Friedrich Griess: Kardinal König und das Opus Dei

 

31. Oktober 2002

 

Anläßlich der Seligsprechung von Escrivá im Jahr 1992 hatte sich Kardinal König in einer Erklärung, die auch in der „Kathpress“ veröffentlicht wurde, zum Teil kritisch über das Opus Dei ausgesprochen.

In letzter Zeit wurden jedoch in mehreren kirchlichen Aussendungen Behauptungen verbreitet wie, Kardinal König habe seine Bedenkenaufgegeben und sei nun „ein enger Freund des Opus Dei“ u. dgl. Kardinal König sagte mir dazu schon vor einigen Monaten, er sei nicht richtig interpretiert worden. Ich schrieb mehrmals an Kardinal König und bat ihn, um der Wahrheit willen diesen Behauptungen entgegenzutreten. Er antwortete mir zunächst: „Ich kann doch nicht öffentlich dem Papst widersprechen“. Ich ließ aber nicht locker und versuchte ihm zu erklären, daß viele Gläubige aufgrund seines angeblichen Umschwenkens verwirrt seien.

Am 17. Oktober 2002 rief mich Kardinal König an und gab mir offiziell die Erlaubnis, die Information zu verbreiten, daß er seine differenzierte Meinung zum Opus Dei durchaus aufrecht erhalte. Alle Gruppen in der  - so wie auch die Kirche hätten – so wie auch die Kirche als ganze – immer wieder ihr Gewissen zu erforschen und Mißstände zu reformieren. Der „Weg“ (El camino) des Opus Dei) des Opus Dei sei nicht, wie auch behauptet werde, ab jetzt der Weg der Kirche schlechthin, sondern ein Weg von vielen. Er (König) habe dieses Buch des Gründers nie für sehr wichtig gehalten.

Zur Behauptung des Postulators der Heiligsprechung, Monsignore Flavio Capucci, laut einer Meldung des Nachrichtendienstes „Zenit“ vom 16. September 2002 in einem Interview:

„Das wichtigste ist, denke ich, die wahren Fakten zu beachten, und die Wahrheit wird durch die Heiligsprechung determiniert. Heiligsprechung heißt, der Universalkirche einen neuen Heiligen schenken, das allen Christen ein Vorbild ist. Für einen Katholiken wird alle Polemik, die mehr oder weniger durch Vorurteil entstanden ist, durch diesen päpstlichen Akt zum Anachronismus“,

sagte Kardinal König, dies sei die Privatmeinung des Monsignore Capucci und keine offizielle kirchliche Stellungnahme.

Kardinal König regte darüber hinaus an, die Für und Wider der Heiligsprechung von Josemaría Escrivá des Balaguer weiterhin zu diskutieren und publizistisch aufzubereiten.

 

Mit den besten Grüßen

Friedrich Griess

 

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Meine persönlichen Erinnerungen an Kardinal Franz König

Von 1945 bis 1950 war ich Schüler des Stiftsgymnasiums Melk und auch Zögling im dortigen Internat. Einmal jährlich wurden für uns von einem auswärtigen Priester Einkehrtage gehalten, und dieser Priester war 1948 oder 1949 der damalige Universitätsprofessor in Salzburg DDr. Franz König, mit dem wir Schüler auch Einzelgespräche führen durften. Ich beklagte mich bei einem solchen Gespräch bitter über die damaligen veralteten dortigen Erziehungsmethoden. König: "Seien Sie froh, damals als ich da in die Schule ging, war es noch viel schlimmer". Ich schrieb ihm dann später noch mehrmals zu diesem Thema, auch nachdem er 1952 Bischof-Koadjutor von St. Pölten geworden war.

1955 nahm ich gemeinsam mit Bischof-Koadjutor König an der österreichischen Dankwallfahrt für den Staatsvertrag nach Rom teil.

1956, als König schon zum Erzbischof von Wien designiert war, durfte ich noch in St. Pölten als Verantwortlicher für die religiöse Bildung der Pfadfinder Niederösterreichs eine Sendungsfeier für Pfadfinderführer durch ihn begleiten. Im selben Jahr verlobten meine jetzige Frau und ich uns kirchlich (ja, so etwas gibt es!) im erzbischöflichen Palais in Wien und haben davon eine schöne Urkunde mit Königs Unterschrift.

Ich traf dann im Laufe der Jahre öfter mit Kardinal König zusammen, so bei Pfarrvisitationen oder auch einmal, als ich ausländische Freunde bei einer Führung im Stift Klosterneuburg begleitete und Kardinal König ebenso einen ausländischen Bischof dort begleitete. Er hielt eine kurze freundliche Ansprache an die ihm unbekannte Besuchergruppe und sagte dann zu mir: "Sie kenne ich doch." Er hatte ein phantastisches Personengedächtnis.

Bei der 40-Jahrfeier des Referates für Weltanschauungsfragen der Erzdiözese Wien berichtete Kardinal König über das kurz vorher erschienene Buch "Ausbruch aus dem Bann der Sekten" von Steven Hassan und zeigte so sein Interesse und seine Kompetenz auch auf diesem Gebiet.

Durch einen Aufenthalt meiner Familie in Norwegen waren wir mit der schwedischen Literaturwissenschaftlerin Gunnel Vallquist in Kontakt gekommen, die auch Mitglied der Schwedischen Akademie ist. Sie war während des Zweiten Vatikanischen Konzils schwedische Korrespondentin in Rom gewesen und hatte durch schon vorher geknüpfte Kontakte mit französischen Konzilstheologen mehr über die Vorgänge beim Konzil erfahren als jeder andere Journalist. Unter ihren rund 20 Büchern gibt es 4 über das Konzil, die 1999 als großer Sammelband neu aufgelegt und mit neuem Vor- und Nachwort versehen wurden. In diesen sowie in zahlreichen Artikeln verhehlte sie nie ihre Ungeduld bezüglich der durch das Konzil begonnenen, aber nur schleppend durchgeführten und von Rückschlägen betroffenen Kirchenerneuerung. Ich übersetzte viele ihrer Schriften und sandte die Übersetzungen auch an Kardinal König, der mehrmals persönlich bei uns anrief und sich dafür bedankte. Als die Neuauflage des Konzilsbuchs erschien, bat er mich, daraus jene Stellen für ihn zu übersetzen, die mir für die heutige Zeit am wichtigsten erschienen. Ich übersetzte einiges, aber dann teilte mir Frau Vallquist mit, sie habe noch ein einziges Exemplar einer in den Sechzigerjahren angefertigten deutschen Übersetzung und dieses würde sie dem Kardinal leihen. Als ich dann das Buch vom Kardinal, der sich daraus einiges kopiert hatte, abholte, hatte ich Gelegenheit, eine halbe Stunde mit ihm zu sprechen. Ich fragte ihn: "Herr Kardinal, was denken Sie über die Lage der Kirche?" Seine Antwort: "Ich leide sehr darunter. Ich kann ja nicht so öffentlich darüber sprechen, aber hinten herum mache ich schon einiges."

Als ich Kardinal König einmal bei der Ökumenischen Fachtagung traf, sagte er zu mir: "Ich habe die Frau Professor Vallquist inzwischen kennengelernt." Sie hatten gemeinsam an einer Tagung in Slowenien teilgenommen.

Im Frühjahr 2001 äußerte Frau Vallquist den Wunsch, Kardinal König zu besuchen. Ich begleitete sie dorthin. Sie wollte zuerst mit König unter vier Augen sprechen und König sagte zu mir: "Gehen sie ins Nebenzimmer, dort steht mein Computer, dort passen Sie gut hin". Nach einiger Zeit bat er mich, wieder am Gespräch teilzunehmen und sagte: "Wir haben jetzt die Kirche reformiert."

Als anläßlich der Heiligsprechung von Escrivá de Balaguer Behauptungen auftauchten, Kardinal König sei "ein enger Freund des Opus Dei", sprach ich ihn darauf an. Der Kardinal sagte, er sei nicht richtig interpretiert worden und habe zum Opus Dei durchaus ein differenziertes Verhältnis. Auch dieses müsse, so wie die ganze Kirche, zu Reformen bereit sein.

Bei verschiedenen Gesprächen hatte er auch erfahren, daß meine Sorge das Vordringen der Sekten betraf. Im Frühjahr 2003 rief er mich an und lud mich zum Mittagessen ein. Ich wußte zunächst nicht den Grund, aber er begann mich über das Sektenproblem zu befragen. Ich erzählte über meine Erfahrungen und er sagte dann: "Ich staune, was Sie alles im Kopf haben. Glauben Sie, daß es gut wäre, wenn auch ich einmal öffentlich dazu etwas sage?" Ich versicherte ihm, daß ich darüber glücklich wäre, da sein Wort immer noch großes Gewicht habe. König: "Dann müssen Sie mir aber ein Konzept machen". Ich war also zu seinem Ghostwriter ernannt und schrieb ihm dazu drei ausführliche Briefe. Leider dürfte es aber zu diesem Vorhaben nicht mehr gekommen sein, obwohl er mich im Herbst 2003, kurz nach seinem Unfall, wieder anrief und sagte, wir müßten unbedingt nochmals darüber reden, ich solle mit Frau Dr. Fenzl einen Termin vereinbaren, der aber leider nicht zustande kam. Im Januar 2004 rief er nochmals an und meinte, das geplante Gespräch solle innerhalb der nächsten zwei Wochen stattfinden, und notierte sich sogar, wann ich dazu Zeit hätte. Leider wurde auch aus diesem Vorhaben nichts mehr und ich kann nur hoffen, daß er jetzt meine Sorgen bezüglich der Sektengefahr, zu der sich jetzt auch noch die des überhandnehmenden Esoterikbooms gesellt, Gott persönlich vortragen und dafür Fürsprache einlegen wird.

Besonders dankbar bin ich Kardinal König für seine Sympathie, die er in den letzten Jahren jenen Gruppen gegenüber gezeigt hat, die für eine konzilsgemäße Reform der Kirche eintreten.

13. März 2004, aktualisiert 14.März 2004
Friedrich Griess