José María Escrivá Albás: Einige historische Probleme

Jaume García Moles

03/07/2013

 

15. Beitrag:

3. Kap.: DIE ÜBERSIEDLUNG NACH SARAGOSSA

DIE IMMATRIKUKATION IN DAS SEMINAR VON SARAGOSSA

Herrando1 und Toldrà2 nützen die Beschreibung des Vorgangs der Immatrikulation in das Seminar von Saragossa, um einmal öfter  mit Nachdruck zu behaupten, dass Escrivá in diese Stadt übersiedelt sei, um neben Theologie auch Jura zu studieren. Herrando geht hier mehr ins Detail, deshalb kann ich mich auf seine Argumentation beschränken.

1

Hier tauchen verschiedene Elemente auf. Das eine erklärt sich aus der etwas wirren organisatorischen Struktur der kirchlichen Studien in Saragossa, weniger der Sache nach als weil sie auf verschiedene Gebäude aufgeteilt waren und die Terminologie unklar ist. Damit der Leser nicht ins Durcheinander kommt, will ich ihm eine kleine diesbezügliche Einführung geben, eine Zusammenfassung dessen, was Herrando in dem zitierten Werk liefert.

Es gab eine einzige Organisation, die die Studenten auf das Priestertum vorbereitete, mit einem Professorenteam, das den Unterricht organisierte, den Vorlesungsbetrieb, die Zeugnisse etc.  das Päpstliche Generalseminar von  Saragossa, die auch unter den Namen Päpstliche Universität,  Seminar  San Valero y San Braulio oder Päpstliches Generalseminar  San Valero y San Braulio lief. Diese Institution befand sich auf der Plaza La Seo in Saragossa.

Im selben Gebäude befand sich auch das sogenannte Conciliar-Seminar, wo die Seminaristen wohnten und spirituell betreut wurden. Beide Institutionen, die Päpstliche Institution und das Conciliar- Seminar, teilten sich das gleiche Gebäude und wurden gelegentlich als das Seminar San Valero und  San Braulio bezeichnet.

In einem anderen Gebäude, das von diesem zehn Minuten zu Fuß entfernt lag, allgemein  San Carlos genannt, befanden sich zwei weiter Institutionen, das Königliche Priesterseminar San Carlos Borromeo und das Seminar San Francisco de Paula. Das erstere war der Wohnort für jene Priester, die für die Diözese Exerzitien oder Missionen abhielten oder an Seminaren unterrichteten oder sonst eine Funktion hatten. In dem zweiten wohnten die Seminaristen, auch die der Päpstlichen Universität, und erhielten hier ihre geistliche Bildung.

Es war üblich die zuerst genannte Institution kurz Königliches Seminar San Carlos o Priesterseminar San Carlos zu nennen. Der Name der zweiten Institution war üblicherweise abkürzt zu  Seminar de San Francisco, da es aber in dem Gebäude untergebracht war, das unter dem Namen San Carlos bekannt war, hieß es auch einfach San Carlos. Und hier endet mein kleiner Exkurs, mit dem Hinweis, dass die Situation heutzutage überschaubarer ist: Es gibt nur ein Seminar, das der Diözese, das in einem neuen Gebäude in einer angenehmen Umgebung am Stadtrand liegt.

Bild

Auf diesem Plan von Saragossa aus dem Jahr 1913 erkennt man eine Reihe von Gebäuden, die in dieser Arbeit erwähnt werden: La Seo,  das Conciliar-Seminar, die Universität, die Kirchen San Nicolás, San Carlos, San Pedro Nolasco, San Gil.

Ein weiterer Nebenumstand ist: Die Studenten hießen intern, wenn sie in einem der beiden Gebäude wohnten, extern, wenn dies nicht der Fall war. Sie teilten sich jedoch die Hörsäle und nahmen gemeinsam an vielen religiösen Übungen im Wohngebäude teil. Das Seminar San Francisco hatte ausschließlich interne Schüler, unter denen einige ein ganzes oder halbes Stipendium hatten.

Herrando nützt jedenfalls zwei Argumente, um seine These zu stützen, dass Escrivá gleich mit seinem Jura-Studium beginnen wolle, dass sich nämlich der Seminarist an der Plaza de San Nicolás, von der wir bereits gesprochen haben, ein Zimmer genommen habe, und dass er sich angeblich erst nachher im Seminar San Francisco eingeschrieben habe.

Herrando schreibt diese Anmeldung eines Wohnorts dem Wunsch Escrivás zu, dem Seminar als externer Schüler anzugehören, um eine größere Freiheit zu haben Jura-Vorlesungen zu besuchen. Außerdem lässt er durchblicken, dass es nötig gewesen zu sei, sich anzumelden, weil die Situation in der Stadt damals unsicher gewesen sei ; jedenfalls behauptet er, es sei notwendig gewesen außerhalb des Seminars zu leben, das heißt, dem Seminar als Externer anzugehören. Das erforderte eine Wohnung, und er fand sie auf der Plaza  San Nicolás und meldete sich dort an, um, falls nötig, für die Polizei seine Anwesenheit in Saragossa rechtfertigen zu können. All das ist ganz schön und gut, so lange, bis wir ins Detail gehen.

Wir erfahren aber aus unseren Untersuchungen, dass der angebliche Wunsch Escrivá, externer Schüler im Seminar zu sein, um Jura studieren zu können, nicht stimmt.

Herrando verfolgt eine andere Linie der Argumentation. Sie geht von anscheinend unbestreitbaren Tatsachen aus: 3

dass die Akte über den Eintritt Josemarías in das  Seminar nicht gefunden wurde, durch die  man das Gesuch datieren könnte, als Schüler in San Francisco de Paula aufgenommen zu werden. Sicher ist nur, dass sich im Erzbischöflichen Dekretale der Erzdiözese Saragossa ein Dekret mit den folgenden Worten, datiert mit 28. September, findet: „Don José María Escrivá Albás.-Erlaubnis, in das Seminar  San Francisco einzutreten“.

Abgesehen davon und mit Daten, die viel weniger schlüssig sind, will er andeuten, dass bei der Präsentation der Dokumente bei der Aufnahme ins Seminar Druck ausgeübt worden sei , dass er nämlich nicht gleichzeitig Jura und Theologie studieren könne, weshalb er seine Projekte zu verschieben gezwungen gewesen sei. Tatsächlich kann davon nicht die Rede sein, sondern alles geschah im Rahmen und wie vorgesehen. Mir scheint, Herrando und Toldrà haben getan, was sie konnten, weil sie den handschriftlichen Antrag Escrivás nicht kannten, der heute im Diözesanen Seminar unter der Chiffre Escrivá 4 verwahrt wird und dessen Transkription hier vorgelegt wird 5:

Hochwürdigste Eminenz,      

Herr José María Escrivá Albas, gebürtig aus Barbastro, legt Eurer Eminenz respektvoll dar,

dass er von Seiner Eminenz die Erlaubnis erhalten habe, in diese Erzdiözese inkardiniert zu werden und den Wunsch habe, in diesem Päpstlichen Seminar die in Logroño begonnenen kirchlichen Studien fortzusetzen. Seine Eminenz haben  geruht ihn für das zweite Jahr aus Theologie zu immatrikulieren, nachdem die erforderlichen Bedingungen vorliegen. Indem ich diese vorlege, erhoffe ich die Gnade von Eurer Eminenz, dessen Leben Gott erhalten möge.

Saragossa, 23. September 1920

José Maria Escrivá Albás

An Seine Eminenz, den Hochwürdigsten Herrn Kardinal Erzbischof von Saragossa

Bild2

Wie man sieht, reichte Escrivá am 23. September, oder jedenfalls innerhalb der Immatrikulationsfrist, sein Gesuch an den Kardinal ein, vielleicht im Büro des Päpstlichen Seminars, weil er im  Gesuch schreibt, in diesem Päpstlichen  Seminar. Und genau das hat die Präfektur des Päpstlichen Seminars 6 für diejenigen vorgesehen, die sich dieses Jahr einschrieben. Um diesen Vorgang besser zu verstehen, muss man wissen, dass sich die beiden Seminare ein einziges Sekretariat teilten, das des Conciliar-Seminars7. Deshalb erfüllt das Gesuch Escrivás vom 23. September zwei Anforderungen: Es zeigt, dass der Kardinal der zuständige Ordinarius des Antragstellers war, den er um die Erlaubnis bitten musste, sich an die Päpstliche Universität einzuschreiben, und es setzt voraus, dass die übrigen erforderlichen Dokumente beigefügt waren; einige von ihnen befinden sich noch heute zusammen mit dem  Gesuch im Archiv. In der Folge konnte man am Rektorat des Seminars San Francisco de Paula vorstellig werden, die erforderlichen Gesundheitszeugnisse vorlegen und ankündigen, dass ´man am 28. eintreten wolle; für all dies stand die Studienpräfektur des Conciliar-Seminars zur Verfügung; mit anderen Worten, die Rekonstruktion von Herrando und Toldrà lässt sich nicht aufrechterhalten.

SCHLUSSFOLGERUNGEN AUS DIESEM KAPITEL

Man könnte nun aus diesem Kapitel die folgenden Schlüsse ziehen.

Entsprechend den vorliegend Dokumenten lässt sich sagen:

1. Escrivá erhielt und verwendete ungültige Dokumente, mit denen er sich in Saragossa inkardinierte; deshalb hatte der Ordinarius dieser Diözese auch nicht die erforderliche Jurisdiktionsgewalt, um ihn zu den Weihen zuzulassen, die somit illegal sind. Und da er nun auf ungesetzliche Weise die Priesterweihe empfing, beging er ein Sakrileg – zumindest der Materie nach – als er Diakon und dann Priester wurde.

2. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Escrivá den Eid gebrochen hat, ständig in der Diözese Calahorra zu bleiben, als er gegen den Willen des Ordinarius dieser Diözese einen Wechsel in der Jurisdiktion anstrebte.  

3. Escrivá dachte nicht ernsthaft daran Jura zu studieren, weder während der Jahre im Seminar in Logroño noch als Grund, um nach Saragossa zu übersiedeln, und auch nicht, als er in das Seminar San Francisco de Paula eintrat.

4. Sollten die Promotoren des Heiligsprechungsprozesses für Escrivá dem Heiligen Stuhl in der Positio jene Fakten, die sich aus Pkt. 1 und 2 ergeben, bewusst verschwiegen haben, könnte man sie der falschen Zeugenaussage und vielleicht sogar des Meineids bezichtigen.

Jaume García Moles

(wird fortgesetzt)

 

1 Ramón Herrando Prat de la Riba, Los años de Seminar de Josemaría Escrivá en Saragossa (1920-1925), Rialp, Madrid 2002, S. 30 ff.

2 Jaime Toldrà Parés, Josemaría Escrivá en Logroño (1915-1925), Rialp, Madrid 2007, S. 201-202. 

3 S. o., S. 32.

4 Sollten, wie wir vorher gesagt haben die Hagiographen die Urkunde über die Inkardination Escrivás in Saragossa gekannt haben, die wir vorgelegt haben, mussten sie auch seine Eingabe kennen, denn sie befindet sich im selben Protokoll der Immatrikulation  (siehe die folgende Anm.).

5 Sie findet sich im Archiv des Diözesan- Seminars von Saragossa, Studien-Sekretariat, Protokolle der Studenten 1920-1921, Nr. 9, s. v. José Mª Escrivá Albás; auf der Titelseite die Bleistiftnotiz „Incardinación de José Mª Escriva Albas — Ha de prestar juramento“ [„Inkardination J. M. E. A. – hat den Eid abzulegen]. Man vergleiche Handschrift und Unterschrift mit der Zeit nach 1938. 

6 Boletín Eclesiástico Oficial del Arzobispado [Amtsblatt der Diözese Saragossa], 1920, S. 169 ff.

7 Manuel Mindán Manero, Testigo de noventa años de historia. Conversaciones con un amigo en el último recodo del camino, de D. Manuel Mindán Manero. Librería Genera, Saragossa 1995. Kap. V, 4.