José María Escrivá Albás: Einige historische Probleme VI
Jaume García Moles
15/04/2013
4. Geistliche Leiter II: X
SEIN GEISTLICHER LEITER VOR DEM MÄRZ 1930
Ich werde mit meinen Schlüssen fortfahren. Bei der Erzählung Escrivas gibt es etwas, das ziemlich unwahrscheinlich ist, und er wiederholt systematisch, dass er P. Sanchez die Ereignisse des 14. Februar 1930 mitteilte, und dieser erwiderte, dies sei ebenso von Gott wie das Übrige. Was war das Übrige? Ich fand keine andere Erklärung als diese: die Ereignisse vom 2. Oktober 1928. Tatsächlich teilt uns Escriva selbst in Catalina Nr. 475, geschrieben am 12. Dezember 1931, mit, dass kein anderes Ereignis nach dem 2. Oktober gab, bis zu irgendetwas, das im November 1929 geschah. Diese Catalina erzählt etwas, das gut unter die Sammlung der Eingebungen Escrivas passt:
Das Schweigen des Herrn seit dem 2. Oktober 1928, dem Festtag der Heiligen Schutzengel und dem Vorabend der Kleinen hl. Theresia, bis zum, November 1929 war beredt (…) unbezweifelbares Zeichen, dass das Werk von Gott ist, denn wäre es nicht aufgrund göttlicher Eingebung entstanden, hätte es die Vernunft erfordert , sofort nach dem Ende der Exerzitien am 28. Oktober, mit mehr Begeisterung als je zuvor, weil das Unternehmen ja schon skizziert war, und dieser arme Priester setzte seine Planungsarbeit am Werk fort. So war es aber nicht; es dauerte länger als ein Jahr, bis Jesus sprechen sollte.
Ich habe keine Nachricht, was in diesem November geschehen sein soll, weil im Werk niemals darüber gesprochen wurde oder etwas in den Biographien Escrivas vermerkt wäre. Deshalb denke ich, dass dem nicht viel Aufmerksamkeit gebührt 1. Und zwischen 1929 und dem in der Biographie erwähnten Februar dürfte ebenso wenig geschehen sein, was an Bedeutung jenem 14. Februar gleich käme. Mit anderen Worten, es gibt keinen Grund, das zu berichtigen, was wir alle im Werk wissen; dass das Übrige das war, was am 2. Oktober 1928 geschehen war.
Um die Situation deutlicher zu zeigen, wollen wir zwei Szenarien miteinander vergleichen. Das erste geht davon aus, dass es einen Geistlichen Leiter Escrivas zu dieser Zeit gegeben habe, die die beiden Visionen umfasst, die wir kurz die Gründungsperiode nennen wollen. Escriva suchte diesen geistlichen Leiter am 2. Oktober 1928 auf und teilte ihm seine Meinung über den göttlichen Ursprung des Ereignisses mit oder dass er keine Meinung hatte. Etwa eineinhalb Jahre vergingen, und am 14. Februar 1930 hatte Escriva eine andere Vision. Da er überrascht und beunruhigt ist, wie es nur natürlich ist, fehlt ihm die Zeit seinen geistlichen Leiter aufzusuchen , der ihm zuhört und sagt , dass das geschehene seiner Meinung nach von Gott komme wie das Übrige, das vom 2. Oktober 1928. Das passt alles fugenlos zusammen.
Das zweite Szenario folgt notwendigerweise aus der Tatsache, dass er P. Sanchez nicht vor Juli 1930 gekannt hatte: Escriva suchte P. Sanchez zum ersten Mal am 5. Juli 1930 auf um ihn um ständige Geistliche Leitung zu bitten, und bei dieser Begegnung eröffnete er ihm seine Seele und sagte ihm, dass er ihm einige Aufzeichnungen übergeben wolle, die Daten über sein geistliches Leben und über das Werk enthielten. Er nützte am folgenden Tag die Anwesenheit des Jesuiten im Krankenstift, in dem Escriva arbeitete, und übergab ihm die Zettel. Nach Ablauf von zwei Wochen erschien Escriva im Wohnheim der Jesuiten in Chamartin, wo P. Sanchez ihm die Zettel zurückgab und es akzeptierte, sein geistlicher Leiter zu sein. All dies berichtet Escriva in seinen Catalinas Nr. 72 und 73 vom 26. Juli, also fünf Tage später. In dieser Catalina Nr. 73 sagt er konkret allerdings nur, im Hinblick auf den 21. Juli: Der Pater gab mir die Aufzeichnungen zurück und versprach mein Leiter zu sein: Laus Deo! In diesem Szenario gibt es keine Besonderheit, die auf die Vision des 14. Februar hinweisen würde, nicht dass er gelaufen wäre, nicht dies ist von Gott so wie das Übrige.
Wie kann man sinnvollerweise diese zwei Ereignisse in das zweite Szenario einfügen? Man kann es nicht. Man kann es deshalb nicht, weil Escriva bei S. Sanchez2 erzählt, um auf den 14. Februar hinzuweisen, stellte er es so dar, als sei dies seine Reaktion auf diese Vision gewesen. Das passt aber dann nicht zu P. Sanchez, den er erst fünf Monate später kennenlernen sollte, und dem Escriva bei den ersten Begegnungen nichts Spezielles über diese Vision gesagt hat. Dieser Ungereimtheit ist noch eine weitere hinzuzufügen, nämlich dass diese Vision Gegenstand seiner Aufzeichnungen gewesen sein soll3 und deshalb S. Sanchez bekannt gewesen sein muss, nachdem er diese vor dem 21. Juli gelesen hatte. Man kann also zusammenfassen, dass die Geschichte , wie sie Escriva in den nicht zerstörten Catalinas darstellt und wie er sie im Lauf seines Lebens verschiedentlich öffentlich dargestellt hat, zahlreiche Stolpersteine enthält4.
Wir sehen, wie diese falsche Geschichte uns an den Ausgangspunkt zurückwirft: Wie ist es möglich, dass Escriva jene zwei Jahre ohne geistliche Leitung verbrachte, in denen er angeblich jene übernatürliche Erfahrung gemacht hat, die sein Leben prägte und die weltweite Auswirkungen zeitigen sollte – und da bei einem Menschen, der uns als Vorbild der Heiligkeit schon von jungen Jahren an vor Augen gestellt wird. Und dieses Faktum wird noch auffälliger, wenn man in Rechnung stellt, dass er nach dem Bericht seiner Hagiographen auch schon lange vor dem 2. Oktober 1928 außerordentlicher himmlischer Eingriffe gewürdigt worden sein soll. Andererseits passt die Geschichte Escrivas recht gut, wie wir gesehen haben, wenn wir anstelle des S. Sanchez einen anderen Priester annehmen, bei dem Escriva während dieser Gründungsperiode geistliche Leitung in Anspruch genommen haben könnte. Wer war dann dieser andere Priester, der Priester X? Von diesem handelt der folgende Abschnitt. Fürs erste möchte ich die Motive zusammentragen, die es nahelegen, an die Existenz dieses Priesters zu denken.
Zuvor aber empfehle ich dem geschätzten Leser aufzustehen, tief Luft zu holen, alle Ablenkungen beiseite zu lassen und sich zu konzentrieren, denn hier beginnt ein schwieriger Abschnitt, dessen vermutliche Manipulation wir haarklein betrachten wollen, denn hier ging es offenbar darum, eine Reihe von geistlichen Leitern vor dem 14. Februar 1930 aufmarschieren zu lassen und dabei die Existenz eines Priesters X unter den Tisch fallen zu lassen.
Vazquez, oder auch die Redaktoren der Positio, befanden sich hier einem ernsten Problem gegenüber: Einerseits hatten sie Grund anzunehmen (oder sie wussten es), dass Escriva während dieser gesamten Gründungsepoche einen geistlichen Leiter hatte, also vom 2. Oktober 1928 bis zum 14. Februar 1930; andererseits hatten sie Gründe (oder Angst), dieses Faktum niemandem mitzuteilen; und vor allem wollten sie nicht, dass die Öffentlichkeit (und vor allem der Vatikan) glaubt, dass Escriva gerade in dieser Gründungsperiode keinen geistlichen Leiter gehabt haben soll. Nur ein höchst gewundener Pfad konnte einen Ausweg aus dieser Patsche bieten; man siehe hierzu S. 331 f.. des zitierten Buches von Vazquez und sei sich dessen bewusst, dass es sich hier um eine aufwändige Manipulation handelt. Das Ziel ist glauben zu lassen, dass Escriva damals eine Reihe von Geistlichen Leitern gehabt haben soll – und diese angeblichen Umstände sind sehr konfus beschrieben; dazu fehlt jeder Hinweis auf den Priester X―. Um meine Argumentation verständlich zu machen, füge ich den Absatz ein, wie ihn uns Vazquez bietet, mit seinen beiden Fußnoten. Die Zeichen * und ** kennzeichnen im folgenden Abschnitt die bewussten Anmerkungen. Ich habe die „Hauptwerkzeuge” seiner Manipulation in Farbe hervorgehoben.
Diese Manipulation dient einem dreifachen Zweck: Der erste ist der den Leser glauben zu lassen, dass Escriva während der Gründungsperiode gewöhnlich geistliche hatte, dass er aber kurz vor dem Juli 1930 ohne einen solchen war, weshalb er P. Sanchez aufsuchte. Deshalb greift Vazquez auf eine Catalina zurück, in der ausdrücklich von dieser momentanen Abwesenheit eines Geistlichen Leiters die Rede ist, und dann zählt Escriva in derselben Catalina seine geistlichen Leiter auf. Das Problem liegt allerdings darin, dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass sich diese Catalina auf die fraglichen Daten bezieht.
Das zweite Ziel bezieht sich auf die Liste der Priester, mit denen vorher gesprochen zu haben Escriva sich erinnerte, die in der ersten Fußnote vorkommt. Wenn es sie aufzählt, möchte er zu verstehen geben, dass kein geistlicher Leiter Escrivas vor P. Sanchez von seinen Lippen die Nachricht von den beiden Gründungsvisionen vernehmen konnte. Das heißt, keiner von ihnen konnte der Priester X. sein. Das dritte Ziel ist es, in die Manipulation eine weitere Manipulation einzuschleusen. Sie hat den Zweck, dass der Leser nicht die gesamte relevante Information entdeckt, die sich im Bereich der Catalina Nr. 1864 befindet, die ich – man wird schon sehen warum – „die merkwürdige Catalina” nennen werde.
Wenn auch Don Josemaria vorher sein Herz bei einigen Beichtvätern ausgeschüttet haben mag, so war er doch damals ohne Geistlichen Leiter*. Er hatte daher —so sagt er uns— niemanden, dem er seine Seele öffnen und das mit ihm im Forum internum besprechen konnte, worum Jesus ihn gebeten hatte**. Als es so stand, hörte er im Krankenstift davon reden, dass der P. Sanchez sich sehr gut um seine Beichtkinder kümmerte, und eines Morgens Anfang Juli 1930 ging er in das Wohnheim in der Calle de la Flor um den Jesuiten zu bitten, seine geistliche Leitung zu übernehmen.
* Unter den Priestern, bei denen er sich erinnert mit ihnen vorher gesprochen zu haben, sind: Don Norbert, zweiter Kaplan des Krankenstifts; ein Kanonikus von Tarazona, der dann nach Toledo ging, vermutlich war dies Angel del Barrio, der Kanonikus in Tarazona (vgl. E. Subirana, ob. cit., 1928, S. 453) und dann Kaplan der Königlichen Kapelle war (von Don Angel existiert ein Brief aus Toledo vom 18. August 1944 an Don Josemaria, in dem er sich an dem Umgang mit ihm und seine „Beunruhigungen“ erinnert; dien ihn seit 1928 plagten; vgl. das Original in AGP, RHF, D-12807); Don Josemaria erwähnt auch einen Priester aus Valencia und einen jungen Ordensmann aus der Kongregation der Hl. Familie. Vgl. Apuntes, Nr.1864, sowie Alvaro del Portillo, Sum. 327.
**Apuntes, Nr. 1864.
Betrachten wir das erste Ziel. Wie wir sehen, nützt Vazquez die verflixte Catalina, aus der er die Worte herausholt: dem ich meine Seele öffnen und das mit ihm im Forum internum besprechen konnte, worum Jesus mich gebeten hatte. Diese Catalina ist unvollständig und wurde offenkundig nicht im Jahr 1930 geschrieben, sondern 1948, wie die zwei beiliegenden. Warum wird behauptet, wie dies Vazquez tut, dass er hier über seine Lage im Juli 1930 spricht? Aus den bereits bekannten Dokumenten lässt sich das nicht erschließen 5. Aus dem Text selbst lässt sich eher das Gegenteil ableiten, denn dass Escriva das unterstreicht, worum ihn der Herr gebeten habe, lässt daran denken, dass er sich auf die Notwendigkeit bezieht, die Vision vom 2. Oktober 1928 oder das geistige Licht vom 14. Februar 1930 in der geistlichen Leitung zu erwähnen, vor allem die erste, wo dies noch dringender erscheint. Wir werden diese Art der Manipulation mit Daten auch noch in anderen Kapiteln finden. Das zweite Ziel der Manipulation bezieht sich auf die Liste der Priester, an die sich Escriva erinnert vorher mit ihnen gesprochen zu haben, eine Liste, die erstmals in einer Fußnote auftaucht. Es sind vier; der erste, D. Norberto, gehört nicht dazu; sein Name ist nicht fett gedruckt, offenbar deshalb, weil diese Nachricht nicht von Escriva stammt. Das heißt, nicht Escriva erinnerte sich an Don Norberto, sondern Vazquez. Die anderen Priester stehen dort fett gedruckt, mit einem - nicht ganz klaren – Bezug auf die eigenartige Catalina. Aber es ist zu beobachten, dass Escriva bei keinem von ihnen den Namen nennt, vielleicht, weil er sich nicht daran erinnerte; und nur einer von ihnen hat vermutlich eine Spur im Leben Escrivas hinterlassen, der Kanonikus von Tarazona, der ihm etliche Jahre später einen Brief geschrieben hatte. Das heißt, keiner von den Genannten konnte eine autorisierte Meinung über die Übernatürlichkeit der Gründungsvisionen Escriva angeben, keiner ist der Priester X6: Im Gegenteil, er wird sich erinnern. Wie ich gesagt habe, das dritte Ziel dieser Manipulation besteht darin, den Leser zu verwirren, damit er nicht entdeckt, dass die in der ersten Anmerkung zitierte Catalina DIESELBE ist wie die in der zweiten Fußnote zitierte Catalina! War es Absicht oder nicht, bei der Zusammenstellung des Buches ist die erste Anmerkung auf S. 331, die zweite auf S. 332. Und das gilt zumindest für die 1. und für die 6. Auflage dieses Bandes des Buchs von Vazquez. Wenn man annimmt, dass der Leser bereits durch die überflüssige Nennung bestimmter Daten von Priestern in der ersten Anmerkung erschöpft und abgelenkt ist. (Man beachte, dass sie im Buch über neun Zeilen geht), Er wird den Text von Vazquez weiterlesen, umblättern und auf der folgenden Seite die zweite Anmerkung finden, die ihm – noch einmal! - die Catalina Nr. 1864 serviert, die merkwürdige Catalina. So ist es denn höchst unwahrscheinlich, dass der Leser mitbekommt, dass die GESAMTE Information dieses Abschnitts aus einer einzigen Catalina kommt. Warum also haben sie ein solches Durcheinander angerichtet und nicht gleich die ganze Catalina wiedergegeben statt sie in Tranchen mitzuteilen, einen Teil im Haupttext und drei in der ersten Anmerkung? Aus welchem Grund also musste man die Sache derart verkomplizieren, wenn es nicht eine Schande, etwas für den Heiligen Kompromittierendes oder Gefährliches gewesen ist?
Fahren wir fort mit unserer Analyse. Der einzige unter den vier Priestern, der eine dauerhafte und nahe gehende Beziehung mit Escriva unterhalten haben dürfte, ist Don Norbert. Man weiß, dass ihm Escriva seine Seele in Augenblicken der Versuchung oder einer Schwierigkeit geöffnet hat, aber es scheint unwahrscheinlich, dass D. Norbert jener Priester X gewesen sein soll, von dem wir schon wissen, dass er mit dem Werk anfänglich sehr verbunden war, auf eine Weise, die nicht vorhergesehen war, und dass er ihm beitreten wollte, ohne dass Escriva ihn dazu aufgefordert hätte, als er einige seiner Aufzeichnungen gelesen hatte7. Dass außerdem Don Norbert häufig in den Catalinas vorkommt, heißt noch nicht zwingend, dass er sein geistlicher Leiter gewesen sein muss. Und hier endet die Untersuchung der dreifachen Manipulation. Ein anderer Hinweis, dass dieser Priester X existiert haben muss, kommt aus dem Namen „Opus Dei”, den Escriva seinem Werk gegeben hat. In dem Buch von Peter Berglar8 wird der folgende Text von Escriva zitiert, als sei er aus dem Brief vom 24. März 1930 entnommen: Das war immer das Ziel des Werkes und wird es immer sein: ohne menschlichen Ruhm zu leben, und vergesst nicht, im ersten Augenblick hätte es mir sogar gefallen, wenn das Werk überhaupt keinen Namen gehabt hätte, damit nur Gott seine Geschichte kennt.
Escriva sagt, dass sein Werk anfänglich gar keinen Namen gehabt habe, und er gibt zu verstehen, dass dieser erste Moment bereits vorbei sei, dass, als er diesen Brief schrieb, sein Werk schon einen Namen gehabt habe, dass es schon „Opus Dei“ hieß. Aber dieser Brief ist mit März datiert; das heißt, vier Monate bevor er P. Sanchez kennenlernte, hatte Escriva schon seinem Werk einen Namen gegeben, nämlich das „Werk Gottes“, „Opus Dei“. Auf der anderen Seite haben wir das, was er in Catalina Nr. 126 sagt : Das Werk Gottes: Heute fragte ich mich, warum wir es so nennen? Ich werde schriftlich antworten. Ich hatte schon vom guten P. Sánchez die Blättchen zurückerhalten, in der ich mir die göttlichen Eingebungen notiert hatte (es sind göttliche Eingebungen, auch wenn ich ein räudiger Esel bin), und eines Tages, in einem Besucherzimmer des Professhauses der Gesellschaft Jesu in Madrid (...)Und P. Sánchez bezog sich im Gespräch auf die noch ungeborene Familie des Werks und nannte sie „das Werk Gottes“. In diesem Augenblick, und nicht vorher, ist mir aufgefallen, dass ich es in den erwähnten Zetteln bereits so nannte. Der Herr wollte, dass ich diesen Namen (Das Werk Gottes!!) ,für andere vielleicht Ausdruck von Verwegenheit, Übermut oder gar Ungehörigkeit, zum ersten Mal schrieb, ohne zu wissen, was ich schrieb, und der Herr wollte auch, dass ich diese Bezeichnung aus dem Mund des P. Sánchez erhielt, damit es keinen Zweifel geben könne, dass Er es wollte, dass man Sein Werk so nenne: Das Werk Gottes.
Mit andren Worten, der Name „Werk Gottes“ sei seinem Werk durch die Vermittlung von P. Sanchez zugekommen. In diesem Fall müsste der Brief nach seiner ersten Begegnung mit P. Sanchez geschrieben worden sein. Da das nicht der Fall ist, schließen wir, dass entweder der Brief rückdatiert worden ist, oder, wie Idiota treffend ausführt, es war gar nicht P. Sanchez, der Escriva den Namen für sein Werk eingab, sondern ein Priester X, oder beides. In jedem Fall ist irgendeine Fehlinformation dabei.
1 Etwas Ähnliches muss bei der Weihe des Werkes an die Allerseligste Jungfrau Maria geschehen sein, die Escriva in der Wallfahrtskirche Cerro de los Angeles („Hügel der Engel“) in Madrid Ende August 1934 vornahm. Anfänglich maß er diesem Akt große Bedeutung zu, denn er schrieb in Catalina Nr. 1199: Nach der Messer, während der Danksagung, kam mir, ohne dass ich vorher daran gedacht hätte, der Gedanke, das Werk der Allerseligsten Jungfrau zu weihen. Ich hielt es für eine Eingebung Gottes (...). Ich denke, dass heute, einfach so, in aller Einfachheit, eine neue Etappe für das Werk Gotte begonnen hatte. Er hat diese Weihe so sehr vergessen, dass er sie nie mehr erwähnte, auch nicht, als er das Werk erneut Unserer Lieben Frau in Loreto im Jahr 1950 weihte, und wir haben auch niemals davon erfahren. Welcher Wert ist also den Eingebungen Escrivas beizumessen?
2 Nicht immer bezog er sich ausdrücklich auf P. Sanchez. In einer Betrachtung vom 14. Februar 1964 sagte Escriva: Ich lief zu meinem Beichtvater, der mir sagte: „Das ist genauso von Gott wie das Übrige“..
3 Tatsächlich schreibt er in Catalina Nr. 1872 vom 14. Juni 1948 im Hinblick auf diese Vision: Ich notierte in meinen Catalinas das Datum des Ereignisses: 14 Feb. 1930. Man muss aber wissen, dass Escriva im Juli 1930 noch nicht begonnen hatte, die Intimitäten seiner Seele in Hefte zu schreiben, sondern dass er sie auf Oktavblättern notierte. Wenn er also vorher noch keinen ständigen geistlichen Leiter gehabte haben sollte, so hatte er nur eine Version der Oktavblätter, und es gab keine Notwendigkeit sie zu kopieren, um sie einem geistlichen Leiter auszuhändigen. Das heißt, er gab die Catalinas so her, wie er sie geschrieben hatte. Es hatte auch, vom 5. auf den 6. Juli, keine Zeit sie nochmals durchzugehen (es waren mehr als 250 Oktavblätter, lässt uns Pedro Rodriguez in seiner historisch-kritischen Studie über das Buch Camino wissen) oder eine Auswahl zu treffen, und hätte er die Zeit gehabt, so hätte er gesehen, dass darin bereits die Vision des 14 . Februar enthalten war.
4 In der 6. Auflage des zitierten Buches von Vazquez (Der Gründer des Opus Dei, Span. Ausg. Bd. I), ist auf S. 323 die Anm. 188 hinzugefügt. Sie bezieht sich ihrerseits auf Catalina Nr. 1871, die hier bereits erwähnt wurde, und in der Folge fügt er eine weitere, ähnliche Erzählung hinzu, einen Auszug aus einer Betrachtung Escrivas von 1964, in der er sagte: dann, zur gegebenen Zeit, lief ich zu meinem Beichtvater. Es gibt aber einen Unterschied zwischen den beiden Auflagen. In der 6. Auflage ist hier noch hinzugefügt: „Man beachte, dass das „dann, zu seiner Zeit“, rückblickend 1964 gesagt wurde“. Man sieht daran, dass sie in der Prälatur die Unvereinbarkeit mancher Daten gemerkt und hier einen schwache Versuch unternommen haben, indem, sie annehmen, dass Escriva, als er 1964 diese Betrachtung hielt, dass „dann, zu seiner Zeit“ auch einen Abstand von fünf Monaten bedeuten konnte. Aber wie soll man dann erklären, dass er „lief“? Ihnen ist da noch nichts Besseres eingefallen als eine Randbemerkung innerhalb einer Anmerkung zu machen, um zu verhindern, dass unverhoffter Weise die Leser den Fehler in der Geschichte Escrivas entdecken könnten.
5 Wir wollen die beiliegenden Catalina überprüfen, ob sie einiges Licht auf das Thema werfen können, das wir hier behandeln. Die früher freigegebene Catalina ist die Nr. 1862, und in ihr beschreibt er den Zweck dieser intimen Aufzeichnungen. Nr. 1863 ist noch nicht freigegeben. Die, die ich gerade untersuche, Nr. 1865, ist noch ebenso wenig freigegeben. Die folgende, Nr. 1866, beschreibt die Begegnung mit P. Sanchez, aber sie ist verstümmelt, denn der freigegebene Teil beginnt so: Dann, in aller Ruhe, erzählte ich vom Wert und von meiner Seele. Oder soll man annehmen, dass die merkwürdige Catalina Nr. 1864 von Ereignissen spricht, die vor dem Juli 1930 liegen. Deshalb nennt Vazquez nicht direkt die Daten dieses Ereignissen, sie es dass er sie nicht wusste, sei es dass er wusste dass er da nicht genau das wiedergab, wovon angeblich die Rede sein sollte, Was macht er also? Er suggeriert eine unterschwellige Gedankenverbindung, die durch die Quellen nicht gedeckt ist, und hier verwendet er die Ausdrücke [in Rot wiedergegeben]: vorher, dann, daher, wie es damals war und bevor. Alle diese Worte suggerieren, dass sich der Text „dem ich meine Seele öffnete…” auf den Augenblick bezog, als Escriva hörte, wie im Krankenstift darüber gesprochen wurde, dass sich der P. Sánchez sehr gut kümmert. Und vor allem dann verstärkt den Eindruck, dass das damalige Fehlen eines geistlichen Leiters etwas Vorübergehendes gewesen sei, für einige Tage oder Wochen. So täuscht Vazquez den Leser über die Tatsache hinweg, dass Escriva mehrere Jahre ohne einen geistlichen Leiter gelebt hat. Die Autoren der Positio müssen diesen Punkt erklären, indem sie die Catalina Nr. 1864 freigeben.
6 Hat Escriva wissentlich den Priester X weggelassen? Ich bin mir nicht sicher, denn um zu tarnen, hat Vazquez drei Sicherungen eingebaut. Die eine ist die- dass er nicht ausdrücklich gesagt hat, dass diese Priester Geistliche Leiter oder Beichtväter gewesen sein sollen, sondern lediglich, dass Escriva mit ihnen gesprochen hat. Zweitens lässt er durchblicken, dass er keine erschöpfende Liste von geistlichen Leitern bieten möchte, denn er stellt an die Spitze seiner Anmerkungen ein „unter“, dass den Vorsatz andeutet, dass er jetzt nur einige wenige Namen nennen wolle. Drittens führt er Don Norbert ein, an den sich Escriva nicht erinnert hatte; somit bleibt offen, ob die Namen, die noch fehlen, weggelassen wurden weil sie Vazquez oder weil sie Escriva nicht gegenwärtig waren.
7 Vazquez, Der Gründer des Opus Dei, Bd. 1, 1. Aufl. Rialp 1997, S. 455. Auf S. 447 nimmt Vazquez Catalina Nr. 354 wieder auf, wo Escriva sagt, dass er gleich nach dem Lesen meiner alten Kärtchen, ergriffen vom göttlichen Anhauch, mit dem natürlichsten Ton der Welt, sagte er zu mir [Don Norbert]:das erste, das man machen muss, ist das Werk der Männer. Das impliziert, dass diese Ereignisse, falls Don Norbert der geistliche Leiter Escriva war, dass sich die Ereignisse nach dem 14. Februar 1930 abgespielt haben müssen, da er durchblicken lässt, dass Escriva schon an die Verwirklichung des Werks für die Frauen dachte. Er kann aber denn nicht der gewesen sein, der gesagt hat, die ist ebenso von Gott wie das Übrige, weil man dann versteht, dass es sich um ein Werk für Frauen und für Männer handelt.
8 Der Gründer des Opus Dei, Kap. 4.
9 Eine Aufgabe: Suche die unterschiedlichen Eingebungen in dieser Catalina. Man findet hier Hinweise, um an zweierlei zu denken: 1) dass Escriva einen bestimmten Geistlichen Leiter zur Zeit der beiden Gründungen hatte; 2 dass die Hagiographen systematisch seinen Namen verschwiegen haben. Diese beiden Eigentümlichkeiten werden mir im nächsten Abschnitt dazu dienen aufzudecken, wer dieser geistliche Leiter war: Ich will einen Priester vorweisen, der diese Bedingungen erfüllt: Er hat Escriva geleitet, und er verschwand buchstäblich und auf unerklärliche Weise aus seiner Biographie.
Jaume Garcia Moles
(wird fortgesetz)