Simplicius: Nein zur spirituellen Weltlichkeit

 

Ich möchte im Anschluss an die Überlegungen Agustinas über die Enzyklika „Evangelii Gaudium“ von Papst Franziskus einige Passage der Enzyklika zitieren, die mir für das Opus Dei geschrieben zu sein scheinen (Hervorhebungen von mir):

 

Nein zur spirituellen Weltlichkeit

93. Die spirituelle Weltlichkeit, die sich hin­ter dem Anschein der Religiosität und sogar der Liebe zur Kirche verbirgt, besteht darin, anstatt die Ehre des Herrn die menschliche Ehre und das persönliche Wohlergehen zu suchen. Es ist das, was der Herr den Pharisäern vorwarf: »Wie könnt ihr zum Glauben kommen, wenn ihr eure Ehre voneinander empfangt, nicht aber die Ehre sucht, die von dem einen Gott kommt?« (Joh 5,44). Es handelt sich um eine subtile Art, den eigenen Vorteil, nicht die Sache Jesu Christi zu suchen (Phil 2,21). Sie nimmt viele Formen an, je nach dem Naturell des Menschen und der Lage, in die sie eindringt. Da sie an die Suche des An­scheins gebunden ist, geht sie nicht immer mit öffentlichen Sünden einher, und äußerlich er­scheint alles korrekt. Doch wenn diese Mentali­tät auf die Kirche übergreifen würde, »wäre das unendlich viel verheerender als jede andere bloß moralische Weltlichkeit«.

94. Diese Weltlichkeit kann besonders aus zwei zutiefst miteinander verbundenen Quellen ge­speist werden. Die eine ist die Faszination des Gnostizismus, eines im Subjektivismus einge­schlossenen Glaubens, bei dem einzig eine be­stimmte Erfahrung oder eine Reihe von Argu­mentationen und Kenntnissen interessiert, von denen man meint, sie könnten Trost und Licht bringen, wo aber das Subjekt letztlich in der Im­manenz seiner eigenen Vernunft oder seiner Ge­fühle eingeschlossen bleibt. Die andere ist der selbstbezogene und prometheische Neu-Pela­gianismus derer, die sich letztlich einzig auf die eigenen Kräfte verlassen und sich den anderen überlegen fühlen, weil sie bestimmte Normen einhalten oder weil sie einem gewissen katholi­schen Stil der Vergangenheit unerschütterlich treu sind. Es ist eine vermeintliche doktrinelle oder disziplinarische Sicherheit, die Anlass gibt zu einem narzisstischen und autoritären Elite­bewusstsein, wo man, anstatt die anderen zu evangelisieren, sie analysiert und bewertet und, anstatt den Zugang zur Gnade zu erleichtern, die Energien im Kontrollieren verbraucht. In beiden Fällen existiert weder für Jesus Christus noch für die Menschen ein wirkliches Interesse. Es sind Erscheinungen eines anthropozentrischen Im­manentismus. Es ist nicht vorstellbar, dass aus diesen schmälernden Formen von Christentum eine echte Evangelisierungsdynamik hervorge­hen könnte.

95. Diese bedrohliche Weltlichkeit zeigt sich in vielen Verhaltensweisen, die scheinbar einander entgegengesetzt sind, aber denselben Anspruch erheben, „den Raum der Kirche zu beherr­schen“. Bei einigen ist eine ostentative Pflege der Liturgie, der Lehre und des Ansehens der Kirche festzustellen, doch ohne dass ihnen die wirkliche Einsenkung des Evangeliums in das Gottesvolk und die konkreten Erfordernisse der Geschichte Sorgen bereiten. Auf diese Weise verwandelt sich das Leben der Kirche in ein Mu­seumsstück oder in ein Eigentum einiger weni­ger. Bei anderen verbirgt sich dieselbe spirituelle Weltlichkeit hinter dem Reiz, gesellschaftliche oder politische Errungenschaften vorweisen zu können, oder in einer Ruhmsucht, die mit dem Management praktischer Angelegenheiten verbunden ist, oder darin, sich durch die Dynami­ken der Selbstachtung und der Selbstver­wirkli­chung angezogen zu fühlen. Sie kann auch ihren Ausdruck in verschiedenen Weisen finden, sich selbst davon zu überzeugen, dass man in ein in­tensives Gesellschaftsleben eingespannt ist, an­gefüllt mit Reisen, Versammlungen, Abendessen und Empfängen. Oder sie entfaltet sich in einem Manager-Funktionalismus, der mit Statistiken, Planungen und Bewertungen überladen ist und wo der hauptsächliche Nutznießer nicht das Volk Gottes ist, sondern eher die Kirche als Organi­sation. In allen Fällen fehlt dieser Mentalität das Siegel des Mensch gewordenen, gekreuzigten und auferstandenen Christus, sie schließt sich in Eli­tegruppen ein und macht sich nicht wirklich auf die Suche nach den Fernstehenden, noch nach den unermesslichen, nach Christus dürstenden Menschenmassen. Da ist kein Eifer mehr für das Evangelium, sondern der unechte Genuss einer egozentrischen Selbstgefälligkeit.

96. In diesem Kontext wird die Ruhmsucht derer gefördert, die sich damit zufrieden geben, eine gewisse Macht zu besitzen, und lieber Ge­neräle von geschlagenen Heeren sein wollen, als einfache Soldaten einer Schwadron, die weiter­kämpft. Wie oft erträumen wir peinlich genaue und gut entworfene apostolische Expansions­projekte, typisch für besiegte Generäle! So ver­leugnen wir unsere Kirchengeschichte, die ruhm­reich ist, insofern sie eine Geschichte der Opfer, der Hoffnung, des täglichen Ringens, des im Dienst aufgeriebenen Lebens, der Beständigkeit in mühevoller Arbeit ist, denn jede Arbeit ge­schieht „im Schweiß unseres Angesichts“. Statt­dessen unterhalten wir uns eitel und sprechen über „das, was man tun müsste“ – die Sünde des „man müsste tun“ – wie spirituelle Lehrer und Experten der Seelsorge, die einen Weg weisen, ihn selber aber nicht gehen. Wir pflegen unsere grenzenlose Fantasie und verlieren den Kontakt zu der durchlittenen Wirklichkeit unseres gläubigen Volkes.

97. Wer in diese Weltlichkeit gefallen ist, schaut von oben herab und aus der Ferne, weist die Pro­phetie der Brüder ab, bringt den, der ihn in Frage stellt, in Misskredit, hebt ständig die Fehler der anderen hervor und ist besessen vom Anschein. Er hat den Bezugspunkt des Herzens verkrümmt auf den geschlossenen Horizont seiner Imma­nenz und seiner Interessen, mit der Konsequenz, dass er nicht aus seinen Sünden lernt, noch wirk­lich offen ist für Vergebung. Es ist eine schreck­liche Korruption mit dem Anschein des Guten. Man muss sie vermeiden, indem man die Kirche in Bewegung setzt, dass sie aus sich herausgeht, in eine auf Jesus Christus ausgerichtete Mission, in den Einsatz für die Armen. Gott befreie uns von einer weltlichen Kirche unter spirituellen oder pastoralen Drapierungen! Diese erstickende Weltlichkeit erfährt Heilung, wenn man die reine Luft des Heiligen Geistes kostet, der uns davon befreit, um uns selbst zu kreisen, verborgen in einem religiösen Anschein über gottloser Leere. Lassen wir uns das Evangelium nicht nehmen!