José María Escrivá Albás: Einige historische Probleme
Jaume García Moles
16/09/2013
26. Beitrag:
PROBLEME IN BEZUG AUF DIE AUFENTHALTSERLAUBNIS IN MADRID
In diesem Abschnitt möchte ich mich mit einigen Problemen beschäftigen, die sich aus den Berichten der Hagiographen im Zusammenhang mit den Kirchlichen Erlaubnissen ergeben. Zunächst einmal ist dabei klarzustellen, dass Escrivá während seiner Zeit in Madrid keine Erlaubnis hatte, sich weltlichen Arbeiten zu widmen1.
Ich habe bereits darüber berichtet, dass Escrivá sich um die Erlaubnis des Erzbischofs von Saragossa bemühte, zu Studienzwecken nach Madrid zu gehen, und sie auch am 16. März 1927 für zwei Jahre erhielt. Zwei Jahre später suchte er um Verlängerung der Erlaubnis an, .und da geschah etwas Seltsames. Wenn wir den Artikel von Benito Badrinas2 und hierbei besonders Anm. 4 lesen, werden wir sehen, dass sich die Originale der Entlassungs- und Empfehlungsschreiben des Erzbischofs von Saragossa im Diözesanarchiv von Madrid befinden, Abt. Verstorbene Priester, Konvolut José María Escrivá. Ich war in diesem Archiv, ersuchte um Einsichtnahme und musste erkennen, dass sich von den Erlaubnissen, die Escrivá in den Jahren 1927, 1929, 1930, 1931 erteilt worden waren, lediglich 2 Fotokopien im Archiv befanden. Als ich um Kopien der Kopien bat und fragte, wo sich denn die Originale befänden, bekam ich keine Antwort.
Ich ging nachdenklich von dort weg: 1931 gab es noch keine Fotokopien. Andererseits sagt Badrinas, dass dort die Originale liegen, die mir der Archivar allerdings um keinen Preis zeigen konnte, sondern nur die Kopien. Wo sind die Originale? Wenn sie sie in diesem Archiv nicht haben, dann bedeutet ihr Ersatz durch Kopien eine Verfälschung des Archivs.
Die erste Erlaubnis vom 4. März 1929 zeigt, dass sie mit 16 Monaten befristet ist. Sehen wir uns an, was Rodríguez3 dazu zu sagen hat. Auf S. 7, Anm. 10, gibt er über die Erlaubnisschreiben und Empfehlungen vom 16. März 1927 Rechenschaft. Das ist der Text von Anm. 10:
„1927. Bl. 120, Nr. 1.813 – 17. März 1927. – Erlaubnis, für zwei Jahre zu Studienzwecken nach Madrid zu gehen. – 1927.- Bl. 121, Nr. 1.820 – 22. März 1927. - Empfehlungsschreiben nach Madrid, für zwei Jahre“(Zertifikat, unterzeichnet von Pérez Aysa, Kanzler des Erzbischofs von Saragossa, 23. April 1981, in Regesten aus dem Diözesanarchiv von Saragossa, Erzbischöfliche Dokumente (1922-1942),Bl. 120, Nr. 1813 [17. März 1927] und Bl. 121, Nr. . 1820 [22. März 1927].
Um das zu sagen, benötigt er sechs Zeilen voller Wiederholungen und überflüssiger Details, die er auch hätte weglassen können, und für all das wären zwei Zeilen ausreichend gewesen. Etwas weiter, auf S. 36, spricht er von der Erlaubnis des Jahres 1927, und verweist uns auf Anm. 77, die wie folgt lautet:
S. oben Anm. 10. Erhielt die Erlaubnis für weitere 16 Monate zu bleiben, bis Juli 1930. Das ist auf S. 36 zu lesen. 20 Seiten vorher heißt es erstaunlicherweise bei der langen Anm. 10 lediglich, dass 1927 eine solche Erlaubnis erteilt worden war. Diese Information dient Rodríguez jedoch nur als Köder, oder besser gesagt, als Vogelscheuche: Der Leser, der tatsächlich zu Anm. 10 zurückblättert, findet sich dort von sechs Zeilen Daten und Ziffern erschlagen, sodass er sich nicht sicher sein kann, ob hier von der Erlaubnis aus dem Jahr 1927 oder von späteren die Rede ist. Tatsächlich dokumentiert Rodríguez diesen Aufschub um 16 Monate nicht und nebelt sich ein, um uns zu verwirren. Im Buch von Vázquez habe ich andererseits nur die Information über die Erlaubnis von 1927 gefunden. Aber kehren wir zur Erlaubnis von 1929 zurück und versuchen wir mehr anhand des Erzbischöflichen Dekretale von 1929 herauszufinden, demselben Buch, dass Rodríguez in eben jener Anm. 10 zitiert. In der Folge zeigt er auf S. 406 den Ausschnitt einer Fotografie, auf der per 14. März 1929, Eingangsnummer 5524, zu lesen ist: D. José Mª Escrivá , Priester. Erlaubnis, um für sechs Monate in Madrid zu leben. Ja, es sind 6, nicht 16 Monate, wie man auf der Fotokopie lesen kann, die im Archiv des Sekretariats der Diözese Madrid aufbewahrt wird. Man bemerkt auch, dass in dem Dekretalienbuch radiert und ergänzt wurde. Außerdem kann man erkennen, dass offenbar ein ñ worden war, dass also die „Monate“ mit „Jahren“ überschrieben gewesen sein dürften.
Außerdem hat er links von der 6 eine Spur hinterlassen, die bis zu dem m von meses weitergeht, dort könnte por getanden haben („auf“). Wenn der horizontale Strich über den drei letzten Buchstaben zu einem ñ gehört hat, dann könnte dort nachträglich por un año oder por 1 año („für ein Jahr“) geschrieben worden sein, aber das ist nicht sicher.
Und um die Angelegenheit noch spannender zu machen, muss man dazusagen, dass in der Kopie aus dem Archiv des Sekretariats in Madrid klar ist, dass der Kalligraph ursprünglich mens geschrieben hatte, das nachher durch ein es ergänzt worden war und menses ergeben hatte. Das letzte kleine s ist nämlich anders geschrieben als das davor.
Ich werde zusammenfassen, was ich gefunden habe, und meine Schlussfolgerungen daraus ziehen, die der Leser beurteilen mag. Ich habe herausgefunden, dass sich die Hagiographen Mühe geben, die beiden Dokumente nicht in demselben Artikel oder Buch zu erwähnen, nämlich die Erlaubnis und das Dokument im Dekretale; außerdem versichert Badrinas, dass sich das Original des Erlaubnisschreibens im Archiv des Sekretariats der Diözese von Madrid befinden soll, aber dort konnten sie mir nur Fotokopien davon zeigen. Andererseits hatte ich keinen Zugang zum Archiv des Sekretariats der Diözese von Saragossa, denn als ich sagte, dass ich die Dokumentation über Escrivá einsehen wollte, sagten sie mir, dass „alles von Escrivá in Madrid“ sei, und dass wollte so viel besagen wie dass jemand „alles“ für den Seligsprechungsprozess eingeschickt habe und in Saragossa weder Originale noch Fotokopien zurückgeblieben seien. Ich bin allerdings nicht restlos davon überzeugt, dass das stimmt. Denn wenn es Fotokopien gibt, müssen die Originale den Bürgerkrieg überlebt haben, vielleicht sogar das Ende Escrivás. Das heißt, wenn, wie man sicher annehmen kann, das Original noch existiert, wird es in der Prälatur aufbewahrt, und sie kennen es. Meiner Meinung nach hätte es kein Problem bedeuten können, wenn die Hagiographen einfach die Wahrheit gesagt hätten, dass das Original nämlich eine Erlaubnis für 16 Monate erteilt. Dass sich im Register des Dekretale eine irrtümliche Angabe findet und Escrivá diese Angabe über 16 Monate guten Glaubens ausgeschöpft hätte, wäre nichts Schlimmes gewesen. Außerdem besitzt meiner Ansicht nach die Prälatur das Ansuchen Escrivás, das sich im Archiv des Sekretariats von Saragossa befunden haben muss, auch wenn sie dort sagen, dass es sich „in Madrid“ befindet, in den Händen der Betreiber der Seligsprechung. Aus diesem Gesuch müsste hervorgehen, dass Escrivá eine Erlaubnis für 16 Monate oder sogar mehr anstrebte; nachdem die Ziffer unüblich ist, dürfte sie wohl Escrivá vorgeschlagen haben. Mit diesen zwei Dokumenten. Möglicherweise findet sich auf dem Gesuch selbst eine Anmerkung des Erzbischofs zur Dauer der gewährten Frist. So gab es einen Fehler des Schreibers in dem Dokument zur Erlaubnis (falls der Erzbischof sechs Monate gewährt hat), oder im Dekretale (falls der Erzbischof 16 Monate zugelassen hat). In beiden Fällen träfe also Escrivá keine Schuld.
Allerdings hat sich die Prälatur durch ihre Hagiographen und vielleicht auch in der Positio unaufrichtig verhalten, indem sie Dokumente verschwinden ließ und das Archiv des Sekretariats der Diözese Madrid durch Kopien manipulierte, aus denen der tatsächliche Sachverhalt nicht mehr klar hervorgeht. Warum geschah das? Ich habe dafür vier mögliche Erklärungen: 1) Die Autoren der Positio und damit auch die Leiter der Prälatur haben hier eine Vernebelungstaktik durchgeführt; 2) Escrivá hat die Erlaubnis gefälscht; 3) die Leute der Prälatur haben sie gefälscht; 4) die Prälatur hatte keinen Zutritt zum Gesuch Escrivás und konnte nicht entscheiden, ob Escrivá das Dokument gefälscht hat oder ob es einen Fehler im Register gab. Diese letzte Annahme hat wenig Gewicht; wenn man beweisen möchte, dass sich Escrivá korrekt verhalten hat, muss man die vom Erzbischof unterzeichnete Erlaubnis veröffentlichen.
Anders kann ich mir dieses Durcheinander nicht erklären. Es wird aber noch verwirrender, wenn man weiß, dass eine solche Erlaubnis nicht in der Diözese abzugeben war, sondern dass sie der Betreffende bei sich trug, um sie auf Verlangen vorzuweisen. So haben es mir zumindest einige Priester erklärt. Ich konnte das nicht persönlich überprüfen, da das Archiv nicht mit mir kooperieren wollte; und im Jahr 1929 gab es noch keine Fotokopien. Die Leiter der Prälatur müssten erklären, wo sich die Originale der Erlaubnisschreiben aus dem Archiv des Sekretariats der Diözese Madrid befinden. Wenn sie sie haben, wäre es angebracht, sie zurückzugeben und den Historikern zur Verfügung stellen. Wenn sie sie nicht haben, müssen sie erklären, woher die Fotokopien im Archiv kommen.
Schlussendlich glaube ich, dass man, solange keine Dokumentation vorgelegt wird, dem Dekretale folgen muss, und zum Thema der Erlaubnis für Escrivá im Jahr 1929 ein großes Fragezeichen stehen lassen. Wenn die Erlaubnis tatsächlich für einen kürzeren Zeitraum erteilt worden wäre, so hätte das eine gewichtige Konsequenz: Es würde bedeuten, dass Escrivá in Madrid für zehn Monate ein sacerdos vagus gewesen sei.
Der Inhalt der anderen drei Kopien entspricht den Eintragungen im Dekretale. Dennoch gibt es etwas darüber zu sagen. So meint Catalina Nr. 403 vom 20. November 1931:
Jesus hat erneut seinen Esel gestreichelt: wie ich in diesen Catalinas geschrieben habe, bin ich jetzt der Jurisdiktion des Patriarca de las Indias zugeordnet. eben jetzt, da der Bischof von Madrid-Alcalá.von allen Priestern, die in der Hauptstadt wohnen, eine Erklärung hat unterschreiben lassen, die, wie jeder weiß, nur den einen Zweck haben kann: alle Geistlichen, die nicht in dieser Diözese inkardiniert sind, schnellstens in ihre angestammten Diözesen zurückzuschicken. Gott hat es so eingerichtet, dass ich von dieser Maßnahme nicht betroffen bin.
Wir wollen das untersuchen. In Catalina Nr. 294 vom 21. September 1931 sagt er uns: Tag des hl. Matthias 1931 : Ich habe zum ersten Mal die heilige Messe in Santa Isabel gefeiert. Gott sei alle Ehre. Vázquez beschreibt die Situation so4:
Er war damit faktisch der Kaplan von Santa Isabel (…) Die Ernennung durch die zivilen Behörden war noch eine harte Nuss. Er setzte also seine Bemühungen im Herbst fort. (…) Providentiell war allerdings, dass er seinen Verbleib in der Diözese Madrid gesichert sah. Als Kaplan von Santa Isabel war er jetzt der Hofjurisdiktion unterstellt, da es sich um eine Stelle an einem ehemaligen königlichen Stift handelte. Gerade in diesen Tagen hatte der Bischof von Madrid einige extradiözesane Priester in ihre Heimatdiözesen zurückversetzt [und hier zitiert Vázquez die Catalina Nr. 403].
Tatsächlich war der erste Kaplan Don José Cicuéndez (ja, der von der Akademie) erkrankt, und der zweite Kaplan war bereits vor einigen Monaten an ein anderes Stift versetzt worden. Und da Escrivá eingesprungen war und einige Wochen im Konvent ausgeholfen hatte, baten die Nonnen um die Ernennung Escrivás zum zweiten Kaplan. Das sagt Vázquez auf der vorigen Seite (deutsche Übersetzung;: S. 358). Badrinas5 und Escrivá selbst informieren uns besser.
Die definitive Ernennung stand allerdings noch aus, denn es bedurfte der Bestätigung durch die zivilen und durch die kirchlichen Autoritäten, in diesem Fall der Hofjurisdiktion. Badrinas versichert, dass die Ernennung am 20. September von der kirchlichen Autorität bestätigt wurde; so konnte er am nächsten Tag im Konvent bereits die Messe lesen. Aber es ist nicht sicher, dass die Ernennung durch den Patriarchen damals schon erfolgt war. Escrivá selbst erzählt es uns in der Catalina Nr. 295:
Der Pater Sánchez sagte mir, dass er mit dem Herrn Patriarchen gesprochen habe, der mich ermächtigte, die Ernennung für das Stift Santa isabel bei der Regierung zu beantragen. Und mit der Hilfe des Herrn Poveda wurden mir die Erlaubnisse erteilt (22/9/1931).
Ganz offenkundig beschränkte sich der Herr Patriarch darauf zu hoffen, dass Escrivá von der Regierung die Kaplanstelle bekommen würde, um ihn dann kanonisch zu ernennen: Da er es nicht tat. konnte er ihm nicht den Gehalt auszahlen, der ja von der zivilen Autorität abhing.
Das heißt, seit dem 20. September 1931 hing zwar seine Arbeit in Santa Isabel vom Hof ab, nicht aber seine Person, denn als Priester gehörte er der Diözese immer noch nicht an, und er war kanonisch nach wie vor dem Erzbischof von Saragossa unterstellt. Deshalb ist der Satz ich unterstehe jetzt der Jurisdiktion des Patriarchen „de las Indias“ irreführend und betrügerisch. Das ich werde nichts in dieser Richtung unternehmen ist ebenso billig wie berechnend; und zur Krönung kommen dann noch fromme Phrasen wie Jesus hat erneut seinen Esel gestreichelt, oder Gott hat es so gerichtet. Ich habe also mittlerweile eines durch die Leküre der Catalinas über Escrivá gelernt: Wann auch immer ein göttliches Vorzeichen auftaucht, leuchten die Alarmlämpchen auf, denn dann begeht der Heilige erneut einen Betrug.
Ich denke, man kann es auch so sehen, dass sich Escrivá sich seit November 1931 in Madrid auf hielt und dadurch dem Bischof dieser Stadt ungehorsam war.
DAS FEHLENDE PUZZLESTÜCK
Ich hattet diese Arneit schon bis hierher geschrieben, also den Artikel von Rodríguez erneut durchlas, um zu sehen, ob ich die Puzzleteile vielleicht beim zweiten Mal Hinsehen besser zusammenfügen könnte. Und da fiel mir eine merkwürdige Episode auf, die ich anfangs nicht sehr gut verstanden hatte. Es handelt sich um die Bemühungen Escrivás, seiner Freunde und seiner Verwandten, ihm eine Stelle in Cuenca zu verschaffen. Die Quellen beginnen mit einem Brief an Escrivá am 17/7/1928 von Don Joaquín Ayala, Kanonikus und Regens des Seminars in Cuenca, den Escrivá schon seit ihrer Begegnung in der Calle Larra kannte. Laut Rodríguez6 beantwortete Ayala einen Brief Escrivás vom Juni, in dem er ihm von seinem Plan mitteilte, dass er eine Stelle im Domkapitel für ihn habe (jetzt wollte er also doch eine kirchliche Karriere!). Ayala schrieb zurück und klärte ihn über die Prüfungsmodalitäten auf. Rodríguez klärt uns dann darüber auf, dass das Thema in den Briefen Ayalas und in der Korrespondez mit Pou nicht mehr auftaucht. Es handelte sich dabei um eine Sackgasse.
Um das zu verstehen, muss man sich daran erinnern, dass der Bischof von Cuenca Don Cruz Laplana Laguna war, ein Cousin der Mutter Escrivás, und wir wissen schon, dass Escrivá, sein Onkel Carlos und Don Cruz in Saragossa zusammengetroffen waren, als jener letztere Pfarrer von San Gil war. Nun gut, Rodríguez sagt uns auf S. 38, dass Escrivá Anfang Februar 1930 brieflich an Pou wandte und ihn um einen Entwurf für den Brief bat, den er an Ayala zu schreiben gedachte, um die Möglichkeiten zu sondieren, sich in Cuenca zu inkardinieren. Am 12. Februar antwortete Pou dass er hier nicht viele Möglichkeiten sehe und Vorschlug, dass sich Escrivá mit dem Erzbischof von Saragossa ins Einvernehmen setzte. Escrivá antwortete am 23. Februar mit einem langen Brief, in dem er – lt. Rodríguez – die Gründe für diese Inkardination angab: Er musste nicht mehr nach Saragossa zurückkehren und konnte so unangenehme Situationen vermeiden, einen sicheren Stand gewinnen, um seine Studien abzuschließen, in oder bei Madrid leben und seine „Träume von der Ehre Gottes“ in die Tat umzusetzen. Er fügte hinzu, dass er sich bis April Zeit lasse, um diese Frage zu klären.
Deshalb schrieb er am 7. März 1930 erneut einen Brief an Pou, in dem er ihm zustimmt, dass er es angebracht fände, sich in Cuenca inkardinieren zu lassen. Ich will in voller Länge zitieren, was im Artikel von Rodríguez, S. 40, folgt:
Josemaría schickte Joaquín Ayala sofort einen Brief, in dem er Pou zustimmte, der nicht erhalten ist. Ayala antwortete am 5 .und 6. April und der hl. Josemaría erhielt dieses Antwortschreiben am 8: „Ein Brief – so schreibet er in sein Heft – der etwas sehr Wichtiges in meinem Leben lösen sollte“.
Für Josemaría bedeutete das ein Aufatmen. Der Kanonikus teilte ihm mit, dass der Bischof zu seiner Inkardination in Cuenca bereit wäre.
„Der Herr Bischof möchte uns auf den Geschmack bringen und hat die Türen offengelassen, und jetzt ,müssen Sie mir mitteilen, ob es bei Ihrem Wunsch bleibt, und in Ruhe bedenken, ob Sie die Inkardination mit allem, was sie erfordern kann, wirklich wollen. Ich denke, dass wir am Ende erreichen werden, was wir wollen, da er uns nicht drängt. Denken Sie also in Ruhe noch einmal darüber nach und schreiben Sie mir dann.“
Wenn ich das lese, habe ich das Gefühl, ein großes Puzzlestück gefunden zu haben. Ayala übermittelt Escrivá, was ihm der Bischof zu sagen aufgetragen hat, und wir beobachten, dass er ihm insgesamt viermal sagt: warte ein wenig; sag mir, ob er auf seinen Wünschen besteht; überlege es dir in Ruhe; denk noch einmal darüber nach. Und worin besteht der Grund für einen solchen Nachdruck? Dass er sich dazu bereit finde, all das zu akzeptieren, was die Inkardination in Cuenca erfordern könnte. Meiner Auffassung nach klingt das sehr seltsam, dass ein Bischof, der außerdem mit ihm verwandt ist, einem 28-jährigen Priester so oft sagte, dass er das für gut hält. All all das nur, damit er das akzeptiert, was jeder Priester bereits mit seiner Weihe bzw. seiner Inkardination akzeptiert, den Gehorsam gegenüber seinem Bischof. Meine Erklärung ist, dass Don Cruz schon wusste, dass sein Einfluss auf den Erzbischof von Saragossa Escrivá dazu verführt hatte, Perdiguera zu verlassen, auch wenn er dadurch seinen Lebensunterhalt verlor. Er wusste das und wollte dieses Mal nicht noch einmal von seinem Verwandten Escrivá hereingelegt werden, so wie der Erzbischof von Saragossa von ihm betrogen worden war, oder er wollte sogar nicht von seinem Verwandten Escrivá verleumdet werden, so wie vorher der Erzbischof von Saragossa, und das war die Ursache, warum der Priester gegen eine Entscheidung von Don Cruz rebellierte. Man beachte, wie ich oben bereits erwähnt habe, dass Escrivá gegenüber dritten Personen Verleumdungen über Don Carlos Albás und über den Erzbischof geäußert hatte, und dass es durchaus möglich war, dass diese Gerüchte Don Cruz zu Ohren gekommen sein könnten, der ja Freunde in Saragossa hatte, ganz zu schweigen von seinem Cousin Don Carlos Albás zu rechnen, der vier Jahrgänge vor Don Cruz am selben Seminar gewesen war. Und deshalb vermute ich, dass Don Cruz für Escrivá der Hebel gewesen sein konnte, um sich seinem Dienst in Perdiguera zu entziehen. Aber es gibt da noch etwas, wie wir jetzt sehen werden, wobei wir immer die Daten von Rodríguez (S. 41) verwenden.
Escrivá teilte Pou dieses Schreiben von Ayala mit. Aus der sofort erfolgten Antwort Pous lässt sich möglicherweise ableiten, dass er von den Umständen des Weggangs aus Perdiguera Bescheid wusste:
Was deine Angelegenheit betrifft, so glaube ich, wie der Bischof von Cuenca sagt, dass du darüber nachdenken musst, oder besser gesagt, genauer. Wenn du übersiedelst und in Cuenca ohne Anstellung leben musst, was ist dann? Wenn du entgegen seiner Anweisung dort bleibst, um dein Leben einzurichten, bekommst du Streit mit dem Bischof, und ich glaube, dass wenn schon gestritten sein muss, du besser mit dem Erzbischof streitest.
Man muss eines klarstellen: Dass er in Cuenca ohne Beschäftigung leben könne, dachte Pou, würde Escrivá fatal an die Situation in Saragossa erinnern, nachdem er aus Perdiguera weggegangen war, weil er nicht akzeptieren wollte, was die Inkardination erforderte (vgl. den Brief von Ayala). Und wenn du dort bleibst, das heißt, in Madrid (er bemüht sich nicht darauf einzugehen, dass Escrivá ja eigentlich aus Saragossa geflohen ist), wirst du mit dem Bischof von Cuenca Streit bekommen – so interpretiert es Pou – und es ist besser mit dem von Saragossa zu streiten, was du bereits gewohnt bist, als mit dem von Cuenca, und die Liste der Bischöfe zu verlängern, die zu Recht etwas gegen Escrivá hatten. Auf jeden Fall und um dem Leser zu helfen, Pou zu verstehen, merke ich an, dass es nicht gut klingt, wenn er sagt, Escrivá habe Streit mit dem oder jenem Bischof, so als handle es sich um Differenzen unter Gleichgestellten. Es scheint, dass ihm nicht einging, dass Escrivá verpflichtet war, seinen Vorgesetzten zu gehorchen, und dass der Streit einen Ungehorsam bedeutete. Am 6. Juni sprach Pou mit Don Cruz Laplana in Saragossa über das Problem Escrivás. Und Pou teilt ihm noch in derselben Nacht das Ergebnis seiner Bemühungen mit:
Er war damit einverstanden [Don Cruz Laplana] , dass du deine Prüfungen ablegst, um Professor an der Universität oder einem Institut zu werden. Und deshalb brauchst du eine Arbeit, die es dir erlaubt zu studieren, ohne dich der notwendigen Einnahmen zu berauben, die du für den Unterhalt deiner Familie brauchst. Der Bischof meinte, dass eine Professur am Seminar für dich nicht in Frage käme, weil du davon nicht leben kannst. Verwalter in einem Dorf zu sein passt auch nicht, weil du da so viel Arbeit hast, dass du nicht mehr zum Studieren kommst. Am besten ist es dich zum Koadjutor in einem ordentlichen Dorf ernennen zu lassen, da gehen sich für dich 3500 Pesetas im Jahr aus, und ohne große Mühe kannst du dir durch predigt und Unterricht noch ein Zubrot verdienen.
Um das weiter zu konkretisieren, solltest du ihn treffen Er ist jeden Tag um sieben Uhr früh bei den Lazaristen, frag dort nach. […] Er sagte mir auch, dass du dort eine feste Anstellung finden könntest und er würde dir die Erlaubnis geben dort [in Madrid]zu leben, damit du besser studieren kannst.
Wie wir sehen, malte sich Don Cruz zuerst eine bessere Situation aus, aber dann erkannte er, dass sein Verwandter nicht der Mann war, sich einer ernsthaften Prüfung zu stellen. Ich denke, dass er ihm davon sprach, Professor in einem Juristischen Institut zu werden, als sich Escrivá selbst überhaupt nicht darum kümmerte und praktisch keine Chancen auf eine solche Karriere hatte. Aber dann, als der ihm die Wahrheit erzählte, schien er bereit gewesen zu sein, Escrivá zum Koadjutor in einem ordentlichen Dorf zu ernennen, wo er 3500 Peseten im Jahr verdienen konnte. Und schließlich sagte er ihm, dass er ihm eine Aufenthaltsgenehmigung verschaffen könne, wenn er eine feste Arbeit in Madrid fände, mit der er sich den Lebensunterhalt verdienen könne; das heißt, solange er eine gute Beschäftigung hatte, konnte er in Madrid bleiben, aber seine Rückkehr war fix, und im besten Fall konnte er Koadjutor in einem guten Dorf in Cuenca werden, nicht aber in der Hauptstadt. Es wurde aber nichts daraus.
Pedro Rodríguez7 beschäftigt sich anschließend damit, die Fehler der Leitung zusammenzuschreiben, und so berichtet er uns, dass Josemaría damals noch keine endgültige Auskunft geben konnte wegen des kanonischen Wechsels, den er beabsichtigte. Er bezieht sich auf die Inkardination in Madrid oder in Cuenca. Wenn aber Josemaría den Grund wusste, wäre es da nicht besser gewesen, den Vorschlag einer möglichen Inkardination in Cuenca zurückzuweisen? Oder hat er seine Lektion noch nicht gelernt, dass es ihm auch hier sehr wohl blühen konnte, zunächst einmal in eine Landpfarrei geschickt zu werden? Rodríguez sagt darüber nichts, sondern erteilt nur die Auskunft, dass das Projekt zurückgestellt wurde. Klar, denn wenn ihm wieder einmal drohte, aufs Land gehen zu müssen…
Merkwürdigerweise endet die Geschichte um Cuenca nicht hier, denn zwei Jahre später wird die Mutter in dieser Frage initiativ, ohne dass wir wissen, ob das im Einverständnis mit ihrem Sohn geschehen sei oder nicht. Vázquez8 scheint das abzustreiten, denn er spricht von der Armut, in der sie in Madrid leben mussten. Deshalb sagt er Folgendes:
Sein Beichtvater drängte ihn. Doña Dolores drängte ihn. So konnte es nicht weitergehen. Madridwar für sie ein Fegefeuer, jammerte seine Mutter. So musste Doña Dolores auf eine andere Weise versuchen, von der dauernden Armut wegzukommen. Auf der folgenden Seite teilt uns Vázquez mit, dass sie Anfang Februar 1932 an Msgr. Cruz Laplana schrieb, ihm die Situation darstellte und um seinen Rat ersuchte. Durch Ayala erhielt sie die Antwort des Prälaten. Lola – so sagte er – warum kommt mich dein Sohn nicht besuchen? Ich habe eine Stelle als Kanonikus für ihn. Als Escrivá das erfuhr, schrieb er Catalina Nr. 598, wo er den Vorschlag von Don Cruz wie eine teuflische Versuchung darstellt: Dann erinnerte ihn (…) [Satan] an das Kanonikat in Cuenca und er sprach mit Mama, dass ich mich um eine vakante Kanonikus-Stelle an dieser Kathedrale bewerben solle. Escrivá überwand die Versuchung, überzeugt, dass er sein Leben in Madrid führen müsse, und das weckt Zweifel in mir: Warum war das Kanonikat 1932 in Cuenca eine Versuchung, während es die Inkardination in Cuenca 1930 nicht war?
So scheiterte dieser Versuch, und das brachte Doña Dolores und ihre Tochter Carmen, die ihre Lektion gelernt hatten, schlussendlich dazu, dass sich Carmen endlich dazu entschloss eine Arbeit als Lehrerin anzunehmen, die sie dann auch bis Dezember 1933 ausübte.9
Jaume García Moles
(wird fortgesetzt)
1 Decretum circa clericorum frequentiam in laicis universitatibus, S. C. Consistorial, Acta Apostolicae Sedis 10[1918], S. 237-238, § 4.
2 Benito Badrinas Amat, Josemaría Escrivá de Balaguer. Sacerdote de la diócesis de Madrid,AHIg 8(1999), 47-76.
3 El doctorado de San Josemaría en la Universidad de Madrid, SetD 2 (2008) 13-103.
4 Andrés Vázquez de Prada, El Fundador del Opus Dei, Bd. I, 6. Aufl., Rialp, Madrid 2001, S. 378-379.
5 S.58.
6 S. 29.
7 S. 42.
8 S. 402-403.
9 Vázquez, S. 512, Anm. 53.