José María Escrivá Albás: Einige historische Probleme

Jaume García Moles

20/05/2013

 

9. Beitrag: DER GRUND FÜR DAS VERSTECKSPIEL

 

Ich werde nun einige Mutmaßungen anstellen, auf die Gefahr hin, dass die Prälatur mir widerspricht. Aber leider hat die Prälatur durch die Enthüllung, was für einen manipulativen Gebrauch sie von Dokumenten, die der Öffentlichkeit unzugänglich sind, gemacht hat, um ihre Positio zusammenzustellen, viel von ihrer Glaubwürdigkeit verloren, sodass man einer Entgegnung keinen Glauben schenken wird, wenn sie nicht zugleich von Faksimilia aller Catalinas und der Anmerkungen zu den Catalinas  begleitet ist.1

Ich sage das, weil ich den Eindruck habe, dass Escrivá das ganze Problem mit Don Manuel González in seinen nicht freigegebenen Catalinas  oder in den Anmerkungen wieder aufgenommen hat. Das würde erklären, dass man bis zum Tod Escrivá ohne überhaupt kein Problem hatte, über die dessen Freundschaft mit Don Manuel zu reden, dass man aber nach dem Tod des Vaters den Schleier des Vergessens über Don Manuel breitete. Wie ich schon gesagt habe, beim Öffnen des Pakets mit den Catalinas und den Anmerkungen muss Portillo etwas  Wichtiges im  Zusammenhang mit Don Manuel entdeckt haben ― und es dürfte sich dabei um die Frage der Datierung der Beziehung zu P. Sánchez handeln – das in der Lage war, die Seligsprechung oder den Ruf Escrivás zu gefährden.

ich kehre also zum Thema zurück, das in der Annahme von Beziehungen zwischen Escrivá und Don Manuel besteht, von freundschaftlichen zu dessen Lebzeiten und von jenen des Danks nach seinem Tod, dürften von Escrivá und von der Prälatur beim Tod Escrivás als eine Gefahr für den Ruf Escrivás oder auch den Don Manuels betrachtet worden sein.  Es gibt einige Indizien, die Licht in die Sache bringen.

Das erste Indiz ist die Hartnäckigkeit, mit der Escrivá uns daran erinnerte (falsch in dem Detail beeilte ich mich), dass er zum Beichtstuhl des P. Sánchez geeilt sei und dieser ihm gesagt habe, dies hier ist ebenso von Gott wie das Übrige. Etwas feierlicher wiederholt er diese Idee über den rein übernatürlichen Ursprung seines Werkes in der Instruktion über den übernatürlichen Charakter des  Werkes Gottes, wenn er sagt: 

In meinen Unterhaltungen mit euch habe ich immer wieder klargestellt, dass das Unternehmen, das wir begonnen haben, keine menschliche Unternehmung ist, sondern eine große „übernatürliche Unternehmung“, die von Anfang an so erfüllt wurde, dass man sie buchstäblich, ohne Überheblichkeit „Werk Gottes“ nennen kann (…) Das Werk Gottes hat sich kein Mensch ausgedacht (…) Zweifellos sind viele dieser Organisationen, die jetzt entstanden sind,  als natürliche Reaktion edler, christlicher Seelen auf die widerchristlichen Handlungen der Revolution in Spanien, und viele ältere Organisationen, spanische und ausländische trotz ihrer übernatürlichen Absicht rein menschliche Unternehmungen (…) wir führen kein menschliches Werk durch, unseres ist eine göttliche Unternehmung. [Hervorhebung durch Fettdruck von mir]

Es scheint so, dass ihn ein Zweifel daran quälte und er sich mit solchen Ausdrücken selbst beruhigen wollte. Er maßte sich sogar an, andere apostolische Unternehmungen zu beurteilen, indem er sie als rein menschliche Unternehmungen abqualifizierte, während seines eine göttliche Unternehmung war. Aber keiner seiner Zuhörer stellte ihn zur Rede oder warf ihm dumme Angeberei vor. Tatsächlich verteidigte er sich in seiner Catalina Nr. 126,  mit dem Datum 9/12/1930 gegen solche Vorwürfe, die nie klaut geworden waren, und er sagt darin:

Und der Herr wollte, dass dieser Name (Das Werk Gottes!!), der eine Anmaßung, eine Kühnheit zu sein scheint, gleichsam eine Ungehörigkeit das erste Mal niedergeschrieben würde, ohne dass ich wusste was ich schrieb; und der Herr wollte sie auf die Lippen des guten P. Sánchez legen, damit kein Zweifel möglich sein könne, dass  Er es war, der das sein Werk so genannt haben wollte: Das Werk Gottes. [Hervorhebung durch Fettdruck vom Verf.]

Das Vorzeichen steht allerdings auf einer sehr wackeligen Grundlage: Escrivá verwandelte die Frage des P. Sánchez nach dem Fortgang seines Werkes Gottes in einen Befehl Gott nichts Geringeres. Und um diese Vorzeichen zu bekräftigen, beruft er sich auf ein noch schwächeres: Er hatte es selbst in seine  Oktavblättern niedergeschrieben, z. B. in Catalina Nr. 21 (es ist nicht mein Werk, sondern ein  Werk  Gottes, 24/3/1930),  und in Nr. 92 (in diesem großen Gebäude, das sich „das  Werk Gottes“ nennt, 3/10/1930). Tatsächlich haben Escrivá selbst, die Bibel, die Kirche, ja ganz allgemein die katholische Kultur im Lauf der Zeit immer wieder den Ausdruck „Werk Gottes“ für alles Mögliche verwendet, für den Gottesdienst und die Predigt (vgl. Jer 48, 10), für apostolische Unternehmungen etc. Man beachte außerdem, dass Escrivá P.  Sánchez die Oktavzettel übergeben hatte, die seine persönlichen Aufzeichnungen bis Juli 1930 enthielten, in denen Escrivá selbst sein Werk das „Werk Gott“ genannt hatte, zumindest in Catalina Nr. 21. Was ist daran übernatürlich, wenn P. Sánchez Escrivás eigene Worte benützt hat, um sie auf sein Werk zu beziehen? In seiner Sucht Vorzeichen zu erfinden ist etwas Krankhaftes.

Woher rührt diese Hartnäckigkeit, sich selbst und andere davon überzeugen zu wollen, dass sein Werk auf ein besonderes Eingreifen Gottes zurückzuführen sei und sich grundlegend von anderen Werken der Heiligkeit und des Apostolats unterscheide? Um das zu erklären, denke ich, dass es jemanden gegeben haben muss, der zu einer diskreten Klugheit geraten habe, bevor die Vision des 2. Oktober und die geistige Schau des 14. Februar 1930 laut als außerordentliche Eingriffe Gottes verkündet würden. Und ich denke, dass dieser jemand der Priester X gewesen sei, genauer gesagt Don Manuel González2. Es konnte gut sein, dass Don Manuel den Enthusiasmus Escrivás – und gelegentlich auch seine Angst – einbremste, weil er in seiner Laufbahn als Priester, Bischof und Gründer apostolischer Werke bereits zahlreiche Erfahrungen mit außerordentlichen Phänomenen gemacht hatte, als anerkannter Seelenführer, Priesterbildner und als heiliger Mann. Geleitet von seiner Erfahrung und von seinem Hausverstand, konnte Don Manuel Escrivá sagen, was ihm an seinem Unternehmen gut vorkam, einem Werk, das die evangelische Botschaft der Bergpredigt verbreiten helfen sollte, alle zu einem heiligen Leben anzuleiten. Es war eine Botschaft, die im Lauf der Geschichte zahllose Male wiederholt worden war, vom hl. Paulus über Franz von Sales. Papst Pius XI. in seiner Enzyklika über Franz von Sales3, ebenso vom  hl. Johannes Chrysostomus und anderen, die mir meine mangelnden Kenntnisse aus der Kirchengeschichte aufzuführen  verbieten.  Und Don Manuel hätte ihm möglichweise sagen können, dass es ihm nicht gestattet sei, seinen Gefolgsleuten die Idee zu vermitteln, all das käme direkt von Gott, der anfängliche Impuls ebenso wie die späteren Ausprägungen, weil das bedeutet hätte, eine (vielleicht falsche) Privatoffenbarung als eine öffentliche darzustellen. Und er hätte ihn vor den Gefahren dieser Handlungsweise warnen können, den Mitgliedern des Werkes einen quasi-religiösen Glauben an ihren Gründer aufzuerlegen. Und eben diesen falschen Glauben formulierte Escrivá  in der bereits zitierten Instruktion, in der es gegen Ende heißt:

Ich komme zum Ende, aber zuvor will ich noch drei Überlegungen wie in Feuer in eure Seelen eingravieren: (…) 1. Das Werk Gottes  ist gekommen, um den Willen Gottes zu erfüllen. Deshalb hegt eine tiefe Überzeugung, dass dem Himmel daran gelegen ist, dass dies hier sich verwirklicht (…)[Hervorhebung durch Fettdruck vom Autor]

Einen anderen Hinweis gibt die verdächtige Eindringlichkeit Escrivás. In den Catalinas steht seitdem, und er wiederholte es im Laufe seines Lebens immer wieder, dass der P. Sánchez Ruiz sein geistlicher Leiter, aber nicht vom Werk gewesen sei; er habe ihm Einblick gewährt, sodass er neben ihm der einzige Empfänger der Botschaft und Zeuge der Sendung gewesen sei, dass P. Sánchez mit dieser Vorgangsweise einverstanden gewesen sei etc. So zitiert beispielsweise Vázquez4 Briefe Escrivás mit den Daten 29/12/1947 und  14/2/1966, in denen sich Escrivá auf P. Sánchez bezog und sagte: Er hatte nichts mit dem Werk zu tun, denn ich ließ ihn niemals eingreifen oder eine Meinung äußern. Mir erschient es nicht normal, oder zumindest weiß ich von keinem anderen von der Kirche anerkanntem Gründer, der eine geistliche Leitung mit solchen Vorbehalten begonnen hätte, unter anderem aus dem Grund, dass es bei jemandem, der außerordentliche Gnaden empfangen hat, um etwas zu gründen, das Erste gewesen wäre festzustellen, ob diese Wahrnehmungen echt waren, und dazu dient die geistliche Leitung. Und dass muss sein, denn die Weigerung, die Gewissheit, die Angebrachtheit und die Legitimität des Erfahrenen etc. mit dem geistlichen Leiter zu besprechen, weil man sich auf eine „persönliche Inspiration Gottes” beruft, kann dem Stolz die Türe öffnen, dem eigenen und dem fremden Scheitern,  und bewirken, dass das göttliche Geschenk wieder zurückgenommen wird, das vielleicht im Ursprung echt gewesen sein mag.

Deswegen erachte ich es als sehr wahrscheinlich, dass sich Don Manuel nicht zu solchen Bedingungen verstand bzw. dass der freundschaftliche Umgang, das eingegangene Leitungsverhältnis unter diesen Umständen zerbrach, oder dass sich Escrivá „auf Französisch“ verabschiedete.

Wir müssen aber auch noch einen anderen Gesichtspunkt in Betracht ziehen. Don Manuel förderte in Madrid, neben seinen eigenen Werken „Marías de los Sagrarios“ und „Marías Nazarenas“, auch das „Werk der Jünger des hl. Johannes“, das vom Bischof von Madrid Eijo y Garay aufgrund einer Kampagne gegen die Freimaurerei suspendiert werden musste. Andererseits wissen wir von Escrivá selbst in der bereits zitierten Instruktion, dass ihm dreimal nahegelegt worden war, sich unterschiedlichen Organisationen anzuschließen. Das schrieb er 1934, als sein Werk noch praktisch nichts war. Mit anderen Worten, es konnte auch durchaus sein, dass Don Manuel ihm vorgeschlagen hatte (und vielleicht tat er das ja auch), sich an eines seiner Werke anzuschließen, aus denen später Säkularinstitute werden sollten5.

Es waren drei Erfahrungen, die er verabscheute: dass jemand nicht bedingungslos glaubte, dass seine Eingebungen nicht direkt von Gott stammten; dass ihm jemand, der Autorität hatte, Ratschläge über Angelegenheiten des Werkes erteilte, die sein Werk oder vielmehr seine Rolle als Grüner in Gefahr brachten, wenn er es mit etwas anderem vereinigte.  Jede dieser drei Erfahrungen würde erklären, warum Escrivá ihnen auswich und sich deshalb einen neuen geistlichen Leiter suchte – und in P. Sánchez fand. Als Escrivá von ihm sprach, sprach er mit einer Art triumphierendem Stolz, dass der P. Sánchez versichert habe, dass seine Vision des 14. Februar ebenso von Gott komme wie das Übrige. Er hatte jemanden gefunden, die ihn in seinen Überzeugungen stützte, und fühlte sich sicher.

Mir erscheint es nicht unwahrscheinlich, dass er nach der geistigen Schau vom 14. Februar 1930, zu seiner Zeit zu Don Manuel eilte, das heißt,  als er erfuhr, dass Don Manuel wieder für einige Stunden oder Tage in Madrid war; so beeilte er sich, um nicht die Gelegenheit zu versäumen, angesichts der seltenen Besuche Don Manuels in Madrid , der damals ja noch Bischof von Málaga war, sein Herz bei diesem auszuschütten, und dass Don Manuel ihm gesagt habe, auch dies ist von Gott wie das Übrige, was geheißen haben könnte, es mag von Gott sein oder nicht, ich lege mich nicht fest und erinnere daran, was ich über die Vision vom 2. Oktober 1928 gesagt habe, oder aber er gab ihm konkrete Ratschläge, wie er sein Werk beginnen soll.

Und gewiss hatte Don Manuel Grund, ihn in einigen Punkten zurechtzuweisen. Der auffälligste davon waren  sein stagnierendes Studium und seine Anwesenheit in Madrid. Wie wir oben bemerkt haben, befand sich Escrivá dank einer zeitlich befristeten Erlaubnis seines Ordinarius, des Erzbischofs von Saragossa, zu Studienzwecken in Madrid, aber was er wirklich wollte, war, aus dieser Stadt zu flüchten.  Ich denke, dass Escrivá eben deshalb den göttlichen Ursprung des Werkes betonte, weil es seiner Anwesenheit in Madrid eine Art Begründung gab. Don Manuel, der wie jeder spanische Bischof zur Zeit der Verfolgung der Kleriker, die aus den Diözesen in der Provinz in die Hauptstadt flohen, sensibel war, hatte Escrivá darauf aufmerksam gemacht, dass seine Stellung illegitim war. Aber Escrivá war nicht bereit, hierin Anweisungen entgegenzunehmen. Alles dies will ich im nächsten Kapitel zeigen.

Ein anderes Motiv konnte seine Trägheit bei der Entwicklung der weiblichen Abteilung im Werk sein. Wir wissen, dass er einen Großteil dieser Arbeit an Priesterfreunde delegierte. Wenn Don Manuel ihn darauf aufmerksam gemacht haben sollte, hätte Escrivá zum Urteil kommen können, dass sich sein geistlicher Leiter auf ein verbotenes Terrain begab, denn der Finger Gottes hatte ihm diesen Hinweis gegeben, und nur von Ihm nahm er Anweisungen oder Ratschläge in Bezug auf sein Werk entgegen.

Wir müssen noch erklären, was Escrivá im Jahr 1948 veranlasst hatte, die Vergangenheit neu zu schreiben, indem er die zwölf Catalinas dieses Jahres hinzufügte, in denen er bereits hinsichtlich seiner geistlichen Leiter log. Sicher ist, dass er Jahre großer Kämpfe und großer „Siege“ gewesen waren, da man vom Heiligen Stuhl einen privilegierten Status erhalten hatte. Es waren Jahre, die dem Wachstum seines Ego dienten, wie er nicht müde wurde zu erklären.

Escrivá begann in großem Umfang Empfehlungsbriefe von allen spanischen Bischöfen zu sammeln, die er bereits kannte, eine Aktion, die von Dezember 1945 bis Juni 1946 dauerte6. Gleichzeitig sammelten Portillo und Canals in Rom Empfehlungsschreiben nichtspanischer Bischöfe und Kardinäle. Es ging darum, eine päpstliche Approbation für die Priester­gesellschaft als Werk des gemeinsamen Lebens ohne Gelübde zu erlangen, unter dem Namen  Priestergesellschaft  vom Heiligen Kreuz, denn dazu hatte Escrivá sein Werk verwandelt, nach der anfänglichen diözesanen Approbation als Pia Unio. So war er nicht mehr vom Bischof von Madrid und den Bischöfen insgesamt abhängig, sondern unmittelbar vom Heiligen Stuhl. Es zwickte ihn allerdings, wie es nur logisch ist, dass er etwas völlig Laikales, das zudem aus Männern und aus Frauen bestand, als Priestergesellschaft konstituieren sollte. Sie mussten also einen allgemeineren Weg einschlagen, und im langsamen Rhythmus des Vatikans konnte das Jahrzehnte dauern. So blieb das Werk Escrivás im Ensemble jener Organisationen inkorporiert, für die der Heilige Stuhl eine neue Rechtsform suchte, die bald Säkularinstitute heißen sollte.

1946 begann Escrivás ständiger Aufenthalt in Rom, um den Heiligen Stuhl buchstäblich in diese Richtung zu drängen und um, abgesehen von einer neuen juristischen Gestalt, so weit wie möglich einige Konstitutionen auszuarbeiten, die Escrivá  und Portillo bereits für das Werk vorbereitet hatten. Sie erreichten damit gleichzeitig zwei Ziele, denn im Augenblick der Approbation des Gesetzes über die Säkularinstitute durch Pius XII. wurde das Werk Escrivás zu einem solchen und empfing zugleich das Decretum laudis (als Säkula­rinstitut) am 24. Februar 1947. Das Tandem Escrivá-Portillo hatte den Heiligen Stuhl überzeugt. Das Werk war päpstlichen Rechts, errichtet als erstes Säkularinstitut, Escrivá war sein Präsident und praktisch unabhängig von den Ortsbischöfen.

Das reichte dem Zweigespann aber nicht; sie wollten, dass Escrivá zum Bischof ernannt wird. 1946, oder schon früher, gab es Machinationen in Madrid und in Rom, ihn  zum Militärkaplan ernennen zu lassen, 7 und zwar sogar noch bevor dieses Vikariat nach dem Bürgerkrieg wieder eingerichtet war.

Und als ob das zu wenig gewesen wäre, wollte Escrivá, wie uns Vázquez in seinem bereits zitierten Buch berichtet, 8 den Codex  des Werkes in Übereinstimmung mit der neuen Terminologie von Provida Mater Ecclesia neu formulieren;  oder den Katechismus des  Werkes so rasch wie möglich zu drucken, mit einigen neu formulierten Fragen; und schließlich das Projekt eines Hauses fortzusetzen, das wir vor einigen Tagen gefunden haben. (…) Ich konnte erneut nach Spanien zurückkehren, am 25. Juli [1947]. Dreieinhalb Monate Reisen und Arbeiten, dann musste ich eine große Zahl von Bischöfen besuchen, denen ich zuvor ein Infor­mationsblatt über die Säkularinstitute gesandte habe (…) Unvorhergesehener­maßen musste ich am 20. November nach Rom zurückkehren. (…) Anfang Februar 1948 hatte der Gründer seine Arbeit abgeschlossen. Außerdem waren sie am 22. Juli 1947 in ein neues Gebäude in der Straße Bruno Buozzi übersiedelt, das nach wie vor den Zentralsitz des Werkes bildet.

Ende März oder Anfang April 1948 übersiedelte er nach Madrid. 9 Einige Tage später schrieb er die zwölf Catalinas von 1948, abgesehen von einer waren das die letzten seines Lebens. In allen, außer der letzten von 1948, rekonstruiert er einen Teil der Gründungsepisode seines Lebens. Am 14. Juni schrieb er die belastende Catalina Nr. 1871, mit der die Fehlinformatio­nen über seine geistliche Leitung in dieser Zeit beginnen.

Von da an ging eine gewaltige Veränderung in ihm vor, parallel zu der Bedeutung, die er im Leben und in der Geschichte der Kirche gewann. Von einem einfachen Priester, der ein Institut wie das von Cicuéndez leitete, war er zu einer bei zahllosen Bischöfen, Kardinälen und dem Papst selbst bekannten kirchlichen Persönlichkeit geworden. Die Kirche hatte ihm für seine Gründung auf die Schulter geklopft, er begann sich zu fühlen, wollte Bischof werden, seine Erfindung patentieren lassen, Originalität und Botschaft seines Werkes ver­teidigen, und seine Beteuerung, er habe sich nicht von anderen apostolischen Werken beeinflussen lassen, soll zeigen, dass er sie für rein menschliche Unternehmungen hielt. Aber es gibt eine Gefahr, denn erhatte innigen Kontakt mit Don Manuel González, der einige dieser rein menschlichen Werke 10 gegründet hat, und er wollte auf  keine Weise den Eindruck erwecken, dass ihn dieser in Hinblick auf Geist, Ziele und Organisation seines Werkes beeinflusst habe. Er entschied sich dann, die Spuren seines Umgangs mit Don Manuel während der Gründungsphase zu tilgen oder zu v erwischen – so haben wir ihn einmal sagen gehört, und er tat es, indem er schrieb: Ich machte die Danksagung und ging dann zu seiner Zeit zum Beichtsuhl des P.  Sánchez, (Catalina Nr. 187111).

Schließlich machte sich Portillo dieses Vorhaben Escrivás zu Eigen und  vollendete die Geschichtsklitterung, wie ich im vorangegangenen Aufsatz angedeutet habe. Auf der gleichen Linie liegt die Ausmerzung der Spuren, die Don Manuel in den Maximen der Priester­aus­bildung  in der Lehre des Gründers hinterlassen hatte (und deren sind nicht weniger); Portillo (und vielleicht auch Escrivá) haben hier ganze Arbeit geleistet.

Zunächst einmal muss man wissen, dass zur Zeit der Anwesenheit Escrivás in Saragossa das Diözesanblatt einige Schriften von Don Manuel veröffentlichte. Ich weiß von zweien aus dem Jahr 1925; eines heißt „La oración mental de los niños” (Das betrachtende Gebet der Kinder, S. 377-378), und die andere „El abandono de los Sagrarios acompañados” (S. 328-330). Man erinnere sich daran, dass dies eben jenes Jahr war, als Escrivá seine erste Anstellung in Perdiguera hatte, und er hatte das Blatt mit Sicherheit in Händen gehabt, da es auch die Anweisungen des Bischofs enthielt.

Außerdem bezieht sich Escrivá  in den ersten Catalinas, die Nr. 22 vom 7/4/1930 und die Nr. 177 vom 20/3/1931, auf Jesus Christus im Altarsakrament als den  Amo [„Herr“] , einen Ausdruck, der in Andalusien üblich ist und gewöhnlich von Don Manuel verwendet wurde, wie sich aus seinen Beiträgen für die Zeitschrift  El Granito de Arena  (Das Sandkorn) zeigen lässt, die 1907 begründet wurde, oder in einigen seiner Biographien. Ein anderes erhellendes Beispiel, wie sehr sich ihre Terminologie gleicht, zeigt sich an seiner Art, über Kruzifixe zu sprechen, genau wie Escrivá: Er sagte ihnen [den Teilnehmern an einer Kreuzwegandacht in Rom 1934] unter anderem, dass man das Vokabular ändern müsste: Was die Welt Sieg, Freude, Leben nennt, das ist das, was wir zu Füßen des Holzkreuzes lernen müssten, 12 muss man Scheitern, Schmerz und Tod nennen. [Hervorhebung durch Fettdruck durch den Verf.]

Man kann bei Escrivá noch andere Spuren der Lehren Don Manuel über seine vorbildliche Auffassung vom Priestertum finden. Hier ein Zitat von Don Manuel: Ein Priester, der den ganzen Tag in seinem Beichtstuhl sitzt, auch wenn niemand kommt, von halb sechs in der Früh bis zum Nachmittag, erweckt die toteste Pfarre der Welt zum Leben. 13

Man sieht auch, dass Don Manuel den Wunsch hatte, etwas in der Art des Opus Dei zu gründen. Lesen wir auch 14: Im Juni 1933 nahm das Projekt der „Marías Auxiliares Nazarenas“ Gestalt an,  als Bindeglied zwischen dem großen säkularen Werk, das 1910 in  Huelva entstanden war – die „Marías de los Sagrarios Calvarios“ ― und dem Kern. den 1921 in Málaga gegründeten „Schwestern der Maria von Nazareth“.

Es handelte sich dabei um Frauen, die in der Welt blieben, ein Keuschheitsgelübde ablegten und Armut und Gehorsam versprachen; sie nahmen damit das Konzept des geweihten Lebens der Vollkommenheit vorweg, das dank Pius XII. seine kanonische Gestalt gefunden hatte.

Wenn wir jetzt noch hinzufügen, dass der literarische Stil von Don Manuel und Escrivá einige Ähnlichkeiten aufweisen, was mir auch einige Freunde bestätigt haben, und wenn man sich ansieht, welches großartige Erbe auf doktrinellem und pastoralem Gebiet Don Manuel hinterlassen hat, etwa in seinem Sandkorn (El Granito de Arena),  so kann  man ihn mit Fug und Recht als den Vorläufer Escrivá bezeichnen, und man versteht nunmehr die eifersüchtige Sorge Escrivás und Portillos um die Originalität der theologischen und pastoralen „Ent­deckungen“ Escrivás, mit denen er so gerne geglänzt hätte. Im Augenblick bin ich aber außerstande hier näher nachzuforschen.


So wie das Thema Don Manuel ausgeklammert blieb – man beachte die oben angeführte Karte Escrivás an den Sekretär des Bischofs, die vermutlich unveröffentlicht ist. Man beachte, wie sich seine Unterschrift bereits verändert hat und seine Buchstaben unterwegs zu jenem krankhaften Duktus sind, den ich in meinem 3. Beitrag vorgeführt habe, und so blieb sie bis in die Mitte der vierziger Jahre.

Ich möchte an dieser Stelle kurz Isidoro erwähnen, da es später keinen Anlass mehr dazu geben wird. Wie wir wissen, kannten Don Manuel ― und somit auch sein von ihm unzertrennlicher Sekretär ― Isidoro seit 1931, und deshalb brauchte sie Escrivá auch in dem Brief nicht an den Familiennamen Isidoros zu erinnern und andere persönliche Eigenschaften. Die Bemerkung, dass er ein ausländischer Staatsangehöriger gewesen sei, geht am Kern der Sache vorbei, vor allem wenn man voraussetzen will, dass Escrivá angeblich Isidoro gefährdete Situation in  Madrid erleichtern wollte, damit er sich um seine Mutter und um seine Schwestern kümmern konnte und um Escrivá und seinen Leuten zu helfen. Die Wirklichkeit schildert uns Pero-Sanz sehr detailliert, und es ist sehr lehrreich sich damit zu beschäftigen. 15 Zu dieser Zeit setzt Isidoro jeden Tag sein Leben aufs Spiel, um jenen zu helfen, die die Volksfront als ihre Feinde betrachtete, indem er Lebensmittel und Briefe für Escrivá und andere vom Werk brachte, die in diese Gesandtschaft geflüchtet waren oder im Gefängnis saßen. Dass er Ausländer war, hätte ihm nur wenig genützt, wenn aufgeflogen wäre, dass er mit dem Feind kollaboriert.

Es ist nicht meine Absicht, Escrivá wegen seiner Flucht aus Madrid einen Vorwurf zu machen, dass er seine Familie, die Leute vom Werk und vielleicht auch noch andere Personen hier zurückließ, die er aufgrund seines Amtes geistlich betreuen sollte. Ich weiß beispielsweise nicht, ob die Schwestern von Santa Isabel, deren Kaplan er war, nach ihrer Vertreibung aus dem Konvent an einem Ort waren, von dem er wusste. Tadelnswert erscheint mir jedenfalls, das er gegenüber Don Manuel seine Flucht aus Madrid mit der Entschuldigung rechtfertigen wollte, dass er Isidoro hier zurückgelassen hatte, der fähig war, viel und gut zu arbeiten, und dass er zu verstehen gab, dass dieser ungefährdet war. Tatsächlich war dieser praktisch auf sich allein gestellt und musste Nahrungsmittel beschaffen, Besuche machen  und Dinge organisieren, in erster Linie um Escrivá und seine Angehörigen in der Gesandtschaft von Honduras über Monate hinweg zu versorgen, und dann Portillo sowie andere, die als Soldaten in Madrid zurückgeblieben waren. Was Isidoro in diesen Jahren geleistet hatte, grenzt ans Unglaubliche.

Um zu zeigen, auf wie schwachen Beinen die Entschuldigung Escrivás steht,  gebe ich hier ein Zeugnis der Mutter von José María Hernández Garnica wieder, der damals Student und vom Werk war und im Gefängnis saß: 16 [Isidoro] kam um mich zu sehen, und ihm lag sehr daran, meinen Sohn mitzunehmen, und das gelang ihm auch, denn sie hatten ihn für krank erklärt und in ein Sanatorium geschickt, wo rt nicht hingehen konnte, denn sie hatten ihn nach Valencia verlegt; und so kam er, um uns zu sehen und uns zu trösten, und er brachte immer gute Nachrichten, und als wir ihm sagten, dass er viel aufs Spiel setzt, sagte er, dass er nicht viel zu befürchten habe, denn er war argentinischer Staatsangehöriger; wir wussten unterdessen, dass dieses Faktum viele ausländische Staatsangehörige nicht vom Tod gerettet hatte. [Hervorhebung durch Fettdruck vom Verf.]

Wenn man das liest, muss man sich gegenwärtig halten, dass Isidoro nicht wirklich die argentinische Staatsbürgerschaft hatte, da er in diesem Land nicht den Militärdienst abgeleistet hatte. Er konnte lediglich auf ein Dokument der Botschaft verweisen, das belegte, dass er in Buenos Aires geboren war.

 

1 Ich beziehe mich auf Fälle wie die Nr. 176, mit einer Anmerkung vom 27/6/1932; auf Nr. 349 mit einer Anmerkung, die die Nr. 334 trägt, beide mit unbekanntem Datum; die Nr. 387, mit einer Anmerkung vom Dezember 1939; etc. Eine andere Möglichkeit, die Glaubwürdigkeit der Prälatur wiederherzustellen, wäre es, alle handschriftlichen Dokumente Escrivás im Internet allgemein und kostenlos zugängig zu machen. Und ich denke, ich und die anderen haben das Recht, die Wahrheit über einen Menschen zu erfahren, den uns die Prälatur als beispielshaft für alle Katholiken hingestellt hat.

2 Einige Monate nach der Veröffentlichung meiner ersten Überlegungen zum Priester X habe ich heute, am 10. Mai 2012, in der Biographie über Don Manuel González  von José Luis Gutiérrez García, Una vida para la Eucaristía (Ein Leben für die Eucharistie), S. 267, die folgende Perle gefunden: Am Tag nach dem Brand des Bischofspalasts von Málaga kam ein  Republikaner in das Haus, in das Don Manuel sich geflüchtet hatte, und riet ihm unter kaum verhüllten Drohungen, die Stadt zu verlassen. nach dem Gespräch und während sie noch auf jemand anderen warteten, sagte der Republikaner: „Schade, jetzt haben wir die Republik, und der Herr X [er bezog sich auf Don Manuel]muss uns alles vermasseln!,.― So war ich also nicht der erste, der den guten Bischof „X“ genannt hat.

3 Rerum ómnium perturbationum, 21/1/1923, Boletín Eclesiástico Oficial de la Archidiócesis de Zaragoza (Offizielles Mitteilungsblatt der Erzdiözese Saragossa), 1923, S. 59 ff. Man beachte, dass Escrivá dieses und die vier folgenden Jahre in Saragossa war.

4 S. O., S. 468.

5 Escrivá scheint zu dieser eine ziemlich Neigung zu frommen oder  karitativen Werken besessen haben. Erinnern wir uns, dass er seit November 1931 bei Oratorium des hl. Philipp Nero mitarbeitete (oder sogar beitrat), der Spitalspatienten betreut (Vázquez, s. o., S.  425 ff.). Außerdem trat er am 2. Oktober 1932 dem Dritten Orden der Karmeliter bei (Catalinas Nr. 823 y 838, vgl. Vázquez, s. o., Sp. 464).  Und obwohl er natürlich als Kaplan des Krankenstifts nicht dazu verpflichtet war, widmete er über Jahre hinwegh einen Großteil seiner Enegiern und seiner priesterlichen Arbeit den begleitenden Werken dieses Krankenstifts: Beichten, Krankenkommunionen, Krankensalbungen etc. .

6 Alle diese Angabe und weitere in der Folge beigebrachte vgl. Vázquez de Prada, Bd., Madrid: RIALP 2003.

7 Auch wenn das wie ine Lüge klingt, verhält es sich so. Etwas später wurden Schritte unternommen, um Escrivá zum Bischof von Vitoria zu machen, und wenn das nicht anginge, zum Bischof von San Sebastián; und Mitte der sechziger Jahre versuchte man Portillos Ernennung zum Bischof zu erreichen. Die Bemühungen dieses Zweigespanns, irgendeinen  Bischofsstuhl zu ergattern, müssen erst noch geschrieben werden, und zwar wird dies vermutlich erst dann möglich sein, wenn der Heilige Stuhl seine Archive öffnet und die Daten über Escrivá freigibt.

8 Bd.  III,, S. 78 ff.

9 Wie oben, S. 113-114.

10 Wie bereits gesagt, ist es durchaus möglich, dass er ihm einmal vorgeschlagen haben könnte, einer der von ihm gegründeten Werke beizutreten. So wie er von der Akademie Cicuéndez  die Idee übernommen hatte, eine Akademie zu gründen, die dann zum Studentenheim wurde, konnte er sich auch von anderen Organisationen Ideen abgekupfert haben.

11 Damit will ich nicht ausdrücken, dass er die einzige Person gewesen sei, die das Tandem  aus der Biographie Escrivás entfernt habe. In diesem Fall habe ich aber die Beweise dafür gefunden.

12 Escrivá verfügte, dass es im Eingangsbereich jeder Kapelle der Zentren des  Werkes ein nacktes Holzkreuz gäbe, das er cruz de palo nannte, Holzkreuz. So heißt es etwa in Catalina Nr. 1102 von 1934: Wenn ihr ein armes Holzkreuz seht, allein, verachtet und ohne Wert... und ohne Gekreuzigten, dann denkt daran, dass es euer Kreuz ist.

13 José Luis Gutiérrez García, S. o., S. 251.

14 Ebda., S.. 306.

15 Vgl. das bereits erwähnte Buch von José Miguel Pero-Sanz über Isidoro Zorzano Ledesma, Kap. XII, Por cárceles y embajadas.

16 S. o.

 

Jaume García Moles

(wird fortgesetzt)  

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