Ein überflüssiges Buch

 

Ein BILD-Journalist als Ghostwriter schreibt ein besinnliches Geschenk-Bändchen als Erstinformation aus dritter Hand über das Opus Dei:

Martin Lohmann: Ganz einfach heilig. Cesar Ortiz erzählt über seinen heiligen Freund Josemaría Escrivá. Kißlegg: Christiana-Verlag 1. Auflage 2014

Das Gegenteil von „normal“ ist offenkundig „provozierend überraschend normal“ – so verkündet der Umschlagtext das Anliegen des Buches, in dem Opus-Dei-Mitglieder einander zitieren und rührende Bilder von einem gebrechlichen alten Pfarrer, Jesus am See Genezareth, von nachdenklichen Menschen und Spuren im Schnee in romantischen Seelen eine Bresche der Sympathie für den militanten spanischen Orden schlagen möchten.  Das Büchlein verrät dabei viel über das Opus, für das es raunend werben möchte (S. 6: „Dieses Buch ist nichts Normales. Weil es das Normale für möglich hält und weil es zum Bodenkontakt einlädt.“): Es ist, so wie jenes, reine Fassade, ein netter Prospekt. Untersuchen wir seine Methode, das sich durch sein Querformat, die großen Überschriften und die Binsenweisheiten („Liebe und Leid gehören zusammen.“) als Mitbringsel für Tanten empfiehlt:

1) Eine halbe Wahrheit ist eine ganze Lüge: Escrivá war kein „Freund“ des zitierten Zeitzeugen Cesar Ortiz, ebensowenig, wie er „mild“ oder ein Vater“ war. Wer seine Mitarbeiter erniedrigt, ausnutzt und sich von ihnen mit Kniefall huldigen lässt, verdient diesen Titel nicht. Wer einen der „letzten Zeugen“ (S. 23) zu Escrivás Leben hören will, kann sich an María del Carmen Tapia wenden, die Jahre an der Seite des „Gründers“ gelebt hat und die Unfassbares über die sprichwörtlichen Wutausbrüche des Chefs zu berichten weiß; man hätte sich auch an den in Wien stadtbekannten Pfarrer Prälat Torelló wenden können, der ebenso wie die Mitarbeiter Escrivás der ersten Stunde, Joaquín Frances in Barcelona, Francesco Angeliccio in Verona und Josep Orlandis in Palma de Mallorca weggesperrt wurde, damit keine unerwünschten Nachrichten über den „Heiligen“ nach außen dringen (vgl. „Es scheint, als hättet Ihr beschlossen, mich zu liquidieren“. KIRCHE IN, 25. Jh., Nr. 11, 2. November 2011, S. 20-22)

2) Das Buch entspricht der Strategie der Öffentlichkeitsarbeit des Opus. Man redet erst, wenn man gar nicht mehr anders kann. Als das Werk im Jahr 1989 drei seiner Professoren eine (übrigens höchst unseriöse) Arbeit über die Rechtsgeschichte der Institution schreiben ließ und damit erstmals seine Statuten offenlegte, war dies nur eine stillschweigende Entgegnung der „Appunti“  des italienischen Kirchenhistorikers Giancarlo Rocca. Ortiz darf Erinnerungen an seinen Guru präsentieren, damit sich die Naiven aus dem Umfeld des Opus Dei mit seinen Anekdoten beschäftigen und sich nicht fragen, warum eine Reihe von Zeugen aus der Umgebung Escrivás gar nicht erst zum Heiligsprechungsprozess beigezogen worden sind.

3) Die Chuzpe beginnt bei der Widmung; mit der Nennung der Päpste Benedikt und Franziskus wird eine Einheit suggeriert, die nur Wunschdenken ist. Benedikt verhinderte durch seine Intervention die Errichtung des Opus als „Personal­diözese“, Papst Franziskus bezeichnete das Opus in einer Predigt am 6. Mai 2014 in der Kapelle der hl. Martha als Sekte (bei 2’53 “ der unter  Youtube https://www.youtube.com/watch?v=vKX_VQ-fRoE (Klicke: Link in neuem Tab öffnen) verfügbaren Predigt heißt es: „Bin ich ein Christ, ein Zeuge Jesu, oder einfach nur ein Numerarier dieser Sekte?)

4) Der Menschenfischer verhüllt seine Absicht hinter  einem aufgesetzten Lächeln und einer ebensolchen Naivität: Dass er den Gründer zunächst für einen alten Mann gehalten hatte, wird ausgewalzt (S. 31), dass Ortiz bei seiner Priesterweihe mit Tränen in den Augen ein Alabasterfenster im Petersdom betrachtet habe, ist eine unerträglich alberne Sentimentalität, die vergessen machen soll, dass sich die Elite des Werkes als gefühlskalte Miliz versteht.

Von seinen „Kindern“ erwartete Josemaría Escrivá, dass sie sich „wie eine Zitrone auspressen" lassen – dass man die Zitrone dann noch ein zweites oder drittes Mal auspresst, war keine gute Idee.

Dietmar Scharmitzer
Assoziierter des Opus Dei von 1982 bis 1992