Gervasio: Gelübde, Vertrag, Profess, Oblation

14. Februar 2014

 

Der Jesuit Francisco Suárez (1548-1617) weist der Profess der Ordensleute einen Vertragscharakter zu; allerdings steht er damit nicht allein, sondern er vertritt eine allgemein verbreitete Meinung, er legt lediglich einen besonderen Nachdruck auf den Vertragscharakter der Profess. Andere sprechen von einem Quasi-Vertrag  oder besser von einem institutionel­len Vertrag. Bei der Profess der Ordensleute - und zwar sowohl bei der zeitlichen wie bei der ewigen – gibt es eine Hingabe und eine traditio des Professen an die Institution, die ihn aufnimmt. Beide sind hierzu notwendig...

Die religiose Profess unterscheidet sich vom Gelübde, auch wenn es in der Mehrzahl der Fälle mit den drei Ordensgelübden einherzugehen pflegt, meistens Armut, Keuschheit und Gehor­sam, manchmal mehr als drei, manchmal weniger. Es handelt sich dabei allerdings um etwas anderes, und der Codex von 1917 behandelt beides, ebenso wie der von 1983, in getrennten Abteilungen. Im Codex von 1984 behandeln die Canones 654 ff. die religiose Profess, während die Canones  1191 ff. von den Gelübden und Eiden handeln. Bei Erreichen des Vernunftgebrauchs – hierfür nimmt man ein Lebensalter von sieben Jahren für ausschlaggebend -  kann man Eide und Gelübde ablegen. Für eine gültige Profess hingegen muss man u. a. 18 Jahre alt sein. Die Erfordernisse, deren Nichtzustandekommen ein Gelübde nichtig machen, sind von denen, die eine Profess ungültig machen, klar unterschieden.

Das kanonische Recht verbietet es, mehreren dieser Institutionen zugleich anzugehören; man kann etwa nicht gleichzeitig Franziskaner und Klaretianer sein., man kann aber sehr wohl von der einen zur anderen übertreten. Gelübde kann man hingegen kumulieren. Ich erinnere mich, den hl. Josefmaria sagen gehört zu haben: „Ich bin kein Anhänger der Gelübde. Ich habe aufgehört, welche zu machen, und ich hatte sie gemacht, bis zu neun.“ Das sagte er mit dem Humor eines Menschen, der über sich selbst lachen kann.

Den Gelübden fehlt der Widerpart, sie haben nichts mit Verträgen gemein. Sie sind ein Versprechen, das man Gott gegenüber abgelegt hat,  und sie verpflichten nur im Herzen, ohne dass es einer äußeren Handlung bedarf, die von andren wahrgenommen werden kann. Im Opus Dei gedenkt man, so wie in einigen Instituten des geweihten Lebens, des Datums der endgültigen Eingliederung mit einem Ring, der das betreffende Datum trägt. Im Opus Dei kennt man den Fidelitas-Ring, der üblicherweise aus Gold ist.

Üblicherweise unterscheidet man  zwischen der „Leitungsgewalt“, die, wie Canon 129 besagt, in der Kirche aufgrund göttlicher Einsetzung existiert,  und der Jurisdiktionsgewalt, die es in der Kirche ebenso gibt, aber aufgrund menschlicher Einsetzung. Von dieser ist in den Canones  617 ff. unter dem Titel Leitung der Institute die Rede. Die erste Gewalt kommt von Christus, der sie den Aposteln und deren Nachfolgern anvertraut hat; die zweite rührt von einem Vertrag her. Während alle Christen der Gewalt des Papstes und der Bischöfe aufgrund der besonderen kirchlichen Ämter  unterworfen sind, unterstehen diejenigen, die in einem Orden die Profess abgelegt haben, der Ordnung in der betreffenden Institution. Das bedeutet, sie haben zusätzlich einen Oberen, dem sie sich durch einen Vertrag unterstellt haben. Diese Unterordnung kann aus bestimmten Gründen ausgesetzt werden, und zwar auch nach der Ewigen Profess.  

Während die göttliche Institution nur eine einzige Hierarchie hat, kennen die menschlichen Institutionen zahlreiche; Jesuiten, Passionisten, Klaretianer, das Werk des Heiligsten Herzens. Es gibt tausenderlei Nonnen. Die Dominikaner müssen den Jesuitengenerälen nicht gehorchen, nicht einmal einem Vorschlag von ihrer Seite. Aber alle müssen der normalen Hierarchie der Kirche gehorchen, jener Institution, die Jesus Christus gestiftet hat.

In seinem Eifer, all dem auszuweichen, was nach klösterlichem Leben riecht, ließ Escrivá in seinem Opus Dei keine Gelübde zu, also Versprechen, die Gott gegenüber gemacht. werden. Unsere Sache ist etwas anderes, ein ziviler Vertrag, ließ er vage verlauten, ohne näher darauf einzugehen.  Damit unterstrichen meiner Auffassung nach Escrivá und del Portillo in ihrer Unwissenheit, die sich in ihrem Arbeitszimmer eingesperrt hatten und sich über die Verfassung des Werkes mit keinem kompetenten Außenstehenden berieten, dass die Eingliederung in das Opus Dei gerade durch ihren Vertrags-Charakter dieselbe Natur hat wie die Profess der Ordensleute. 

In Nt. 61 der 7. Auflage des Katechismus des Werkes von 2003 – das ist die letzte Auflage, die mir verfügbar ist – heißt es: Wer die Admission macht, drückt damit den Wunsch aus, sich vollkommen im Werk hinzugeben, im Dienst an der Heiligen Kirche und an der ganzen Menschheit. Aber genau darin besteht die Profess: Wenn man sich einer Institution hingibt, so wie diesfalls dem Opus Dei, so ist dies damit eine Institution des geweihten Lebens. Die „Hingabe“ wird im Werk groß geschrieben.

- Lebst du die Hingabe? Ich erinnere mich, diese Frage aus dem Mund eines Priesters des Opus Dei gehört zu haben, der mein Innenleben tiefer kennenlernen wollte.

Der Unterschied zwischen einer Profess und der Eingliederung in das Opus Dei, den man beachten muss, besteht darin, dass die letztere durch kein Gelübde bekräftigt wird. Ein Gelübde zu erfüllen, so sagen die Theologen, bedeutet, die Tugend der Religion zu leben. Deshalb kommt auch die Bezeichnung Profess der Religiosen , da sie von Gelübden begleitet zu sein pflegt. Die Profess im Opus Dei erfolgt ohne Garnierung; sie hat aber genau denselben Charakter der Hingabe, im speziellen Fall einer Hingabe an das Opus Dei. Kein e Gelübde  gibt es auch in den „Gesellschaften des Apostolischen Lebens“ (Vgl. Canon 731). Auch wenn es keine Gelübde gibt, entspricht die Profess im  Opus Dei – als Numerarier, Assoziierter etc. ganz der in einer „Gesellschaft des apostolischen Lebens“. Sie hat allerdings sehr wenig mit einem zivilrechtlichen Vertrag zu tun, sondern sie ist im Kontext des kanonischen Rechts zu betrachten.

Nr. 74 des Katechismus des Werkes führt hierzu näher aus:  Die Gläubigen, die sich in das Opus Dei inkorporieren, verpflichten sich, unter der Jurisdiktionsgewalt des Prälaten und der übrigen zuständigen Autoritäten der Prälatur zu bleiben, und  alle Verpflichtungen einzuhalten, die die Umstände eines Numerariers, Assoziierten oder Supernumerariers mit sich bringen.

Erneut haben wir eine volle Übereinstimmung mit der Profess der Ordensleute. Beide wählen sich neue, spezielle Obere, unbeschadet der Tatsache, dass sie unter der Jurusdiktion des Papstes und der Bischöfe bleiben, und die Eingliederung erfolgt auf ein Jahr oder für immer.

Trotzdem ist die Parallele, die Nr. 10 dieses Katechismus zieht, nicht die zwischen der Eingliederung in das Opus Dei und der in eine Institution des geweihten Lebens, sondern der Abschnitt vergleicht sie mit der Eingliederung in die ordentliche Hierarchie der Kirche. Das ist allerdings lächerlich. Wie lesen: Etwas Vergleichbares gibt es auch in anderen hierarchischen Strukturen, z. B.  den Wechsel der Kirche eines Ritus; die Inkorporation von Personen in ein Militärordinariat, deren Familien nicht der Armee angehören; den Wechsel der Inkardination in eine Diözese von Seiten der Priester etc. Auch der Heilige Stuhl hat eine persönliche Apostolische Administration errichtet, in die sich Gläubige nur durch einen Willensakt inkorporieren können. Das ist unglaublich gekünstelt und an den Haaren herbeigezogen! Die Eingliederung in das Opus Dei entspricht in einer vollkommenen Parallelität der in ein Institut des geweihten Lebens.

Bei den Beispielen, die der Katechismus des Opus Dei anführt – Militärdiözesen etwa -  besteht die Willenserklärung lediglich darin, die Zugehörigkeit zu einer Diözese durch die zu einer andere zu ersetzen.

Der Vertrag bei der Eingliederung in das Opus Dei entspricht genau der Eingliederung in ein Institut des geweihten Lebens. Die Erfordernisse entsprechen einander vollkommen: Das Mindestalter sind 18 Jahre, Gewalt und Furcht müssen ausgeschlossen sein  etc. Die Canones 654-658, die die Profess der Religiosen und die Art der Eingliederung in das Opus Dei regeln, entsprechen einander genau; nach einer einjährigen Probezeit erfolgt die Aufnahme (Oblation, zeitliche Profess) und dann die definitive  (Fidelitas, ewige Gelübde) mit Ring etc. Niemand gliedert sich auf eine solche Weise in eine Apostolische Administration oder in eine Diözese ein. Auch wenn die Eingliederung in eine Militärdiözese oder in eine Apostolische Administration Vertragscharakter haben mögen, unterscheiden sich diese doch sehr stark von der Eingliederung in das Opus Dei oder in ein Institut des geweihten Lebens, und sie erfolgen nicht, wie im Fall des Opus Dei und der Institute des geweihten Lebens, in drei Abschnitten: Admission, Oblation und Fidelitas.

Ich habe den Eindruck, dass dabei mit einer Geheimhaltung wie bei der Entwicklung der Atomwaffen vorgegangen wurde, bei der Reform der Statuten von 1950 wie bei der Vorbereitung der „endgültigen juridischen Lösung“, dass man sich allen wohlgemeinten Ratschlägen verschloss und dass das Ergebnis irgendwo zwischen einer naiven Stümperei und einem schlaubergerischen Gehabe liegt.

Ich gebe ein bezeichnendes Beispiel in einem Punkt, der wenig Bedeutung hat. Nr. 69 des Katechismus des Werkes formuliert diese Frage: Welche Umstände könnten die Freiheit nehmen, in das Werk inkorporiert zu werden? Und die Antwort lautet: Furcht und Gewalt sind praktisch unmöglich, denn das Werk verlangt von seinen Mitgliedern eine freiwillige Beharrlichkeit, und dass jeder einzelne dem Ruf Gottes entspricht, weil le da la gana, weil es ihm so taugt, und das ist der übernatürlichste Grund; und weil man danach ausdrücklich fragt, bevor der Vertrag geschlossen wird.

Furcht und Gewalt können en Akt der Eingliederung in das Opus Dei nichtig werden lassen, und das entspricht Canon 572 des alten und Canon  656 des aktuellen Codex, wo von der Profess in einem Orden die Rede ist, die von Furch oder Gewalt beeinträchtigt sein kann, wenn etwa Eltern oder ein Vormund den Eintritt in einen Konvent durchsetzen wollen, ebenso wie sie Zwang auf die Schließung einer bestimmten Ehe ausüben  könnten. Wer auch immer die Nr. 69 des Katechismus des Werkes redigiert haben mag, er hatte diese Tatsache wohl nicht präsent; außerdem – wie der Schelm denkt, so ist er! – verteidigt sich das Werk hier gegen den Vorwurf, selbst Gewalt auszuüben, wo doch in den betreffenden Canones  von Gewalt durch Dritte die Rede ist. Herausgekommen ist eine Beteuerung wie etwa diese:

- Ich bin kein Wucherer. Was ich tue, ist, Geld zu sehr hohen Zinsen zu verleihen, und das ist etwas ganz anderes, und wenn ich das nächste Mal jemandem mit Geld zu sehr hohen Zinsen aushelfe, werde ich es unter der ausdrücklichen Bedingung tun, nicht als Wucherer betrachtet zu werden.

Das Opus Dei braucht das Licht und die Meinung von Experten, die auf ihre Finten nicht hereinfallen; denn solche Fachleute haben beispielsweise ja auch während des Zweiten Vatikanischen Konzils die Rechtsfigur der Personalprälatur geschaffen, die allerdings keine Prälatur des geweihten Lebens ist. Die Anstrengungen, daraus jetzt auch noch einen Teil der Hierarchie der Kirche machen zu wollen, sieht für mich so aus wie ein kreißender Berg, der ein Mäuschen gebiert; vorzugeben, dass die Schöpfung Escrivás eine Institution der ordentlichen Hierarchie der Kirche sein soll, ist lachhaft. 

Gervasio