derzeit im Vatikan herrscht, wo etwa seit den siebziger Jahren die Ermittlungen gegen die Missbräuche eines Marcial Maciel von ganz oben blockiert wurden, dem mexikanischen Gründer der Legionäre Christi, der sich als pädophil herausstellen sollte.
Diejenigen, die Maciel gedeckt und den Skandal für unerheblich gehalten hatten und sich in den Gemächern einer morbiden Kurie verstecken, mögen gehen. Selbstverständlich werden sie das nicht von sich aus tun. Nach dem ersten Scharmützel war der Weg für einen Kompromisskandidaten frei gemacht, mit dem aber in diesem konfusen Szenario nicht zu rechnen gewesen war und der somit eine Überraschung darstellte,
Wo bleibt das Opus Dei
Was ist geschehen? Soweit ich die Sachlage überblicke, hat das Opus Dei keinen anderen Ausweg als zu handeln, sein hartes Vorgehen gegen die interne Opposition abzuschleifen und die Einheit mit der katholischen Kirche in sehr harten Momenten seiner Geschichte zu suchen. Ratzinger zwang sie dazu, ihre schlechten Praktiken aufzugeben, und in gewisser Weise haben auch wir dazu beigetragen.
Die Persönlichkeit Franziskus I erweckt bis dato den Eindruck, dass seine Ansichten denen des Opus Dei viel stärker entgegenstehen als die seins Vorgängers. Wir wollen hoffen, dass sich alles zum Besseren wendet, und wenn die Verfehlungen auch nicht so abwegig sind wie die sexuellen Mussbräuche, so tendieren sie doch in die gleiche Richtung, sich ein eigenes Universum zu schaffen, in dem seine Verfehlungen und Missbräuche unentdeckt bleiben.