José María Escrivá Albás: Einige historische Probleme

Jaume García Moles

20/05/2013


10. Beitrag.

 

VORBEMERKUNG: Dieser Beitrag besteht aus einem Nachtrag, der das Kapitel 2 abschließt. Hier werden keine konkreten historischen Fakten enthüllt, er versteht sich vielmehr als Hilfe, das Leben Escrivás im Detail zu studieren, ausgehend von den Dokumenten, die die Prälatur zur Verfügung stellt. man wird sehen, dass ich nicht der einzige war, der über dieses Thema nachgedacht hat, wie man sich in diesem Gestrüpp von Daten, Auslassungen etc. zurechtfinden kann. Ich folge vielmehr den Spuren von Pedro Rodríguez, der die Notwendigkeit gesehen hat, den Inhalt und die generelle Struktur der „intimen Anmerkungen“, der „Apuntes íntimos“ Escrivás niederzuschreiben.

In jedem Fall lassen sich aus dieser Sudie einige höchst interessante Details herauslesen.

ANHANG: ÜBER DIE „APUNTES ÍNTIMOS“  ESCRIVÁS

In den zitierten Catalinas Nr. 73 und 1866, die die Begegnungen mit S. Sánchez beschreiben, sagt Escrivá, dass er ihm diese Blätter, oder einige Blätter – ein Paket mit Oktavblättern – übergeben habe. Er benützt nicht das Wort Heft, das aber in Catalina Nr. 1862 (14/4/1948) vorkommt: Ich verbrannte eines der Hefte mit meinen persönlichen Aufzeichnungen – vor Jahren schon - …

Für den kritischen Leser der Biographien Escrivás höchst verwirrend sind die unter­schiedlichen Medien der Aufzeichnung, die Escrivá benutzt hat, zusammen mit anderen zweideutigen Ausdrücken, die in diesem Zusammenhang vorkommen – Anmerkungen, Papiere, Notizen – mit einer Nummerierung, die nicht chronologisch ist; dazu kommen ungenau oder fehlende Datierungen, Interpolationen, Weglassungen etc. Dadurch können oftmals die erzählten Ereignisse zeitlich nicht exakt eingeordnet werden, aber auch nicht der Zeitpunkt bestimmt werden, zu dem sie niedergeschrieben worden sind. Und das ist für den Historiker sehr wichtig, vor allem dort, wo die Catalinas die einzige verfügbare Quelle darstellen.

WAS UNS PEDRO RODRÍGUEZ MITTEILT

Pedro Rodríguez widmet in seinem Buch „Génesis de un clásico de la espiritualidad: Camino“ (Der Weg – die Entstehung eines Klassikers der Spiritualität) zahlreiche Seiten den von der Prälatur so genannten „Apuntes íntimos“, den persönlichen Aufzeichnungen  Escrivás, die auch Catalinas genannt werden. Er kommt ihnen nur zum Teil bei, und viele Fragen bleiben offen.

Grundsätzlich sagt er uns, dass Escrivá in neun Heften  („Cuadernos“) viele Gedanken, Anekdoten, Pläne, Beschäftigungen, Gebete etc. niedergeschrieben hat. Außerdem habe Portillo in Ergänzung des Texts der  Cuadernos 14 Anhänge beigegeben, die andere Dokumente mit Anmerkungen zum geistlichen leben des Autors beigeben, die er normalerweise für seinen Beichtvater geschrieben habe. 1 Außerdem teilt er uns mit, dass Portillo die Abschnitte oder Gruppen von Abschnitten der Cuadernos (Cuadernos 2-9; das erste hat Escrivá verbrannt) sowie  vier der Anhänge (I, IV, VII und IX) durchlaufend nummeriert habe.

Bis 1930 schrieb Escrivá diese Notizen auf Oktavblätter, die er üblicherweise „Cuartillas“ oder Papiere nannte. In einem bestimmten Moment dieses Jahres entschloss er sich, den Inhalt der Oktavblätter, der früher beschriebenen und derer, die noch folgen sollten, zur sichereren Aufbewahrung in Hefte („Cuadernos“) zu übertragen. Von da an schrieb Escrivá weiterhin auch Notizen auf Oktavblätter, aber er machte sich über Jahre hinweg die Mühe, den Inhalt der angehäuften Oktavblätter in die Hefte zu übertragen. Eines Tages, nämlich am 23. Oktober 1930, war die Übertragung beendet, und da befand er sich auf Blatt 43 des zweiten Heftes. Von da an schrieb er sich tagsüber die Notizen auf ein Oktavblatt, das er in einer Tasche bei sich trug, und in der Nacht sowie sooft er konnte, übertrug er den Text ins Heft. Rodríguez gibt zu verstehen, dass er auf diese Weise mehr als 250 Oktavblätter übertragen habe.

Nach dem, was uns Rodríguez mitteilt, so wie aus dem, was aus den Anmerkungen selbst zu erschließen ist, gab sie Escrivá sehr bald anderen Personen zu lesen. So lesen wir etwa in einem Brief, den ein ehemaliger Kamerad aus dem Seminar, Don Sebastián Cirac, an Escrivá gerichtet hat:

Deine geistliche Umarmung habe ich zusammen mit deiner Karte und deinem Buch erhalten, und sie haben meine Seele mit Befriedigung erfüllt. Ich habe sofort deine Blätter aufgeschnitten, und ich habe diene Gedanken gelesen, die mir so vertraut sind seit jenen ersten Papieren, die du mir in Santa Engracia [dem Krankenstift] gezeigt hast...

Manchmal schreibt er den Text vom Oktavblatt direkt ins Heft ab, aber zu anderen Gelegenheiten korrigiert er zwischendurch, das heißt, die Idee, die auf dem Oktavblatt skizziert war, brachte er dann auf einem Zettel in eine etwas literarischere Form, und zuletzt schrieb er sie ins Heft ins Reine.

Ein anderes interessantes Faktum, das daraus hervorgeht, ist, dass Escrivá sein erstes Heft nicht vor 1935 verbrannt haben dürfte, sondern die Anm. (26) gestattet auch die Möglichkeit, dieses Datum bis zum April 1939, dem Ende des Spanischen Bürgerkriegs, zu vermuten.

REFLEXIONEN ÜBER DAS THEMA DER „APUNTES ÍNTIMOS“ ESCRIVÁS

Ich möchte einige Details der Catalinas kommentieren, auf die ich aufmerksam geworden bin.

Als Anhang zur Catalina Nr. 475 finden wir einen Text mit der Aufschrift „Anm. 193”, geschrieben 1968, in dem Escrivá über sich selbst spricht, und zwar über die Zeit nach dem 2. Oktober 1928. Ich schrieb die kindischen Aufzeichnungen parallel zu den ersten Briefen und den ersten Instruktionen, die ich für die Meinen schrieb, sobald die Zeit gekommen sein sollte. Merkwürdigerweise, um nicht zu sagen verdächtigerweise haben diese Aufzeichnungen aber in den freigegebenen Catalinas aus der Zeit vor 1968 keine Spuren hinterlassen, in der diese Briefe und Instruktionen angeblich entstanden sind. Außerdem ist ausgerechnet 1968 jenes Jahr, in dem Escrivá zwei Dinge tut: Er gibt den Mitgliedern des Werk einige Dutzend Briefe zur Kenntnis. Man fragt sich, ob die Stunde nun gekommen sei  - und zwar entweder deshalb, weil jetzt die Stunde gekommen war, oder was wahrscheinlicher ist, dass diese Briefe nämlich erst kurz bevor sie ans Licht gekommen sind verfasst worden waren, ausgehend von dem Material, das Escrivá sein Leben lang gesammelt hatte, wie Augenzeugen und materielle Beweise aussagen. 2 Die andere Sache, die Escrivá am 2. September dieses Jahres betrieben hat, beschreibt Vázquez3 wie folgend:

Das Paket, das die „Apuntes íntimos“ enthielt, kam im Archiv der Prälatur zum Vorschein, zusammen mit anderen und mit dem Umschlag, auf den der Gründer geschrieben hatte: „In jedem Fall sind diese Papiere nach meinem Tod, ebenso wie die Hefte, die meine „Apuntes íntimos“ enthalten, in die Hände von Don Alvaro zu übergeben, ohne dass jemand sie vorher liest, damit er die geeigneten Anmerkungen anbringt, denn dieser mein Sohn, mit dem ich oft und ausführlich über den Inhalt dieser Schriften gesprochen habe, ist der Einzige, der in der Lage ist, dort, wo Erklärungen und Kommentare notwendig sind, zu erklären und zu kommentieren. Mariano. Rom, 2. September 1968.»

Das heißt, er hat den Anschein, dass Escrivá 1968 bemerkt hatte, dass in den Catalinas die Existenz (?) jener prophetischen Briefe und Instruktionen nicht erwähnt waren, die für die Mitglieder des Werkes ab 1968 nützlich sein sollten, und er wollte die Vergangenheit nachbessern, indem er zu Catalina Nr. 475 die oben zitierte Anm. 193 hinzufügte.  Nach dieser letzten Klarstellung ließ er die Catalinas bis zu seinem Tod unter Verschluss. Ich fasse zusammen, dass ich hiermit meinen Verdacht öffentlich äußere, dass Escrivá die Vergangenheit retuschieren wollte, indem er zu den alten Catalinas eine Rechtfertigung für die plötzliche Freigabe von Dutzenden seiner Briefe an seine Kinder 1968 hinzufügte, so als ob er sie tatsächlich 20, 30 oder 40 Jahre früher geschrieben hätte. Dieser Verdacht erhärtet sich noch, wenn man sie untereinander vergleicht, wie Idiota in geduldiger und scharfsinniger Kleinarbeit dargestellt hatte.

Escrivá spricht von der Verbrennung von Blättern oder Heften in den Nummern 67, 996, 1862, 1866 und  1870. Von diesen kann Nr. 1870 außer Acht bleiben, weil sich Escrivá hierbei darauf beschränkt zu sagen, dass er sich nicht mehr erinnerte, ob er diejenigen verbrannt habe oder nicht, in denen er seinen Widerwillen dagegen dokumentiert habe, dass es im Werk Frauen geben solle. Das sind die restlichen.

167. Als ich diese  Catalinas schrieb (so habe ich diese Aufzeichnungen immer genannt), tat ich es aus dem Antrieb, nicht nur die göttlichen Inspirationen festzuhalten – ich glaube ganz fest, dass es göttliche Inspirationen sind — sondern Dinge des Lebens, die mir bei meiner geistlichen Entwicklung geholfen haben und helfen können, und damit mein Beichtvater mich besser kennt. Wenn es nicht so wäre, hätte ich die Blätter und Heftchen schon tausendmal zerstört und verbrannt, aus Eigenliebe (Kind meines Stolzes) (…)

996. (…) Es gab genügend Gelegenheiten, bei denen ich mich ärgerte, die Catalinas geschrieben zu haben oder zu schreiben. Ich hätte sie verbrannt, wenn man es mir nicht verboten hätte. Ich muss weitermachen – das ist  der Weg der Einfachheit. Ich will dafür sorgen, so weit wie möglich von der Person abzusehen (23/3/1933).

1862. Ich habe eines der Hefte mit meinen persönlichen Aufzeichnungen verbrannt – vor Jahren schon – und ich hätte sie alle verbrannt, wenn  mich nicht jemand mit Autorität und später mein eigenes Gewissen daran gehindert hätten. Es sind einfache Aufzeichnungen – Catalinas nannte ich sie auch Verehrung für die Heilige von Siena- die ich während langer Zeit auf den Knien schrieb und die mir zur Erinnerung und als Wecker dienen werden. Ich glaube, dass ich gewöhnlich Gebet machte, während ich sie  mit kindlicher Einfachheit niederschrieb (14/4/1948).

1866. Dann, langsam, gab ich das Werk und meine Seele zu erkennen. Wir beide sahen in allem die Hand Gottes Wir verblieben so, dass ich ihm einige Blätter – ein Paket Oktavblätter – übergab, auf denen ich alle Details der Arbeit niedergeschrieben hatte. S. Sánchez nahm sie mit nach  Chamartín, wohin er sich für zwei Wochen begab.  Bei seiner Rückkehr sagte er mir, dass das  Werk von Gott sei und dass er nichts dagegen einzuwenden hätte, mein Beichtvater zu sein. Das Paket mit den   Oktavblätterverbrannte ich einige Jahre später. Es tut mir leid (1948).

Die Frage nach den verbrannten Catalinas ist sehr wichtig, wie wir später sehen werden. Rodríguez 4 versichert und, dass er das erste Heft nicht vor 1935 (möglicherweise auch erst 1939) verbrannt hatte, und dann kein weiteres. Vázquez 5 seinerseits suggeriert, dass das erste Heft im Sommer  1932 verbrannt worden sein soll. Aber er scheint sich zu widersprechen, wenn er uns gegen Ende des ersten Bandes seines Werks 6 sagt, dass er sich 1930 in einem ähnlichen Zweifel befunden habe [ob es Stolz sei, die Catalinas niederzuschreiben] und das Ergebnis war, dass er das erste Heft mit seinen Aufzeichnungen verbrannte. Tatsächlich scheint es nicht sehr ehrenvoll für Escrivá zu sein, dass er sich für die Lösung seines Zweifels fünf bis neun Jahre Zeit gelassen haben soll. Das Interessante ist aber daran, dass er nicht alles verbrannte, was er in diesem Moment hatte, sondern nur das, was sich auf die zeit vor dem März 1930 bezog, und das verlangt offenkundig eine Erklärung.

Vázquez 7 erklärt in dieser Hinsicht: „Ich verbrannte das Heft Nr. 1“, schrieb er auf die Anfangsseite des Heftes Nr. 2. Der Grund war seine Furcht, dass der Leser, wenn er die außerordentlichen Ereignisse von übernatürlichem Charakter, die hier gesammelt waren, erfuhr, ihn für einen Heiligen halten könnte, während er fest davon überzeugt war  nicht mehr als ein Sünder zu sein (vgl.  Apuntes, die vorherige Anmerkung  [von Portillo]).

Job Fernández äußert in seinem Artikel Elegido por Gott (Von Gott auserwählt) die Überzeugung, dass der wahre Grund für die Verbrennung weder von Escrivá noch von Portillo genannt worden seien. Er argumentiert wie folgt:

Warum verbrannte er die Anmerkungen aus der Zeit vor dem 14-02-1930? Alvaro del Portillo sagt, dass es aus Demutgeschehen sei. Das ist eine billige Behauptung (oder Ausflucht), da nicht einmal die offiziellen Biographien für die Zeit zwischen 1918 und  1928 irgendein relevantes oder außerordentliches Faktum anführen, keinen göttlichen Eingriff, der diese Behauptung rechtfertigen würde.

Diese Erklärung hätte mehr Substanz, wenn Escrivá nur die Zeugnisse der Gründungszeit zerstört haben sollte; wenn er nach dem Autodafé nicht weiter seine  AI [„Apuntes íntimos“] geschrieben und über die Zeit vor der Verbrennung gesprochen hätte. Die Demut wäre als mögliches Motiv halbwegs glaubhaft, wenn ihm sein geistlicher Leiter diese Handlungsweise empfohlen hätte, weil er sah, dass sie sein Innenleben beeinträchtigten. So war es aber nicht: Für einen solchen Ratschlag gibt es nirgends einen Hinweis. Es wäre ein perfektes Argument gewesen und hätte jeden Verdacht hinweggefegt, wenn Escrivá etwas in der Art erwähnt hätte. So hat es sich aber nicht verhalten, er tat die Sache rasch mit einer knappen Erklärung ab: „Ich habe sie verbrannt, es tut mir leid“.

Job Fernández sagt noch mehr über diese Angelegenheit. Aber meiner Meinung nach trifft er damit ins Schwarze uns zielt damit zugleich zu kurz. Es trifft das Richtige, wenn er versichert, dass es einen guten Grund gegeben haben muss sie zu verbrennen, nachdem er dazu die Erlaubnis seines geistlichen Leiters eingeholt habe. Er greift aber zu kurz (vielleicht wusste er, als er seinen Artikel schrieb, auch noch nichts von der Sammlung freigegebener Catalinas ), wenn er sagt, dass dieser Entschluss nirgends dokumentiert ist, und es damit bewenden lässt. Warum greift er damit zu kurz? Weil man ihm nicht nur geraten oder erlaubt hatte sie zu verbrennen, sondern es ihm ausdrücklich verboten hatte. Tatsächlich trägt die Catalina Nr. 996, die ich oben wiedergegeben habe, das Datum 23/3/1933, und es bleibt klar, dass jemand, der ihm verbieten konnte sie zu verbrennen, es ihm verboten hat. Warum hat er dann aber nach diesem Datum das erste Heft verbrannt, obwohl ihm das verboten worden war? 8

Was die Demut anbelangt, die uns Escrivá und die Prälatur als Rechtfertigung dafür nennen, dass das erste Heft (nicht aber die anderen) verbrannt wurden, möchte ich etwas hinzufügen, damit sich der Leser selbst ein Bild vom Wert dieser Erklärung machen möge. Um das wahrscheinlich zu machen, hätte er alle Catalinas  vom März 1930 bis Ende 1934 (oder 1939)  nochmals durchgehen müssen, um sicherzustellen, dass in ihnen – nach dem Urteil Escrivás – nichts mehr von außerordentlichem, übernatürlichem Charakter enthalten sei. Ich bin jedenfalls die veröffentlichten Catalinas aus der Zeit vor dem Dezember 1931 durchgegangen; das erschien mir mehr als ausreichend. Ich habe diejenigen Abschnitte fett gedruckt, die Escrivá meiner Ansicht nach für außerordentliche Ereignisse von übernatürlichem Charakter gehalten haben dürfte.

21. (...) Es ist nicht mein Wer, sondern das Werk Gottes (24/3/1930).

27. Kein einziges Mal bin ich mir betrogen vorgekommen, weil Gott seinWerk nicht gewollt habe. Ganz im Gegenteil: Trotz meiner Armseligkeit, und sogar wegen meiner Armseligkeit und  Erbärmlichkeit fühle ich, dass mich der Herr für seine Institution gesucht hat (4/1930).

65. (…) Es erstaunt mich zu sehen, was Gott bewirkt: Ich hätte das niemals gedacht In diesen Werken, die der Herr anregt, sich genauso verwirklichen. Am Anfang siegt man deutlich eine vage Idee. Dann ist es Es, der aus diesen skizzierten Umrissen etwas Bestimmtes, Sicheres und Gangbares gemacht hat (16/6/1930).

84. Gestern, am Festtag des hl. Bartholomäus, war ich im Haus von  Romeo und fühlte mich grundlos niedergeschlagen und ging vor der Zeit, als es üblich gewesen wäre zu gehen, denn es war sehr wahrscheinlich, dass ich gehofft hatte, dass D. Manuel und  Colo in sein Haus kämen. Kurz bevor ich im Krankenstift eintraf in der Straße Nicasio Gallego, traf ich  Zorzano. Als man ihm sagte, dass ich nicht da wäre, ging er wieder, um nach Sol zu gehen, aber die Gewissheit, mich zu treffen – so sagte er mir – ließ ihn zur Nicasio Gallego zurückkehren. Am Nachmittag kam Isidoro, und wir sprachen: Er war sehr zufrieden:Er sah, so wie ich, den Finger  Gottes. Er wusste nun – so sagte er – warum er nach Madridgekommen war  (25/8/1930).

92. [Das Werk Gottes] wird in die ganze Welt hinausgehen und überall hingelangen  (...), damit die ganze Erde eine einzige Herde sei und ein einziger Hirt (2/10/1930).

126. (…) Ich hatte dem guten S. Sánchez bereits die Hefte übergeben, in denen ich die göttlichen Eingebungen aufgezeichnet hatte (es sind  göttlichen Eingebungen, auch wenn ich nur ein räudiger Esel bin)… (9/12/1930).

167. Wenn ich diese  Catalinas niederschreibe (so nenne ich diese Aufzeichnungen immer), tue ich dies aus dem Antrieb heraus, sie aufzubewahren, nicht nur die Inspirationen von  Gott- und ich glaube ganz fest daran, dass es göttliche Inspirationen sind- …

178. (…) Bei der Rückkehr in die Akademie hatte ich eine innere Regung: „Schau, ohne Furcht“:  „Du sollst keine Furcht mehr haben”. Ich habe diese Worte nicht gehört, sondern gespürt… (20/3/1931)

206. Wer zum  Werk Gottes kommt, muss die Überzeugung haben, dass er kommt um sich zu unterwerfen und auszulöschen: nicht um seine persönlichen Kriterien durchzusetzen, sondern um eine Reihe von göttlichen Anweisungen anzunehmen, die bereits in Kraft sind (15/7/1931).

217. (…)Es kam der Augenblick der Wandlung; und als ich die Hostie erhob, kam mir, ohne die gebührende Aufmerksamkeit zu verlieren, ohne mich zu zerstreuen,  mit außer­ordentlicher Kraft und Klarheit jenes Wort der Heiligen Schrift in den Sinn: die Überlegung: „et si exaltatus fuero a terra, omnia traham ad meipsum” (Joh. 12,32).Für gewöhnlich habe ich vor dem Übernatürlichen Angst. Dann kam das  ne timeas!, Ich bin es. Und ich verstand, dass es die Männer und Frauen Gottes sind, die das Kreuz zusammen mit der Lehre Christi an die Spitze aller menschlichen Tätigkeit stellen werden.. Und  ich sah den Herrn triumphieren und alles an sich ziehen (7/8/1931).

290. Jesus wollte zweifellos, dass ich, wie jener Blinde des Evangeliums, aus meiner Dunkelheit zu ihm rief. Und ich rief Jahre hindurch, ohne zu wissen, worum ich bat. Ich schrie häufig im Gebet: „ut sit!”, das scheinbar bedeutet hat, um ein neues Wesen zu bitten... Und der Herr schenkte den Augen des Blinden Licht  — trotz ihm  selbst (dem Blinden)  - und Er verkündete  die Ankunft eines Wesens mit göttlichem Kern,  das Gott die ganze Ehre geben und Sein Reich für immer befestigen solle.

306. (…)„Als ich in diesen Papieren las, erhielt ich die Erleuchtung über das Werk als Ganzes. Ich fiel tief ergriffen auf die Knie – es war in der Pause zwischen zwei Vorträgen, ich befand mich allein in meinem Zimmer –, dankte dem Herrn, und ich erinnere mich bewegt an das Glockengeläut der Pfarrei Unserer Lieben Frau von den Engeln. Hier, im Konvent der Paulaner, habe ich die losen Aufzeichnungen, die ich bisher geschrieben hatte, neu geordnet und zusammengetragen: Seit diesem Tag fühlt der räudige Esel die schöne und schwere Last, die der Herr in Seiner unaussprechlichen Güte auf seine Schultern gelegt hat. Heute hat der Herr sein Werk gegründet: Seit damals bemühe ich mich um die Seelen von Laien, seien es Studenten oder nicht, jedenfalls um junge Menschen. Und darum, Gruppen zu bilden. Und um zu beten und beten zu lassen. Und zu leiden... Immer ohne zu schwanken, auch wenn ich es nicht gewollt habe! (2/10/1931).

349. Eines Tages werde ich mich daranmachen, Catalinas mit Erinnerungen an mein Leben niederzuschreiben, in denen man echte Wunder sehen wird [Anm. 334: Glücklicherweise habe ich trotz des Wegs der Kindheit, auf dem ich gehe, diese Notizen niemals niedergeschrieben. Zumindest erinnere ich mich nicht daran, sie niedergeschrieben zu haben].

358. 29. Oktober 1931: Welche Freude, welche übergroße und übernatürliche Freude hat mir Jesus heute zuteilwerden lassen nach den Betrübnissen von gestern! (…)

368. Ist es nicht Hochmut oder zum Mindesten unnütz, diese  Catalinas niederzuschreiben? Natürlich werden viele von diesen Aufzeichnungen für das O. D. von Nutzen sein. Außerdem glaube ich fest daran, dass es sich um göttliche Eingebungen handelt  (…) (30/10/1931).

446. Diesen Morgen ging ich meinen Weg nochmals und machte mich zum Kind, um Unsere Liebe Frau in ihrem Bild in der Calle de Atocha zu grüßen, oben auf dem Haus der Kongregation des hl. Philipp. Ich hatte vergessen sie zu grüßen: Welches Kind lässt eine Gelegenheit außer Acht, seiner Mutter zu sagen, dass es sie liebt? Herrin, ich will niemals aufhören, ein Kind zu sein. Ich will darüber keine Details erzählen, um es nicht auszuplaudern und die Gnade darüber zu verlieren  (3/12/1931).

Fügen wir nun diese Gründe hinzu, die der „offiziellen“ Erklärung widersprechen, und das zwischen den verbrannten und den späteren Catalinas eine Lücke klafft, die genau zwischen dem 14. Februar und dem 6. Juli 1930 liegt, das heißt, als Escrivá seine geistliche Leitung unterbrochen hatte. Die übriggebliebenen Catalinas  beginnen mit dem Datum 11/3/1930,  so wie es uns Rodríguez mitteilt. 9 So erscheint es legitim zu denken, dass der wahre Grund für die Zerstörung des Hefts, neben einigen anderen, weniger bedeutsamen, darin liegen dürfte, dass es kompromittierende Informationen über irgendein Problem enthielt, das vor den ersten Märztagen des Jahres 1930 auftauchte.

Es gibt noch einige wichtige Aspekte hinsichtlich dieser „Apuntes íntimos“, die im Dunkeln bleiben müssen, solange nicht Faksimilia - Scans -  von ihnen vorgelegt werden. Der weine bezieht sich auf die Nummerierung. Warum durchbricht die Nummerierung häufig die chronologische Ordnung? In einigen Fällen kann etwas vergessen oder missachtet worden sein, oder Escrivá hat die Aufzeichnungen einige Tage später dann doch irgendwo gefunden, aber nicht an der richtigen Stelle eingeordnet. Beim Übertragen in das Heft müssten dann frühere Aufzeichnungen nach solchen mit späterem Datum stehen. Manchmal scheint das aber nicht so gewesen zu sein, sodass sich Sprünge in der umgekehrten Richtung ergeben. Das gilt beispielsweise für Catalina Nr. 164, die das Datum 27/6/1932 trägt, während die danebenliegenden vom März 1931 sind. Es handelt sich also eher um Korrekturen oder Ergänzungen mit einem späteren Datum, die aus einem bestimmten Grund hier eingelegt worden waren, ohne dass wir wüssten, ob das Randbemerkungen oder beigeheftete Zettel waren, oder eigene Zettel mit einem Hinweis, worauf sie sich beziehen. Wir wissen nicht einmal, ob Escrivá  selbst sie mit einer Nummer zugeordnet hat Am selben Tag, dem 27. Juni 1932 fügte Escrivá beispielsweise eine kurze Anmerkung zu Catalina Nr. 176 hinzu, die Portillo nicht der gleichen Ehre als historisches Dokument für würdig erachtete wie  Catalina Nr. 177. Es ist auch möglich, dass sie zu einem Versuch gehört, seine Autobiographie umzuschreiben und irgendwelchen Augenblicksinteressen anzupassen.

Eine andere Frage ist, wie jene Catalinas einzuordnen sind, die ohne Datum veröffentlicht wurden: Fehlt das Datum im Original, oder fehlt sie nur im Text, um eine allfällige Recherche zu behindern, oder noch schlimmer, um eine falsche Chronologie zu suggerieren? Ich verfolge das nicht weiter, denn es erscheint mir irritierend, aber auch sinnlos, das herauszufinden zu versuchen, was die glücklichen Erben, im Besitz dieser Dokumente, ohnedies genau wissen.

 

1 Vázquez sagt in dem zitierten Werk, S. 338, Anm. 32, dass das Paket die „Apuntes íntimos“ enthalten habe, die sich im Archiv der Prälatur befinden, zusammen mit den anderen um mit dem Umschlag  (…). Sind diese anderen Pakete die 14 Anhänge, von denen Pedro Rodríguez spricht? Er fügt hinzu, dass die vier Anhänge Anmerkungen enthalten, die während der Besinnungstage der Jahre 1932, 33, 34 und 35 niedergeschrieben worden seien. Er sagt uns aber nicht, was die übrigen zehn Nachträge enthalten, außer dass es Anmerkungen zum geistlichen Leben des Autors seien, die er gewöhnlich für seinen Beichtvater niedergeschrieben habe.  Außer­dem verwirrt es uns, dass  Portillo hinzufügte, es seien in Ergänzung des Textes der Cuadernos vierzehn Anhängebeigegeben worden, so als ob sie ein homogenes Corpus bildeten. Dennoch sind zehn von ihnen nicht in die numerische Ordnung einbezogen. Man könnte es beispielsweise verstehen, wenn der Anhang V ein Entwurf für die Statuten der So.Co.In., gewesen sein sollten; das würde ihn aufgrund seines Inhalts von den übrigen abgrenzen, und wenn er uns außerdem eine Zusammenfassung des Inhalts der anderen zehn Anhänge an die Hand gäbe. Aber den bleibt er uns schuldig.

2 Es wird sich wohl um das Material aus den zehn Paketen handeln, die nach dem Tod Escrivá zusammen mit den Catalinas, im Archiv auftauchten?

3 El Fundador del Opus Dei, Bd. I, Rialp, Madrid, 1997, S. 338, Anm. 32.

4 Entstehung einer Klassikers der Spiritualität: Der Weg, Anm. 23 und 26.

5 S. o.,  S. 340, Anm. 38.

6 S. o., S. 569.

7 S. o., S. 339, Anm. 35.

8 Man erinnere sich daran, dass Pedro Rodríguez sagt, dass die Verbrennung des ersten Heftes zwischen 1935 und 1939 geschehen sei. Diese Verzögerung erschwert das Verständnis seiner Worte in  der Catalina Nr. 1866  von 1948: Ich verbrannte eines der Hefte mit meinen persönlichen Aufzeichnungen, die ich seit Jahren geführt hatte, und ich hätte sie alle verbrannt, wenn mich nicht jemand, der die Autorität dazu hatte, und später mein eigenes Gewissen daran gehindert hätten. Es gibt zu verstehen, dass es eine erste Verbrennung gegeben habe, an der ihn jemand, der die Autorität dazu hatte, und später mein eigenes Gewissen gehindert hatte. Und später gab es einen zweiten oder dritten Versuch, die Schriften zu verbrennen: der zweite wurde von jemandem mit Autorität verboten, und der dritte ―dann ― von seinem eigenen Gewissen. Wir fassen zusammen: Jemand verbietet ihm 1933 die Verbrennung, und er verbrannte nichts (Catalina Nr. 996). Später verbrannte er das erste Heft (auf das Nr. 1866 anspielt), ohne die Erlaubnis dessen, der es ihm 1933 verboten hatte (mit Erlaubnis irgendeiner anderen Autorität?), und dann verboten ihm irgendjemand mit Autorität und sein eigenes Gewissen, mehr Hefte zu verbrennen, und er verbrannte sie nicht. Mich verunsichert dieses Kauderwelsch, da er sich auf eine Autorität beruft, die ihm verboten habe diese Dokumente zu verbrennen, während er dann, ohne mit der Wimper zu zucken, ein Heft gegen das Verbot dieser Autorität doch noch verbrennt. Wenn ich aufrichtig sein soll, so neige ich hier zu der Ansicht, dass Escrivá oder seine Hagiographen die Geschichte einmal mehr neu aufgerollt haben, wie im Fall des 14. Februar 1930. Und in beiden Fällen geschah dies 1948.

9 Ebda..

Jaume García Moles

(wird fortgesetzt)

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